Читать книгу Der Kopf muss ab - Gerhard Sauer - Страница 9
ОглавлениеNächstes Jahr wieder
Der Sommer war lang gewesen. Und sehr trocken. Mal wieder war, wie schon im vergangenen Jahr, viel zu wenig Regen gefallen. Staub und grobe Erdbrocken lagen überall herum. Früher hatte er sich das Treiben im Som- mer häufig aus gesicherter Entfernung an- schauen können; hatte sich gefreut, wenn die Kin- der aus den Häusern ringsumher nach einem Sommerregen oder Gewitter mit ihren Gummistie- feln in kleinen und großen Pfützen herumstapf- ten. Wie sie Matsche machten, kleine Schiffchen aus Papier falteten und über das kleine große Wasser schoben.
Sicher, damals hatte es auch schon heiße Wochen gegeben, aber eben immer wieder kleine Schauer zwischendurch, oder ein Wärmegewitter mit einem anschließenden stundenlangen Landregen. Er dachte zurück. Verklärte er jetzt auch schon die Vergangenheit? War früher alles besser gewesen? Nee, nee. Er konnte ja seine Einsatzzeiten in diesem Jahr zusammenzählen, und da zeigte sich ganz eindeutig, wie häufig er auch in diesem Sommer wieder gerufen und ausgerollt worden war.
Der Rasen, sein grüner Freund, war schon nach wenigen Wochen im Frühjahr müde gewesen die notwendige Feuchtigkeit mit seinen kurzen Wurzeln aus der immer trockener werdenden Erde hochzuziehen. Zuerst hatte man sehen können, dass er morgens nicht mehr so frisch die Blättchen nach oben gestreckt hatte, sondern sie häufig einfach hängen ließ. Dann waren kleine braune Stellen aufgetreten, aber eben keine Altersflecken, sondern einfach verdurstete, trockene Bereiche. Deshalb musste schon früh, es war wohl Mai gewesen, gewässert werden.
Bald darauf hätten alle, die es hätten sehen wollen, auch sehen können: die gelben, roten, blauen Blumen, die mit ihrer Pracht immer so stolz gewesen waren, kamen nur mühsam aus der Erde, hatten nur dünne Stängel angesetzt und wuchsen nur knapp halb so hoch wie normal. Die Büsche und Stauden ließen ebenso häufig ihre Blätter hängen. Und dann später, es war Hochsommer gewesen und eigentlich hatten alle Pflanzen in vollem Saft stehen sollen, warfen die großen Bäume schon ihre Blätter ab, um sich vom Ballast zu befreien. Ihnen allen ging es nicht gut, sie dürsteten.
Er hatte getan, was er konnte, war Stunde um Stunde im Einsatz gewesen, hatte im gesamten Garten seine Hilfe angeboten und war manchmal abends gar nicht mehr in seine Schlafposition gekommen.
Der rote, aufgerollte Gartenschlauch, der müde auf den Winter wartete, stand jetzt abseits, am Rande des Gartens, an einer kleinen Mauer, entleert, vom Wasserhahn abgekoppelt, notdürftig gesäubert. Aber er war zufrieden. Er hatte getan, was von ihm verlangt worden war - links am Wasserhahn das Wasser einspeisen lassen und am anderen Ende wieder freigegeben, wässern, spritzen, helfen. Es war viel Arbeit gewesen, keine Frage, doch jetzt, im Herbst regnete es endlich und er wurde nicht mehr benötigt.
Der große alte Baum, der rechts neben der Treppe stand, würde dieses Jahr nicht überleben. Er hatte ihn liebgewonnen und ein wenig phantasiert, dass der mächtige Baum seine Äste weit ausgestreckt hatte, so als wolle er die ganze Welt umarmen. Doch nach über einhundert Jahren waren seine Äste in diesem Jahr nach und nach vertrocknet. Die Gärtner würden ihn fällen. Dafür würden neue Bäume kommen. Das Leben im Garten war ein ständiges Kommen und Gehen. Und im Frühjahr würde auch er, der rote Gartenschlauch, wieder gebraucht werden. Er freute sich schon drauf. Doch jetzt war erstmal Winterpause.