Читать книгу Der Kopf muss ab - Gerhard Sauer - Страница 10
ОглавлениеHerbst
Es ist warm. Die Decke hat die richtige Größe. Bis zur Nase hochgezogen sind Füße, Arme, Rücken bedeckt. Es ist fast dunkel im Zimmer. Lediglich ein schwacher Lichtschein der Straßenlaterne schimmert durch die kleine Lücke zwischen den Vorhängen. Das Fens- ter ist gekippt geöffnet. Wind rauscht durch die noch vorhandenen Blätter der Bäume, bewegt die Vorhänge hinter dem geöffneten Fenster.
Ein leises Tippen an der Fensterscheibe. Regentropfen, vom Wind getragen. Mehr Tropfen, mehr Wind, ein Stakkato. Dann wieder Ruhe. Noch hat sich kein Ton in die morgendliche Dämmerstunde verirrt. Kein Wecker piept, kein Musiktremolo. Lediglich röhrt in der Ferne irgendwo die Trommel des Müllwagens und zermalmt den täglichen Abfall.
Die Augen noch geschlossen, den Träumen der Nacht nachfühlen. Kopf, Rücken, Beine spüren, lokalisieren, meditieren. Die Schwere fühlen. Unwillig den Tag im Kopf beginnen. Herbststürme herbeiwünschen, Regentage herbeisehnen, nicht aufstehen wollen, Gründe finden. Gähnen. Noch wäre Zeit, den Wecker auszustellen. Sich dem Tag hinzugeben. Aus gesicherter Entfernung dem Draußen zuzuschauen, Regen und Sturm zu genießen, auf nasse Schuhe und Jacke zu verzichten. Noch wäre Zeit, sich vorzustellen, einen zweiten Kaffee holen zu können, einen Keks zu nehmen, das Buch zu holen, die Heizung aufzudrehen, sich den Genuss eines sich selbst geschenkten Tages zu gönnen. Die Langeweile eine lange Weile zuzulassen und zu spüren, wie früher. Noch wäre…
Zu spät. Zeitansage. Nachrichten. Stau über Stau über Stau. Herbst. Regen und Blätter. Dusche, Brötchen, Kaffee. Schnelldurchgang. Jacke, Mütze, Schirm, Straßenbahn, beschlagene Scheiben. Nasse Schuhe, Büro, zu spät. Regenprasseln. Müde, Schwere, Dämmerung, graue Wolken. Aber Morgen, bestimmt anders.