Читать книгу Das magische Wien - Gerhard Kunze, Gabriele Hasmann - Страница 13
ОглавлениеMaria Theresias Keuschheitskommission tobte 50 Jahre und brachte die dunkelsten Seiten der Menschen zum Vorschein: allgegenwärtige Verdächtigungen, Verfolgungen, Verleumdungen und Verrat ohne Ende, hervorgerufen durch ein Gesetz voll böser Worte, die nach den Regeln der schwarzen Magie Gestalt annahmen, ein grausames Eigenleben entwickelten und sich verbreiteten. Im Justizministerium wurden die Spitzelakte in einem großen Raum bis 1927 aufbewahrt, dann holten sich die Flammen beim Brand des Justizpalastes die Akten mit den bösen Worten und schickten sie zurück in die Hölle. Doch die schwarze Magie ist nicht tot – in den über 250 Jahren, die seit ihrer Gründung vergangen sind, kam die Keuschheitskommission immer wieder zurück, mit wechselnden Namen, aber stets in menschenverachtender Gestalt. Geleitet wurde sie vom Palais Niederösterreich aus, in der Herrengasse in der Wiener Innenstadt. Verhöre, gynäkologische Untersuchungen und Schläge mit Ruten erfolgten in der Schranne am Hohen Markt 10–12. Züchtlinge wurden auch zum Gassenkehren verurteilt. Der Hohe Markt „war einer der ältesten Richtplätze der Stadt. Hier hat man Verurteilte geköpft und gerädert. Übeltäter konnten auch an den Pranger gebunden werden, wo an ihnen Prügelstrafen und Auspeitschungen vollzogen wurden“, schreibt die Autorin und Fremdenführerin Gabriele Buchas und meint: „Diese Hinrichtungsplätze sind die Schattenplätze unserer Geschichte.“ Wenn man von den menschlichen Tragödien, die sich an Orten wie dem Hohen Markt in der Wiener Innenstadt abgespielt haben, weiß und in der Lage ist, mit der unaufgelösten, diffusen Aura dort umzugehen, kann man diese durchaus als kräftigend empfinden. Denn die Schwingungen an Plätzen, an welchen Leid und Qual alltäglich waren und stets reichlich Blut floss, sind stark – sehr stark, weshalb auch viel Energie produziert wird, die man positiv nutzen kann. Wenn das immer wieder geschieht, wird eine neue Harmonie und Ordnung an diesem Platz wachsen. 78 Jahre nach Gründung dieser schändlichen Kommission fand die Uraufführung von Goethes „Faust“ in Braunschweig statt. In der Tragödie beschreibt sich Mephistopheles als „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“. Bei Maria Theresia war es in diesem Fall genau umgekehrt.
Gensi, der Clown vom Zirkus Roncalli, ist begeistert von Maria Theresia und widmete ihr ein Ständchen auf der Geige.
Das galt ebenso für das 1752 von „allerhöchster Stelle“ verordnete „Extemporierverbot“, das klare „Nein“ zu aus dem Stegreif gesprochenen Theaterauftritten. Damit wollte Maria Theresia erreichen, dass die Darsteller bei Wiener Volksstücken auf der Bühne nur „genehme Worte“ sprachen und keine „anstößige Gestick“ zeigten. Die Stücke mussten schriftlich eingereicht werden, man hat außerdem eine eigene Zensurkommission eingerichtet. Vor allem deftige Komödien mit Angriffen auf die Obrigkeit durch den Volkshelden Hanswurst, über den so viel gelacht wurde, sollten verschwinden. In den Stücken durften auch keine traurigen Begebenheiten mehr vorkommen. Die Wiener Theaterfreunde fanden es aber dennoch zum Weinen. Später forderte Joseph II. per Dekret sogar einen „Wiener Schluss“: Am Burgtheater mussten deshalb Stücke wie „Romeo und Julia“, „Hamlet“ und Co. umgeschrieben werden, sie bekamen ein Happy End. Werke von Schiller wurden zur Gänze vom Spielplan verbannt. Auch Joseph von Sonnenfels war der Meinung, der Hanswurst gehörte verboten. Er setzte sich mit kühnem Wortschwall mitten in den Fettnapf im inzwischen als „Hanswurststreit“ immer heftiger gewordenen Konflikt Kasperl gegen Sonnenfels, der mit dem Wurstl als strahlend-lachenden Sieger in die Geschichte einging. Maria Theresia erntete mit dem „Extemporierverbot“ nur Spott und Hohn, da der Hanswurst nicht totzukriegen, wie fast 200 Jahre später Heinz Conrads so überzeugend singen würde: „Den Wurschtl kaun kana daschlogn … [Den Hanswurst kann niemand erschlagen], er wurschtlt sich durch – er wurschtelt sich raus – und schaut er vielleicht – ganz verwurschtlt auch aus.“ Die Magie der Volksbühne ist unüberwindbar, bis heute, auch wenn manche abgehobenen Kulturmenschen mit hochgezogenen Augenbrauen behaupten, dies und das sei zu verbieten; die Wurzeln, die aus dem Volk kommen, sind die stärksten Bindungen und produzieren die meisten Energien.
Heinz Conrads, hier mit Gattin, war Österreichs beliebtester TV-Star. Er sang das Lied vom unsterblichen Wurschtl.
Durch die Pleite mit dem Lachverbot wurde Maria Theresia in ihrer Überzeugung bestärkt: „Schauspieler sind eine Bagage.“ Dennoch sagte sie: „Ohne Theater halt man es hier ja gar net aus.“ Musste sie auch nicht, denn in Schönbrunn hatte sie bereits seit 1747 ein eigenes wunderschönes Schlosstheater, das noch heute besteht. Dabei handelte es sich um einen starken Kraftort inmitten des Kraftzentrums Schönbrunn.