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Der Fall Anita

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In Gedanken versunken schlendert Max der Aare entlang. Susi ist heute Nachmittag in der Redaktion beschäftigt. Sie und Max sind ein gutes Team geworden. Noch immer wohnt er bei ihr und unterstützt sie bei ihrer Arbeit. Er fotografiert, macht die Buchhaltung auf dem PC, sammelt Daten, überwacht das Funkgerät und Telefon, wenn sie weg ist, oder einer ihrer Berichte schreibt. Der Bericht über seine Flucht konnte gut verkauft werden.

Es ist nicht der schöne Sommernachmittag der ihn zum Besuch seiner alten Gegend verleitet hat, den alten Zeiten trauert er nicht nach. Es geht ihm um den Mordfall Anita. Das vierzehnjährige Mädchen wurde vor einer Woche ermordet im Rechen des Kraftwerks angeschwemmt, nachdem es vorher eine Woche lang gesucht wurde. Susi und Max haben im Polizeifunk alles mitgehört und waren die ersten Reporter an der Fundstelle.

Jetzt hofft er, dank seinen Ortskenntnissen zum Mordfall Anita eine Spur zu finden. Er stöbert in den Ufergebüschen herum und betrachtet jeden Gegenstand, der von den Leuten liegengelassen wurde. Bis jetzt hat er nichts Verdächtiges entdeckt, was auch ein Wunder gewesen wäre, denn die Polizei hat die ganze Gegend, genauestens durchgekämmt. Trotzdem hat er das Gefühl, dass er auf etwas Wichtiges stossen könnte, immerhin ist der Tatort bis jetzt noch nicht bekannt. Genauso exakt wie er die Umgebung beobachtet, mustert er die Leute, welche den lauen Nachmittag geniessen.

Plötzlich glaubt er, das Mädchen, welches soeben vom Aareweg abbiegt, könnte Rebekka sein. Seine Gedanken kehren zurück an jene Stelle, wo er sie das erste Mal getroffen hat. Was wäre aus ihm geworden, wenn er sie nicht getroffen hätte? Sofort beschleunigt er seine Schritte, er will sie fragen wie es ihr geht.

Nur, ist es wirklich Rebi?

Obwohl er sehr schnell geht, kann er das Mädchen nicht mehr erreichen, es hat vermutlich den kleinen Park durchquert und bleibt verschwunden. Er eilt durch den Park und schaut die Strasse entlang. Weit kann sie doch noch nicht sein, sie muss in einem der Reihenhäuser verschwunden sein.

Max schlendert den Häuser entlang und schaut sich die Namen an den Briefkästen an. Es hilft ihm nicht weiter, denn er kennt ihren Nachnamen nicht. Er weiss nur, dass sie Rebi heisst. Also, in einem dieser Häuser wohnt sie vermutlich.

Die nächsten Tage richtet es Max so ein, dass er öfters an dieser Strasse vorbei kommt. Er will sich unbedingt bei Rebi bedanken, das ist er ihr schuldig. Jedes schwarzhaarige Mädchen, das er von weitem sieht, versucht er einzuholen, aber entweder erreicht er es nicht mehr, oder es handelt sich nicht um Rebi. So langsam hat er einen richtigen Tick und läuft jedem schwarzhaarigen Mädchen nach. Da in der Strasse auch Asylbewerber untergebracht sind, gibt es viele schwarzhaarige Frauen in dieser Strasse, welche er immer kurz verfolgt.

So geht es nun schon seit zwei Wochen.

Endlich, - diesmal ist sich Max sicher, das Mädchen, welches hundert Meter weiter vorne an der Aare spaziert, dieses Mädchen muss Rebi sein. Es ist ein Mittwochnachmittag, es ist leicht bedeckt und noch nicht so heiss wie an den letzten Tagen. Es sind nicht viele Leute an der Aare unterwegs. Max kommt schnell näher. Als er Rebi bis auf zehn Meter eingeholt hat, verlangsamt er seine Schritte und beobachtet sie noch kurz. Er weiss plötzlich nicht mehr, wie er sie ansprechen soll. Er hat sie zwei Monate nicht mehr gesehen, es ist gar nicht so einfach. Erinnert sie sich überhaupt noch an ihn?

Max nimmt allen Mut zusammen und geht jetzt direkt auf Rebi zu: «Hallo Rebi! - Sieht man dich auch wieder einmal? - Wie geht es dir?»

«Ach sie sind es, - mir geht es gut», stottert Rebi etwas verwirrt. Die Begegnung mit Max hat sie total überrascht. Erstens hat sie ihn nicht sofort erkannt und zweitens fällt ihr sein Name überhaupt nicht mehr ein.

«Bist du auf dem Weg zu unserm Platz?», fragt Max.

«Eigentlich nicht, ich hole eine Freundin ab, dann gehen wir schwimmen», antwortet Rebi und es fällt ihr immer noch nicht ein, wie er heisst.

«Darf ich dich ein Stück begleiten?», fragt Max.

Stumm gehen sie nebeneinander am Ufer entlang, nur noch durch ein kleines Wäldchen, dann sind sie an ihrem Platz.

«Ich war im Frühling in Ägypten», erzählt Max, doch das Gespräch kommt noch nicht richtig in Gang, sie sucht immer noch nach seinem Namen und ist deshalb gehemmt.

«Darf ich ihren Ausweis sehen?», fragt ein Mann und hält Max seinen Polizeiausweis unter die Nase. «Kriminalpolizei!»

Ein zweiter Herr steht inzwischen dicht hinter Max und beobachtet ihn ganz genau. Dann wendet sich einer der Herren an Rebekka: «Kennst du diesen Mann? Wie heisst er?»

«Ja, - ä ich weiss nicht», antwortet Rebekka.

«Was heisst das? Ja oder nein? Wie heisst er?», fragt der Beamte energisch.

«Ich weiss nicht wie der Herr heisst, ich kenne ihn nur flüchtig», stottert Rebi, der Name von Max will ihr jetzt erst recht nicht mehr einfallen, die Beamten haben sie überrumpelt.

«Bitte begleiten sie uns auf das Präsidium. Wir müssen ihnen einige Fragen stellen!»

Max ist noch immer überrascht und weiss nicht wie er sich verhalten soll. Das ist doch die Höhe, kann man nicht einmal spazieren gehen? Was soll er machen, sich zu wehren hat keinen Sinn.

«Sie können nicht einfach Leute vom spazieren weg aufs Präsidium bitten, ich weiss gar nicht, was ich da soll? Ich habe niemandem etwas getan», versucht sich Max herauszureden.

«Doch, wir können», erklärt einer der Beamten, «immerhin sind sie soeben im Begriff, mit einem minderjährigen Mädchen, das sie nur schlecht kennen, in einem Wald zu verschwinden. Ausserdem beobachten wir sie schon länger. Ihre Vorliebe für schwarzhaarige Frauen ist uns schon lange aufgefallen. Das sollten sie uns schon genauer erklären.»

Max sieht ein, dass es das Beste ist, mit den Beamten zusammenzuarbeiten und keine weiteren Verzögerungsmanöver mehr zu versuchen. Je schneller alles über die Bühne geht, um so besser. Auf dem Polizeiposten wird Max das Handy abgenommen und er wird in ein Zimmer geführt.

«Bitte, warten sie hier, wir wollen zuerst mit dem Mädchen reden, damit es wieder nach Hause kann», danach verlässt der Beamte das Zimmer und lassen Max, nachdem sie ihm noch das Handy abgenommen haben, allein.

Die Situation ist schon beschissen, wie soll er das nur Susi erklären? Sicher wartet sie auf ihn. Die Aussicht, dass er bis zwei Uhr zurück ist, wird immer geringer. Er schaut sich im Zimmer um. Die haben doch tatsächlich eine Kamera, mit welcher sie den Raum beobachten können.

Jetzt nur ruhig bleiben, sagt sich Max. Er hat ja nichts Schlechtes getan, es wird sich alles klären. Hoffentlich erzählt Rebekka nichts Falsches. Kennt sie ihn eigentlich noch? Hätte er ihr nur seinen Namen sofort gesagt, sie hätte sich wieder an ihn erinnert. Er weiss auch nicht was er für Rebekka ist? War er jemand, mit dem man seine Spielchen spielen konnte oder war da mehr dahinter? War er für sie nur der Trunkenbold, welcher an der Aare herumhing?

Max muss sich zwingen, diese negativen Gedanken zu verdrängen. Er hat nichts gemacht, also hat er nichts zu befürchten. Das Warten geht ihm allerdings sehr auf die Nerven. Die scheinen sich sehr sicher zu sein, dass sie ihn so lange warten lassen. Er hätte viel darum gegeben, wenn er jetzt beim Verhör von Rebekka dabei sein könnte. Sicher geht bald die Türe auf und der Beamte erklärt ihm, dass alles nur ein Missverständnis war. Er entschuldigt sich für die Unannehmlichkeiten, welche leider nicht zu vermeiden waren. Inzwischen ist Max auch sehr durstig geworden, nicht einmal etwas zu trinken gibt es in dem Laden. Wie soll er dies der Susi erklären?

Als Susi nach Hause kommt wundert sie sich, dass Max nicht da ist. Sie schaltet den Polizeifunk ein. Um diese Zeit ist normalerweise nichts los, aber es ist für sie zur Routine geworden, wenn sie nichts zu tun hat, schaltet sie das Gerät ein.

„... er ist um die Dreissig. Zum Glück konnten wir noch rechtzeitig einschreiten. - Dem Mädchen ist nichts passiert. - Versuchen sie einen Untersuchungsrichter aufzutreiben, wir brauchen einen Haftbefehl.»

Susi glaubt nicht recht zu hören. Da liegt eine Story drin. Wenn nur Max endlich käme. Sie versucht Max anzurufen, doch das Handy ist ausgeschaltet. Sie muss sofort zum Polizeiposten und diesen beobachten. Vielleicht ergibt sich etwas Brauchbares. Inzwischen wird es auf dem Funk ruhig. Nun hält sie es nicht mehr aus, sie schreibt Max eine SMS und informiert ihn über die wichtige Neuigkeit und macht sich auf den Weg.

Kaum zehn Minuten später parkiert sie vor dem Polizeiposten und beobachtet den Eingang. Sie hat Glück, weit und breit kein weiterer Reporter zu sehen. Eine Viertelstunde später ist sie sicher, dass etwas Aussergewöhnliches vor sich geht. Schade, dass sie nicht eine halbe Stunde früher von der Verhaftung erfahren hat, denn dann hätte sie es vielleicht noch geschafft, vom Verhafteten ein Bild zu schiessen.

Nun ist es Zeit, sich ein genaueres Bild zu verschaffen. Sie steigt aus und beginnt direkt vor dem Eingang auf und ab zu spazieren. Ein Beobachter hätte sich gewundert, seit wann Nuten vor dem Polizeirevier patrouillieren? Susi sieht in ihrem kurzen Rock sexy aus?

Endlich kommt ein uniformierter Beamter aus dem Polizeirevier. Offensichtlich hat er verspätet Feierabend und ist froh, dass er nach Hause kann.

«Heute gibt es aber spät Feierabend», spricht ihn Susanne an, «sonst hören sie doch viel früher auf. - Gibt es etwas Besonderes?»

«Wegen diesem Mistkerl, muss ich mein ganzes Programm ändern», entgegnet der Polizist wütend, «aber das geht Sie eigentlich gar nichts an.»

«Was denn für einen Mistkerl?», fragt sie trotzdem weiter.

«Der wollte doch glatt mit einem zwölfjährigen Mädchen im Wald verschwinden, zum Glück haben wir ihn schon einige Zeit beobachtet, bis jetzt ist er den Mädchen nur nachgelaufen, aber heute hat er es gewagt, eines anzusprechen und das dumme Ding wäre tatsächlich mitgegangen. Wenn wir Glück haben ist er der Mörder von Anita. Dann können wir doch noch beruhigt in die Herbstferien fahren.»

«Danke für den Hinweis», freundlich verabschiedet sich Susanne vom Polizisten.

Sofort zückt sie ihr Handy und ruft ihren Redaktor an.

«Hallo Paul, ich bin's, Susi, ich glaube ich habe da eine grosse Story! Heute wurde in Olten ein Mann verhaftet, welcher ein elfjähriges Mädchen vergewaltigen wollte! Man hat den Mann schon einige Zeit beobachtet, wie er Mädchen nachschleicht. Aber jetzt hat man ihn auf frischer Tat ertappt und vermutlich ist er sogar der Mörder von Anita!», Susi ist ganz ausser Atem, so aufgeregt ist sie.

«Hat schon jemand zum Fall offiziell Stellung genommen?», fragt der Redaktor.

«Bis jetzt nicht, die Information habe ich vom Polizeifunk und dann habe ich noch einem Polizisten Informationen aus der Nase gezogen. Aber viel dürfen die natürlich nicht sagen. Ich warte vorerst noch hier, vielleicht kann ich noch ein Foto vom Mädchen schiessen, wenn es aus dem Posten kommt.»

«O.K. bleib am Ball, melde dich jede Stunde. Ich überlege mir inzwischen, wie wir weiter vorgehen, ohne dass wir uns viel Ärger einhandeln. Ausserdem muss ich sondieren, ob wir da nicht eine Exklusivstory bei einer Agentur unterbringen können, für unser Regionalblatt ist die Story fast zu gross. - Also, bis später, Pass auf, lass dir die Butter nur nicht mehr vom Brot nehmen. Tschüss!»

Inzwischen hat die Hektik im Polizeirevier nachgelassen. Lediglich der Staatsanwalt, ein hoher Polizeibeamter und ein Untersuchungsrichter sind im Polizeiposten erschienen. So ganz aus der Luft gegriffen ist die Sache also nicht. Aber neue Informationen kann sie keine beschaffen. Sie will soeben ihren nächsten Zwischenbericht abgeben, als zwei Polizisten das Gebäude verlassen und die Umgebung musterten. Schnell duckt sich Susi und tastet nach der Kamera. Es geht alles sehr schnell, eine Frau verlässt mit einem schwarzhaarigen Mädchen, eilig den Polizeiposten. Susi knipst so viel sie kann, schade dass Max immer noch nicht da ist, solche Fotos sind eigentlich seine Spezialität. Sie ist zufrieden, endlich hat sie etwas Greifbares, etwas Handfestes, damit kann sie weitermachen.

Sobald die vier das Auto erreicht haben, startet auch Susi den Motor und legt das Handy auf den Nebensitz. Mit gebührendem Abstand folgt sie dem Polizeiauto. Die Verfolgung ist nicht schwer und dauert auch nicht lange. Bei einem Wohnblock hält das Auto an und die Frau und das Mädchen steigen aus. Blitzschnell verschwinden sie im Hauseingang. Durch die offenen Fenster im Hausgang kann Susi genau beobachten, in welcher Wohnung Mutter und Kind verschwinden. Nun hat sie vorerst genug gesehen. Sie macht mit ihrem Handy einige Fotos vom Block und schickt sie ihrem Redaktor.

«Na endlich! Du hast Nerven, mich so lange warten zu lassen! Gibt es wenigstens was Neues?»

«Ja, sie haben das Mädchen nach Hause gebracht. Ich weiss jetzt, wo es wohnt und habe bereits Fotos vom Haus und vom Mädchen. Sie ist sehr hübsch und schon recht gut entwickelt, kein Wunder, wenn es da einen packt, so wie die herumläuft. Was glaubst du, können wir die Story schon bringen, oder brauchen wir zuerst eine offizielle Stellungnahme der Polizei?»

«Das ist eine heikle Frage», Paul denkt angestrengt nach, «was haben wir bis jetzt, ein Mann, welcher schon seit Tagen beobachtet wurde und er wollte mit einem Teenager in einem Wald verschwinden. Die Adresse des Mädchens und einige Hinweise für grössere Nervosität auf dem Polizeiposten. Nicht sehr viel, aber auch nicht wenig. Der Name des Täters wäre nicht schlecht, nur das wird schwierig werden. Ein Interview mit dem Mädchen ist rechtlich nicht zulässig, diese Information sollten wir im jetzigen Zeitpunkt noch für uns behalten. Ihr Name wird von der Polizei nicht so ohne weiteres preisgegeben und später können wir mit den Eltern vielleicht ins Geschäft kommen, aber nur, wenn wir die Einzigen sind, welche wissen wo sie wohnt. Aber zuerst muss der Täter einwandfrei feststehen.»

«Ich glaube, das Beste ist, wenn ich den Polizeiposten weiter beobachte, wenn sie ihn heute nicht mehr freilassen, so ist das doch eine recht handfeste Tatsache. Man kann ja nicht jemand über Nacht einbuchten, wenn nichts dahintersteckt. Bis einundzwanzig Uhr haben wir noch Zeit, dann müsste der Bericht geschrieben werden.»

«Also, du gehst zurück zum Posten und beobachtest weiter. Ich setzte inzwischen einen ersten Artikel auf, welchen wir ab zehn Uhr den grossen Zeitungen anbieten, wenn diese noch nicht selber draufgekommen sind. Also, zurück an die Arbeit, du meldest dich weiter jede Stunde zu einem Zwischenbericht. Viel Glück!»

Sie hängt ein und fährt ihr Auto wieder zurück zum Polizeiposten. Am liebsten wäre sie einfach hineingegangen und hätte gefragt, was an der Sache dran ist, aber so etwas verbieten die Spielregeln. Wo bleibt eigentlich Max. Sie ruft ihn an, doch das Handy ist ausgeschaltet, dann ruft sie zuhause an, nichts Max ist nicht erreichbar. Sucht er sie, oder ist er auf eigene Faust am recherchieren? Max ist alles zuzutrauen.

Inzwischen wartet Max immer noch, dass Bewegung in die Sache kommt. Auch wenn er nicht ängstlich ist, so wird er doch nervös und gereizt. Es ist schon eine Frechheit, was die sich mit ihm erlauben. Er sitzt nun sicher schon eine Stunde allein in diesem Zimmer. Dann endlich, nach einer weiteren Viertelstunde, öffnet ein Beamter die Tür: «Kommen sie mit!»

Er wird in ein anderes Zimmer geführt. Am grossen Schreibtisch sitzt ein uniformierter Beamter und weist ihn an, Platz zu nehmen. Er hat seinen Computer vor sich und ist damit beschäftigt, eine Datei zu eröffnen. Endlich beginnt das Verhör, jedoch nicht so, wie es Max erhofft hat.

«Name, Vorname», fragt der Beamte.

«Max Meier.»

«Max ist der Vorname?»

«Ja.»

«Name des Vaters?»

«Hans Meier.»

«Geboren?»

«27. 7. 67».

«Heimatort? Zivilstand?»

«Geschieden.»

«Aa-, geschieden, seit wann», muss der Beamte nachfragen. Das ist wieder ein Minuspunkt, denkt Max für sich.

«Adresse?»

«Max Meier, Postlagernd Olten.»

«Machen sie keine Witze. Wo wohnen Sie.»

«Bei meiner Freundin, Susi, pardon, Susanne Walter.»

Munter geht das Frage- und Antwortspiel weiter. Adresse von Susanne, Telefonnummer, Alter der Freundin, Beruf und so. Später ist Max wieder an der Reihe.

«Beruf?»

«Elektro-Ingenieur HTL.»

«Arbeitgeber?»

«Keiner?»

«Also, arbeitslos, bei welchem Arbeitsamt?»

«Nein, ich bin nicht arbeitslos, ich war arbeitslos, nun verdiene ich als Arbeitsloser zu viel und habe kein Anspruch auf eine Entschädigung.»

Das bringt den Beamten aber ganz schön ins Schwitzen. «Können sie sich nicht genau ausdrücken?»

«Nein, leider ist es ein wenig kompliziert. Ich kann auch nichts dafür, dass ich in etwas komischen Verhältnissen lebe, welche nicht in ihr Formular passen.»

«Bitte werden sie nicht frech, dies ist ein Verhör und ich bin nicht zum Vergnügen hier.»

Also versucht es Max, ihm zu erklären, dass er Susanne bei ihrer journalistischen Tätigkeit unterstützt, ohne dass er irgendwo bei einer Zeitung als Journalist gemeldet ist, alle Einnahmen laufen über Susanne Walter. Nach einer langwierigen Diskussion macht der Beamte bei Beruf seine Eintragung: «Kompliziert, siehe Vernehmungsprotokoll.»

«Darauf kommen wir später zurück, ich weiss nicht, ob sie sich da strafbar gemacht haben, das ist nicht mein Spezialgebiet. Machen wir weiter.»

Jetzt gibt es nur noch einige Fragen über Fahrausweis, letzte Stelle, Schulbildung, Gesundheit, und ob in seiner Familie jemand Geisteskrank sei und ähnliche Fragen. Seit dem Intermezzo mit seinem Beruf und seinen Wohnverhältnissen, ist der Beamte wesentlich unfreundlicher geworden. Man merkt, dass er innerlich überzeugt ist, dass Max ein Verbrecher ist und dass er einen grossen, wenn auch nicht einfachen, Fang gemacht hat.

«Meier, komm mit», kommandiert der Beamte.

«Für sie immer noch, Herr Meier», wehrt sich Max, auch wenn er weiss, dass er sich nicht beliebter macht.

«Also, Herr Meier, folgen sie mir.»

Jetzt muss er sich auf einen Stuhl setzen, ein zweiter Beamter macht die berühmten Verbrecherfotos, von vorn, von der Seite und noch normal. Dann werden noch die Fingerabdrücke abgenommen und seine Grösse genau festgestellt. Die Augen und Haarfarbe werden aufgeschrieben.

Auf die Frage von Max: «Ist das denn nötig, kann ich nicht vorher das ganze Missverständnis aufklären», erhält er die Antwort: «Hier bestimmen wir, was, wann, zu geschehen hat. Ist das klar? Wir haben da unsere Vorschriften. Sie können nachher immer noch einen Antrag stellen, dass ihre Akten im Archiv gelöscht werden müssen, aber ein anständiger Bürger muss eigentlich keine Angst haben, wenn seine Fingerabdrücke registriert sind. Da müssen sie mir doch Recht geben.»

Max gibt es auf, es hat keinen Wert, sich gegen die Behandlung zu wehren, er nimmt sich vor, alles genau in Erinnerung zu behalten und dann, wenn er wieder frei ist, wird er das ganze Prozedere in einem Artikel beschreiben und gross in die Zeitung bringen, er wird es ihnen heimzahlen.

«Darf ich noch kurz jemand anrufen», fragt Max, als das Verhör unterbrochen wird.

«Wollen sie ihren Anwalt anrufen?»

«Eigentlich nicht, ich hoffe nicht, dass ich einen brauche, aber meiner Freundin hätte ich gerne Bescheid gesagt, die macht sich sicher Sorgen.»

«Diese Mühe können sie sich sparen, da haben wir schon versucht anzurufen, aber sie ist nicht zu Hause, es nimmt niemand ab», erklärt ihm der Beamte.

Diese Meldung macht Max stutzig, wieso dürfen die Beamten einfach bei seiner Freundin anrufen, ohne es ihm zu sagen? So langsam wird ihm bewusst, dass er da ein grosses Problem hat. Vielleicht wäre es doch besser einen Anwalt beizuziehen, aber er kennt nur den Anwalt, welcher die Scheidung durchgezogen hatte, aber mit dem will er lieber nichts mehr zu tun haben. Es wird sich schon alles aufklären, wenn er doch nur endlich jemandem erklären dürfte, wieso er Rebekka verfolgt hat. Aber die Beamten wollen Zeit gewinnen, damit sie sich ein besseres Bild von ihm machen können. Keine leichte Aufgabe bei seinem Leben in den letzten zwei Jahren.

Diesmal muss er doch nicht so lange warten.

«Herr Meier, kommen sie mit», befiehlt der Beamte von vorhin. Max läuft hinter ihm her durch einen langen dunklen Gang. In einem hellen Zimmer muss er Platz nehmen. Die Türe geht auf. Ein zivil gekleideter Beamter betritt das Zimmer. Er trägt einen leichten Sommeranzug mit Krawatte.

«Friener!», stellt er sich vor, «Staatsanwalt Friener.»

«Ich wurde mit der Untersuchung beauftragt», er liest kurz das ausgefüllte Protokoll durch und runzelt die Stirn.

«Haben sie etwas dagegen, wenn wir das Gespräch aufzeichnen? Sie wissen, dass sie das Recht haben, die Aussage zu verweigern. Sie müssen sich nicht selber belasten. Also erzählen sie mir, was sie von dem Mädchen wollten?»

Endlich kann Max seine Geschichte loswerden. Der Staatsanwalt lässt ihn tatsächlich reden, ohne zu unterbrechen. Max erzählt wie er Rebekka kennen gelernt hat und welchen guten Einfluss sie auf ihn hatte. Dann berichtet er kurz über Ägypten, ohne jedoch seine Flucht zu erwähnen, erzählt er, wie er Susanne kennen gelernt hat. Danach erklärt er, wie er in letzter Zeit immer wieder versuchte, Rebekka zu finden, um sich bei ihr zu bedanken, denn immerhin hatte sie ihn von seiner Trunksucht gerettet, auch wenn sie es selber vielleicht nicht bemerkt hat.

«So, das wäre also kurz erzählt, warum ich Rebi angesprochen habe. Kann ich nun gehen?», fragt Max.

«Ich hätte da doch noch ein paar Fragen», antwortet der Staatsanwalt. Es wird noch etwas länger dauern. Er zeigt ihm ein Bild von Anita, dem ermordeten Mädchen.

«Kennen sie dieses Mädchen?»

«Ja, das war Anita», meint Max spontan.

«Woher kennen sie es», fragt der Beamte neugierig.

«Nur aus der Zeitung, das ist doch das Mädchen, welches ermordet im Rechen des Kraftwerks angeschwemmt wurde. Sie wurde irgendwo am Aareufer erdrosselt und mit einem Messer ziemlich stark verstümmelt. Der Täter warf es anschliessend in die Aare, beschwert mit einem Backstein um den Hals, welcher an einem Springseil befestigt war, das Seil ist durchgescheuert und die Leiche wurde einige Tage später beim Kraftwerk angeschwemmt.»

«So, so, in welcher Zeitung haben sie das gelesen?»

«Ich lese viele Zeitungen, das gehört zu meinem Job.»

«Dann hätte ich nur noch eine Frage: Wo waren sie am 14. März 2021 am Nachmittag?»

«Das weiss ich nicht, da muss ich zuerst nachdenken. Immerhin ist es mehr als zwei Monate her und ich habe einen unregelmässigen Tagesablauf. Morgen könnte ich ihnen anhand meines Notizbuches etwas besser Auskunft geben. Kann ich jetzt gehen? Es ist schon spät und ich habe langsam Hunger.»

«Herr Meier, es tut mir leid, aber ich muss leider einen Haftbefehl gegen sie ausstellen, sie sind verhaftet. Das Essen kriegen sie zu den normalen Essenszeiten im Untersuchungsgefängnis.»

Max verschlägt es die Sprache, jetzt hat er gedacht, dass er alles aufgeklärt hätte und der Staatsanwalt machte den Eindruck, dass er ihm glaubt, also warum muss er nun doch in Haft bleiben?

«Aber warum», fragt Max, «ich habe doch nichts gemacht?»

«Ja, Herr Meier», der Staatsanwalt antwortet mit einem sorgenvollen Unterton, «sie haben über den Fall “Anita“ Details erzählt, die in keiner Zeitung standen. Aber für heute müssen wir Schluss machen, sonst verpassen sie noch das Nachtessen im Untersuchungsgefängnis und sie haben doch Hunger. Ihre Freundin ist übrigens immer noch nicht erreichbar. Darf ich mich jetzt von ihnen verabschieden, wir sprechen uns morgen wieder. Kommissar Meili wird sie in ihre Zelle bringen. Also, gute Nacht, Herr Meier.»

Herr Friener verlässt das Zimmer und Kommissar Meili fordert ihn auf, ihm zu folgen. Max kann es nicht glauben. Er ist in Untersuchungshaft gelandet! Was wird Susi dazu sagen?

Susi schleicht den ganzen Nachmittag um das Polizeipräsidium, aber der Verhaftete wird noch nicht freigelassen. Zwischendurch versucht sie immer wieder Max anzurufen, aber er meldet sich nicht. Immer wenn man ihn braucht, ist er nicht da. Sie hat Hunger, aber ohne Ablösung will sie die Stellung nicht verlassen.

Endlich gegen sieben Uhr verlässt Herr Staatsanwalt Friener den Polizeiposten. Susi rast über die Strasse und geht direkt auf Herr Friener zu.

«Darf ich sie kurz etwas Fragen? Stimmt es, dass sie einen Verdächtigen im Mordfall Anita verhaftet haben?»

«Ja, es stimmt, aber wir können noch nichts Näheres bekannt geben.»

«Danke. Anscheinend sind die Vorwürfe so gravierend, dass er in Haft behalten wird», hartnäckig hackt Susanne nach.

«Ja, er weiss zum Mordfall Anita Details, welche nur der Mörder wissen kann und ausserdem war er bei der Verhaftung im Begriff, mit einem Mädchen in einen Wald zu gehen. Es sind zwar erst wenige Anhaltspunkte, aber wir wollen alles genau abklären. Er hatte gute Erklärungen, warum er das Mädchen angesprochen hatte, aber bis wir sein Alibi überprüft haben, bleibt er in U-Haft. Ich bitte sie, noch keine Meldung in die Presse zu geben, wenn sie keine Klage wegen übler Nachrede am Hals haben wollen. Gute Nacht.»

Für heute gibt es hier nichts mehr zu tun. Susanne beschliesst nach Hause zu fahren und von dort will sie nochmals Paul anrufen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Sie ist verwundert, dass Max immer noch nicht zu Hause ist, denn sie muss die Türe aufschliessen. Eilig geht sie durch die Wohnung, um ein Lebenszeichen von Max zu finden, sie findet aber noch alles so vor, wie sie es verlassen hat. Es sieht so aus, als ob Max noch immer nicht nach Hause gekommen ist. So langsam hat sie Angst, ist ihm etwas passiert? Es hat keinen Sinn, sich grosse Gedanken zu machen. Sie gehört nicht zu den Leuten, welche sich Sorgen machen, bevor sie wissen weshalb. Zurzeit hat sie genug zu tun. Sie holt den Ordner mit allen Unterlagen zum Mordfall Anita und beginnt, darin zu blättern. Plötzlich klingelt die Türglocke.

«Hat Max etwa nur die Schlüssel vergessen», fragt sie sich, «der ist er sicher sehr sauer, weil sie den ganzen Nachmittag nicht nach Hause gekommen ist.»

Sie öffnet die Tür und schaut erstaunt auf die beiden Polizisten, welche vor der Türe stehen.

«Was gibt's?», fragt Susanne.

«Bei ihnen wohnt doch Max Meier», fragt einer der Beamten, «wir haben einen Hausdurchsuchungsbefehl, dürfen wir reinkommen?»

«Was habt ihr? Ist etwas mit Max passiert?»

«Herr Meier wurde heute Nachmittag vorläufig festgenommen, dürfen wir jetzt reinkommen?»

In Susannes Kopf beginnt es zu rumoren. Ist Max der geheimnisvolle Täter? Hatte er sie mit diesem schwarzhaarigen Mädchen betrügen wollen? Hatte Max deshalb so viel Interesse am Mordfall Anita? Ging er deshalb so oft am Nachmittag an die Aare? War der Vorwand, allein zu sein, nur eine faule Ausrede? Blitzschnell überlegt sie, ist es möglich, dass Max ein Doppelleben führt? Kennt sie ihn eigentlich gut genug? Wenn sie ehrlich ist, so ist Max für sie immer noch ein Fremder. Will er deshalb keine Publizität, damit man seine Bilder nicht in der Zeitung sehen kann und ihn eventuell auf Grund eines Bildes identifizieren könnte. Alles hält sie für möglich, rasend schnell überlegt sie weiter, wie man sich doch in einem Menschen täuschen kann. Für Susi bricht eine Welt zusammen, sie kann sich gar nicht auf die beiden Polizisten konzentrieren.

«Besten Dank, für ihr Entgegenkommen», hört Susanne einen Beamten sagen, «wir tun nur unsere Pflicht, wir müssen uns nach verdächtigen Utensilien umsehen.»

Als Erstes fällt den Beamten natürlich der Ordner auf, in welchem Susanne gerade geblättert hat und der noch offen auf dem Tisch liegt. Mit Handschuhen wurde der Ordner in einen Plastiksack gesteckt, dann muss sie alle Schuhe von Max aus dem Schuhkasten holen. Auch sämtlich Papiere von Max, muss sie rausrücken, Zeugnisse, Notizbuch, Scheidungsurteil, Versicherungspolicen, überhaupt, alles was Max gehörte. Er besitzt ja nicht sehr viel.

Nach einer Stunde haben die Beamten genug gesehen.

«Wir müssen sie auffordern, uns morgen auf dem Präsidium zu besuchen, wir müssen die Lebensumstände von Herr Meier genauer durchleuchten. Dazu müssen sie eine Aussage machen. Melden sie sich um neun Uhr bei Herr Friener im zweiten Stock. Tut uns leid, dass sie Unannehmlichkeiten haben, aber leider können wir bei einem Mord nicht allzu viel Rücksicht nehmen.»

Die Tür schliesst sich hinter den Beamten. Susi ist wie erschlagen und weiss nicht was sie von der Sache halten soll.

Kann man sich so in einem Menschen täuschen? Wie stark sitzt Max da mit drin? Hat ihn die lange Einsamkeit dazu getrieben? War es die Scheidung, die er nicht verkraftet hat, oder doch eher die ausgestandene Angst in Ägypten?

Jetzt muss sie Paul informieren. Sie ist gespannt, was er zu dieser Entwicklung des Falls sagen wird. Mit zittriger Hand wählt sie die Nummer.

«Na endlich, wo hast du die ganze Zeit gesteckt? Ich weiss immer noch nicht, ob wir nun die Story bringen können oder nicht.»

«Es hat sich da etwas im Fall gewendet, ich bin gespannt, was du dazu meinst», gegen die Tränen ankämpfend erzählt sie Paul alles, was sie in den letzten zwei Stunden erlebt hat.

«Ich kann mir das mit Max einfach nicht vorstellen, aber ich kenne ihn ja nicht so gut wie du! Ich war nie mit ihm im Bett. Entschuldigung, das war geschmacklos», Paul ist immer noch eifersüchtig auf Max, denn seit der bei Susi eingezogen ist, konnte er bei ihr nicht mehr landen. Aber wenn er ehrlich ist, er kann es sich trotzdem nicht vorstellen, dass Max zu so einer Tat fähig wäre. Sicher, er hatte in letzter Zeit viel Pech gehabt und so etwas konnte einen Menschen sehr stark verändern. Er weigert sich trotzdem, so etwas von Max zu denken. Aber langsam beginnt er sich zu ärgern, denn er sieht ein, dass ihm eine tolle Story den Bach hinunter schwimmt, vor seinem Gewissen kann er es einfach nicht verantworten, in dieser Situation über den Fall zu berichten.

«Ich weiss effektiv nicht, was wir machen sollen», fragt Paul, «was meinst du?»

«Wenn ich das wüsste, ich könnte platzen vor Wut, wenn ich daran denke, dass er mich mit diesem jungen Ding betrügen wollte. Ich kann ihn ja verstehen, in diesem Alter sah ich auch noch sehr gut und verführerisch aus. Warum läuft diese Göre auch so sexy rum?»

«Bist du eifersüchtig? Man hört die betrogene Freundin heraus. Pass Morgen bitte auf, dass du ihn nicht zu stark belastest, sonst sitzt er unter Umständen noch lange im Gefängnis. Ich höre aus deinem Gespräch heraus, dass du ihn bereits als schuldig verurteilst. Ich glaube, ich bringe morgen noch nichts in der Zeitung, es ist mir zu riskant, wir können später unsere gute Position immer noch ausspielen, wenn wir sicher sind. Gute Nacht, ich muss jetzt zuerst darüber schlafen.»

Der Gefängnisalltag beginnt für Max mit dem Bezug seiner Zelle im vierten Stock des Polizeigebäudes. Seine wenigen persönlichen Effekten, die er auf sich trägt, werden ihm abgenommen. Er erhält leihweise einen Trainingsanzug für die Nacht. Wenn er länger bleiben muss, darf er seine eigenen Kleider tragen. Doch damit rechnet Max nicht, er ist ja unschuldig.

Die Zelle ist etwa zwei Meter breit und drei Meter lang. Das Fenster liegt etwas erhöht, er muss auf einen Stuhl steigen, wenn er auf die Strasse runter sehen will. Er hat eine schöne Aussicht auf den Jura. In der Nähe des Fensters steht ein Schreibtisch und an der Wand ein normales Bett. Hinter einem Vorhang leicht versteckt, gibt es ein Lavabo und die Toilette. Im Vergleich zu den Hotels in Ägypten ist es direkt komfortabel eingerichtet, vor allem ist es blitzsauber, was ihn etwas positiver stimmt.

Der Wärter, welcher ihn einquartiert und mit der Hausordnung vertraut macht, erklärt nur das Nötigste und zieht sich nach kurzer Zeit zurück.

«In einer halben Stunde gibt es Nachtessen», erklärt er Max bevor er die Türe hinter sich schliesst, «bis dahin würde ich noch die Hausordnung durchlesen, sie liegt in der obersten Schublade des Schreibtisches.»

Nun ist Max allein und beginnt in der Zelle auf und ab zu gehen. Mit so etwas hat er in Ägypten gerechnet, aber dass ihm das in der Schweiz passieren würde, das überrascht ihn doch ziemlich. Er fühlt sich hundemüde und freute sich, auf eine ruhige Nacht, hoffentlich ist das Essen gut.

«Was wird wohl Susi denken, wenn er nicht nach Hause kommt? Herr Friener hat ihm versichert, dass sie über seinen Verbleib informiert wird. Doch wie wird sie reagieren, wenn sie hört, dass er im Gefängnis gelandet ist? Sicher wird sie alle Hebel in Bewegung setzten, dass er wieder freikommt.»

Optimistisch für den nächsten Tag schläft Max ein, er ist überzeugt, dass es die einzige Nacht im Gefängnis sein wird. Er hat eine neue Erfahrung gemacht, welche ihm als Journalist vielleicht zu gute kommen wird. Mit diesen Gedanken schläft er ein, ohne zu ahnen, dass er sich doch irrt.

Als Susi am nächsten Morgen aufsteht, holt sie als erstes die Zeitung aus dem Briefkasten. Sie hat schlecht geschlafen, es ist eigenartig, wie sie sich bereits an Max gewöhnt hat. Sie will heute versuchen, einen Besuchstermin bei Max zu bekommen.

Sie holt die Zeitung aus dem Briefkasten und erschrickt, da steht in grossen Buchstaben:

«Ist der grausame Mörder von Anita endlich gefasst?»

Mit kleineren Buchstaben geht es weiter: «Ist der Verhaftete M. M. der Mörder von Anita? Noch hat er kein Geständnis abgelegt, aber der Verdacht wird immer konkreter. Kein Alibi, er weiss über den Fall Anita Details, welche nur der Täter wissen kann, M. M. hielt sich sehr oft im besagten Gebiet auf, M. M. verfolgte öfters junge Mädchen, die zwölfjährige R. K. hatte riesiges Glück, sie war auf dem Weg mit M. M. in einen Wald, als die Polizei einschritt und M. M. verhaftete. Ist die Verhaftung zu früh erfolgt? Fehlen jetzt die Beweise gegen M. M.? Hätte die Polizei die Zwei nicht besser noch eine Weile beobachtet? Die Staatsanwaltschaft wird es sehr schwer haben, die Tat zu beweisen, im Fall Anita gibt es sehr wenig Spuren.»

Anschliessend wird der ganze Fall Anita neu aufgerollt. Unter dem Motto, sie erinnern sich, können nochmals einige Spalten gefüllt werden.

Susanne kocht vor Wut, jetzt hat doch Paul alles Material, welches sie zusammengetragen hat, gegen ihren Willen veröffentlicht. Schnaubend vor Wut rennt sie die Treppe hoch und greift zu Telefon. Paul ist in der Redaktion nicht anzutreffen, also versucht sie es zu Hause. Pauls Frau nimmt ab und erklärt ihr: «Mein Mann hat die ganze Nacht durchgearbeitet und braucht jetzt Schlaf.»

Susanne ruft in der Zeitung an und verlangt den stellvertretenden Redaktor. Dieser erklärt ihr, dass Paul spät in der Nacht nochmals mit Staatsanwalt Friener gesprochen hat und dass die ziemlich sicher sind, den richtigen Täter verhaftet zu haben. Es steht schlecht um Max. Sie muss sich keine Sorgen machen, denn sie wird an dem Fall tüchtig mitverdienen. Sie ist am jetzigen Artikel finanziell beteiligt.

«Am Besten ist, du machst dich gleich an die Arbeit, eine solche Chance bekommst du nicht so schnell wieder.»

Mit einem gemischten Gefühl geht Susanne zur Einvernahme auf den Polizeiposten. Max ist für sie selber zu einem Rätsel geworden. Irgendwie ist sie eifersüchtig auf Rebekka. Dieses junge Ding nimmt sich einfach heraus, ihr Max wegzunehmen. Aber handelt es sich um ein Wegnehmen? Aber was wollte er sonst von ihr? Macht es ihn einfach unglaublich scharf, ein unverdorbenes Mädchen zu verführen? Gehört er zu den Männern, welche auf solche jungen Mädchen stehen? Denkbar wäre es schon, dass die Scheidung, der Alkohol und die Ereignisse in Afrika, zu einer psychischen Störung führten.

Während der Befragung regt sie sich furchtbar darüber auf, was für intime Details, dieser Beamte alles wissen will. Mehrmals verweigert sie die Aussage unter dem Hinweis, dass ihr Sexualleben nicht zur Diskussion steht. Sie hat nicht die Absicht, einen Seelenstrip hinzulegen und ist auch nicht bereit, den Beamten über ihre Sexpraktiken Auskunft zu geben, damit sich der daran ergötzen kann. Der Beamte treibt sie aber trotzdem ziemlich in die Enge. Seine Drohungen, bezüglich der Illegalität ihrer Beziehung zueinander, sowohl steuertechnisch, wie auch nach den geltenden Arbeitsrechten, verunsichern Susanne sehr. Zum Glück bezieht Max keine Arbeitslosenunterstützung mehr, sonst wäre sie vermutlich noch wegen Beihilfe zum Betrug einvernommen worden. Aus der jetzigen Situation kann nicht mehr nachgewiesen werden, ab wann Max wesentlich zu ihrem Verdienst beisteuert hat.

Nach drei Stunden hat Susanne das Verhör endlich hinter sich gebracht, mit einer Wut im Bauch verlässt sie den Polizeiposten. Es ist schon eine Frechheit, was für Fragen sie den Beamten beantworten musste. Auf Grund des Verhörs ist sie jetzt ziemlich sicher, dass Max der Mörder von Anita sein könnte. Dieser Umstand steigert ihre Wut noch beträchtlich.

«Wie konnte ihr Max das antun?»

Wenn er schuldig ist, dann wird sie sich grausam rächen, denn, so langsam fühlt sie sich auch als Opfer von Max. Sie bekommt Angst, wie sie sich rechtfertigen soll, einen solchen Mann als Freund aufgenommen zu haben, ja sie hat sich ihm ja förmlich aufgedrängt. Womöglich wird sich Max mit dieser aufgedrängten Beziehung sogar noch vor Gericht verteidigen und sie steht als moralische Mittäterin da. Aber sie hat es ja nur gut gemeint mit Max, dass sie von dieser Beziehung profitiert hat, das ist eigentlich normal. So ist es bei jeder Beziehung. Aber eines wird ihr immer mehr bewusst und stimmt sie traurig: «Max und Susi, sind ein eingespieltes Team, aber die grosse Liebe war ihre Beziehung nicht.»

Sie haben viel Spass im Bett, aber genau genommen ist es eben doch nur eine Verbindung, welche zustande kam, weil eben beide profitieren. Susi beschliesst, bei Paul in der Redaktion vorbeizuschauen. Sie muss unbedingt wissen, wieso er schon alles in der Zeitung gebracht hat und bei dieser Aussprache will sie ihm in die Augen sehen. Handelt es sich um einen Racheakt gegen Max, ist er eifersüchtig, oder will er nur gross rauskommen und endlich eine grosse Nummer in der Zeitung sein?

Susi meldet sich unten an der Rezeption an. Paul ist anwesend und wird sie empfangen.

«Hallo Susi!», begrüsst sie Paul, «komm, wir fahren irgendwo hin, wir müssen uns ungestört unterhalten können. Ich nehme meinen Wagen, da bin ich telefonisch erreichbar. So werde ich informiert, wenn meine Frau anruft.»

Paul fährt in Richtung Jura und sie halten in einem kleinen Gartenrestaurant. Die Aussicht auf das Aaretal ist wunderbar. Aber sie sind nicht wegen der Aussicht gekommen, während der Fahrt wurde nicht über den Fall Max gesprochen. Erst als sie im Gartenrestaurant sitzen legt sie los.

«Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, den Bericht schon in die Zeitung zu geben?», dabei gibt sie sich keine Mühe ihre Wut zu verbergen.

«Wenn man deinen Bericht gelesen hat, dann ist es schon klar, dass Max ein Mörder ist. Es ist ein Wunder, dass du wenigstens nur M. M. geschrieben hast. Aber sonst hast du alles geschrieben, was ich herausgefunden habe.»

«Ja, du hast ja Recht, aber wir haben da auch unsere Verbindungen zur Polizei und die haben eigentlich keine grossen Zweifel mehr, dass dein Max der Täter ist und in dieser Situation muss man handeln, sonst nimmt dir die Konkurrenz die Butter vom Brot. Heute werden es sowieso schon die Spatzen vom Dach pfeifen. So ist nun mal unser Beruf, dem Zweiten bleiben nur die Brosamen, du musst der Erste sein. Die Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht.»

Heftig wird hin und her gestritten. Nicht ohne Stolz stellt Susi fest, dass auch eine gehörige Portion Eifersucht mitspielt. Paul scheint ihre gelegentlichen Seitensprünge doch zu vermissen, denn seit Max bei ihr eingezogen ist, hat sie schon gar keine Möglichkeiten mehr, sich mit ihm im Bett zu treffen. Für Susi ist das kein Problem, sie hat ja Max, für Paul ist es ein echter Abbau an Lebensqualität.

«Du bist natürlich finanziell voll mitbeteiligt», erklärt Paul, «ich denke wir teilen zu gleichen Teilen. Du bringst die Informationen aus erster Hand und ich schaue, dass ich möglichst viel herausholen kann. Nur zusammen sind wir stark.»

Sie unterhalten sich noch eine Weile über Max, was für Storys er liefern kann und wann, sie welche, bringen wollen. Susi kommt sich gemein vor, aber Max hat auch nicht an sie gedacht, als er dieser jungen Göre nachlief.

«Kommst du noch mit zu mir», fragt Susi Paul, «ich habe Lust, ich muss mich ein bisschen abreagieren.»

«Bei so einem verlockenden Angebot kann ich nicht nein sagen. - Ober zahlen!»

In ihrer Wohnung stürzen sie sich aufeinander wie zwei Verliebte, die sich fünf Wochen nicht gesehen haben.

Max beginnt den zweiten Tag im Gefängnis optimistisch. Der Kaffee schmeckt ihm gut. Er hat sehr schlecht, aber dafür lange geschlafen. Ohne Eile kann er seine verschiedenen Arbeiten verrichten, welche es an Hand der Hausordnung zu tun gibt. Um acht Uhr ist er zum ersten Verhör bestellt. Herr Friener setzt seine Befragung fort. Er ist jetzt in Besitz des Notizbuchs und Max versucht anhand der Eintragungen die Fragen des Untersuchungsrichters zu beantworten. Es gelingt Max jedoch nur unvollständig zu belegen, wo er sich an den fraglichen Tagen aufgehalten hat. Bei seinen unterschiedlichen Tagesabläufen ist dies nicht verwunderlich, zu dumm für Max, dass ausgerechnet diese Tage sehr schlecht dokumentiert sind. Dies ist für den Staatsanwalt wieder ein Hinweis mehr, der Max verdächtig macht.

«Wir müssen hier die Befragung unterbrechen», meint Herr Friener gegen zehn Uhr, «Herr Doktor Marti, unser Gefängnisarzt, wird sie jetzt noch untersuchen.»

«Aber, wann komme ich nun endlich frei?», regt sich Max auf, «ich habe ja nichts gemacht! Was wollt ihr denn noch von mir? Ich will nicht den Sündenbock für jemand anderes sein. Ich habe diese Anita noch nie vorher gesehen! Das könnt ihr mit mir nicht machen, ich werde sie verklagen!»

Max schreit in seiner Wut immer lauter. Plötzlich kommen zwei uniformierte Polizisten ins Zimmer, nehmen Max in den Polizeigriff und führen ihn aus dem Zimmer. Vergeblich versucht er sich zu wehren. Er wird in ein Untersuchungszimmer geführt, das wie eine Arztpraxis eingerichtet ist.

«Bitte beruhigen sie sich», besänftigt ihn der Arzt, «wenn sie unschuldig sind, wird sich das herausstellen, für die moderne Wissenschaft ist das kein Problem. Ich bin Doktor Marti. Bitte ziehen sie sich aus, ich muss sie untersuchen.»

Max beruhigt sich wenigstens ein bisschen und gibt sich wieder friedlicher, so dass ihn die beiden Beamten loslassen. Doktor Marti setzt seine Bemühungen fort, Max zu beruhigen. Jetzt können die beiden Beamten draussen zu warten.

Er beginnt mit der Untersuchung, Max wird Blut entnommen, dann untersucht er seinen ganzen Körper und Max muss über jeden Kratzer, der an seinem Körper auftaucht Auskunft geben und von seinem Ägyptenabenteuer gab es da doch einige, besonders von den scharfen Korallen am Strand und von seinen Kletterpartien in den Felsen am Nil.

Später werden ihm peinliche Fragen über seine sexuellen Praktiken gestellt. Welche Stellungen er bevorzugt, ob er gerne mit dem Mund befriedigt werde, ob er schon anal verkehrt habe und natürlich, ob ihn junge Mädchen oder sogar Männer, sexuell erregen.

«Nun brauche ich noch ihr Sperma», erklärt der Arzt und man kann ihm ansehen, dass es ihm auch ein wenig peinlich ist, «sie können es in dieser Kabine erledigen. Darf ich sie bitten.»

Es ist schon eine verdammt peinliche Situation für Max, aber unter diesen Bedingungen geht es einfach nicht. Dieser Umstand vermerkt der Arzt mit der Bemerkung: «Leichte Potenzprobleme!» im Protokoll.

«Versuchen sie es damit», er reicht ihm ein Pornoheftchen durch die Kabinentür. Damit soll es eigentlich gehen. Tatsächlich bringt es Max hinter sich, es ist so peinlich.

«Na endlich», brummt der Arzt mürrisch, «warum nicht gleich so.»

Max kocht wieder vor Wut, aber er nimmt sich zusammen und blieb stumm.

«So, wir wären fertig», erklärt der Arzt und ruft einen Beamten herein, «sie können Herr Meier wieder in seine Zelle bringen.»

Kurze Zeit später ist Max wieder allein in seiner Zelle. Dass man sich eine solche Behandlung gefallen lassen muss ist ungeheuerlich. Aber was kann er machen, am liebsten hätte er diesen Doktor Marti umgebracht, «Leichte Potenzprobleme!!», so ein Idiot. Was hat das damit zu tun, wenn man unter solchen Bedingungen nicht kann. Überhaupt war die ganze Untersuchung eine einzige Demütigung für ihn. Er hockt auf seinem Bett und denkt über seine Lage nach, so langsam hat er die Hoffnung aufgegeben, dass er hier schnell wieder rauskommt. Plötzlich bekommt er einen Weinkrampf.

Nach dem recht guten Mittagessen erhält er Besuch vom Pfarrer. Max hat schon lange kein Gespräch mit einem Pfarrer geführt. Er hat Probleme mit Beten, er kann sich einfach nicht vorstellen, dass das etwas helfen soll. Er ist zu der Überzeugung gelangt, dass man sich selber helfen muss. Doch nun ist Max plötzlich in eine Lage geraten, aus der er selber nicht herauskommt. Es wird ihm bewusst, dass er fremde Hilfe braucht, wie damals in Ägypten, als er ohne die Hilfe von Mustafa nicht durchgekommen wäre. Diesmal ist er auf eine andere Form von Hilfe angewiesen, nur weiss er nicht genau, wie die aussehen muss. Der Pfarrer jedenfalls scheint nicht der richtige Partner zu sein.

Der Pfarrer gibt ihm den Rat, sich einen Rechtsanwalt zu suchen. So wie seine Lage zurzeit steht, muss Max einsehen, dass es wohl das Beste ist.

«Können sie mir einen empfehlen», fragt er den Pfarrer, «bis jetzt habe ich nur bei der Scheidung einen gebraucht, aber den möchte ich nicht mehr sehen, das ist für mich abgeschlossen.»

«Ich habe da eine Liste mit allen Rechtsanwälten der Region», erklärt der Pfarrer und nimmt einige Blätter mit Adressen aus der Aktentasche, «ich kenne die Leute auch nicht gut, in ihrer Lage wird es schwer werden, dass wir einen finden, der den Fall übernehmen will. Die sind an Fällen, bei denen es viel Arbeit gibt und nur schlechte Aussichten auf normale Bezahlung besteht, nicht besonders interessiert.»

Max darf mit dem Pfarrer in ein Zimmer mit einem Telefon wechseln und dort rufen sie einige Rechtsanwälte an. Wie der Pfarrer bereits angekündigt hat, sind die meisten zu sehr beschäftigt und wollen vor ihrem Jahresabschluss nicht noch einen neuen Fall übernehmen. Schliesslich finden sie eine Frau Doktor M. Moser, welche sich bereit erklärt, den Fall zu übernehmen. Für heute reicht es allerdings nicht mehr zu einem Besuch. Sie würde versuchen, ihren neuen Mandanten morgen zu besuchen. Vor diesem Gespräch ist nicht sicher, dass sie den Fall übernimmt.

Max muss sich also damit abfinden, dass er noch eine Nacht hier verbringen muss. Dieser Gedanke ist für ihn in seiner heutigen Verfassung fast unerträglich, ausserdem quält ihn, dass er nicht mit Susi sprechen darf. Er hätte ihr gerne alles erklärt, wie das mit der Beziehung zu Rebekka genau war, sicher hätte sie Verständnis für ihn gehabt. Den Pfarrer konnte er mit seiner Geschichte überzeugen, so hat er wenigstens den Eindruck gehabt, doch bei einem Pfarrer weiss man nie so genau, ob sie ihre Meinung äussern, oder er nur das erzählt, was sein Gegenüber hören will.

Max hat auf jeden Fall einen sehr schlechten Nachmittag, wenn er noch gewusst hätte, was in der Zeitung stand, wäre es ihm noch schlechter gegangen. Den endgültigen Tiefschlag erhält er kurz vor dem Nachtessen. Ein uniformierter Polizist bringt ihm seine Koffer. Darin sind alle seine Effekten verstaut. Sie hat gar nichts vergessen. Alles ist im Koffer, sein Schachcomputer, sein Notebook, seine Pyjamas und seine gesamte Wäsche. Viel mehr besitzt er ja immer noch nicht. Durch die Tränen in seinen Augen kann er den kurzen, aber eindeutigen Brief fast nicht lesen, welcher den Koffern beigelegt ist. Darin teilt ihm Susi mit, dass sie von ihm grenzenlos enttäuscht sei, vor allem, dass er hinter jungen Mädchen herschleiche, was ja bewiesen sei, veranlasse sie, ihre Beziehung sofort zu lösen. Sie wünsche, dass er endgültig aus ihrem Leben verschwinde und sie nicht mehr belästige.

Nun ist Max wieder allein. Mit Rebekka kann er sich in nächster Zukunft sicher nicht aussprechen und Susi hat ihn mit diesem Brief so grenzenlos enttäuscht, dass er selber sie gar nicht mehr sehen will. Es wird ihm bewusst, dass ihre Beziehung nicht die grosse Liebe war, sondern doch eher eine zweckmässige Verbindung. Das hiess jedoch und das ist für Max ein schwerer Schlag, er hat soeben, seinen Job, seine Wohnung und seine letzte Bezugsperson verloren. Das Essen rührt er nicht an und hat deshalb mit dem Wärter eine heftige Diskussion, weil das Geschirr noch schmutzig ist, als der es abholen will.

«Ach, leck mich am Arsch», hat er geschrien und es hätte nicht viel gefehlt und er hätte ihm das Geschirr an den Kopf geworfen. Der Beamte hat zum Glück Erfahrung mit solchen Situationen und zieht sich sofort, ohne sich auf eine weitere Diskussion einzulassen, mit dem gefüllten Essgeschirr zurück. Max ist für die Nacht mit seinen Gedanken allein.

«Soll er sich umbringen?», fragt er sich immer wieder, «es hat ja alles keinen Sinn mehr, alles läuft gegen ihn!»

Raus aus der Krise

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