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Die biologische Penis-Genese

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Dass dem Menschenmann als einzigem unter den Primatenmännern der Penisknochen (Baculum) fehlt, lässt nicht nur Adams ›Rippe‹ in einem neuen Deutungslicht erscheinen, sondern gibt auch den Evolutionsforschern ernsthaft zu denken. Was ist der Vorteil eines knochenlosen Penis?, so fragen sie sich. Das fragen auch wir uns. Erstmal keiner, denkt der stets um seine Erektionsfähigkeit besorgte Menschenmann. Hingegen liegt der Vorteil eines Penisknochens buchstäblich auf der Hand: Mit einem Knochen im Penis hätte der Mann ein Sexualproblem weniger. Er müsste in kritischer Koitussituation nicht um den Erhalt seiner fragilen Erektion fürchten. Viele Männer bräuchten keine Potenzmittel mehr zu nehmen, um ihren Penis wenigstens leidlich hochzukriegen. Die Männer hätten, egal wie impotent sie sich fühlten, ständig einen Ständer – selbst noch im Sarg.

Doch die Evolution gehorcht einer anderen Logik: Wenn alle Männer, auch die impotenten, eine knochenharte Dauererektion vorzuweisen hätten, wäre Potenz kein Vorteil mehr bei der Partnerfindung, sondern ein allgemeines und permanentes Faktum der männlichen Sexualkonstitution. Bei den anderen Primaten spielt die Erektion als Imponierobjekt und Potenzbeweis keine Rolle, da der Penis ohnehin sehr klein ist und das Wenige auch noch vom Fellkleid größtenteils verdeckt wird. So muss man bei einem Gorilla-Mann, der durch seine stattliche Größe und offensichtliche Kraft imponiert, schon sehr genau hinschauen, um seinen kleinen, gerade mal drei Zentimeter großen Penis zu entdecken. Ohnehin ist es bei den Gorillas so, dass der überschaubare Familienverband von etwa zehn Individuen vom Silberrücken-Männchen dominiert wird, der keine Konkurrenten zu fürchten hat. Es gibt für ihn somit auch keinen Grund, mit einem möglichst großen Penis bei den Weibchen Eindruck zu machen; dafür reichen Statur und Körperkraft aus.

Bei den Schimpansen, unseren nächsten Tier-Verwandten, sieht es allerdings schon wieder anders aus: Es gibt in den relativ großen Horden massive Konkurrenz unter den Männchen um die Gunst der Weibchen. Und so haben Schimpansen auch einen relativ großen Penis von durchschnittlich acht Zentimetern. Noch imposanter aber sind ihre Hoden: Während diese beim Gorilla jeweils nur etwa dreißig Gramm wiegen, sind es bei dominanten Schimpansen-Männchen bis zu 120 Gramm! Auch bei den eng mit den Schimpansen verwandten Bonobos – früher auch Zwerg-Schimpansen genannt – haben die Männchen stattliche Hoden, obwohl sie in Matriarchaten leben und die sexuelle Konkurrenz zwischen den Männchen deshalb keine so große Rolle spielt. Soziale Konflikte werden bei den Bonobos nur selten auf aggressive Weise ausgetragen. Sex dient ihnen als eher beiläufiger sozialer Kitt und nicht, wie bei den Schimpansen, als Grund für Konkurrenz und Streit hinsichtlich der Begattungshierarchie in der Horde. Mit einem besonders großen Skrotum beeindruckt ein Schimpansen-Männchen nicht nur die Weibchen, sondern ebenso die Rivalen im Affen-Patriarchat. Hingegen muss ein Bonobo-Männchen mit seinem Geschlechtsorgan nur die Weibchen im Affen-Matriarchat auf sich aufmerksam machen.

Beim Menschen ist es nun so, dass zum schwach behaarten Körper ein auffallend großer Penis hinzukommt – bei ziemlich bescheidenen Hoden von gerade mal zwanzig Gramm Gewicht. Das fehlende Fell lässt den erigierten Penis noch größer erscheinen, als er eh schon ist, was, nebenbei bemerkt, wohl auch ein Motiv für männliche Intimrasur sein dürfte. Zudem rückt der aufrechte Gang den imposant aufgerichteten Phallus erst recht ins Blickfeld begattungswilliger Frauen, während das Skrotum als Imponierorgan nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint. Von den meisten Frauen wird es ohnehin kaum eines Blicks gewürdigt.

Relativ zur Körpergröße hat der Mensch den größten Penis unter den Säugetieren. Nicht einmal der Blauwal, mit bis zu dreißig Metern Länge das größte Säugetier der Erde, kann es mit seinem etwa zwei Meter langen Penis in dieser Hinsicht mit dem Menschen aufnehmen. Es scheint, als solle den Menschenfrauen der Penis des Mannes buchstäblich ins Auge springen. Bewegte sich der Mensch, wie die übrigen Primaten, nackt auf allen Vieren fort, würde ein großer Penis nur stören. Entsprechend liefe ein Gorilla mit erigiertem Zwanzig-Zentimeter-Penis ständig Gefahr, sich mit diesem im Urwaldgestrüpp zu verheddern und dabei Verletzungen davonzutragen.

Von dem bekannten Evolutions-Forscher Richard Dawkins stammt die Hypothese, dass die männlichen Vorfahren von Homo sapiens den Penisknochen im Lauf der Evolution eingebüßt hätten, weil der knochenlose Penis den Frauen ermöglicht habe, an der Erektionsfähigkeit die sexuelle und sonstige Gesundheit der um ihre Gunst werbenden Männer abzulesen. Denn Erektionsstörungen sind bei einem jungen Mann zweifellos als bedeutsames Krankheitssymptom zu werten. Welche Frau will schon einen Mann, der keinen hoch kriegt! Nun könnte man einwenden, dass so ein Erektionstest auch für Schimpansen- oder Gorilla-Weibchen von Interesse sein könnte. Doch dafür fehlt diesen Primaten die Intelligenz, die nötig ist, um von guter Erektion auf gute Gesundheit zu schließen. Zudem kann man davon ausgehen, dass Menschenaffen-Männchen ohnehin keine Erektionsprobleme kennen; diese sind eine Folge der Kulturentwicklung beim Menschen, die höchstwahrscheinlich erst mit dem Patriarchat in Erscheinung getreten sind.

Der große und knochenlose Penis beim Menschen ist also letztlich eine indirekte Folge des großen Menschen-Gehirns und der damit verbundenen hohen Intelligenz – in diesem Fall jener der Frauen. Evolutionsgeschichtlich ist also die Intelligenz der Frauen daran schuld, dass die Männer ohne Unterstützung eines Penisknochens erigieren müssen.

Die Menschenfrauen, die sich auf einen Mann mitsamt seinem Penis einlassen, können auch aus anatomischen Gründen froh sein, dass der Penisknochen fehlt. Dadurch ist die Gefahr von Koitusverletzungen stark vermindert, während sie zum Beispiel ziemlich groß ist, wenn eine Frau sich in perverser Anwandlung von einem Hund bespringen lässt »und durch plötzliches Herausreißen des Hundepenis der Penisknochen Einrisse am After oder in der Scheide bewirkt«. (Ernest Borneman: Lexikon der Liebe, S. 747) So können die Frauen der Evolution gegenüber nur dankbar sein, dass der Penis des Mannes so ist, wie er ist. Nicht nur, dass er einen Knochen haben könnte, nein, dieser könnte auch noch mit Widerhaken versehen sein, wie das zum Beispiel beim Katzenpenis der Fall ist.

Wer freilich als Mann glaubt, sein knochenloser Penis könne nicht brechen, der irrt. Ein Penisbruch, hervorgerufen durch ungeschickte, allzu heftige oder bewusst gewalttätige Penetration, passiert schneller, als man denkt. Zu Bruch geht dabei der Schwellkörper, also das, was vom einstigen Penisknochen übriggeblieben ist. Dabei können im schlimmsten Fall sogar schwere Blutungen im Penis auftreten, verbunden mit Urin-Infiltration, falls die Harnröhre mit verletzt wird. Von daher ist dem Mann zu raten, auch bei stürmischer Penetration nicht gänzlich die Kontrolle über sich und seinen Penis zu verlieren, zumal wenn er sexuell noch unerfahren ist und vielleicht sogar meint, volltrunken vögeln zu müssen. Und damit haben wir eine elegante, wenn auch triviale Überleitung zu den Vögeln.

Das Überraschende gleich vorneweg: Vögel vögeln nicht. Das gilt zumindest solange, wie mit dem Begriff ›Vögeln‹ eine penetrierende Kopulation gemeint ist. Denn zur Penetration fehlt den Vogel-Männchen schlichtweg der Penis. Das gilt zumindest für die allermeisten Vogelarten. Nur bei wenigen Vogelgruppen, etwa den Enten oder Gänsen, besitzen die Männchen ein bescheidenes ›Begattungsglied‹. Wenn wir also unser menschliches Koitieren als »Vögeln‹ bezeichnen, meinen wir eigentlich ein ›Gänseln‹ oder ›Enteln‹. Gleichwohl ist ›Vögeln‹ als volkstümlich-derbe Bezeichnung für den Koitus schon seit dem Mittelalter gebräuchlich: Mit vogelen war zwar ursprünglich ›Vögel fangen‹ gemeint, doch hatte es von Anbeginn auch die Bedeutung von ›begatten (beim Vogel)‹, um schließlich auch als Ausdruck für die menschliche Begattung verwendet zu werden.

Tiere, die sich tagsüber die meiste Zeit in der Luft befinden, müssen möglichst leicht sein. Und da die Natur die Fortpflanzung problemlos auch ohne Penis hinkriegt, hat sie dieses entbehrliche Fortpflanzungsgerät bei den Vögeln einfach weggelassen – aus Gewichtsgründen. Das Vogelweibchen wird also vom Männchen gar nicht penetriert, wie man meinen könnte, wenn man den Spatzen beim ›Vögeln zuschaut, sondern beide pressen nur ihre ›Kloaken‹ aneinander. Eine Kloake ist eine Art Sammelbecken, in welchem die Ausfuhrorgane für Kot und Urin, ebenso die Absonderungen der Geschlechtsorgane zusammenlaufen – eine Art organische Senkgrube. Im mittleren Teil der Kloake befinden sich beim Vogelmännchen seitlich von der Harnleitermündung die Ausgänge zweier Samenleiter. Das Weibchen hat an der entsprechenden Stelle die Scheidenöffnung. Das Männchen lässt bei der Kopulation sein Sperma einfach von seiner Kloake in die des Weibchens fließen, von wo es dann in die Scheide gelangt. Da die Vögel ohnehin nur ein- oder zweimal im Jahr ›vögeln‹, spricht eigentlich nichts gegen diesen so einfachen wie praktischen ›Kloakensex‹. Für den Menschen möchte man sich Geschlechtsverkehr durch Aneinanderpressen von Kloaken lieber nicht vorstellen, vor allem wegen der damit verbundenen Hygieneprobleme. Die Lust auf oralen Sex wäre einem auch verleidet.

Der Luxus zweier Penisse

Die Kloake haben die Vögel von ihren evolutionsgeschichtlichen Vorläufern, den Reptilien, übernommen. Die Kriechtiere ›vögeln‹ also wie die Vögel. Da bei ihnen das Körpergewicht keine Rolle spielt, kommen die männlichen Tiere sogar in den Genuss eines winzigen, zur Ausstülpung fähigen Penis in ihrer Kloake. Mit diesem übertragen sie den Samen in die Kloake des Weibchens, ohne dass eine Penetration, die diesen Namen verdient, stattfinden muss. Während männliche Schildkröten und Krokodile nur einen einzigen solchen Ausstülpungspenis besitzen, haben männliche Echsen und Schlangen gleich deren zwei. Man spricht von zwei Hemipenissen. Bei der Begattung stülpt das männliche Tier beide Halb-Penisse aus, führt jedoch nur einen von ihnen in die Kloake des Weibchens ein, und zwar jenen, der dem Scheideneingang am nächsten liegt. Die paarigen Penisse sind vertrackte Gebilde aus Falten, Wülsten, Spitzen und Zacken, die dazu dienen, das männliche Begattungsorgan in der weiblichen Kloake regelrecht zu verankern. Nach der Begattung werden die Hemipenisse zurückgezogen und dabei wieder eingestülpt. Es gibt allerdings auch einige Echsenarten, unter ihnen zum Beispiel die Brückenechse, bei denen die Männchen, in der Art der Vögel, ohne Penis auskommen. Bei der Begattung pressen sie in Vogelmanier ihre Kloake auf die des Echsenweibchens.

Beim Stichwort ›zwei Penisse‹ drängt sich dem Menschenmann natürlich sofort die Frage auf, ob der Besitz solch eines dualen Begattungsapparats nicht auch für ihn von Vorteil wäre. In Gedanken sieht er sich in wilder Doppelpenetration mit zwei Frauen, wie immer diese anatomisch zu bewerkstelligen, kräftemäßig zu bewältigen und seelisch zu verarbeiten wäre. Von diesem Gedanken kommt der Mann aber schnell wieder ab, wohl wissend, dass es schwierig genug ist, den einen Penis, den er hat, optimal, das heißt zur Zufriedenheit des Sexualpartners, zum Einsatz zu bringen. Ein Ausstülpmechanismus wäre gewiss praktisch, doch fehlte ihm die bezaubernde Eleganz einer langsam sich entfaltenden Erektion, deren Loblied in einem der folgenden Kapitel noch gesungen wird.

Bei einer besonders faszinierenden Tiergruppe, jener der Spinnen, gehört der Besitz zweier Penisse nicht nur zur Sexual-, sondern weit mehr noch zur Überlebensstrategie des Männchens. Denn das Männchen ist bei den meisten Arten wesentlich kleiner als das Weibchen. Der krasse Unterschied in der Körpergröße wäre nicht weiter tragisch, wenn die Weibchen nicht die fatale Neigung verspürten, nach vollzogenem Geschlechtsakt den Partner aufzufressen. Das kommt daher, dass bei ihnen der Beutetrieb nicht immer scharf vom Begattungstrieb getrennt ist. Koitierend zu sterben, womöglich im Moment des Orgasmus, ist freilich nicht die schlechteste aller denkbaren Todesarten. Zudem ist sie im Dienst der Arterhaltung gar nicht so abwegig, wie sie aufs Erste erscheinen mag. Wegen der raschen und großen Produktion von Eiern haben Spinnenweibchen einen sehr hohen Eiweißbedarf, den sie auf diese praktische und billige Weise decken. Das Männchen hat mit der Abgabe des Samens ohnehin seine biologische Pflicht, sich fortzupflanzen, erfüllt. Hier bestätigt sich auf eindringliche Weise ein grundlegendes Gesetz der Natur: Ihr Interesse gilt vorrangig der Art und nicht dem Individuum.

Das Penispaar der Spinnenmännchen ist evolutionsgeschichtlich nichts weiter als das zum Begattungsorgan umfunktionierte vorderste Beinpaar (Pedipalpen). Vor der Begattung befüllt das Männchen diese beiden ›Bein-Penisse‹ mit Sperma, das aus dem vorderen Teil der Bauchseite austritt. Zu diesem Zweck spinnt das Männchen ein kleines ›Sperma-Netz‹; auf dieses setzt es einen Tropfen Samenflüssigkeit ab und packt das Befruchtungspaket mit beiden ›Begattungsbeinen‹. Damit ist das Männchen begattungsbereit. Diese Vorbereitung auf den Koitus kann mehrere Stunden in Anspruch nehmen – ein langes, autoerotisches Vorspiel des Männchens, wenn man so will. Wenn das Männchen sich schließlich einem Weibchen nähert, das Samen-Geschenkpaket vor sich hertragend, richtet es sich immer wieder hoch auf, erigiert gewissermaßen mit seinem ganzen Körper, und winkt der Auserwählten mit seinem geladenen ›Doppelpenis‹ zu. Das geht so lange, bis sich beide Tiere Kopf an Kopf gegenüberstehen. Falls das kleine Männchen Glück hat, und das vergleichsweise riesige Weibchen durch das winkende ›Penispaar‹ in Paarungsstimmung gekommen ist, kann es wagen, das Weibchen mit dem Mut des Begehrens anzuspringen, rasch seine beiden mit Samen beladenen Taster an der Geschlechtsöffnung des Weibchens zu positionieren und das Samenpaket eiligst in diese hineinzustopfen. Das ordinäre, vor allem im süddeutschen Raum gebräuchliche Wort ›stopfen‹ für koitieren bringt zumindest beim Spinnensex die Sache auf den Punkt.

Sie hat ihn zum Fressen gern

Bei einigen Spinnenarten benutzt das Männchen nur einen der beiden ›Tasterpenisse‹, der an speziellen Fortsätzen der weiblichen Geschlechtsöffnung einrastet. Meistens ist damit das Schicksal des Männchens besiegelt. Im Moment des Einrastens rastet das Weibchen buchstäblich aus; es schlägt, einem Tötungsreflex gehorchend, seine mächtigen Klauen in den Hinterleib des kopulierenden Männchens, falls dieses nicht flink genug ist, sich von seinem feststeckenden Penis loszureißen, diesen im Körper des Weibchens zurücklassend, um mit seinem anderen, heil gebliebenen Penis das Weite zu suchen. Falls ihm das gelingt, erbringt das Männchen den Beweis, dass es zumindest bei weiblichem Sexualkannibalismus nicht das Schlechteste ist, zwei Penisse zu haben. Falls das Männchen nicht entkommt und den tödlichen Biss erhält, ist damit die Samenübertragung nicht unterbunden. Der Penis des Toten führt sein Werk selbständig zu Ende. Ist dies geschehen, wird das Männchen, inklusive Penis, vom begatteten Weibchen verspeist. Erst verzehrt er sich nach ihr, dann wird er von ihr verzehrt. In sich stimmiger kann ein Liebesakt, zumindest aus weiblicher Perspektive, kaum sein.

Bei der Wespenspinne ist die Sache mit dem Sex ähnlich vertrackt, doch hat hier das Männchen eine reelle Chance, den Geschlechtsakt zu überleben. Das Weibchen ist nämlich nicht darauf fixiert, sich nur mit einem einzigen Männchen zu paaren. Es ist polygam, oder präziser ausgedrückt: polyandrisch. Das heißt, es will sich möglichst mit mehreren Männchen paaren und erst später entscheiden, welches Samenpaket es für die Befruchtung der Eier verwendet. Die Biologen sprechen in so einem Fall von ›kryptischer Weibchenwahl‹. Allerdings setzt die weibliche Spinnen-Anatomie der Polygamie Grenzen: Die Weibchen haben ›nur‹ zwei Geschlechtsöffnungen und können sich deshalb nur von zwei verschiedenen Partnern pro Paarungszeit begatten lassen. Anders als die Weibchen, sind die Männchen jedoch auf Monogamie geprägt, wenngleich auch sie im Besitz zweier Begattungsorgane sind. »In ihrem Interesse liegt es«, so meint die Verhaltensforscherin Jutta Schneider, »ein jungfräuliches Weibchen zu finden, mit ihm zu kopulieren und es dann zu monopolisieren.« Zu diesem Zweck verstopft das Männchen nach der Begattung die Geschlechtsöffnung des Weibchens mit der Spitze seines ›Taster-Penis‹– eine seltene Form der sexuellen Selbstverstümmelung. Jutta Schneider spricht von »Ein-Schuss-Genitalien«. Der Verlust der Penisspitze als Genitalpfropf lohnt sich für das Männchen insofern, als es dadurch sicherstellt, dass nach ihm kein Nebenbuhler in die von ihm besamte Geschlechtsöffnung des Weibchens eindringt und ebenfalls seinen Samen dort ablegt. Schließlich hat das Männchen ja noch einen zweiten Penis und kann damit ein weiteres Weibchen begatten und verpfropfen – vorausgesetzt, er kommt bei der ersten Kopulation mit dem Leben davon. Die flinksten Männchen haben so die Chance, zweimal im Leben zum ›Schuss‹ zu kommen, was ja ganz im Sinne der Evolution ist.

Auch bei den Walzenspinnen verläuft die Kopulation auf bemerkenswerte Weise: Das Männchen, das bei dieser Ordnung der Spinnentiere ausnahmsweise nur wenig kleiner ist als das Weibchen, fällt seine Geschlechtspartnerin regelrecht an und umklammert sie, wobei das Weibchen wie hypnotisiert in Bewegungslosigkeit verharrt. Danach wird es vom Männchen an einen sicheren Ort geschleppt und dort auf den Rücken gedreht. Mit Hilfe seiner Mundwerkzeuge weitet das Männchen die Geschlechtsöffnung des ›ohnmächtigen‹ Weibchens, setzt einen Samentropfen auf ihm ab und stopft ihn mit den Mundwerkzeugen hinein. Danach verschließt es die Ränder der weiblichen Geschlechtsöffnung, indem es diese zusammenkneift, und macht sich flink aus dem Staub, bevor das Weibchen aus seiner Sexualstarre erwacht. Auch beim Menschen gibt es Männchen, die am liebsten mit schlafenden oder sich schlafend stellenden Frauen koitieren – eine narzisstische Vorliebe, die dem Fetischismus zuzuordnen ist, genauer: dem Antifetischismus der Kinephobie (= Bewegungsangst).

Milben, die ebenfalls zu den Spinnentieren zählen, sind fast noch erfindungsreicher in ihrem Sexualverhalten als die Echten Spinnen. Bei einigen Wassermilben wird das Weibchen bei der Begattung vom Männchen nicht nur umklammert, sondern mit einer klebrigen Masse regelrecht festgekittet. Auch die Milbenmännchen haben sich darauf spezialisiert, ihren Samen mit den Mundwerkzeugen in die Geschlechtsöffnung des Weibchens zu stopfen. Bei manchen Arten legen sie allerdings keinen Wert mehr auf Körperkontakt beim Sex. Sie setzen ihre Samenpakete in der Nähe eines Weibchens ab und machen sich aus dem Staub. Die Weibchen stopfen sich diese Samen-Wurfpost, sobald sie sie entdecken, selber in ihre Geschlechtsöffnung – eine Art von masturbatorischer Kopulation. Freilich können die Männchen nie sicher sein, ob ihre abgelegten Samenpakete auch ans Ziel kommen oder womöglich nur in der Sonne vertrocknen.

Bei den Zecken – auch sie zählen zu den Spinnentieren – kriecht das penislose Männchen unter das an einem Warmblütler festgebissene Weibchen und steckt seinen Rüssel in die weibliche Geschlechtsöffnung, um diese zu weiten. Danach dreht das Männchen sich um, setzt ein Samenpaket ab und schiebt dieses mit Rüssel und Tastern in die geweitete Geschlechtsöffnung des Weibchens.

Die vielfältigen Sexualpraktiken bei den Spinnentieren, die postkoitale Tötung und Verspeisung des Männchens inbegriffen, bringt einem als Menschenmann zu Bewusstsein, dass auch die menschliche Fortpflanzung sehr gut ohne Penis auskommen könnte. Der Samen des Mannes muss halt irgendwie in die Vagina der Frau gelangen, um den biologischen Sinn des Lebens, der Fortpflanzung heißt, zu erfüllen. Der Natur ist es letztlich egal, auf welche Weise das geschieht. Wo immer bei den Spinnentieren so etwas wie Begattung stattfindet, sind es die aktiven Männchen, die sich an den passiven Weibchen sexuell abarbeiten, nicht selten mit tödlichem Ausgang. Im Grunde kann man als männlicher Vertreter der Säugetierklasse froh sein, hin und wieder mit Frauen kopulieren zu dürfen, ohne bei ihnen während des Geschlechtsakts einen weiblichen Beutetrieb zu wecken, der aus mehr als nur Kratzen und Beißen besteht. Umgekehrt können freilich auch die Frauen froh sein, dass wir ihnen nach dem Geschlechtsverkehr nicht die Vagina mit unserer abgetrennten Peniseichel zustöpseln, um Nebenbuhlern den Zugang zu versperren. Die sexuelle Aktivität des Mannes gänzlich auf die Masturbation zu beschränken und die dabei anfallende Samenmasse gut sichtbar im öffentlichen Raum, etwa auf Parkbänken, in Bushäuschen, unter Straßenlaternen oder gleich in öffentlichen Damentoiletten zu deponieren, damit sich Frauen mit Kinderwunsch frei bedienen können, wäre zwar praktisch, aber auf Dauer sehr langweilig. Dann doch lieber penetrierend in den Klauen der Frauen lustvoll verenden.

Die hohe Liebeskunst des Maikäfers

Bei den Insekten geht es, im Vergleich zu den Spinnentieren, eher gesittet zu, mit einer Ausnahme: der zur Ordnung der Fangschrecken zählenden Gottesanbeterin. Bei dieser Art ähnelt das kannibalische Sexualverhalten des Weibchens dem der Spinnen. Hierzu liest man in Grzimeks Tierleben: »Selbst während der Paarung beginnt die Gottesanbeterin oft, den Mann vom Kopfe her zu verzehren, während dessen Hinterende die Begattung unentwegt fortsetzt« – eine kopflose Kopulation, so könnte man sagen.

Bei Käfern und Schmetterlingen wird man solche Sexualpraktiken vergeblich suchen; sie koitieren im Prinzip nicht anders als der Mensch, begnügen sich also mit Penetration ohne kannibalische Anwandlung. Zu diesem Zweck haben männliche Insekten Penis und Hoden, die durchaus mit denen des Menschen zu vergleichen sind. Der Penis sitzt auf der Unterseite des neunten Hinterleibsegments an dessen Hinterrand. Er ist, je nach Insektenart, einfacher oder komplizierter gestaltet. Die paarigen Hoden bestehen aus einfachen Schläuchen, die sich in den Samenleiter fortsetzen. Der Samen wird entweder in flüssiger Form oder eingeschlossen in einer Samenkapsel übertragen. Bei den meisten Käferarten, aber zum Beispiel auch bei vielen Fliegenarten, lässt sich die Paarung mit dem Coitus a tergo (= von hinten) beim Menschen vergleichen: Das Käfermännchen reitet beim Weibchen von hinten auf, beziehungsweise sitzt auf dessen Rücken und hält sich mit den Beinen an ihm fest. Manche Männchen suchen zusätzlich Halt, indem sie sich auch noch mit den Mundwerkzeugen am Weibchen festbeißen – ein Koitusreflex, der auch bei manchen von hinten koitierenden Menschenmännchen zu beobachten ist, ebenso beim Gockel, der seine Henne, oder beim Kater, der die Kätzin besteigt.

Bei den meisten Käferarten dauert der eigentliche Koitus, nicht anders als bei so manchem Menschenpaar, nur wenige Sekunden. Hingegen kann er sich, etwa beim Maikäfer, auch über mehrere Stunden hinziehen, was, auf den Menschen übertragen, zu dem geflügelten Wort ›Sie vögeln wie die Maikäfer‹ geführt hat. Der Maikäfer erweist sich überhaupt als ein versierter Liebeskünstler im Stil eines Casanova, vor allem, was das Nachspiel betrifft, das sonst im Tierreich kaum vorkommt und auch beim Menschen eine eher weibliche Vorliebe ist, während der Mann nach vollzogenem Akt meist den unbändigen Drang verspürt, entweder den Ort des Geschehens fluchtartig zu verlassen oder ebenso fluchtartig einzuschlafen. Das Maikäfer-Männchen hingegen lässt sich nach vollbrachtem Liebesopfer wie ohnmächtig auf den Rücken fallen und vom Weibchen in dieser Position vollkommen nutz- und ziellos in der Gegend herumtragen, bis sie sich endlich voneinander lösen.

Bei den Fliegen, etwa der Taufliege, ist vor allem das weibliche Paarungsverhalten interessant: Sie allein entscheidet, wann er darf. Dem Werben des Männchens wird nicht sofort nachgegeben, sondern das Weibchen inszeniert ein regelrechtes Programm der Zurückweisung. Es lockt, indem es sich ziert. Es gibt sich nur einem Freier hin, der sich werbend so richtig ins Zeug legt. Anders wäre es gar nicht begattungsbereit, das heißt, überhaupt nicht in der Lage, minutenlang stillzuhalten, was den rastlosen Fliegen naturgemäß schwer fällt. Denn das Männchen braucht ziemlich lange, bis es auf seine Partnerin geklettert ist und seinen Penis in die richtige Abschussposition gebracht hat. Aber auch das Weibchen benötigt diese Zeit, bis sich endlich seine Vaginalplatten öffnen. Mit den Spermien wird dem Weibchen auch ein Arsenal von Eiweißstoffen verabreicht, darunter ein so genanntes Sexpeptid. Dieses bewirkt, dass das Weibchen weitere Verehrer zurückweist; gleichzeitig regt es die Eierproduktion an. Das Weibchen wird also bei der Begattung vom Männchen chemisch auf Monogamie programmiert. Sexualität ist nun mal in hohem Maße Chemie, eben die Chemie der Hormone. Das ist beim Menschen im Prinzip nicht anders.

Bei den Fischen haben die Männchen in Sachen ›Penis‹ sehr wenig oder rein gar nichts vorzuweisen. Das verwundert kaum, denn im Lebensraum Wasser bietet es sich an, die Befruchtung der Eier außerhalb des weiblichen Körpers zu arrangieren, also Eier und Samen im freien Wasser zueinander zu bringen. Einzig bei den lebend gebärenden Fischarten, etwa den Haien oder den Rochen, haben sich »Begattungsorgane in Form von langen knorpeligen Anhängen […] der Bauchflossen ausgebildet. Andere lebend gebärende Fische […] besitzen Begattungsorgane, die aus der Afterflosse gebildet werden.« (Grzimeks Tierleben, Bd. 4, S. 65) Das Sexualleben der Fische ist von daher eine ziemlich langweilige Angelegenheit, die hier nicht weiter ausgebreitet werden muss.

Auch bei den Amphibien bleibt dem Penis, falls überhaupt einer vorhanden ist, nichts anderes zu tun, als mehr am Rande als im Innern der weiblichen Kloake herumzumachen, um schließlich unterhalb derselben einen so genannten Samenträger am Boden abzusetzen, den das Weibchen, wenn es Lust dazu hat, mit seiner Kloake aufnimmt. Dieses Prinzip der körperlosen Sexualität ist ja bereits vertraut. Es gibt auch Amphibien-Arten, bei denen die Weibchen den aufgenommenen Samenträger in einer Körpertasche verstauen, um sich bei Gelegenheit daraus zu bedienen. Von Penisaktivitäten auch hier keine Spur! Einzig ein nordamerikanischer Frosch mit dem zutreffenden Namen Schwanzfrosch bemüht sich um eine Kopulation, die diesen Namen aus menschlicher Sicht verdient. In der Tat verdankt diese Froschart ihren Namen nicht einem Schwanz im Sinne eines verlängerten Hinterteils, sondern einem Schwanz im Sinne von Penis. Gemeint ist eine bescheidene, nur fünf bis zehn Millimeter lange, nach hinten ausgestülpte röhrenförmige Verlängerung der Kloake, die dem Frosch-Mann als ›Penis‹ dient. Die Befruchtung geschieht also im Körperinnern des Weibchens. Das ist bei dieser Froschart auch sinnvoll, denn sie lebt in Gebirgsbächen mit reißender Strömung, was eine äußere Befruchtung unmöglich machen würde. Der Samen ginge buchstäblich den Bach runter.

Bei den Weichtieren (Mollusken) erwartet man von vornherein keinen Penis, zumindest keinen, der durch Härte beeindruckt. Der Tierklasse der Schnecken würde man damit allerdings Unrecht tun. Bei ihnen findet man sogar einen Penis, der zumindest optisch nichts zu wünschen übrig lässt. Da die Schnecken Zwittertiere sind, können sie sexuell mal als Männchen, mal als Weibchen aktiv werden. Oder sie sind beides zugleich, indem sie sich selber befruchten – aus menschlicher Sicht eine beneidenswerte Fähigkeit, die unser Sexualleben zweifellos bereichern würde. Man erlebte beim Höhepunkt der Selbstbegattung sowohl männliche als auch weibliche Orgasmen. Nicht nur unter orgastischen Gesichtspunkten erscheint die lebenslange Festlegung des Individuums auf ein Geschlecht nicht unbedingt als die glorreichste Erfindung der Evolution. Welcher Mann wäre nicht gern auch mal Frau – und umgekehrt! Aus purer Neugier. Tatsächlich hat die Evolution den Geschlechtswechsel bei der einen oder anderen Art ausprobiert, doch für die höheren Tiere bedauerlicherweise wieder verworfen.

Das Glied des Gliederwurms

Doch kehren wir zum Penis bei den Weichtieren zurück: Bei den Tintenfischen, diesen erstaunlich intelligenten Vertretern dieses Tierstamms, dient den Männchen einer ihrer acht oder zehn Arme als Penis. Man bezeichnet ihn wissenschaftlich als Hectocotylus. Ihn führt das Männchen bei der Begattung in die Mantelhöhle des Weibchens ein. Dann wird in einer Längsrinne des Begattungsarms eine Spermatophore mittels Kontraktionswellen bis zur weiblichen Geschlechtsöffnung transportiert, die sich tief in der Mantelhöhle verbirgt.

Bleiben zum Schluss dieser flüchtigen biologischen Betrachtung noch die Niederen Tiere, die zumindest im Sexuellen alles andere als niedrig sind. Gerade im Hinblick auf den Penis erlebt man Überraschungen, vor allem, was die Plattwürmer, Schnurwürmer, Schlauchwürmer, Gliederwürmer und Spritzwürmer betrifft. Schon in den Namen ist der Penis mehr oder weniger präsent, am stärksten natürlich beim Spritzwurm. Bei diesen recht einfach gebauten zwittrigen Tieren findet man erstaunlich fortentwickelte Geschlechtsorgane. Während zum Beispiel die ebenfalls sehr einfach gestalteten Schwämme oder Hohltiere ihre Samenzellen einfach dem Lebensraum Wasser übergeben, ähnlich wie die Fische, basiert der Wurmsex auf echter Penetration, soll heißen: Ein Wurmpenis dringt in eine Wurmvagina ein. Weil der Wurm selber schon einem Penis gleicht, haben wir hier gewissermaßen einen Penis mit Penis vor uns. Damit erweisen sich männliche Würmer als die Penis-Tiere schlechthin.

Nicht umsonst rückt auch der menschliche Penis wegen seiner wurmartigen Gestalt sprachlich in die Nähe des Wurms. ›Spritzwurm‹, ›Schlauchwurm‹ oder ›Gliederwurm‹, diese biologischen Klassifizierungen von Würmern, würden als volkstümliche Ausdrücke in idealer Weise zum menschlichen Penis passen. In manchen Gegenden Deutschlands wird der Penis volkstümlich als Hosenwurm bezeichnet.

Die zwittrige Fruchtbarkeit der Würmer ist erstaunlich. Das liegt vor allem daran, dass sie sich als schmarotzende Organismen zum Lebenserhalt um nichts kümmern müssen. Ihr einziger Lebensinhalt ist der Sex. Der Einfachheit halber begatten sie sich meistens selber, genauer: Der männliche Abschnitt des Wurms begattet den weiblichen. Diese einfachen Tiere sind bei passender Gelegenheit aber auch zur Begattung eines anderen Wurm-Individuums in der Lage. Bei den zu den Plattwürmern gehörenden Strudelwürmern hat sich der Penis aus ursprünglichen Abwehrwaffen des Tiers entwickelt. Im Grunde hat ja jeder Penis, voran der besonders groß geratene des Menschen, etwas von einer Waffe, freilich mehr von einer Angriffs- als von einer Abwehrwaffe. Bei den Strudelwürmern übernehmen so genannte ›birnenförmige Organe‹ oder ›Drüsenstacheln‹, die ursprünglich der Feindabwehr dienten, die Aufgabe der Samenübertragung. Mit ihnen wird die Körperwand des Partners durchstoßen; sein Körper wird gewissermaßen als ganzer penetriert. Einer eigens dafür vorgesehenen Geschlechtsöffnung bedarf es nicht.

Bei manchen Arten von Plattwürmern verwachsen beide Partner nach der Begattung miteinander und bilden für den Rest des Lebens einen einzigen Organismus. Bei den ebenfalls zu den Plattwürmern gehörenden Bandwürmern ist es ohnehin so, dass jedes Körpersegment fast nur aus männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen besteht, wobei die männlichen Segmente neben zahlreichen Hodenbläschen auch einen beachtlichen ausstülpbaren Penis aufweisen. Bandwürmer wachsen beständig in die Länge und bilden dabei reihenweise immer neue Fortpflanzungsorgane. In der so entstehenden Gliederkette reifen die zwittrigen Geschlechtsorgane von vorne nach hinten, und zwar die männlichen vor den weiblichen. So können oftmals die vorderen oder mittleren männlichen Glieder mit ihren langen Penissen die hinteren, eben erst entstandenen weiblichen Glieder sofort begatten, ohne dass diese schon geschlechtsreif sind. Sie reifen gewissermaßen dem in ihnen abgelegten Samen entgegen. So bildet sich eine Art von Begattungskette, die auch dann noch funktioniert, wenn der Wurm zerteilt wird. Das führt zu einer extrem hohen Rate an Nachkommenschaft.

Als aus menschlicher Sicht geradezu skurril erweist sich das Sexualleben der Fadenwürmer. Bei einigen Arten nehmen die Geschlechtsorgane im Laufe ihrer Entwicklung stark an Umfang zu, bis am Ende das ganze Tier fast nur noch aus dem Geschlechtsteil besteht. Die Tiere kopulieren nicht mehr mit ihren Geschlechtsorganen, sondern als Geschlechtsorgane. Auf den Menschen bezogen wären wir Männer irgendwann nur noch Penis, was wir auf der gedanklichen Ebene ohnehin meistens sind. Die Frauen wären nur noch Vulva. Das muss man sich mal bildhaft vorstellen, zum Beispiel als menschliches Treiben auf einem großstädtischen Boulevard. Überall wären flanierende Penisse und Vulven unterwegs! Bei der Kopulation, die freilich nicht auf dem Boulevard stattfände – oder vielleicht doch –, würde der Penis-Mann vollständig in der Vulva-Frau verschwinden. Den meisten Männern dürften solche Fantasien nicht fremd sein. Das hat mit ihrer Neigung zu tun, sich besonders stark mit ihrem Geschlechtsteil zu identifizieren. »Solchen Tagträumen«, meint Ernest Borneman, »liegt die sogenannte Mutterleibsphantasie zugrunde, in der man sich beim Akt wünscht, in den Leib der Frau (= Mutter) zurückzukehren, was nur dann möglich ist, wenn der gesamte Körper (zumindest in der Phantasie) durch den Penis […] ersetzt wird.« (Lexikon der Liebe, 1978, S. 1260)

Und so endet dieses Kapitel, zumindest für uns Männer, in der Erkenntnis: Fadenwurm müsste man sein! Dann könnten wir endlich jenen unbewusst herbeigesehnten Liebesakt erleben, bei dem Eros und Todestrieb in eins zusammenfallen – der Anfang unseres Seins mit dem Ende.

Der Penis-Komplex

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