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AERONAUTISCHES ZWISCHENSPIEL

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Noch jahrelang bemüht sich Thun vergeblich um Anerkennung für seine Erfahrungen, die er in der Gablidone-Brüderschaft gemacht hat. Auch der ersehnte neue „Rechner“, der den Namen „Masson“ tragen soll, erscheint nicht und so entdeckt er schließlich ein neues Steckenpferd: die Aeronautik. Die Luftschifffahrt ist die technische Sensation jener Tage, für den wachen Geist des Grafen die richtige Herausforderung. Gemeinsam mit einem Baron Lütgendorf geht er nach Augsburg, im August und September 1786 wollen sie hier mit einer großen Montgolfière zu einer Luftreise aufsteigen. Glaubt man Wilhelm Ludwig Weckhrlin, der in seiner Zeitschrift Das graue Ungeheuer (8. Band) über die große „Mystification zu Augsburg“ berichtet, so hat der Graf mit seinem Gefährten nicht die beste Wahl getroffen – Lütgendorf, der aus Franken stammt, gilt als Abenteurer, der ihm, wie Brabbée vermutet, „den Beutel tüchtig fegen will“. Zur Illustration seines Urteils erzählt Weckhrlin noch eine Episode vom Wiener Aufenthalt Lütgendorfs: Wie Christus auf dem Meere wollte dieser offenbar über die Donau gehen, sei dabei aber fast ertrunken, die Wiener mussten ihn aus dem Wasser ziehen.


Berichtet in seiner Zeitschrift „Das graue Ungeheuer“ aus Augsburg: Wilhelm Ludwig Weckhrlin.

Der Aufstieg der Montgolfière ist ursprünglich für den 25. August 1786 geplant, wird aber von Regen verhindert, dann zeigen sich plötzlich mysteriöse Löcher in der Ballonhaut – Gerüchte werden laut, dass Lütgendorf die Schäden aus Angst vor der Luftreise selbst bewerkstelligt habe. Der Aufstieg muss zum Leidwesen des ungeduldigen Publikums jedenfalls neuerlich verschoben weden. Weckhrlin schildert seinen Lesern die Lage in Augsburg:

„4. September. Morgen soll ein neuer Versuch gemacht werden. Graf Thun, der berühmte Wissenschafts-Enthusiast, der den Künstler in Schutz genommen, besteht darauf. Dieser Herr ist einer der fleissigsten Grossen unserer Nation, leidenschaftlicher Priester im Tempel der Musen, und für sein Lieblingsfach, Physik und Mathematik, Professor. Er ist’s, der die Physiognomik, eine Theorie, die uns einst Ehre machen wird, wenn sie, so wie alle andern, dem Spott genugsam gezollt hat, in Schutz nahm, und sich dadurch ein Denkmal in den Fragmenten Lavater’s erwarb. Nächstdem ein edler und liebenswürdiger Charakter voll Licht und Güte. Und dieser Charakter ist kein Gemeingut der heutigen Epoche in Oesterreich. Graf Thun philosophirte und studirte schon in Theresianischen, d. i. in Zeiten, wo der (sic!) Genie nicht in der Mode war. Ein Verdienst mehr!“ – Mit dem Aufstieg scheint es aber auch am 5. September nicht geklappt zu haben, denn Weckhrlin nennt Lütgendorf später einen „Betrüger der niedrigsten Klasse“, der mit Fleiß dem Burgunder zuspricht, während die Augsburger noch immer auf das Ballonspektakel warten – das geplante aeronautische Abenteuer wird zum Fiasko.

Lütgendorfs und Thuns Wege trennen sich in der Folge, der Sommer des Jahres 1787 sieht den Grafen in Karlsbad, wo er die hier versammelte haute volée mit neuen Ideen unterhält. In einem „Schreiben aus Karlsbad“ vom 6. Juli 1787 berichten die österreichischen Provinzial-Nachrichten: „Vorige Woche wurde auf einem Balle von dem in Erfindung und schönen Geschmack berühmten Herrn Grafen von Thun ein ganzes Schachspiel von Masken vorgestellt und so, wie man sagt, auch wirklich von zwei Kavalieren gespielt; sie waren beide im Nebenzimmer und riefen bloß die Nummern der Statisten aus, die, so oft eine gehoben wurde, von zween Masken abgeführt ward.“ Gleich darauf gibt Thun wieder den Mann der Wissenschaft, und zwar den „Professor der Physik“. Angeblich hat er eine Maschine entwickelt, die jene „Luft“ auffängt, die aus dem Karlsbader Sprudelwasser entweicht. Das Experiment findet in Gegenwart mehrerer Ärzte statt, Ziel ist es herauszufinden, wie viel das Karlsbader Mineralwasser „verlieren muss, wenn es in die entfernten Häuser getragen wird“. (Zitiert nachProvinzial-Nachrichten, 8. August 1787)

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