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Kapitel 9
ОглавлениеNach einer mehrstündigen Autofahrt las Giulio das Ortsschild Ballou. Onkel Antonio hatte ihn gebeten, Abdel zu begleiten, da der Kalif immer noch nicht handlungsfähig war oder sein wollte.
Kunta hatte sie schon erwartet. Abdel fühlte sich hier wohl, aber für Giulio waren die Gepflogenheiten seiner neuen Bekannten tief im Sahel doch recht ungewohnt. Nach den ersten Stunden mit den neuen Kontakten und einer Mahlzeit aus Maniok, die man auch in Italien hätte servieren können, und dem Wein, der aus Südafrika stammte, worauf Kunta ganz stolz war, kam ihm die Reise fast wie Urlaub vor. Er hatte vorher nie über die Leute im Senegal nachgedacht, obwohl er Abdel doch von der Promenade her kannte. Sie hatten sogar einige Male zusammengestanden und geredet. Er musste sich eingestehen, dass er nie für möglich gehalten hätte, dass hier auch Leute leben, die gut Geld verdienen, auf welche Weise auch immer, und ein komfortables Auskommen hatten. Kunta jedenfalls konnte sich so ein Leben leisten. Nach dem Essen breitete er die Karte aus und erklärte noch einmal die Abläufe, wie er sie mit Abdel vor vier Wochen ausgearbeitet hatte. Jeder musste wissen, was geplant war. Kunta ließ die einzelnen Stationen mehrmals wiederholen, bis die beiden diese im Schlaf herunterbeten konnten.
Es war gegen Mittag des nächsten Tages. Abdel und Giulio saßen mit Kunta und zwei Helfern auf einer alten Holzbank unter einem Baum und besprachen anhand der Karte noch einmal die Route, als sie einen Dieselmotor hörten, der allmählich näher kam. Bald erschien ein uralter Landrover Discovery, der vor dem Haus wendete.
»Ist Abdel Ngibuda zu sprechen?«, fragte der Fahrer durch das geöffnete Fenster des Rovers.
»Wer will das wissen?«
»Mein Name ist Beebee.«
Er wies sich mit einem Siegel des Kalifen aus und wirkte glaubwürdig. Er kannte verschiedene Details über Mustafa Baruka. Er stieg aus. Er trug einen Metallkoffer bei sich, an der ein Paar Handschellen befestigt waren. Darin befanden sich zwei Samtsäckchen mit Diamanten.
»Die hat mir Mustafa zuletzt in Tshikapa übergeben, weil er merkte, dass ihm jemand auf den Fersen war. Ich soll die Steinchen hier abgeben, damit ihr sie zusammen mit den Emigranten nach Italien bringt.«
Kunta weigerte sich. »Die Steine kommen auf keinen Fall mit. Das ist Mafia-Ware! Das macht der Berber nicht mit. Er ist Accompagnateur für Karawanen und ihm ist es egal, was über die Grenzen gebracht wird. Aber mit der Mafia will er nichts zu tun haben und wir alle nicht. Die Leute haben hier unten die Finger in allen Regionen und Ämtern. Was glaubt ihr, wer die Steine ausgräbt? Alles liegt komplett in der Hand der Mafia mit Hilfe und Duldung der Regierung. Die bekommt hier immer einen Anteil direkt zugeteilt, noch bevor sich überhaupt ein Transport in Bewegung setzen darf. Mit mir nicht!«
Der Bote schloss die Handschellen mit dem Koffer blitzschnell an Abdels Handgelenk an. Dann warf er den Schlüssel einige Meter weiter in ein Gestrüpp und als alle danach blickten, saß er schon in seinem Wagen und fuhr davon. Giulio hatte den Schlüssel fallen sehen und machte sich auf die Suche. In dem Moment kam ein Jeep aus der Richtung, aus der Beebee gekommen war.
»Alle Leute auf die Erde! Gesicht auf den Boden! Schnell! Ganz ruhig bleiben!« Einer der beiden Männer gab das Kommando. Der andere hielt ein Gewehr schussbereit im Anschlag.
Giulio duckte sich in die Sträucher und beobachte alles aus kurzer Entfernung. Abdel, der Beebee verfolgt hatte und etwas abseits stand, versuchte sich ins Haus zu retten. Er wurde in den Bauch getroffen. Der Anführer ging vorsichtig auf Abdel zu:
»Wo ist der Schlüssel?!« Als er nicht sofort eine Antwort bekam, wiederholte er den Befehl noch einmal leise und wütend und trat Abdel in seine Wunde. Der schrie vor Schmerzen. Er riss an dem Koffer und drohte, mit seinem Messer die Hand abzutrennen. Der zweite Mann entdeckte Giulio:
»Komm raus da, Mann. Hände in den Nacken!« Schuss. Eine Kugel landete vor seinen Füßen.
Dann fiel ein zweiter Schuss. Es dauerte eine endlose Sekunde, dann sackte der Angreifer zusammen. Abdel hatte ihn mit einer kleinen Pistole, die er in seiner Heimat immer vorne im Gürtel trug, erschossen. Der andere war erschrocken und drückte ab. Der Schuss pfiff an Giulios Kopf vorbei. Abdels zweiter Schuss verletzte den anderen Angreifer an der Schulter. Der schoss noch einmal wild um sich. Dabei verletzte er den einen Helfer an der Hüfte, den anderen traf er tödlich. Er schwang sich in sein Auto und spurtete davon. Mit diesem unvorhergesehenen Ausgang war er offensichtlich überfordert. Kuntas Frau stürmte aus dem Haus. Sie hatte alles beobachtet. Sie warf sich über Abdel und schrie aus Leibeskräften. Giulio lief hinüber, zog die Frau von dem Verwundeten weg und schloss sie in seine Arme, sodass sie den Toten nicht mehr im Blick hatte. Kunta trug ihn, so vorsichtig es ging, ins Haus. Er legte ihn auf sein Bett und rief nach Wasser und Verband. Es war jedoch zu spät. Abdel Ngibuda starb in Kuntas Armen.
Giulio kümmerte sich um den zweiten Helfer, der mit seiner Hilfe noch bis ins Haus humpeln konnte. Der Angreifer lag leblos im Sand. Sein Messer war ihm aus der Hand gefallen. Giulio hob es auf, und übergab es an Kunta. Dabei bemerkte er auf der Klinge eine Gravur, die das stilisierte Gehörn eines Stieres darstellte. Darunter die Worte »MADE IN USA«.