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Urlaub in Ägypten

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Max steigt aus dem Bus, der ihn vom Flughafen zum Bahnhof gebracht hat. Nun steht er auf diesem belebten Platz und beobachtet skeptisch die vielen Menschen, welche alle in ihrer typisch gemütlichen Art, den Platz bevölkern. Auf der Strasse kämpfen sich Hunderte von Autos durch den Verkehr, jedes sieht aus wie das andere, nur die Nummer auf der Türe ist unterschiedlich. Es sind die berühmten Taxis von Kairo. Max kann es noch gar nicht glauben, aber er steht in Kairo.

Bis zum Aussteigen aus dem Bus ist seine Reise vom Reisebüro organisiert, doch ab diesem Zeitpunkt, muss er sich selbst organisieren. Als Erstes beschafft er sich einen Stadtplan von Kairo, dann hängt er seinen Rucksack um und macht sich auf die Suche nach einem Hotel.

Unschlüssig steht er vor dem Bahnhof, als auch schon ein junger, hochgewachsener Araber, Max in gebrochenem Englisch fragt: «Kann ich dir helfen?»

«Entschuldigung, mit mir kannst du kein Geschäft machen! Ich habe keinen Job und reise günstig», antwortet Max auf englisch.

Max kann seinen nächsten Schritt nicht in aller Ruhe planen. Der arabische Junge weiss genau was er braucht. In seinem gestenreichen Englisch, wird eifrig diskutiert und verhandelt. Nach einiger Zeit schlürft Max hinter Mustafa her. Wenigstens hat der begriffen, dass er nicht wie andere Touristen, im Taxi reisen will, sondern lieber zu Fuss geht. Dieser Umstand schreckt Mustafa in keiner Weise ab, sondern bestärkt ihn nur noch in seiner Überzeugung, dass er genau der richtige Fremdenführer für Max ist.

Voller Zweifel folgt Max seinem neuen Freund. Hat er die richtige Wahl getroffen? Immerhin hat er den erstbesten Jungen, der ihn angesprochen hat, zu seinem privaten Fremdenführer gemacht und nun folgt er ihm durch dieses Menschengewühl, ohne zu wissen, wohin es geht. Lockt er ihn in einen Hinterhalt, um ihn auszurauben? Max ist wachsam. Nebst einer Kreditkarte trägt er einige kleine Dollarscheine auf sich. Zudem musste er bereits am Flughafen, eine grössere Menge ägyptische Pfund wechseln, da er kein Reisearrangement gebucht hat. Schon diese paar Pfund wären vermutlich für diesen Jungen ein Vermögen.

Nach mindestens einer halben Stunde Fussmarsch durch Kairo, hält Mustafa bei einem kleinen Hotel, in dem sonst nur Einheimische absteigen. Mustafa erledigt alle Formalitäten und verabschiedet sich. Max ist froh, dass er seinen Schatten los ist, denn er ist todmüde und will sich ausruhen.

Das Zimmer ist sehr klein und ausser einem Bett und einem Stuhl, bietet es keinen weiteren Luxus. Die Toilette und das Bad befinden sich auf dem Flur. Das Bett ist recht bequem und sauber bezogen. Also legt er sich hin und kann endlich in Ruhe nachdenken.

Bevor Rebekka zu ihren Grosseltern in die Osterferien fuhr, hatte er sie noch einmal getroffen. Sie spielte zusammen eine Partie Schach. Es gab keine allzu grosse Diskussion über Gott. Max fühlte sich noch nicht ausreichend vorbereitet. Er versuchte etwas mehr über das Mädchen zu erfahren. Rebekkas Mutter arbeitet aushilfsweise, in einem Altersheim, allerdings in unregelmässigen Abständen. Ihre Eltern sind sehr religiös und besuchen jeden Sonntag die Versammlung in einer kleinen Kapelle. Die genaue Bezeichnung der Vereinigung kann, oder will sie ihm nicht sagen. Für ihn spielt das keine Rolle, denn er kennt die Grundsätze dieser Gemeinschaft sowieso nicht.

Nach der Abreise von Rebekka, vertrieb sich Max die Zeit mit Lesen. Er war wieder allein und es kam zu ein paar Rückfällen, er vermisste Rebekka und darüber tröstete er sich einige Male, mit einer Flasche Wein aus dem Supermarkt. Es wurde jedoch nie mehr so schlimm, wie vor dem ersten Treffen mit Rebekka. In seiner Hütte konnte er kaum noch schlafen, da im Frühling bis tief in die Nacht Leute unterwegs sind. So war seine Bleibe immer mehr gefährdet. Er beschloss, in die Ferien zu fahren. Das Arbeitsamt bewilligt die Ferien, denn momentan sind die Aussichten auf eine Stelle gering.

Nach langem hin und her, wagte er es, bei einem Reisebüro anzufragen. Eigentlich wäre er gerne nach Israel, dem Land der Bibel, gefahren. Die Angebote waren aber sehr teuer.

Dann stellte er fest, dass ein Last-Minute Ticket nach Kairo keine hundert Franken kostet. Die müssen Touristen aus dem Osterurlaub zurückfliegen und so ist der Flug extrem günstig.

Ägypten hatte letztes Jahr ebenfalls schwer unter dem Corona-Virus zu leiden. Die Krankheit forderte vor allem unter den Strassenhändler und in der Tourismus-Industrie viele Opfer. Besonders Männer erkrankten, die Frauen waren durch den Schleier besser geschützt, was sich später in der Statistik bemerkbar machte.

Nun versuchen die Ägypter, die Tourismus-Industrie langsam wieder in Schwung zu bringen. Wenn er die günstigeren Lebensbedingungen in Kairo einrechnet, müsste ihn der Kairoausflug am Ende günstiger zu stehen kommen, als wenn er in Olten bleibt.

Schliesslich ging alles sehr schnell. Bei Walter Zingg holte er seinen Fotoapparat, stopfte den Schlafsack und den Schachcomputer in den Rucksack und verabschiedet sich von Walter.

Auf der Bank lud er sich einige Dollars, auf eine Kreditkarte, welche nur Kreditkarte heisst, aber nicht überzogen werden kann und schon trampte er per Autostopp nach Kloten. Sein Kairoabenteuer konnte beginnen. In der Flughafentoilette zog er seine besten Kleider an und los ging die Reise. Während er nachdenkt, wie es Rebekka bei ihrer Grossmutter geht, schläft er ein.

Als er wieder aufwacht, stellt er fest, dass er hungrig ist. Er sucht die Toilette auf, um sich etwas frisch zu machen. Sobald er die Toilette betreten hat, bereut er, dass er nicht in einem besseren Hotel abgestiegen ist. Die Einrichtungen sind sehr primitiv und der Geruch ist überwältigend. Natürlich hat es nur kaltes Wasser, das in einem schwachen Rinnsal aus dem Hahn läuft. Auf den Toiletten kann man nur im Stehen.

Kurze Zeit später verlässt er das Hotel und macht sich auf die Suche nach etwas Essbarem. Von einem Strassenhändler kauft er einen Spiess. Danach setzt er sich in eine kleine Strassenkneipe, in welcher Einheimische heftig diskutierten und bestellt einen Pfefferminztee. Dann denkt er über sein Ägyptenabenteuer nach.

«Warum ist er nach Ägypten geflogen?»

Eigentlich weiss er es selber nicht. Er fühlt nur, dass in den Pyramiden, vielleicht die Antwort auf die Frage: «Wer ist Gott?», versteckt sein könnte. Er ist aber nicht so optimistisch, die Antwort zu finden, nachdem vor ihm Tausende von studierten Leuten, keine Antwort darauf gefunden haben. Weiter überlegt er sich, welche Sehenswürdigkeiten er in Ägypten besuchen will. Da steht sicher der Besuch der Pyramiden an erster Stelle, dann das ägyptische Museum, Luxor mit dem Tal der Könige und dem Karnak-Tempel, Abu Simbel und den Assuan Staudamm. Er hat genügend Zeit, sich alles anzusehen, drei Wochen sind eine lange Zeit.

Nach einer Weile gibt ihm das Herumsitzen auf die Nerven, die Versuchung ist zu gross, immer den Männern zuzusehen, wie sie miteinander gestikulieren. Er hat das Gefühl, es sei ihnen unangenehm, wenn er sie dauernd beobachtet. Also kramt er aus seinem Rucksack, den er vorsichtshalber, wenn auch ohne Schlafsack und Kleider, mitgenommen hat, seinen Schachcomputer hervor und beginnt zu spielen. Er wählt eine relativ schwere Stufe, mit der er ziemlich zu kämpfen hat.

Nun ist er so ins Spiel vertieft, dass er seine Umwelt praktisch vergisst. Plötzlich fällt ihm auf, dass der Geräuschpegel in der Kneipe nicht mehr regelmässig ist, sondern zwischen Ruhe und lautem kommentieren wechselt und genau in dem Rhythmus, in welchem er seine Züge zieht. Vor einem Zug herrscht gespannte Ruhe und nach jedem Zug wird lautstark kommentiert. Verlegen schaut sich Max um, jeder hat seinen Stuhl so gestellt, dass er einen Blick aufs Schachbrett werfen kann. Max wird ganz verlegen, aber das anerkennende Nicken der Männer macht ihm Mut, sie halten ihn für einen guten Spieler. Max bereut, dass er nicht eine schwächere Stufe eingestellt hat, denn, wenn man beim Schachspiel beobachtet wird, macht man schnell einen Fehler und auf dieser Stufe darf er sich keinen Fehler erlauben, sonst ist die Partie verloren.

Erfreut stellt Max fest, dass die Leute ihm die Daumen drücken. Wenn er einen Bauer verliert, geht ein enttäuschtes Raunen durch die Kneipe. Als er die Dame erobern kann, kommt es zu einem Sturm der Begeisterung, als wenn in einem Fussballstadion ein Tor fällt. Die Spannung erlebt den Höhepunkt, als seine Dame immer mehr eingekesselt wird und eigentlich keine Aussicht mehr besteht, sie zu retten, doch ein Zug, nachdem er die Dame verloren hat, stösst Max mit seinem Turm auf die Grundlinie vor und die Partie ist beendet. Schachmatt! Das Erstaunen im Lokal ist gross, denn die wenigsten haben diesen Zug gesehen, durch den Abzug des Pferdes, welches ihm die Dame raubte, war die Grundlinie nicht mehr gedeckt.

Nach diesem Sieg wird Max wie ein König gefeiert. Seinen Tee muss er nicht bezahlen und das nächste Glas steht auch schon auf seinem Tisch. Als Max die Figuren neu aufstellen will, kommt der Wirt und zeigt auf seine Uhr, es ist unmissverständlich, das Lokal muss schliessen.

Als Max am nächsten Morgen nach einem überraschend guten Frühstück auf die Strasse tritt, wartet Mustafa bereits auf ihn. Er diskutiert eifrig mit einem Jungen, welcher gestern beim Schachspielen zugeschaut hatte. Sobald sie ihn erblicken, hört die Diskussion auf. Mustafa begrüsst Max freundlich. Auch Aladin, wie der andere Junge heisst, begrüsst ihn wie einen alten Freund. Max muss einsehen, dass er mit zwei Fremdenführern zu den Pyramiden reisen muss. In einer gestenreichen Rede versucht er ihnen klar zu machen, dass er sie nicht bezahlen kann, was sie aber nicht von ihrem Vorhaben abbringen kann.

«Du guter Freund», erklären sie ihm, «was willst du heute sehen?»

Es ist natürlich klar, dass Max am ersten Tag gleich zu den Pyramiden will.

«Wir nehmen die Strassenbahn», schlägt Mustafa vor.

Dies ist allerdings leichter gesagt als getan. Die Strassenbahn ist, hoffnungslos überfüllt. Max ist das erste Mal froh, dass er zwei Führer bei sich hat. Sie schimpfen so mit den Leuten an der Tür, dass sich mindestens fünf Leute aus dem Tram verabschieden und auf das Nächste warten. Eingeklemmt zwischen seinen Führern, die Kamera fest umklammert, zwängt sich Max auf das Trittbrett. Er kommt nicht weit ins Innere des Wagens, doch es reicht, dass er einigermassen sicher nach Gizeh gelangt. Der Geruch ist nicht sehr angenehm und in Gizeh ist er froh, dass ihm nichts gestohlen wurde.

Sogar, dass er zwei Fremdenführer hat, erweist sich als Vorteil, denn Max ist sofort umringt von laut gestikulierenden Jungs, welche sich ebenfalls als Führer anerbieten, es wäre unmöglich gewesen, ohne einen solchen zu den Pyramiden zu kommen. Aber das energische Einschreiten seiner beiden Freunde, gibt ihm die nötige Bewegungsfreiheit. So heftig um den Job gestritten wird, wenn einmal klargestellt ist, wer zu wem schaut, hat man seine Ruhe.

Nach einem kurzen Fussmarsch sieht Max endlich die Spitzen der drei Pyramiden auftauchen und kurze Zeit später, kann er sie in der vollen Grösse betrachten. Er ist überwältigt, wie es wohl jedem Besucher geht, wenn er das erste Mal vor diesen Riesen steht.

Seine beiden Führer zeigen sich von der besten Seite, sie sind echte Profis und es wird ihnen sogar gestattet, sich frei in der Pyramide zu bewegen, ohne dass sie sich einer Gruppe anschliessen müssen, ein grosser Unterschied ist es allerdings nicht, da doch dauernd Gruppen unterwegs sind.

Der ganze Tag ist geprägt von zahlreichen neuen Eindrücken. Am Abend geht es total erschöpft zurück ins Hotel. Aladin macht ihn darauf aufmerksam, dass man ihn heute Abend in der Strassenkneipe erwartet. Er soll schon zum Nachtessen kommen, denn der Wirt will ihm eine Mahlzeit offerieren.

Nachdem Max fünf Tage lang in Kairo von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit geführt wird, nimmt er sich vor, den heutigen Tag in aller Ruhe zu geniessen. Er fährt am Morgen nochmals zu den Pyramiden, mischt sich diesmal nicht in den Touristenstrom, sondern setzt sich etwa zweihundert Meter von den Pyramiden entfernt, auf einen Stein und denkt darüber nach, was er in dieser Woche alles gesehen hat. Auch heute kommen Mustafa und Aladin mit. Damit er seine Ruhe hat, hat er das Schachspiel dabei und die Zwei spielen gegeneinander. So kann Max in aller Ruhe die Pyramiden betrachten und seine Überlegungen anstellen.

Warum stehen diese Riesen in der Wüste? Wer hat sie gebaut? Was war die Motivation für diese Schinderei? Er versucht sich die tausend Sklaven vorzustellen, wie sie die schweren Steine langsam in die Höhe schleiften. Die Pyramiden seien in zwanzig Jahren gebaut worden, das macht rund 7‘000 Tage. Bei 2.3 Millionen Steinblöcken, mussten an einem Tag mehr als dreihundert Steine gesetzt werden. Das macht in der Stunde immer noch dreissig Stück, was wiederum heisst, dass alle zwei Minuten ein Stein an seinen Ort gebracht wurde. Wenn man berücksichtigt, dass in grosser Höhe langsamer gearbeitet wurde, so musste sicher in der Anfangsphase jede Minute ein Stein gesetzt werden. Eine unglaubliche Leistung, auch vom Organisatorischen her. Wenn man dann noch die wunderbaren Kunstwerke berücksichtigt, welche auch in diesen zwanzig Jahren geschaffen wurden, dann kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Warum wurden diese Bauwerke gebaut? Dachten die Pharaonen schon an die Millionen Touristen, welche ihren Nachkommen zu Arbeit und Brot verhelfen? Wohl kaum? Warum war der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod so stark? Waren es die Überlegungen von einigen wenigen Menschen? Den Priestern und Pharaonen! Oder war es ein Mittel, das Volk zu beherrschen? Waren ausserirdische Besuche daran beteiligt, wie EvD vermutet.

Max hatte eigentlich nie den Eindruck, dass beim Pyramidenbau mit überlegener Technik gearbeitet wurde. Allerdings gibt es nicht viele Darstellungen von Steine schleppenden Sklaven. Dabei müsste doch diese Baustelle so eindrücklich gewesen sein, dass die Künstler dieses Motiv nicht hätten übersehen können. Und doch könnten die ausserirdischen Götter die Motivation für dieses gewaltige Bauvorhaben gewesen sein. Hatten diese Angst vor einem Atomkrieg und wollten sie einige Leute nach der Katastrophe wieder ins Leben zurückholen und mussten diese deshalb an einem sicheren Ort aufbewahrt werden?

Max beginnt sich einige Möglichkeiten auszudenken. Zuerst die klassische mit den diktatorischen Pharaonen. Er versucht sich vorzustellen, wie diese auf die Idee gekommen waren, solche Bauwerke zu erstellen? War es ein Baumeister, der einfach eine Offerte einreichte und dem Pharao einreden wollte, dass er sich mit diesem Bau unsterblich macht?

Max hat doch erhebliche Mühe mit diesem Gedanken. Immerhin waren die Pyramiden nicht kontinuierlich immer grösser geworden, sondern bereits die ersten Pharaonen bauten die grössten Pyramiden. Gut, in Sakkara hat es am Anfang noch nicht richtig geklappt und es kam zu einem Unfall, doch schon die nächsten wurden zu den riesigen Pyramiden. Es waren also die ältesten Kulturen, welche die gewaltigsten Bauten errichteten, ganz im Gegensatz zu der üblichen menschlichen Art, welcher immer grösser zu bauen pflegt.

Später wurden die Bauten wieder einfacher. Zu denken gibt ihm auch, dass der Hauptaufwand in Bauten für die Toten konzentriert wurde und weniger in Palästen für die lebenden Priester und Könige. Die lebten auch in Palästen, aber im Vergleich zum Aufwand für die Toten, blieben die Paläste relativ bescheiden.

Wenn die Pharaonen die treibende Kraft waren, dann muss man sich am Ersten eine Diktatur vorstellen, ähnlich jener des dritten Reichs. Dies ist für Max sehr erstaunlich, dass bereits eine der ersten grossen Kultur, die grösste Diktatur der Geschichte wahren. Daraus müsste man eigentlich ableiten, dass die Diktatur die ursprünglichste Regierungsform ist. Dieser Gedanke entspricht gar nicht dem Geschmack von Max und er sucht nach einer anderen Lösung.

Wieder versetzt er sich in Gedanken zurück in diese Zeit. Diesmal stellt er sich vor, dass Ausserirdische auf der Erde wirken. In ihrem Raumschiff umkreisten sie die Erde. Nur an einigen Stellen der Erde konnten sie landen. Die meiste Zeit verbrachten sie in ihrem Raumschiff, in dem sie angenehme Lebensbedingungen vorfanden. Sie interessierten sich für die Erdbewohner und möchten sie in ihrer Entwicklung voranbringen. In ihrem Raumschiff hatten sie jedoch nicht viele Rohstoffe mitnehmen können, also waren sie darauf angewiesen, dass mit irdischen Baustoffen gebaut wurde. Für den Abbau der Rohstoffe, wurden die Erdbewohner angelernt. Dank ihrer überlegenen Technik konnten sie diese mühelos beherrschen. Sicher wurden auch Versuche gemacht, die Erdbewohner mit den Ausserirdischen zu kreuzen, die späteren Göttersöhne! Warum sie am Nil eine Kultur aufbauten, wissen vermutlich nur die Götter selbst. War es das Klima mit ausreichend Wasser, oder war es die Tatsache, dass das Wetter hier sehr beständig ist und man jederzeit landen konnte? Auf jeden Fall war es ein Punkt, welcher vom Weltraum aus sehr gut gefunden werden konnte und sicher beim Landeanflug weniger Probleme aufgab, als die Orte im südamerikanischen Dschungel.

Max stellt sich vor, wie in der Wüste die Raumschiffe gelandet sind. Waren es die Pharaonen selber oder waren die Pharaonen die Nachkommen der Besucher? Auf jeden Fall würde dadurch ihre enorme Macht verständlich.

Vielleicht waren sie auf der Erde zurückgeblieben und erwarteten, dass sie wieder von einem Raumschiff abgeholt wurden. Ob dieser Aufenthalt freiwillig oder unfreiwillig erfolgte, hätte Max sehr interessiert, aber solche Fragen konnten beim besten Willen nicht beantwortet werden, es bleibt nur die Spekulation. Konnten für den Bau, einige spezielle Baumaschinen eingesetzt werden? oder war es einfach der Überlebenswille der Zurückgebliebenen. Die ihr Leben unbedingt weiter verlängern wollten, dass sie von den wiederkehrenden Astronautenkollegen gefunden und sie später auf ihren Heimatplaneten wieder ins Leben zurückkehren konnten. Ob sie dort effektiv zum Leben erweckt werden sollten, oder ob es nur darum ging, dass sie dort begraben sein wollten, spielt an und für sich keine Rolle. Der Aufwand, mit welchem das Leben nach dem Tod vorbereitet wurde, deutet eher auf eine Wiedererweckung hin.

Wie sahen sie wohl aus? Woher kamen sie? Warum konnten sie nicht mehr zurück? Was machten sie hier? Lauter interessante Fragen, doch die Antworten sind sehr schwer auffindbar. Er hat sich jedoch vorgenommen, Rebekka eine glaubwürdige Erklärung für Gott zu geben. Er will sie nicht mit Standardfloskeln abspeisen, und da muss er zumindest selber sicher sein.

In Gedanken sah er die Pharaonen vor sich, wie sie die Leute anwiesen, was zu tun war. Bei der geringsten Auflehnung wurde nicht lange gefackelt, denn ohne ihre Waffen waren die Einwanderer gegen die Menge machtlos, also mussten sie jede Auflehnung im Keim ersticken. Max schauderte bei dem Gedanken, aber er konnte es sich nicht anders vorstellen, sicher versuchten sie die Ordnung vor allem dank Belohnungen aufrecht zu erhalten, daher ist sicher so häufig die Rede von einem gütigen Gott.

«Hallo, wo bist du?», fragt Aladin.

Sie haben ihre Partie beendet und nun fällt ihnen plötzlich auf, wie weit weg Max in Gedanken ist. Brutal wird Max in die Wirklichkeit zurückgeholt. Er weiss nicht mehr, wie lange er dagesessen und geträumt hat, aber es gefällt ihm, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen.

Sie mischen sich wieder unter die Leute und machen sich auf den Weg zur Strassenbahnstation.

Am späteren Nachmittag des nächsten Tages, kämpft sich Max in den Zug nach Luxor. Wie immer ist die dritte Klasse total überfüllt. Max hat von Mustafa einheimische Kleidung erhalten und mit seiner stark gebräunten Haut hätte man ihn glatt für einen Araber halten können.

Das Einsteigen ist für ungeübte nicht einfach, doch dank der Hilfe von Mustafa und Aladin, die ihn zum Bahnhof begleitet haben, gelingt es, durch das Fenster einzusteigen. Mustafa begleitet ihn auch nach Luxor. Einen Sitzplatz ist nicht zu finden. Das Stehen fällt einem allerdings leicht, es herrscht ein solches Gedränge, dass man nicht umfallen könnte.

Die Fahrt wird eine harte Angelegenheit, es dauert vier Stunden, bis sich Max wenigstens auf seinen Rucksack setzen kann. Dann dauert es nochmals einige Stunden, bis er sich endlich hinsetzen kann. Erschwerend kommt der unerträgliche Gestank hinzu, an den sich Europäer wohl nie gewöhnen können. Von der Toilette rinnt ein Bächlein quer durch das Abteil, die Toilette scheint verstopft zu sein.

Max ist total fertig, als er nach zwölf Stunden in Luxor eintrifft. Mustafa scheint das Ganze nichts auszumachen. Frisch, als wäre er erst eingestiegen verlässt Mustafa den Zug und steuert direkt auf eine Pferdekutsche zu. Er begrüsst den Kutscher wie einen alten Bekannten, dann steigt er ein und fordert Max auf, das gleiche zu tun. Max ist müde. Er vergisst, dass er sich einen solchen Luxus gar nicht leisten kann, was soll's, es kostet höchstens ein paar Pfund, in Kairo hat er ja zum Nulltarif gelebt.

Mit der Kutsche fahren sie Nil abwärts und bald liegen die letzten Häuser von Luxor hinter ihnen. Nach gut einem Kilometer biegen sie etwas vom Nil weg und halten bei einem grösseren Haus.

Mustafa wird freudig begrüsst. Es muss ein Verwandter der Familie sein. Die arabische Gastfreundschaft ist schon erstaunlich, so hart sie mit einem Unbekannten feilschen können, mit einem Freund teilen sie wirklich alles und das, ohne an eine Entschädigung zu denken. Im Gegenteil, sie wären beleidigt, wenn man die Gastfreundschaft bezahlen wollte. In der Beziehung können die Europäer von den Arabern einiges lernen.

Ausser den enormen Leistungen der alten Ägypter, hinterlässt auch die Natur im Niltal bei Max einen starken Eindruck. Es ist erstaunlich zu sehen, was alles wächst, sofern Wasser zugeführt wird. Dagegen ist ein Meter weiter nichts mehr als Wüste. Fehlt das Wasser, ist der Boden sandig und steinig. Man gelangt mit einem Schritt vom Paradies in die Wüste. Die Bewässerungsmethode der Ägypter erscheint uns recht primitiv. Mit ihren einfachen Wasserrädern, angetrieben von Ochsen, Dromedaren oder Eseln, bewässern sie ihre Felder. Wir Europäer hätten die Tiere schon längst durch elektrische Pumpen ersetzt. Jeder Bauer würde so viel Wasser wie nur irgendwie möglich, auf seine Felder bringen, mit dem Ergebnis, dass andere nichts mehr bekämen und er selber den Boden überfordert. Man kann nur hoffen, dass die Ägypter bei ihrer Bewässerungsart bleiben und sich nicht von einem eifrigen Pumpenverkäufer animieren lassen, auf elektrische Pumpen umzustellen, sonst könnte ein Paradies sehr schnell zum letzten Mal aufblühen, um dann für immer zu verdorren.

Im Tal der Könige ist Max viel unterwegs. Auch hier findet er keinen direkten Hinweis auf seine Frage: «Wer war Gott?»

Die enormen Leistungen, welche vor viertausend Jahren vollbracht wurden, versetzen uns in Staunen und doch gibt es auch Darstellungen, welche wir heute wohl schöner zeichnen würden. Es gibt auch keine Hinweise auf abstrakte Kunst, was wohl bedeutet, dass das Fotografieren noch nicht bekannt war. Das Ziel war immer noch etwas so darzustellen, wie man es sah. Noch mehr Probleme hat Max mit den Göttern, welche Kreuzungen zwischen verschiedenen Tieren darstellen.

«Welchen Schluss soll man daraus ziehen?», fragt sich Max. Gab es die Götter in dieser Form wirklich? Dies würde einige Hinweise in alten Schriften auf die Sodomie bestätigen. Aber man findet keine Mumien und Skelette von solchen Wesen. Wo sind sie geblieben, wenn sie doch Götter waren, müssten sie zuerst in den Sarkophagen zu finden sein. Man findet sie jedoch nur auf Bildern und in Stein gemeisselt. Waren es die falschen Götter, welche vom Richtigen Gott vernichtet wurden? Oder haben die Erdbewohner Ihre Götter, nie zu Gesicht bekommen, so dass sie, als sie verschwunden waren, in diese wilden Phantasien projiziert wurden? Versuchten die Priester, dem einfachen Volk, nur Eindruck zu machen, indem sie ihnen solche Wesen zeigten? Vor allem früher bewunderten die Menschen, die überlegenen Tiere, welche schneller laufen, länger schwimmen, oder Dürreperioden besser überstehen konnten und meistens auch mehr Nachwuchs zeugenten.

Mit Mustafa hat er eine Woche lang alle Tempel und Ruinen der Umgebung besucht. Mit zwei alten Fahrrädern gelangen sie überall hin, auch wenn es manchmal recht anstrengend ist und oft geschoben werden muss. Besonders die Fahrt nach Abu Simbel war eine harte Angelegenheit, obwohl sie einen grossen Teil der Fahrt auf dem Schiff zurücklegten. Von den Ruinen war Max enttäuscht, irgendwie wollte die Faszination, welche von anderen Orten ausging, dort nicht aufflammen. Vermutlich ist die moderne Technik doch noch zu gegenwärtig. Es fällt ihm auf, dass praktisch keine Touristen Abu Simbel besuchen.

Allmählich erkennt Max, dass die Ägyptenreise sehr interessant verläuft, aber die wesentlichen Fragen nicht beantwortet werden. Mit jeder möglichen Antwort sind neue Fragen verbunden. Er hat genug vom oberen Niltal gesehen und will zurück nach Kairo.

Er besorgt zwei Tickets. Diesmal bucht er die Fahrt nach Kairo, in der zweiten Klasse. Für Mustafa ist das die reinste Verschwendung. Am Anfang der Fahrt fühlen sie sich wie Könige und geniessen es, sich vom Kellner bedienen zu lassen. Herrscht in der dritten Klasse ein unglaubliches Gedränge, so ist es hier die Einsamkeit, welche einem bedrückt.

Erstaunt stellen sie fest, dass kein einziger Europäer im Zug reist. Er wundert sich darüber, denkt sich aber nichts dabei und geniesst die reichliche und qualitativ gute Mahlzeit, welche serviert wird. Danach legen sie sich ins gemachte Bett und schlafen schnell ein.

Max hat noch nicht tief geschlafen, als er plötzlich geweckt wird. Der Zug wird mit einer Vollbremsung gestoppt. Der Schaffner gestikuliert in Panik wie wild vor Max herum. Max realisiert, dass etwas nicht stimmt. Mustafa klärt ihn kurz auf.

«Der Zug wird von religiösen Fanatikern gestoppt. Der Schaffner befürchtet, dass sie es auf die Touristen abgesehen haben. Schnell ziehe deine arabische Kleidung an, wir müssen versuchen zu flüchten!»

Während sich Max schnell umzieht und seine Habseligkeiten im Rucksack verstaut, richtet der Schaffner das Abteil so her, dass man nicht mehr erkennen kann, dass es belegt war. Die Seite im Gästebuch reisst er heraus und wirft sie aus dem Fenster, dann führt er Max und Mustafa in die Küche, wo sich Max im Kasten für den Abfall verstecken muss. Mustafa wird schnell in einen Küchenburschen verwandelt.

Max kauert im Abfallschrank und wagt kaum zu atmen, was auch fast nicht möglich ist, bei dem Gestank, welcher hier herrscht. Max spürt, wie mehrere Leute den Wagen besteigen und einen kriegerischen Lärm verbreiten. Ein lautes Wortgefecht mit dem Schaffner und dem Koch ist zu hören. Jetzt betreten sie offensichtlich die Küche, die Rebellen durchsuchen die Vorräte und sind zufrieden, als sie keinerlei Alkohol und auch kein Schweinefleisch finden. Das Palaver scheint endlos zu dauern und Max erstickt beinahe in seinem Gefängnis. Auch das Verhör von Mustafa verläuft für die ungebetenen Gäste zufrieden stellend. Er kennt sich bestens aus, sowohl über den Koran und die moslemischen Gesetze und nach einer endlosen Zeit, hat die Überprüfung der Küche ein Ende gefunden. Max muss immer noch in seinem Versteck ausharren, aber wenigstens kann Mustafa die Tür einen Spalt öffnen, so dass Max etwas frische Luft bekommt. Noch immer herrscht um den Zug herum grosse Aufregung, ab und zu wird sogar geschossen, es sind aber nur Schüsse, welche in die Luft abgegeben werden. Trotzdem, die Lage bleibt angespannt. Wie sich herausstellt, ist Max der einzige Europäer im Zug, die Reisebüros haben mit solchen Aktionen gerechnet und ihre Gäste schon letzte Woche schnellstens ausgeflogen. Max hat bei seiner Gastfamilie nichts davon mitbekommen. Immer wieder fragt er sich, wie geht es hier weiter? Zu was sind Fanatiker fähig, welche ausser Kontrolle geraten sind? Wenn die merken, wie befriedigend es ist, Macht auszuüben! Wenn man sich mit einem Gewehr in der Hand, stark fühlen kann und erst noch die Überzeugung hat, in den Augen Allahs das Richtige zu tun. Auf alle Fälle ist die Situation, in der sich Max befindet, höchst gefährlich, auch für seinen Freund.

Max hat zurzeit wirklich kein Glück, die Scheidung, arbeitslos und nun ging es ihm endlich besser und jetzt so etwas. Langsam fährt der Zug weiter. Mustafa späht aus dem Zug und beobachtet unauffällig den Gang, in welchem anscheinend immer noch die Zugsbesetzer patrouillieren.

Plötzlich, nach unendlich langer Zeit, flüstert Mustafa: «Komm!», blitzschnell verlässt Max sein Versteck, hastet das kurze Stück durch den Gang zur Tür und springt vom langsam fahrenden Zug, in die Finsternis und landet, für ihn völlig überraschend im Wasser. Er getraut sich fast nicht aufzutauchen, doch langsam geht ihm die Luft aus. Vorsichtig schaut er sich um, er ist offensichtlich im Nil gelandet und der Zug fährt, ohne seine Fahrt zu verlangsamen weiter. Ihre Flucht ist von niemandem bemerkt worden.

In langen Zügen schwimmt er dem Ufer entlang, bis er eine Stelle findet, an der er an Land robben kann. Er hört Mustafa neben sich flüstern, «Geht’s dir gut?»

«Ja und dir?»

Mustafa hat den Sprung ebenfalls unverletzt überstanden. Nun kann ihn Mustafa aufklären. Die Fundamentalisten haben zum Sturz der Regierung aufgerufen. Die Lage ist noch total verworren, niemand weiss, auf welcher Seite das Militär steht, aber das kümmert die Fanatiker nicht, auch wenn es Tote gibt, für eine gerechte Sache lohnt es sich zu sterben.

Max merkt, dass es Mustafa im Prinzip mit den Putschisten hält, doch nun ist er unerwartet auf die falsche Seite geraten, denn einen Freund lässt man nicht aus einer politischen Überzeugung hängen. Max ist erleichtert, dass er endlich weiss, was los ist. Er muss sich so arabisch wie nur irgendwie möglich präsentieren. Das Äussere ist eigentlich kein Problem, sein von der Sonne gebräuntes Gesicht und seine hagere Gestalt machen ihn nicht verdächtig. Schwieriger wird das Sprachproblem sein, auch die Ausweise, welche in solchen Situationen, doch sehr oft gezeigt werden müssen, könnten ihn verraten.

Da auch Mustafa keine Ahnung hat, wo sie sich genau befinden, schleichen sie dem Ufer entlang auf der Suche nach einem Versteck. Wo sind sie sicherer? In der Wüste, oder sollen sie versuchen, in einer Ortschaft in der Menge unterzutauchen?

Bis zum Morgengrauen halten sie ein abgelegenes Versteck für besser, nachts fällt man auch in einer grösseren Ortschaft auf, also verlassen sie das Nilufer und schleichen auf eine Hügelkette zu, welche bereits in der Wüste liegt.

In einer Felsnische setzen sie sich und versuchen abwechslungsweise zu schlafen, was allerdings nicht gelingt. Am Morgen will Mustafa an das Nilufer zurückkehren, um sich besser zu informieren.

Als Mustafa aufbricht, verabschieden sie sich, als ob es für immer wäre. Max gibt ihm ein Teil seines ägyptischen Geldes, damit er Verpflegung kaufen kann. Für den Fall, dass sie durch die Wüste flüchten müssen, soll er versuchen, einen Esel zu beschaffen. Aus seinem Versteck späht Max Mustafa lange nach, bis er hinter einem Felsvorsprung verschwindet. Wird Mustafa wiederkommen? oder rettet er seine eigene Haut und verschwindet mit dem Geld? Max will auf der Hut sein. Er verändert seinen Standort so, dass ihn Mustafa, falls er ihn verraten würde, nicht so leicht findet. Ausserdem will er einen besseren Rundblick, damit er bei Gefahr Zeit zum Reagieren hat. Er klettert deshalb eine steile Wand hinauf. Der Fels ist recht griffig, so dass er leicht vorankommt. Bald ist er mit seinem Standort zufrieden, hoch auf dem Felsen, hat er eine gute Übersicht auf das vor ihm liegende Niltal, er kann sich notfalls in einer Felsspalte so gut verstecken, dass er vom Nil aus nicht gesehen werden kann. Diese Stellung hätte er vermutlich lange verteidigen könne, auch wenn er kein Gewehr hat. Wie bei der Schlacht am Morgarten die Eidgenossen, sucht er sich einige Felsbrocken zusammen und ist vorbereitet, sich zu verteidigen, komme da was wolle. Der schwache Punkt liegt eigentlich nur darin, dass er keine Verpflegung hat, und dass ihm schwindlig wird, wenn er nach unten schaut.

Als am Mittag Mustafa noch immer nicht zurück ist, macht er sich Sorgen. Auf jeden Fall muss er den Abend abwarten, ehe er seine Stellung aufgibt. Er hat grossen Hunger und ist durstig. Doch er kann sich damit abfinden, in solchen Situationen stellt der Körper automatisch auf Notfall um und ist bedeutend weniger anspruchsvoll.

Seine Gedanken durchwandern noch mal sein Leben, als ob das Ende nahe wäre. Seine schönste Zeit hatte er, als er mit seinen drei Freunden die eigene Firma betrieb und auch die ersten Jahre mit seiner Frau waren recht glücklich. War das nun das Ende? Wieso hängt er eigentlich noch so an seinem Leben, wenn er daran denkt, was ihn in Olten erwartet, gibt es eigentlich keinen Grund, Angst zu haben, er hat den Zenit in seinem Leben überschritten. Doch dann denkt er wieder an Rebekka, an die Frage, welche er ihr noch beantworten will und die nach diesen Erlebnissen noch schwerer zu beantworten sind.

Gegen Abend erspäht er eine Gestallt auf einem Esel. Ist es Mustafa, oder jemand der zufällig hier vorbei reitet? Max ist insofern beruhigt, dass die Person allein kommt, denn wenn es die Polizei oder die Revolutionäre wären, dann würde sicher eine ganze Horde von Leuten anmarschieren, so eine Verhaftung ist etwas, bei der man Lorbeeren ernten kann. Da kommt sicher nicht einer allein. Nachdem er den Eseltreiber einige Zeit beobachtet hat, weiss er, dass es sich um Mustafa handelt und er macht sich an den Abstieg.

Sie begrüssen sich hastig und ziehen sich wieder in die Felsnische zurück. Mustafa informiert Max über die Lage. Zurzeit putschen die religiösen Führer, sie wollen Ägypten in einen streng muslimisch geführten Staat verwandeln. Wer in diesem Machtkampf die Oberhand gewinnt, ist zur Stunde noch offen, im Moment ist es für jeden Ausländer, respektive nicht Moslem, gefährlich. Für die religiösen Führer sind die Touristen das Hauptübel für den Sittenverfall im Land.

Mustafa hat herausgefunden, dass sie etwas südlich von Girga aus dem Zug gesprungen sind. Es ist klar, dass Max Ägypten verlassen sollte, nur wie? Der Weg über Kairo ist zu gefährlich, da gibt es viele Kontrollen, ausserdem ist der Flughafen zurzeit geschlossen. Durch die Wüste nach Libyen? Über die Berge zum Roten Meer und dort versuchen ein Schiff zu finden, oder südwärts in den Sudan bis nach Karthum? Aber das sind fast fünfhundert Kilometer.

Das Rote Meer liegt rund hundertfünfzig Kilometer weit weg, man muss aber noch den Nil überqueren. Sich nach Libyen durchschlagen ist sowieso zwecklos. Erstens ist die Wüste lebensfeindlich, zweitens wird die Grenze sehr gut bewacht und drittens herrscht in Libyen Chaos.

Nach gründlichem Abwägen entscheiden sie sich, für das Rote Meer. Mustafa wird sich sofort mit seinem Esel auf den Weg machen und auf einer Fähre versuchen über den Nil zu gelangen. Er übergibt Max einige Datteln, dann verabschiedet er sich von seinem Freund. Bis zum Einbruch der Nacht zieht er sich in sein Versteck zurück.

Vorsichtig, jede Deckung ausnützend, schleicht er an das Ufer des Nils und sondiert die Lage. Es ist niemand zu sehen. Max versucht abzuschätzen, wie stark die Strömung ist und wie weit das andere Ufer entfernt liegt. Bevor er sich in das Wasser wagt, verdrückt er noch die restlichen Datteln, welche ihm Mustafa als Proviant mitgegeben hat. Dann beginnt er zu schwimmen.

Ohne Hast, Zug um Zug schwimmt er los. Die Strömung ist stark. Er muss sich nicht allzu sehr beeilen, denn es dauert lange, bis das nächste Dorf kommt. Er versucht seinen Körper so im Wasser zu halten, dass ihm die Strömung hilft, an das andere Ufer zu treiben.

Der Aufenthalt im Wasser kommt Max endlos vor, dank seinem dosierten Krafteinsatz, hat er keine Konditionsprobleme, das Wasser ist angenehm warm. Nur die Strudel sind eine echte Gefahr. Wenn er aufpasst, kann er sie rechtzeitig erkennen und es gelingt ihm auszuweichen. Endlich steht Max tropfnass am andern Ufer und versteckt sich sofort hinter einem Strauch.

Nach Mitternacht macht er sich auf den Weg zum Eingang der Schlucht. Max wählt nicht den Weg im bewachsenen Teil des Tals, sondern entfernt sich sofort vom Ufer. Der Felswand entlang schleicht er weiter, auch wenn er sich nun schlechter verstecken kann. Er hat Angst, dass er im Landwirtschaftsteil, überraschend auf Häuser treffen könnte. Wenn sich die Bauern Hunde halten, könnten diese angeben und sie verraten.

Vorsichtig schleicht er der Felswand entlang nach Süden. Er ist doch sehr weit nach Norden abgetrieben worden, so dass ein längerer Fussmarsch auf ihn wartet. Er erreicht den Treffpunkt noch vor der Morgendämmerung und ist sehr froh, als er die Stimme von Mustafa flüstern hört. Bis zur Dämmerung können sie sich noch einige Kilometer weit das Tal hinaufkämpfen und finden wieder eine Felsnische, in welcher sie den Tag verbringen wollen.

Abwechselnd wird geschlafen. Das einzige kleine Problem ist der Esel, der einfach nicht schlafen will und einen übermütigen Eindruck macht. Es gibt trotzdem keine Komplikationen, da es sich um eine total verlassene Gegend handelt. Wenn Max Wache schieben muss, mustert er die Umgebung. Für einen Europäer ist die Wüste etwas faszinierendes, diese scheinbare Leblosigkeit, entpuppt sich, bei näherem Hinsehen, als ein wahres Paradies für Lebewesen. welche sich dieser extremen Landschaft ideal angepasst haben.

Gegen Abend ziehen sie schon früh los. In dieser verlassenen Gegend ist das Risiko, dass sie von jemandem entdeckt werden gering. Es wird ein strapaziöser Marsch und Max ist froh, dass sie einen Esel bei sich haben, welcher ihnen wenigstens die Lasten schleppt. Wenn es leicht bergab geht, kann einer reiten, doch das Hinterteil von Max schmerzt ihn so, dass er bald freiwillig darauf verzichtet.

Im Morgengrauen haben sie erhebliche Probleme, ein geeignetes Versteck für den Tag zu finden. Die Gegend ist sehr flach und sie müssen noch weit in den Tag hinein marschieren, bis sie sich in einer Bodensenke wenigstens teilweise unsichtbar machen können.

Das Rote Meer erreichen sie in der vierten Nacht. Weit und breit ist keine Siedlung auszumachen, sie wenden sich nach Süden. Nach weiteren zwei Stunden Marsch taucht hinter einem Felsen eine Stadt auf. Sie ruhen sich nochmals aus, dann will Mustafa sich in der Stadt umsehen und frische Lebensmittel kaufen. Max wartet gespannt auf seine Rückkehr. Ist der Spuk bereits vorbei? So ein Putsch dauert manchmal nur ein paar Stunden, und meistens, nach zwei bis drei Tagen, ist wieder alles ruhig.

«Wir sind in der Nähe der Stadt Marsa Alam», berichtet Mustafa, als er nach mehreren Stunden von seiner Erkundungsreise zurückkehrt.

«Am Besten verstecken wir uns in einem verlassenen Hotel», schlägt Mustafa vor, «die sind alle verwüstet. Einrichtungen die mit dem Tourismus zu tun haben, wurden alle zerstört.»

Max findet die Idee gut, die Hotels sind nicht mehr interessant. Alles ist zerstört, aber es rechnet niemanden damit, dass sich jemand dort verstecken könnte. Alle Touristen sind vertrieben und zum Plündern gibt es auch nichts mehr, das ist bereits am ersten Tag der Revolution geschehen.

Als es dunkel wird, lassen sie den Esel an seinem Pflock angebunden und machen sich auf den Weg zu den Hotels. Man hat sich auf ein zweistöckiges Hotel geeinigt und bezieht im ersten Stock Quartier. Das Hotel hat zwei Treppenhäuser und einen übersichtlichen Vorplatz, so dass man nicht so leicht überrascht werden kann.

Mustafa schafft mit dem Esel die Lebensmittelvorräte zum Hotel. Max richtet sich in der Zwischenzeit ein. Als Mustafa zurückkehrt, hat Max schon die Boote inspiziert, mit welchen die Touristen das Korallenriff besichtigen. Eines scheint noch einen dichten Schiffsrumpf zu haben, allerdings ist die Glasplatte im Bootsboden eingeschlagen. Nach langer Suche findet er eine neue Glasplatte in einem kleinen Lager und er versucht, die Platte auszuwechseln. Noch bevor Mustafa zurückkommt, ist Max klar, dass er noch heute Nacht in See stechen will. Er ist mit der Vorbereitung der Bootsreise beschäftigt, als Mustafa mit den Lebensmittelvorräten auftaucht. Das Boot ist schon mit der neuen Glasplatte bestückt, ausserdem bastelt er aus einem Surfbrett ein Segel, ob der kleine Motor noch funktioniert, wagt er nicht auszuprobieren. Für den Fall, dass es ihm doch noch gelingt den Motor zu starten, sucht er in allen Booten nach Benzin. Die Ausbeute ist gering, er wird den Motor nur kurz einsetzten können. Als Antrieb kommt somit nur Segel und Ruder in Frage.

Mustafa hält ihn für verrückt, als er ihm erklärt, er werde noch heute Nacht allein in See stechen. Mustafa will ihn unbedingt begleiten, nach langer Diskussion sieht er ein, dass er in Ägypten nicht gefährdet ist, dagegen hätte er Probleme, im Ausland als Flüchtling anerkannt zu werden.

Als abgewiesener Flüchtling hätte er sicher mehr Probleme. Bei Diktaturen ist das immer dasselbe, solange man sich in der anonymen Masse versteckt, wird man in Ruhe gelassen, nur wenn man sich in irgendeiner Form verdächtig macht, ist es mit der Ruhe und oft auch mit dem Leben vorbei.

Nach der kurzen, aber heftigen Diskussion gibt sich Mustafa geschlagen und hilft Max, sein Boot so gut wie möglich auszurüsten. Alle Lebensmittelvorräte, die sie haben, werden ins Boot gebracht, Mustafa wird sich mit dem Rest des Geldes morgen neue kaufen. Das Hotel wird nochmals durchsucht, alles was nützlich sein könnte, wird eingesammelt.

Beim Plündern mussten die Plünderer darauf achten, dass nur die Dinge mitgenommen werden, welche für einen Moslem nützlich sind. Die Touristendinge wurden nur zerstört. Es ist natürlich interessanter brauchbare Dinge zu finden, als zu zerstören. So konnten doch noch einige brauchbare Utensilien zusammengetragen werden. Ein Kompass, ein Teil eines Spiegels, Töpfe, mit denen er Wasser Schöpfen kann, einige leere Flaschen, welche sie mit frischem Wasser füllen und sogar eine Angelrute verschwindet im Boot.

Der Esel wird vorgespannt und mit vereinten Kräften wird das Boot ins Wasser gezogen. Die Spannung ist gross, schwimmt es noch? Tatsächlich, es schwimmt.

Jetzt muss alles sehr schnell gehen, Mustafa und Max umarmen sich, wünschen sich viel Glück und Max bedankt sich bei seinem Freund nochmals sehr herzlich für alles. Mustafa verspricht, dass er ihm seine Kamera zuschicken wird, oder mindestens will er ihm die Fotos schicken. Max verspricht, zu schreiben, wenn es die politische Entwicklung erlaubt. Auf einer Karte stellt Max noch fest, dass eine Seereise von fünf bis siebenhundert Kilometer auf ihn wartet.

Es ist schon ein grosses Risiko, auf das er sich einlassen muss. Eine letzte Umarmung und Mustafa stösst in vom Ufer ab. Langsam gleitet das Boot durch den kleinen Hafen auf die Ausfahrt zu. Das Rudern ist nicht einfach, das Boot ist für zwei Ruderer eingerichtet. Max erinnert sich an seine Jugend, als er im Wasserfahrverein mitmachte, dort hatte er gelernt, mit einem Stehruder zu rudern. Er befestigte das Ruder mit Seilen so, dass er im Stehen rudern kann. Einem Gondoliere gleich verschwindet Max aus dem kleinen Hafen.

Auf dem offenen Meer wird es im Boot unruhiger. Vom Berg her weht ein frischer Wind, welcher Max unterstützt. So gelangt er noch vor Anbruch der Morgendämmerung ausser Sichtweite des Ufers. Nun gibt Max das Rudern auf und versucht das Segel des Surfbretts zu setzen, was ihm nach einigen Schwierigkeiten auch gelingt. Mustafa hat ihm noch den Tipp gegeben, mehr auf der saudi-arabischen Seite zu segeln, da es dort eine günstigere Strömung gibt. Im Osten wird es langsam heller und kurz darauf erlebt Max den schönsten Sonnenaufgang, den er in seinem Leben je gesehen hat.

Vom Wind getrieben geht es immer Richtung Osten. Max hat keine Ahnung, wie breit so ein Meer ist, auch wenn es hier verhältnismässig schmal ist. Im Augenblick wartet Max geduldig ab, der herrliche Sonnenaufgang, die unendliche Weite des Meeres und die sanfte Ruhe versetzen Max in eine Stimmung, in welcher er die Welt vergessen möchte.

Die Sonne steht schon etwas höher, als er das Gefühl hat, einen Streifen Land am Horizont zu sehen. Da er keinerlei Risiko eingehen will wechselt er seinen Kurs auf Südost. Nun bläst aber der Wind von der Seite und er hat mit dem Boot ohne Kiel grosse Probleme, beinahe wäre er gekentert, als er vorsichtig die Richtung ändert. Vom Segeln hat er keine Ahnung, vom Physikunterricht sind einige Grundlagen vorhanden. Schliesslich setzt er das Segel quer zum Schiff, so dass es nur etwa ein Meter über den Bootsrumpf hinausragt. Es zeigt sich schnell, dass er so ein stabiles Boot in der Hand hat, welches sich gut steuern lässt. Jetzt baut er sich noch ein kleines Vordach, damit er vor der Sonne geschützt ist und macht es sich so gemütlich, wie nur möglich.

Die Zeit verstreicht nur langsam, aber er glaubt, dass er gut vorankommt. Nur nicht ungeduldig werden, sagt er sich immer wieder. Essen will er nur, wenn er hungrig ist. Durch den Glasboden in seinem Bootes betrachtet er stundenlang, die Fische. Welche ein Unterschied zur Wüste, dieser Überfluss an Leben. Besonders über einem Riff, hatte er das Gefühl, direkt im Paradies zu sein. Die gemächliche Ruhe, in welcher die Lebewesen auf ihre tägliche Nahrungssuche gehen, ist beeindruckend. Man hätte glauben können, die Welt sei noch in Ordnung. Dabei sind nur wenige Kilometer entfernt, Menschen am kämpfen. Ist das nur ein Überlebenskampf, oder geht es einzig um die Macht?

In Ägypten sind die Religionsführer nicht eingeschränkt und schon gar nicht in Gefahr. Jeder akzeptiert ihre Gesetze, ohne zu murren. Es gibt schon solche, welche dem westlichen Luxus frönen, Alkohol konsumieren, ab und zu, auch ein Gebet auslassen und ein Stück Schinken essen, doch die grosse Masse respektiert die Gesetze des Korans. Also, was wollen sie noch mehr? Max vermutet es geht darum, Wehret den Anfängen! Vielleicht stellten sie fest, dass die Einnahmen der Moscheen zurückgegangen sind oder sie registrierten eine Schwäche der Regierung und daraus geschlossen, dass es günstig ist, die eigene Position zu verbessern.

Das Meer wird etwas unruhiger und Max merkt, dass er sich schon lange auf keinem Schiff mehr aufgehalten hat, der Seegang ist nicht sehr hoch, aber Max wird es schlecht. Das wird sicher bald besser werden, hofft er, aber da irrt er sich. Zur Freude der Fische muss er sich übergeben, doch er fühlt sich danach nicht besser. Den ganzen Tag kämpft er gegen die Übelkeit, die Naturschönheiten interessieren ihn im Moment nicht mehr. Bis zum Abend muss er sich noch dreimal übergeben, dann schläft er ein und erwacht erst in der Nacht wieder.

Er verdrängt den Wunsch zu wissen, wo er sich befindet, denn es ist praktisch unmöglich die Position zu bestimmen. Seine Hoffnung, dass ihn eventuell ein Schiff entdecken würde, erfüllt sich nicht. Vermutlich ist der Suezkanal geschlossen, so dass er noch lange vergeblich auf ein Schiff hoffen kann. Vielleicht wird die Chance grösser, wenn er etwas weiter nach Süden vorgestossen ist.

Den zweiten Tag dämmert Max nur so vor sich hin. Seine Übelkeit hat auch den Vorteil, dass seine Lebensmittelvorräte nicht angetastet werden, dafür wird er merklich schwächer. Nur ab und zu gönnt er sich einen Schluck Wasser. Am dritten Tag fühlt er sich besser und nimmt feste Nahrung zu sich, ohne dass er sich gleich übergeben muss. Langsam nimmt er auch seine Umgebung etwas bewusster war und er macht einen ersten Versuch, seine Position zu bestimmen. Er steckt einen Stock durch ein weisses Blatt Papier und macht jede Stunde am Schattenspitz ein Zeichen. Wenn er die Punkte verbindet, entsteht ein gestreckter Bogen. Noch weiss er nicht was er damit anfangen soll. Doch es tut ihm gut, wenn er sich mit etwas beschäftigt. Vermutlich wird er erst nach zwei bis drei Tagen einen Unterschied feststellen können, der ihm dann hilft, seine Position wenigstens ungefähr zu bestimmen.

Am vierten Tag stellt er Abweichungen fest. Ein sicheres Zeichen, dass er seine Position verändert hat. Er kann auch etwas mehr essen und wird aktiver. So versucht er, während Stunden erfolglos einen Fisch zu fangen. Ein grosser Haifisch, der unter seinem Boot auftaucht, versetzt ihm einen Riesenschreck. Sofort zieht er die Angel wieder ein, denn ein solcher Fisch ist ihm doch zu gross und er will ihn mit seinem Köder nicht anlocken.

Am fünften Tag hat er sich bereits gut ans Schaukeln gewöhnt. Heute will er versuchen seine Position zu bestimmen. Er steuert mehr in Richtung Osten, dabei beobachtet er den Horizont, um nach dem Ufer Ausschau zu halten. Bereits nach einer Stunde Ostkurs, sieht er einen schmalen Streifen am Horizont, er bleibt noch einige Zeit auf Ostkurs, bis er Einzelheiten am Ufer erkennen kann. An einer Stelle sieht er die Silos einer Industrieanlage. Das könnte Shoaiba sein. Wenn er jetzt genau auf Südkurs geht, dann muss er Massaua in Eritrea erreichen. Er versucht die zurückgelegte Distanz abzustecken und in Tageskilometer umzurechnen. Wenn er mit gleicher Geschwindigkeit weitersegelt, so müsste er Massaua in etwa fünf bis sieben Tage erreichen.

Er wechselt sofort auf Südkurs und langsam verschwindet der Landstreifen wieder am Horizont.

In den Morgenstunden erlebt Max auch das erste Erfolgserlebnis als Fischer. Auf dem Kocher bereitet er sich die erste selber gefangene Mahlzeit zu.

Die nächsten zwei Tage verlaufen gleich eintönig. Er zählt seine Lebensmittel, wenn er so weiter isst, hat er noch für drei Tage zu essen, es ist also angebracht zu sparen. Das Meer wird auch immer unruhiger.

Inzwischen ist aus der idyllischen Fahrt ein Kampf auf Leben und Tod geworden. Max wird immer schwächer und die Stunden, in denen er nur dahindämmerte werden länger. Wenn er wach liegt, sucht er den Horizont nach Land ab. Er versucht seine Beobachtungen mit seiner Sonnenuhr zu vervollständigen und kontrolliert immer wieder seinen Kurs. Aber der erlösende Landstreifen taucht nicht auf. Er stellt sich immer wieder die Frage, wo ist er? Warum taucht kein Land auf? Ist er etwa schon im Indischen Ozean? Diese Frage kann er zum Glück verneinen, denn mit seinem Südkurs, käme er nicht am Golf von Aden vorbei, sondern würde auf alle Fälle in Somalia landen. Er beschliesst mehr nach Westen zu segeln. Das Ägyptische Festland müsste jetzt hinter ihm liegen. So langsam erachtet er auch eine Landung in Ägypten, als das kleiner Übel. Er kann diese Reise nicht mehr länger durchhalten. Inzwischen verliert er selbst das Gefühl, wie viele Tage er schon unterwegs ist, aber all das wird unwichtiger.

Immer öfter zieht Max auch Bilanz über sein Leben. Realistisch gesehen werden ihn nicht viele Leute vermissen und auch sonst wird nicht viel von ihm übrigbleiben. Vielleicht ein paar Software Programme, aber auch die werden nicht mehr lange laufen. Das Nachdenken über sein Leben ergibt nur wenig positive Aspekte, aber er kann nichts mehr ändern, wenn er nicht überlebt, ist er schnell vergessen. Zum Glück schläft er bald wieder ein.

Durch einen starken Ruck wird Max plötzlich geweckt. Schlaftrunken kämpft er mit dem Gleichgewicht, denn das Boot schwankt sehr stark in der Brandung. Der Strand, den er erreicht, ist menschenleer. Mit letzter Kraft schleppt er sich an Land.

Er entscheidet sich, in südlicher Richtung dem Strand entlang zu marschieren. Das Boot lässt er am Strand zurück und nimmt nur das Nötigste mit, Geld, den Rest des Proviants, leere Flaschen, die Karte und seine Ausweise. Nach einigen hundert Metern erlebt er die erste freudige Überraschung, er überquert einen kleinen Bach, welcher Süsswasser führt. Es ist nicht besonders sauber, aber es schmeckt für ihn wie Champagner. Er beschliesst, an diesem Bach die Mittagshitze abzuwarten und will erst gegen Abend weitermarschieren. Am Strand jagt er mit einem spitzen Stock nochmals Fische und dank einem Feuer schmeckt der Fischbraten köstlich. Zum Dessert gibt es Muscheln. Nach einem kurzen Mittagsschläfchen, wandert er gegen Abend weiter nach Süden.

Mit letzter Kraft schleppt er sich vorwärts. Meter um Meter muss er kämpfen, aber er hat sich entschieden zu Fuss, weiter zu gehen und nicht mit dem Boot der Küste entlang zu fahren, denn er hat genug vom Boot und ausserdem ist die Brandung gefährlich. Nach jeder Klippe hofft er, endlich eine Hütte oder ein Dorf zu entdecken, aber er muss weiter leiden. Wie ist es möglich, dass es auf der Welt, so verlassene Orte gibt? Langsam wird es dunkel und er hofft, dass er irgendwo ein Licht ausmachen kann, doch die einzigen Lichter bleiben die Millionen von Sternen, welche vom Himmel funkelten. Er sucht sich erneut einen Platz, an welchem er die Nacht verbringen kann.

Am nächsten Morgen sucht er den Strand nach Essbarem ab, die Ausbeute ist gering. Er ist zu ungeduldig, er will los. Insgeheim hofft er, dass bereits nach der nächsten Biegung ein schmuckes Dorf liegt. Diese Hoffnung hat er bei jeder Klippe, welche er hinter sich bringt. Gegen Mittag nimmt die Erschöpfung wieder zu und er kommt kaum noch vorwärts.

Dann endlich, er späht um den Felsen und da, er glaubt es kaum. Ein kleines Dorf, vermutlich nur vier, maximal zehn Hütten. Sind sie bewohnt? Nehmen ihn die Leute freundlich auf und helfen sie ihm weiter? Er erlebte die Begrüssung nicht mehr, etwas ausserhalb des Dorfes bricht er zusammen und wird ohnmächtig.

Raus aus der Krise

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