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Kapitel 11
ОглавлениеDonna Sophia hatte ihren Krisenstab zusammengetrommelt. Er bestand aus Alfredo, ihrem Vertrauten, und vier weiteren qualifizierten Personen, die in alle Geschäfte eingeweiht waren.
Es handelte sich dabei um den Amerikaner Ted Wilson, ihren ›Kriegsminister‹, wie sie ihn nannte, ein kräftiger Kerl von der Statur eines Cowboys und ebenso braun gebrannt und gegerbt wie die Ranger aus den Südstaaten. An seinem Gang schon hätte man ihn erkennen können. Sein Stetson-Hut hing in seinem Apartment auf einem Stück Holzfelge eines Planwagens, das mit drei Hufnägeln an einem Garderobenbrett gehalten wurde. Aufgesetzt wurde er nur bei einer Fahrt in seiner offenen Corvette, wenn er in seiner Freizeit durch den Apennin kurvte. Er war mit Donna Sophia aus Texas nach Italien gezogen und hatte mit Erfolg die Vergeltungsmaßnahmen gegen ihre Mitbewerber geleitet, die versucht hatten, ihr das Leben und die Geschäfte zu verleiden. Seit dieser Zeit besaß er das volle Vertrauen seiner Chefin.
Die zweite Person war Silvia, ihre Nichte. Eine gut aussehende Mittvierzigerin, die wusste, warum sie stets figurbetonte Kleidung trug. Ihre schulterlangen blonden Haare trug sie meistens als Pferdeschwanz mit einem dünnen Lederband zusammengehalten, in das ein kleiner Brillant eingenäht war. Es war eine eigene Kreation, die sie sich bei einem Schuster hatte anfertigen lassen. Sie war ständige Begleiterin ihrer Tante, eine Art Zofe und Leibwächterin in einer Person. Ihr Hobby war Selbstverteidigung und Schießen. Sie hatte im Keller der Villa Toranelli einen Schießstand, an dem sie fast täglich mit ihren Revolvern und Pistolen übte. Darunter waren auch antike Schusswaffen, die sie hegte und pflegte, und die dadurch immer noch funktionstüchtig waren.
Die dritte in der Runde war Silvana Coriani, die Finanzministerin. Sie leitete die Geschäfte und führte die Verhandlungen, sei es mit Lieferanten oder den Banken. Ihr Geld gab sie für Garderobe aus, besonders für Schuhe. Das sah man auf den ersten Blick. Ganz im Gegensatz zu Silvia, die Jeans und Bluse bevorzugte, was ihr bei der Wespentaille auch besser stand.
Die vierte Person, Markus Hartmann, ein Schweizer, war der Beschaffer, der Einkäufer. Er sprach aufgrund seiner Herkunft fließend Deutsch, Italienisch und Französisch und konnte so immer und überall ohne Dolmetscher und auch manchmal spontan verhandeln.
»Alfredo, was gibt es Neues zu berichten aus Angola und Burkina Faso?«
»Das Problem schien bekannt und wir hielten es für kontrolliert. So habe ich bis vor drei Tagen gedacht. Fakt ist, dass jemand versucht, uns die Mine streitig zu machen. Jemand hat Mante Kembala umgebracht und nun schwimmt die ganze Sache, weil wir keinen Ansprechpartner mehr haben, der den Obolus für den sicheren Abtransport der Diamanten entgegennimmt und für uns bei der Lizenzvergabe ein überzeugendes Argument vorbringt. Ich war vor zwei Wochen vor Ort und habe mich mit dem dafür zuständigen Regierungsbeamten der Provinz Uige getroffen. Der gab mir ganz eindeutig Signale, dass die Provinz mit uns das Geschäft nicht mehr machen will. Er hat keine Namen genannt, aber ich denke, dass die neuen Leute aus Genua kommen. Wenn wir uns nicht wehren, werden wir bei der Lizenzvergabe das Nachsehen haben. Das ist so sicher wie der Schoß der Mutter Maria.«
»Alfredo Tedone und Mustafa Baruka?«
»Davon gehe ich aus.«
Pause. Schweigen.
»Ted?«
Noch ehe jedoch der »Kriegsminister« mit seinem Vortrag beginnen konnte, hob Alfredo die Hand und ergänzte: »Ich möchte noch eines hinzufügen: es gibt auf jeden Fall noch mindestens eine Person, die bei den beiden mitmischt. Als die Sache in Ballou passiert ist, waren die beiden hier in Genua. Wo dieser Baruka genau steckt, weiß ich nicht. Er ist untergetaucht. Jedenfalls ist er weder in Angola noch im Senegal. Aber wir finden schon noch heraus, wo er Unterschlupf gefunden hat. Wer hat also die Steine hierher gebracht? Wer hat Mante Kembala aus dem Weg geräumt? Die Angelegenheit zieht größere Kreise und geht deutlich tiefer als zunächst vermutet!«, gab er mit eindringlichem Ton zu bedenken und unterstrich dies mit seinem Zeigefinger, den er warnend in der Luft schwenkte. »Es tut mir leid, dass ich die Tragweite zuerst nicht richtig eingeschätzt habe.« Dann gab er das Wort weiter an Ted.
Der »Kriegsminister« atmete mehrmals tief durch. Dann begann er mit seinem typischen hingehauchten »Well!«, rieb mit seinem Zeigefinger mehrmals unter seiner Nase durch und überlegte: »Die entscheidende Frage ist zuerst einmal: sind wir sicher, die richtigen Leute in Verdacht zu haben? Wenn wir den falschen Leuten an den Kragen gehen, könnte es gewaltigen Ärger geben. Wir wissen nicht sicher, mit welchem Kaliber wir es zu tun haben. Arbeiten sie mit der Mafia zusammen oder agieren sie selbständig? Das ist klar! Zum anderen müssen wir die Strategie überlegen: wollen wir hier vor Ort handeln oder in Angola? Außerdem stellt sich die Frage, wie groß wir die Sache angehen wollen. Wieder so einen Krieg vom Zaun zu brechen wie vor Jahren, halte ich nicht für gut und richtig. Ich würde heimlich vorgehen. Unfall? Vielleicht Selbstmord? Alles machbar.«
Hartmann empfahl: »Auf jeden Fall sollte ich noch einmal hinfahren und vor Ort in Ruhe mit den Leuten sprechen. Vielleicht gibt es noch eine Gelegenheit, die Sache gerade zu biegen.« Er rieb dabei Daumen und Zeigefinger der rechten Hand zur »Bezahlgeste« aneinander und schielte dabei zu Silvana Coriani hinüber, die den »Vesuv« verwaltete, den Reptilienfond der Familie. Er war eben ein typischer Schweizer und diese ruhige selbstsichere Besonnenheit lag ihm im Blut.
»Das halte ich auch zuerst einmal für das bessere Vorgehen«, stimmte Silvana zu. »Es ist genug Lava im Berg. Bescheidenheit ist nicht notwendig, wenn wir damit unser aller Ruhe behalten können. Die Leute dort unten haben sich immer noch mit Geld bei der Stange halten lassen. Warum sollte das jetzt anders sein? Auf jeden Fall müssen wir es versuchen. Es ist immer besser als Blutvergießen.«
»Wenn es Tante Sophia erlaubt, könnte ich dich begleiten. Sicher ist sicher.« Silvia nickte Hartmann auffordernd zu. »Wenn es dir recht ist, natürlich.«
Sie hätte gerne an dem Abenteuer teilgenommen. Seit der Krieg mit der Konkurrenz gewonnen war, hatte sie wenig zu tun, weil die Tante das Haus nicht mehr so häufig verließ. So wäre diese Reise eine willkommene Abwechslung gewesen. Außerdem hatte sie sich schon lange ein Ziel gesetzt, für das jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen schien. Sie musste nur noch Hartmann davon überzeugen. Es war kein Thema für zuhause, denn für den Fall, dass er nicht mitmachte … aber daran wollte sie gar nicht denken. Dazu hatte sie zu viel Einfluss auf den Schweizer. Markus mochte sie, das hatte er mehrfach durchblicken lassen. Sie ließ ihn schon lange zappeln. Jetzt konnte sie ihre Waffen einsetzen. Er würde gewiss mitmachen und ihr zur Seite stehen. Hinterher konnte man immer noch …
»Das wäre mir mehr als recht. Zwei Leute können auf jeden Fall mehr erreichen als einer alleine. Ich würde mich sehr freuen, wenn Silvia mitkommt, sofern Sie dazu Ihr Einverständnis geben, Donna Sophia.« Er sprach völlig unbewegt und jemandem, der die Situation nicht kannte, wäre nicht aufgefallen, dass er sich innerlich freute, aber Silvia bemerkte es an seinen Augen.
Ansonsten enthielten sich die beiden Frauen der Stimme. Sie hatten ja auch mit dieser Situation weniger zu tun. Sie nahmen aber stets an den Besprechungen teil, um immer auf dem Laufenden zu sein. Außerdem hatten sie beide, sowohl Silvia als auch Silvana, einen scharfen analytischen Verstand, auf deren Ergebnisse die anderen gerne hörten.