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Kapitel 10

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Oscar öffnete.

»Hallo Giulio. Das ist ja eine Überraschung. Ich glaube, dein Onkel hat heute noch gar nicht mit dir gerechnet. Tritt ein. Wie geht es dir. Alles überstanden?« Oscar überhäufte ihn mit Fragen. Ohne auf eine Antwort Giulios zu warten, ging er schon voraus auf dem Weg ins Arbeitszimmer.

»Hallo Junge. Freue mich, dich zu sehen. Ich habe erst übermorgen mit dir gerechnet. Lass uns in den Salon gehen. Wie kommt’s, dass du schon hier bist?«

Er führte seinen Neffen, wie es seine Art war, mit dem rechten Arm hinter dessen Rücken halb schiebend in den »Blauen Salon«, wie er dieses Zimmer nannte. Die Vorhänge waren in Blau-Gold gehalten und auch im Teppich fanden sich die Farben wieder. Eine große Glaswand gab den Blick auf das Meer frei. Dort schloss er ihn in seine Arme, ehe er ihm einen der fünf Sessel zuwies, die um einen runden Tisch angeordnet waren. Er öffnete noch einmal die Tür und rief: »Oscar? Bringe uns bitte etwas zu trinken.«

»Mit den Flüchtlingen ist alles glatt gegangen. Du kannst nicht glauben, wie gut diese Muriden dort im Senegal vernetzt sind. Mustafa hat ja schon so etwas angedeutet. Ohne diese Leute geht dort unten fast gar nichts. Abdel hatte alles gut organisiert und sein Freund Kunta hatte die Aktion bis ins Kleinste vorbereitet. Von den benötigten Geländekarten über Wasser- und Benzinkanister, Decken, bis zu kleinen Scheinen für Bakschisch lag alles bereit. Innerhalb von zwei Tagen hatten wir die ganze Truppe durch Libyen geschleust und in die Schlauchboote verladen, die alle mit GPS-Sendern ausgestattet waren, so dass die Fischer sie leicht ausmachen konnten. Ich hatte nicht vor, mich unter die Flüchtlinge zu mischen. Ich denke, das wäre des Guten zu viel und wir wären aufgefallen. Als ich Nachricht bekam, dass alle an Bord sind, bin ich ins Flugzeug und … jetzt bin ich hier.«

Onkel Antonio stimmte ihm zu. »Das ist ja eine wunderbare Nachricht, mein Junge. Gratuliere zum ersten großen Alleingang. Gut gemacht!«

Der Junge strahlte gar nicht so, wie er es erwartet hatte. »Probleme?«, fragte er.

Oscar brachte auf einem kleinen Tablett Mineralwasser, Gin, Limonade, etwas Tonic Wasser und einen Becher mit Eiswürfeln.

»Was du nicht weißt«, fuhr Giulio fort, »es gab tatsächlich ein Problem. Abdel hat bei einem Überfall auf uns sein Leben verloren. Es tut mir sehr leid. Ich konnte es nicht verhindern.« Man sah ihm an, dass ihm die ganze Sache nicht nur auf den Magen geschlagen war. »Es passierte so unerwartet, dass wir gar keine Chance hatten, etwas dagegen zu unternehmen. Wir standen vor der Haustür auf seinem Hof. Ein Auto kam angefahren, ein Mann steigt aus. Er hatte einen Koffer in der Hand. Erst später sah ich, dass er am Handgelenk festgekettet war. Dann ging auf einmal alles sehr schnell…«

»Was ging schnell? Erzähle der Reihe nach.«

Giulio mischte sich einen Gin Tonic, gab Eis hinein und verdünnte mit Wasser, nahm einen kräftigen Schluck. Dann berichtete er von der Übergabe der Diamanten und dem Überfall.

»Wir mussten sofort aufbrechen, sonst wären wir noch von der Polizei verhört worden und wer weiß, wie das geendet hätte. Ich wäre nicht gerne im Senegal geblieben.«

Onkel Antonio erhob sich und spazierte, leicht nach vorn gebeugt, die Hände auf dem Rücken verschränkt, mehrmals im Salon auf und ab. Dann kratzte er sich am Hinterkopf, stellte sich schließlich hinter seinen Neffen und legte ihm die Hände auf die Schultern.

»Weiß Maria davon?«

»Ihr habe ich nichts erzählt. Man kann mit ihr schlecht über solche Dinge reden. Du weißt wie sie ist. Sie würde nur wieder ein großes Theater machen. Nicht allein bei mir, dich würde sie auch überfallen.«

Onkel Antonio setzte sich wieder.

»Wo sind die Diamanten jetzt?«

»In meiner Wohnung im Tresor. Ich werde in den nächsten Tagen, wenn ich weiß wie die Lage sich inzwischen entwickelt hat, mit Mustafa sprechen. Wie ist es ihm überhaupt ergangen? Sitzt er noch in seiner Hütte? In Acqui Terme?«

»… und macht sich vor Angst in die Hosen.« Der Onkel lachte lautstark, als hätte er gerade den neuesten Witz kreiert. Wenn er eines nicht vertragen konnte: wenn jemand Angst hatte und dadurch nicht handlungsfähig war. »Sie suchen ihn. Keine Frage. Sie haben ein kleines Feuerchen gelegt im Eingang zu seinem Büro. Es ist allerdings nicht viel passiert. Nur eine Warnung. Ich denke, sie haben da noch nichts gewusst von den Ereignissen in Ballou. Wenn sie erst von diesem Spielchen erfahren dann sehe ich schwarz für ihn.« Er wog seinen Kopf hin und her.

Plötzlich verging ihm das Lachen. »Hat dich jemand gesehen … erkannt sogar? Das könnte uns damit in Zusammenhang bringen. Es könnte gefährlich werden.«

»Der eine, der um sich geballert hat und geflohen ist, hat mich natürlich gesehen, nur ganz kurz, dann ging schon die Schießerei los. Ich glaube nicht, dass er mich wiedererkennen kann … Nein … Das kann er nicht. Ich stand außerdem im Schatten, halb verdeckt hinter einem Strauch.«

»Von den Flüchtlingen weiß er auch nichts? Das könnte auf uns hinweisen.«

»Die haben wir ja erst am anderen Tag aufgenommen. Dabei hat uns keiner beobachtet. Dafür hat ja schon dieser Schlepper gesorgt. Nein, das kann er nicht wissen. Ganz sicher!«

»Wie hast du eigentlich die Steinchen transportiert? Du bist doch sicher kontrolliert worden, spätestens in Genua bei der Einreise.«

»Die Steinchen haben die Flüchtlinge mitgebracht.« Er grinste über das verdutzte Gesicht seines Onkels. »Ich hatte da eine tolle Idee. Müssen wir uns mal merken, wenn wir die Sache weiterführen.« Er spannte seinen Onkel auf die Folter.

»Nun?«

»Ich habe sie in die Schwimmwesten eingenäht«, grinste er. »Ich wusste ja, dass wir diese nicht brauchen. Als wir die Schlauchboote eingesammelt haben, habe ich die Westen wieder an mich genommen. Die vier mit dem Stückchen Isolierband und dem SOS-Aufkleber habe ich persönlich in Empfang genommen.«

Der Onkel war begeistert. »Du machst dich, Junge. Du solltest wirklich überlegen, ob du nicht meine Nachfolge antreten willst. Du kannst ja erst einmal mitlaufen und lernen. Dann mache ich dich zum Teilhaber. Später übernimmst du alles. Was hältst du davon?«

Es klang nicht wie eine Frage, sondern eher wie eine Aufforderung.

»Du sollst es nicht bereuen. Das verspreche ich. Da fällt mir ein, was machen wir mit den Sachen von Abdel? Die stehen immer noch an der Promenade. Er hat nicht damit gerechnet, dass er sie nicht mehr gebrauchen wird.«

Onkel Toni griff kurz zum Telefon.

»Luca? Schön. Gib Acht. In Boccadasse an der Promenade stehen die Sachen von Mustafas Freund Abdel. So ein Stand mit allem möglichen Kram. Räum es zusammen und wirf es weg.«

Brillant ist nur der Tod

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