Читать книгу Das magische Wien - Gerhard Kunze, Gabriele Hasmann - Страница 11
Strenge Sitten und Lachverbot
ОглавлениеNach dem Tod von Karl VI. (1685–1740), Maria Theresias Vater, sahen die Verwandten, die in anderen Ländern regierten, begehrlich auf das Erbe und forderten Länder ein. Friedrich II. von Preußen (1712–1786) verlangte für die Anerkennung Maria Theresias als Herrscherin die Provinz Schlesien und marschierte gleich dort ein. Damit löste der damals noch junge „Alte Fritz“ die Österreichischen Erbfolgekriege aus. Österreich verlor Schlesien und begann seine Armee zu modernisieren. In Wiener Neustadt wurde 1751 die Theresianische Militärakademie gegründet, die älteste Militärakademie der Welt, die sogar den geheimen habsburgischen Wahlspruch „AEIOU“ im Wappen trägt.
„Mach er mir tüchtige Officirs und rechtschaffene Männer daraus“ sagte Maria Theresia damals zum Ersten Kommandanten Feldmarschall Leopold Joseph von Daun (1705–1766). Ihren Generälen, die noch gerne theatralische Belagerungen mit pompösen Aufmärschen durchführten, empfahl die Kaiserin, „den Feind zu überraschen und mit List und Brutalität zu besiegen“ – Erkenntnisse moderner Kriegsführung, die sie sich beim nächtelangen Kartenspielen angeeignet hatte.
Als der Erbfolgekrieg beendet, die Heeresreform im Gange war und der darauf folgende Siebenjährige Krieg noch nicht begonnen hatte, blieb Zeit, um auch im Landesinneren „wichtige“ Reformen umzusetzen. Als Erstes fiel der Blick der Kaiserin auf die Sitten im Land, denn die waren ihr zu liederlich und verkommen. Also nahm sie sich ein Beispiel an ihrem Ahnherrn Ferdinand I., der rund 200 Jahre zuvor eine Keuschheitskommission gegründet hatte, die aber irgendwie vergessen und von seinem Sohn Kaiser Maximilian II. (1527–1576) nicht weitergeführt wurde. Diese Instanz ließ Maria Theresia 1752 wieder aufleben: „Öffentliche Ärgernisse“ und „anstößiges Beisammensein von Männern und Frauen“ sollte unterbunden werden, Homosexuelle und „unzüchtige Weibspersonen“ wurden verfolgt. Bei Prostitution gab es Geldstrafen, Auspeitschung, Zwangsarbeit und sogar Ausweisung – donauabwärts ins Banat (heute ein Teil von Rumänien, Serbien und Ungarn). Man erzählt sich, dass Maria Theresia vor allem durch die Untreue ihres Gatten Franz Stephan zur Weiterführung dieser Kommission inspiriert wurde. „Schändliche Spione, die man Keuschheitskommissare nannte, waren die unerbittlichen Quälgeister aller hübschen Mädchen“, berichtete Giacomo Casanova, der damals in Wien weilte und selbst mit den Sittenwächtern zusammenstieß: Als er sich einmal hinter einem Busch erleichterte, wurde er wegen „Wildpinkeln“ verwarnt, später vorgeladen und schließlich des Landes verwiesen. Da nützten ihm auch Verbindungen zu höchsten Kreisen nichts. Der italienische Schriftsteller und Abenteurer, der ursprünglich Priester werden wollte und seine kirchliche Laufbahn aufgab, nachdem er bei seiner Predigt in der Kirche San Samuele in Venedig betrunken von der Kanzel gefallen war, musste Österreich verlassen.
Doch Casanova hatte es immer noch besser als die Figuren vom Donnerbrunnen am Neuen Markt in Wien – die fielen nämlich ebenfalls der Keuschheitskommission zum Opfer, wurden 1773 wegen ihrer Nacktheit „verhaftet“ und sollten sogar eingeschmolzen werden. Der damit beauftragte Bildhauer Johann Martin Fischer erkannte aber ihren künstlerischen Wert, restaurierte und versteckte sie. 1802 wurden die Figuren dann wieder aufgestellt. Wer sich an diesem Brunnen aufhält, wird feststellen, dass eine sehr starke mystische Kraft von ihm ausgeht, der belebend auf den gesamten menschlichen Organismus wirkt.