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FÄRÖER

„WARUM SEID IHR JETZT SO GUT?“

Als Allan Simonsen Trainer wurde, hatten die Färöer ein Torverhältnis von 1:50. Das ist viel besser geworden.


Allan Simonsen als Nationalmannschafts-coach der Färöer im Jahr 2000.

Foto: imago

Gladbach in den siebziger Jahren? Das war Netzer, das war Heynckes, das waren Kleff, Wimmer und Bonhof. Und das war: Allan Simonsen. Der Däne, der von Vejle BK gekommen war, stürmte von 1972 bis 1979 für Borussia Mönchengladbach – in dieser Zeit wurde Gladbach dreimal Meister und gewann zweimal den UEFA-Cup. Der wendige Simonsen, nur 1,65 m groß, aber trotzdem kopfballstark, steuerte 76 Tore bei. 1977 erhielt Simonsen den Ballon d’Or, mit dem die Zeitschrift France Football bis 2006 Europas Fußballer des Jahres auszeichnete (seit 2007 der Weltfußballer des Jahres). Er ist bis heute der einzige Skandinavier, dem diese Ehre zuteil wurde. 1979 zog er weiter zu einem sehr großen Verein: zum FC Barcelona. Später wurde Allan Simonsen Trainer – zwischen 1994 und 2001 betreute er die Nationalmannschaft der Färöer.

Die Färöer sind für Mitteleuropäer etwas Exotisches – die Inseln, aber auch die Fußball-Nationalmannschaft . Was war denn das Erstaunlichste, das Lustigste, das Unvergesslichste, das Sie dort erlebt haben? Simonsen: Na ja, exotisch ist schon der Flughafen mit seiner kurzen Landebahn und einem Landeanflug an Bergen entlang. Wenn es windig war – und das war es oft – gab es schon Probleme. Aber das Besondere auf den Färöern ist eigentlich die Chance, die man als Trainer dort hat. Mit diesen Leuten zu arbeiten, das ist das Exotische. Ich hatte eine Carta Blanca, ich konnte tun und lassen, was ich wollte – für einen Trainer ist das Gold wert.

Sie reden von den Rahmenbedingungen, von dem, was Ihnen der Verband gestattet hat. Wie war es mit den Spielern?

Simonsen: Fantastisch, die hatten einen unglaublichen Biss. Und sie haben alles gemacht, was ich wollte, bei denen gab es keine Fragezeichen. Wenn ich gesagt hätte, dort ist eine Wand, rennt mit den Kopf durch, dann hätten sie das gemacht.

Auf welchem Niveau haben sie denn gespielt – verglichen mit Deutschland. Zweite Bundesliga? Dritte Liga?

Simonsen: Dritte Liga würde ich sagen.

Spielten denn einige Nationalspieler auch in anderen Ligen, waren sie Profis in Dänemark, Norwegen oder Schweden vielleicht?

Simonsen: Am Anfang, als ich kam, 1994, hat keiner im Ausland gespielt, alle waren bei den färingischen Vereinen. Ich glaube, einer oder zwei haben in Dänemark studiert, das war aber alles. Später hat sich das geändert.

Sie hatten, bevor Sie auf die Färöer gingen, einen dänischen Erstligisten trainiert. War der Unterschied zu den färingischen Fußballern sehr groß?

Simonsen: Am Anfang musste ich anders trainieren – sie waren es nicht gewohnt, so hart zu arbeiten, wie ich es gerne wollte. Ich musste am Anfang Kompromisse machen. Auch technisch und taktisch hatte viel gefehlt, ich musste langsam und ruhig aufbauen.

Wann haben Sie Fortschritte bemerkt?

Simonsen: Nach zwei Jahren war eine deutliche Entwicklung da, alles wurde viel besser, das Niveau wurde höher, wir haben gegen gleichwertige Gegner plötzlich gewonnen und schafften die eine oder andere Überraschung gegen bessere Gegner: Unentschieden gegen Schottland oder die Slowakei, ein knappes 1:2 in Spanien in der EM-Qualifikation. Da haben mich dann viele aus dem Ausland angerufen und gefragt: „Was ist da los bei euch, warum seid ihr jetzt so gut?“ Und ich sagte: „Ja, das hat sich gut entwickelt.“ Es gab dann auch ausländische Anfragen für die Spieler, einige gingen schließlich nach Norwegen, nach Dänemark, nach Schweden – wo sie noch besser geworden sind. Unsere Resultate übrigens auch. Ich würde sagen, nach drei oder vier Jahren haben sechs unserer Nationalspieler im Ausland gespielt.

Wer war Ihr bester Spieler?

Simonsen: Das war Todi Jónsson, der beim FC Kopenhagen gespielt hat.

Ein Stürmer.

Simonsen: Ja, ein Vollblutstürmer, ein Linksfuß, technisch sehr stark.

Haben sich die Spieler verändert, als sie im Ausland spielten? Sind sie selbstbewusster geworden, vielleicht auch überheblicher?

Simonsen: Selbstbewusster ja, überheblicher nein. Keiner ist dort überheblich, das ist nicht ihre Mentalität. Die Färinger kämpfen dort oben im Atlantik jeden Tag, die kämpfen um ihre Existenz, um ihr wirtschaftliches Überleben. Man hat dort gelernt zu kämpfen, zu überleben, das sah man auch auf dem Fußballplatz, das sah man in jedem Training. Die werden nicht überheblich, das sind fast alles nette Leute.

Sie waren acht Jahre Trainer der Färöer. Was hat sich in dieser Zeit verändert, was haben Sie konkret verändert?

Simonsen: Ich hatte ja freie Hand, und ich habe langsam alles verändert. Das fing schon damit an, dass sie anfangs nur von Mai bis Anfang September Fußball gespielt haben. Ich habe das dann jedes Jahr um 14 Tage oder eine Woche ausgedehnt, am Ende haben wir schon im Januar angefangen zu trainieren. Und gespielt haben sie dann von April bis Oktober. Wir haben alles besser geplant und alle haben mitgezogen. Ich hatte deswegen aber mal Probleme mit dem Handball-Verband.

Weil Ihre Fußball-Nationalspieler im Winter Handball in der Halle spielten und das dann mit Ihren Veränderungen kollidierte?

Simonsen: Genau.

Haben Sie auf den Färöern gelebt?

Simonsen: Nein, in Dänemark. Ich bin oft hingeflogen, daher kenne ich den kuriosen Flughafen sehr gut. Und ich bin dann jedes Mal zwischen fünf und zehn Tage dort geblieben.

Kamen die Fußballer mal zu Trainingslagern nach Dänemark?

Simonsen: Nein, wir waren meistens in Spanien im Trainingslager (Simonsens zweite Heimat, Anm. d. Autors), und einmal waren wir in der Türkei.

Wenn Sie eine Bilanz ziehen von Ihren acht Jahren auf den Färöern: Waren Sie zufrieden mit der Entwicklung?

Simonsen: Ja, ich war sehr, sehr zufrieden. Man hat eine ganz deutliche Entwicklung bei der Nationalmannschaft gesehen. Und ich bin nicht nur von dem färingischen Sportverband mit einer goldenen Nadel ausgezeichnet worden für meine Arbeit, auch in Dänemark und im anderen Ausland gab es viel Lob – alle hatten die guten Resultate gesehen. Als ich anfing, hatten die Färöer in der WM-Qualifikation ein Tor geschossen und über 50 kassiert. Aber wichtiger als die Resultate war, dass eine Entwicklung da war, dass alles professioneller geworden ist, ich würde sagen, es war eine 200-prozentige Steigerung da. Das hat mir sehr gut getan.

Was haben Sie selbst in dieser Zeit gelernt?

Simonsen: Ich habe ganz deutlich gesehen, dass so eine Arbeit Gold wert ist. Man kann in Ruhe arbeiten und viel erreichen, auch mit einer kleinen Mannschaft, und es ist schön zu sehen, wie sich ein Fußballverband entwickeln kann.

Haben Sie noch Kontakt zu Spielern oder Funktionären auf den Färöern.

Simonsen: Ja, habe ich, zwei, drei gute sogar.

Wenn Sie jetzt auf die Färöer fliegen würden, würde Sie jeder erkennen?

Simonsen: Ja, auf jeden Fall.

Was glauben Sie: Werden sich die Färöer in absehbarer Zeit für eine WM oder EM qualifizieren?

Simonsen: Nein, das ist schwierig. Dafür ist das dort oben zu begrenzt. Dazu müssten viele Spieler ins Ausland gehen und dort lernen, das sehe ich momentan nicht. Die Färöer können gegen jede Mannschaft überraschen, aber sie sind nicht beständig genug, um in der Qualifikation auf den vorderen Plätzen zu landen.

Die letzte Frage hat mit der Pudelmütze von Torwart Jens Martin Knudsen zu tun. Stimmt es, dass Sie ihm gesagt haben, er solle die Mütze abnehmen, weil es kein gutes Signal nach außen wäre, wenn der Torwart der Nationalmannschaft so eine Mütze trägt?

Simonsen (lacht): Das stimmt. Ich habe ihm gesagt, er soll lieber im Tor auf sich aufmerksam machen, zeigen, dass er gut ist, er braucht so eine Mütze nicht, um aufzufallen.

Und er hat das gemacht?

Simonsen (lacht): Ja, die haben doch alles gemacht, was ich gesagt habe.

Die unhaltbare Pudelmütze

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