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1 Eine Reisebekanntschaft

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„Fliegen Sie bis Frankfurt durch oder steigen Sie vorher aus?“, fragte ich die Dame neben mir, als ich mich setzte. Überrascht sah sie auf und stutzte einen Moment. „Wieso? Wir machen doch gar keine Zwischenlandung!“

„Ich hätte mir sonst auch Sorgen gemacht“, erwiderte ich. „Wie ich sehe, haben Sie keinen Fallschirm dabei.“

Sie lachte spontan. Wir begegneten uns auf dem USAir-Flug von Pittsburgh nach Frankfurt am 1. Juli 2003. Es war fast 18 Uhr, als wir in den klaren Sommerhimmel aufstiegen. Wir würden die nächsten acht Stunden nebeneinander sitzen.

Aufgrund ihrer positiven Reaktion dachte ich mir, dass meine Sitznachbarin einer Unterhaltung gegenüber nicht abgeneigt war. Zudem faltete sie die deutsche Tageszeitung, die auf ihrem Schoß lag, nun rasch zusammen.

Auf meinen Flügen unterhalte ich mich gern, weil mich die Ansichten anderer Menschen und ihre Antworten auf die wichtigen Fragen des Lebens interessieren. Vor allem möchte ich ihnen auch gern etwas von dem erzählen, was ich über Gott kennengelernt und mit ihm erfahren habe.

Von meiner Nachbarin – ich schätzte sie auf Anfang 60 – erfuhr ich, dass sie verwitwet war und einen erwachsenen Sohn hatte. Sie stammte aus Düsseldorf und hatte gerade ihre Schwester in Pittsburgh besucht.

„Ich sehe, Sie haben sich schon wieder auf Deutschland eingestellt“, sagte ich, indem ich auf ihre Zeitung deutete.

„Genau. Das ist sogar die Zeitung von heute. Aber es steht nicht viel Neues drin. Und das Meiste sind ohnehin schlechte Nachrichten.“

„So sind die Medien. ,Bad news are good news‘, sagt man ja in Amerika.“

„Das ist schon komisch, dass die meisten von uns lieber schlechte als gute Nachrichten lesen wollen.“ Sie sah mich an.

„Woran liegt das Ihrer Meinung nach?“, fragte ich.

„Ich glaube, wir brauchen das. Vielleicht wollen wir die Tragödien anderer mit unserem eigenen Schicksal vergleichen, damit wir uns besser fühlen. Denn gemessen an den vielen traurigen Geschichten, von denen man liest, geht es den meisten von uns ja ziemlich gut.“

„Ja, das stimmt. Aber wird das so bleiben? Wird die Welt besser oder schlechter?“

„Wie meinen Sie das?“, fragte sie. „Moralisch, wirtschaftlich oder in Bezug auf die Umwelt?“

„Ganz allgemein“, erwiderte ich. „Wohin steuert die Welt? Was bringt uns die Zukunft? Worauf müssen wir uns als Menschheit einstellen?“

„Ich hoffe, Sie wollen mit mir jetzt nicht über Religion reden“, erklärte meine Gesprächspartnerin resolut, aber nicht unfreundlich. „Ich glaube nämlich nicht an Gott.“

Ihre Direktheit gefiel mir. Mein Stichwort war gefallen.

„An Gott glaube ich nicht“, wiederholte sie langsam und fügte nach einer kleinen Pause hinzu: „ … an Schutzengel schon – aber nicht an Gott.“

Ich war verblüfft: „Wieso glauben Sie an Schutzengel?“ Ich ahnte nicht, dass diese Frage der Einstieg in einen Themenkreis war, der uns die nächsten acht Stunden beschäftigen sollte.

„Oh, da könnte ich Ihnen einige Geschichten erzählen“, begann sie. „Als ich 19 war, erlebte ich mit meinen Eltern und meiner Schwester einen schweren Autounfall. Es war Winter und die Straßen waren vereist. Mein Vater verlor in einer Kurve die Kontrolle über den Wagen. Wir rutschten auf dem Glatteis über den Straßenrand und stürzten dann einen Hang hinunter. Dabei haben wir uns zweimal überschlagen. Das Auto war Schrott, aber außer ein paar Schrammen und Beulen war keiner von uns ernsthaft verletzt.

In einem anderen Fall ging es um meinen Onkel. Der lebt schon lange nicht mehr. Damals war er Anfang 50. Seine Tochter hatte gerade ihr erstes Kind bekommen. Als er sie im Krankenhaus besuchte, bekam er ausgerechnet dort einen schweren Herzinfarkt. Er saß am Wochenbett und kippte einfach um. Im Krankenhaus konnte man ihm natürlich innerhalb von Minuten helfen. Nur wenig später wäre er wohl gestorben. Beides waren bestimmt keine Zufälle. Deshalb glaube ich, dass wir alle einen Schutzengel haben.“

„Davon bin ich auch überzeugt, denn die Bibel berichtet an vielen Stellen über Engel. Sie sind Gottes Boten und arbeiten in seinem Auftrag. Viele Menschen wissen leider wenig darüber.“

Meine Sitznachbarin sah mich auffordernd an. Deshalb traute ich mich nachzufragen.

„Jetzt bin ich neugierig geworden, warum Sie zwar an Schutzengel, aber nicht an Gott glauben.“

Sie drehte sich mir zu.

Um ihr eine Antwort zu erleichtern, fügte ich hinzu: „Ich vermute, dass Sie gute Gründe dafür haben.“

Allmächtig? Ohnmächtig? Gerecht?

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