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Kapitel 7
Оглавление»Es gibt unschöne Nachrichten aus Dundo, Donna Sophia«, meldete Alfredo, der als einziger die Erlaubnis besaß und auch den Mut, seiner Chefin schlechte Nachrichten zu unterbreiten, ohne dafür in einen der Kanäle der Stadt geworfen zu werden. »Sie werden Ihnen nicht gefallen.«
»Was um alles in der Welt bringt dich dazu, mich bei meinem Espresso zu stören?« Sie schrie ihn an und knallte den silbernen Knauf ihres Gehstockes auf den kleinen Caféhaustisch mit einer solchen Wucht, dass der arme Alfredo schon dachte, sie wolle ihn erschlagen, hätte ihn nur leider verfehlt. Der Löffel in der Tasse wurde hochgeschleudert und spritze einen Teil des nur mehr geringen Tasseninhaltes auf die Tischdecke und sorgte für einige braune Flecken. »Reitet dich der Teufel?!« Sie wollte aufspringen, aber dazu brauchte sie dann erst wieder den Stock. Sie baute sich vor ihrem Geschäftsführer auf, dass der sich immer kleiner vorkam, obwohl er fast einen Kopf größer war als sie. Sie blickte in seine Augen. Starr. »Setzen!« Alfredo konnte sich gerade noch so drehen, dass er in den kleinen weißen Metallstuhl fiel, der Gott sei Dank hinter ihm stand. Wenn er nicht schon so lange bei ihr und vorher ihrem Mann angestellt gewesen wäre, er hätte auf der Stelle kehrt gemacht und sich einen neuen Job gesucht. Aber er kannte die Art seiner manchmal mürrischen Chefin. Sie war nicht immer so gewesen.
Alfredo, ein ehemaliger Banker aus London, 1,80 m groß, kerzengerade gewachsen, englischer Schliff, war vor fast zwanzig Jahren von ihrem Mann zum Geschäftsführer gemacht worden. Wer genau hinsah, bemerkte ein leichtes Hinken. Beim Polospielen hatte ihn ein Pferd abgeworfen. Er war wenig amused gewesen, dass er den Sport nicht mehr ausüben konnte und hatte sich deshalb bei der Pegalion-Bank in Dallas beworben, um in England nicht ständig mit dem Sport konfrontiert zu werden. Dort gab es den ersten Kontakt mit ihrem Mann. Er hatte seine Chefin als liebevolle, ausgleichende und sehr selbstsichere Frau kennengelernt, die ihren Mann im Zaun zu halten wusste. Die beiden hatten sich wunderbar ergänzt. Sie hatte die Ideen, er kannte das nötige Handwerkzeug. Die Geschäfte waren wunderbar gelaufen. Damals in San Antonio/Texas. Nach dem Tod ihres Mannes Karl Schneider, alias Charles Tailor, durch Gelbfieber, das er sich bei einem Besuch seines Lieferanten in Kolumbien zugezogen hatte, war sie nach Italien zurückgekehrt. Zunächst nur, um ihre Mutter zu besuchen, die bei der Gelegenheit aufgrund ihres hohen Alters ihr die Leitung des Geschäftsverkehrs antrug. Sie hatte nicht mehr die Kraft, die Organisation zwischen dem amerikanischen und dem italienischen Zweig zu koordinieren. Wem sollte sie das Kokaingeschäft anvertrauen, wenn nicht der eigenen Tochter. So wurde es jetzt in der dritten Generation gehandhabt. Immer musste ein Familienmitglied das Geschäft weiterführen. Dann war man auf der sicheren Seite. So entschied sich Sophia Marlena di Toranelli ebenfalls, ihrem Sohn Mike die amerikanischen Geschäfte zu überlassen und die Firma in Italien selbst weiterzuführen. Natürlich war sie sofort von ihrer Konkurrenz attackiert worden, die schon Hoffnung auf mehr Umsatz gewittert hatte, aber es war anders gekommen. Sophia hatte in Texas Geschick, Durchsetzungsvermögen und Verhandlungsqualitäten erlernt, mit der die Gegner nicht gerechnet hatten. Sie hatte in wenigen Jahren reichlich Marktanteile dazugewonnen. Das kam natürlich den angestammten Familien, die sich im gleichen Umfeld bewegten, nicht gerade entgegen. Alle Drohungen, mit denen man sie überhäuft hatte, waren ignoriert worden. Die Restaurants, über die sie die Gelder bankfähig machten, waren immer wieder in Brand gesteckt oder überfallen worden. Es hatte sie geärgert, aber sie war ihrer Strategie treu geblieben. Bis zu dem Tag, als eines ihrer Restaurants überfallen worden war, während sie gerade selbst dort dinierte. Sie wurde von einem Querschläger ins linke Bein getroffen. Das war das Ende der Geduld und der Anfang der Gewalt. Sie hatte aus Texas ein Heer von Bodyguards angeheuert, die man in Texas auch als Revolverhelden bezeichnet hätte, und hatte mit einer Gewalt zurückgeschlagen, wie sie in Italien bis dahin nicht bekannt geworden war. Die Zeitungen waren davon voll gewesen. Die Auflagen waren um die Hälfte in die Höhe geschnellt. Die Einwohner von Mailand waren regelrecht verunsichert, weil die Polizei keine Ergebnisse vorweise konnte. Es wurden Razzien veranstaltet, wie sie Norditalien noch nicht erlebt hatte, aber verhaftet worden war keiner ihrer Leute, im Gegenteil. Die örtliche Mafia musste kuschen, um selbst nicht aufzufliegen, was ihnen einiges Kopfzerbrechen bereitet hatte. Es wurde offiziell von vierzehn Toten berichtet innerhalb von drei Tagen und einundzwanzig Verletzten. Jeder wusste, dass die angegebenen Zahlen nicht exakt waren. Es war jedermann klar, dass es bei diesen Mafiakriegen immer eine erhebliche Dunkelziffer von den Leuten gab, die noch in Sicherheit gebracht worden waren, ehe sie ihren Verletzungen erlegen waren. Zeugen hatte es natürlich keine gegeben. Einige dieser Beschützer waren dann in ihrer Anstellung geblieben, was sich als äußerst nützlich erwiesen hatte. Die anderen waren jetzt wieder in Texas bei ihrem Sohn.
Was sie allerdings seither vermissen ließ, war ihre Gelassenheit und die Großzügigkeit, für die sie früher bekannt war. Sie wurde immer wieder von Schmerzen heimgesucht und das Blutbad, das die Täter angerichtet hatten, plagte sie oft in ihren Träumen. Dann schrie sie im Schlaf, dass manchmal das ganze Haus aufwachte. An Tagen, an denen die Schmerzen ausblieben, war sie stets wieder die alte liebevolle Dame, die sie immer gewesen war. Aus dieser gemeinsamen Vergangenheit heraus verzieh Alfonso ihr die Ausbrüche.
»Komme mir nur nicht mit Kleinigkeiten.« Sie hatte sich wieder ein wenig beruhigt und besann sich auf ihre gemeinsame Situation. Sie orderte bei Mary, ihrem Hausmädchen, noch einen Espresso für ihren Freund und für sich und eine Schmerztablette mit einem Glas Wasser, die sie, in zwei Hälften geteilt, auch sofort einnahm, und der Streit war alsbald vergessen.
»Entschuldige bitte, Alfredo, ich glaube, das Wetter schlägt um. Ich merke es an dem Bein. Sprich! Was kannst du berichten?«
»Wie gesagt, es gibt eine unschöne Neuigkeit. Es ist mir zu Ohren gekommen, dass sich Leute in unser Diamanten-Konzept einmischen wollen. Es hat jetzt lange gut funktioniert, bis jemand davon Wind bekommen hat. Warum? Wieso? Ich weiß noch gar nichts. Ich weiß nur, dass wohl irgendjemand geplaudert hat und Umsatzzahlen und Qualitätsanalysen verraten hat.«
Donna Sophia wischte mit etwas Mineralwasser an der Serviette die Kaffeeflecken aus der Tischdecke mit mäßigem Erfolg.
»Wer hat Wind bekommen?«
»Es soll sich um eine Gruppe aus Ligurien handeln, einem Bauunternehmen, das im ganzen Norden von Ligurien über Venetien bis ins Trentino Aufträge an sich reißt und auch hier bei uns in der Lombardei, ja, an den ersten Ausschreibungen hier in Mailand soll es sich auch schon beteiligt haben. Natürlich vergebens. Die Milano-Clique hält bestens zusammen. Diese hat mir auch die Namen gesteckt und Hilfe angedeutet. Dieser Baulöwe arbeitet mit einem Immobilienmenschen zusammen, der wiederum Leute beschäftigt, die, ebenso wie er, aus dem Senegal stammen. Ursprünglich sollen die Eltern allerdings aus Angola stammen. Sie sind aber ausgewandert, weil sie sich im Senegal ein besseres Leben erhofft haben. So haben sie heute noch die Verbindung zu ihren alten Stämmen in Angola.«
»Namen hast du schon?« Ihre Fragen waren wie immer kurz, bündig und direkt.
»Der Inhaber des Immobiliengeschäfts ist Mustafa Baruka, der des Baukonzerns Antonio Tedone.«
»Wie ist es dir zugetragen worden?«
»Numi, der Leiter unserer Mine in Dundo, hatte seit einiger Zeit Differenzen festgestellt zwischen der täglichen Fördermenge und der Ware, die anschließend von Koku, so heißt unser Mittelsmann im Kongo, bestätigt worden war. Zunächst lag der Verdacht nahe, dass er selbst sich die Differenz eingestrichen hat. Seltsamerweise war es nur bei Koku der Fall. Immer, wenn er selbst den Transport zu ihm überwacht hatte, ohne dass Koku davon wusste, waren die Mengen allerdings identisch. Durch Beobachten einzelner Schürfer und Rotation der Vorabeiter ist er in kurzer Zeit dahinter gekommen, wer die Diamanten unterschlagen hat und wohin sie gegangen sind. Numi hat durch die intensiven Kontrollen die Leute dort so nervös gemacht, dass er schließlich von einem Schürfer, der unter Verdacht geraten war, einen Tipp bekam und einen Transport nach Tshikapa unter Beschuss genommen hat. Er wurde fündig mit 100 Karat. Das ist keine große Menge, aber immerhin ein recht ordentlicher Wert für eine einzelne Lieferung.«
»Seit wann geht das so? Hast du herausgefunden, wie viele und wie lange Steine schon entwendet wurden?«
»Wann es genau angefangen hat, weiß niemand genau. Jedenfalls besteht seit ungefähr zwei Monaten konkreter Verdacht. Seit einigen Monaten ist auch Baruka des Öfteren im Kongo unterwegs, und zwar immer nach Tshikapa, einer Stadt an der Grenze zu Angola. Ob er jedes Mal rüber ist, konnte ich nicht herausbringen. Aber es ist schon merkwürdig, zumal es Personenbeschreibungen gibt, die auf das markante aussehen Barukas hinweisen. Meiner Meinung nach ist die Sache eindeutig. Ganz sicher!«
»Was liefert er an Gegenwert? Etwa Marmor aus Carrara?« Sie lachte vorsichtig.
»Wie er vergütet, habe ich leider noch nicht in Erfahrung bringen können. Aber wohl keine Waffen. Ich glaube eher, dass er die Vorarbeiter selbst angegangen ist und direkt mit Geld bezahlt oder mit Anteilen an der Beute.«
Sie blickte von ihrer Terrasse nachdenklich auf die Zinnen des Castello Sforzesco. Dann dachte sie laut nach: »Wenn neue Unterschlagungen auch nicht mehr vorkommen, im Moment jedenfalls, so müssen wir aber auf jeden Fall verhindern, dass irgendjemand auf die Idee kommt, es noch einmal zu versuchen.« Sie spielte mit ihrem Brillantring, betrachtete das Funkeln in der Sonne. »Was tun? Beim Jupiter, wir brauchen eine Strategie! Und zwar eine überzeugende!«
Sie führte ihren Espresso zum Mund. Die Tasse war leer. Sie blickte auf, um nach der Zofe, ihrer Nichte zu rufen, aber als diese nicht in Reichweite war und auch nicht auf klingeln reagierte, trank sie einen Schluck von dem Wasser, das auf dem Tisch stand. Dann dachte sie laut nach: »Was können wir tun? Wir müssen gut überlegen.«
»Denken Sie an Gewalt, Donna Sophia?«, vermutete Alfredo vorsichtig.
»Was heißt schon Gewalt? Es gibt genug Möglichkeiten, Gegner zu überzeugen, uns die Steine freiwillig zurückzugeben. Man muss es ihnen nur richtig erklären.«
»Eine wie diese hier zum Beispiel?« Alfredo musste kurz, aber laut lachen.
Er holte einen kleinen Beutel aus seiner Innentasche und legte ihn auf den Tisch. Donna Sophia betrachtete ihn stumm, bis Alfredo die kleinen Schlaufen öffnete und die 100 Karat über den Tisch rollten.
»Zum Beispiel«, lachte seine Chefin. Sie stießen mit den schon leeren Espressotassen an.