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ОглавлениеDer Kopf muss ab
Herbstzeit. Das ist die Zeit, in der Köpfe rollen. Kohlköpfe. Ob weiß, ob rot oder kraus. Ob Blaukraut, Sauerkraut oder Wirsing. Vor den Genuss hat Annapurna, die indische Göttin des Kochens und des Überflusses, das Morden gesetzt. Zuerst muss das Messer gewetzt und geschwungen werden. Also so drückt die Köchin dem Gärtner das Messer in die Hand und fordert ihn auf, stachelt ihn an.
“Der Kopf muss ab! Bring ihn her! Ich will ihn meucheln! Aach, nee, nicht so, nur äähh, in Streifen schneiden, dünsten, abschmecken.“
Der Gärtner, gutmütig und hungrig, wie er ist, nimmt Auftrag und Messer, stiefelt hinaus in die brandenburgische Weite, ins niederrheinische oder westfälische trübe Grau, bückt sich, greift mit seiner linken Hand unter den Kopf, die äußeren Blätter leicht nach oben drückend, und durchtrennt mit Schwung und maßvollem Druck den Strunk vom Rest des Gewächses. Die Zufuhr der Lebenssäfte ist für den Kohl nun jäh unterbrochen, abgeschnitten rollt der Kopf zur Seite. Der Gärtner reißt den Strunk heraus, dessen Wurzel komischerweise einer Struwwelpeterfrisur ähnelt, er nimmt Kopf und Messer, bringt beides in die Küche und freut sich schon auf das baldige Mittagessen. Triumphierend präsentiert er dort seinen Jagderfolg - wird aber erstmal wieder ins Freie entlassen, um Unkraut zu jäten oder die weiteren Köpfe zu hätscheln.
Die Köchin jedoch widmet sich jetzt ganz ihrer Passion, greift zu Schneidbrett und Messer, entfernt die äußeren groben Blätter, legt sie zur Seite. Sie wird sie begutachten und, falls brauchbar, ebenfalls kleinschneiden. Mit drei schnellen Schnitten zerteilt sie den Kopf in Viertel, entfernt den Strunk und die groben Rippen, um anschließend mit wohlgesetzten Schnitten den Wirsing in feine Streifen zu schneiden. Die Streifen wäscht die Köchin in kaltem Salzwasser und lässt sie in einem Sieb abtropfen.
Drei mittelgroße Schalotten werden fein gewürfelt, und zusammen mit einer Handvoll Speckwürfel glasig angedünstet. Jetzt fügt sie die Wirsingstreifen hinzu, lässt sie unter stetigem Holzlöffelrühren zuerst etwas anbraten, gibt ein Wasserglas Gemüsebrühe hinzu, würzt mit Salz, Pfeffer und ein wenig Muskat und schließt den Deckel. Der Kohl wird jetzt weich gedünstet. Nach zehn, vielleicht fünfzehn Minuten erfolgt dann ein erster Bisstest. Noch al dente? Na, dann noch weitere zehn Minuten köcheln lassen. Nun gibt die Köchin schon mal die Sahne hinein und lässt anschließend die Flüssigkeit reduzieren. Wie weit? Nur ein wenig. Denn anbrennen sollte der Wirsing nicht, Röstaromen haben hier nix verloren. Das alles geht ihr einfach und schnell von der Hand und die Köchin weiß eine inhaltlich anspruchsvolle Portion auf dem Teller. Dazu reicht sie Bratkartoffeln sowie (Wild-) Bratwurst oder Buletten. Und ein kühles Pils.