Читать книгу Raus aus der Krise - Geri Schnell - Страница 8

Die Webseite

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Die ersten Wochen nach seiner Entlassung, geniesst Max, dass er sich um Marina kümmern darf und dass er faul auf der Terrasse herumliegen kann. Er liest täglich die Zeitung und stellt fest, dass das Coronavirus immer noch präsent ist.

Marina ist eine Profiteurin der Coronakrise. Sie hat sich darauf spezialisiert, dass selbständig Erwerbende und kleine Unternehmen, an die vom Bund zugesicherten Unterstützungsgelder kommen. Eine langwierige Prozedur, doch dank der Hilfe von Max, geht es leichter.

Max hat ein Programm geschrieben, in welchem die Klienten, einen Fragebogen ausfüllen müssen. Nach der Auswertung des Bogens, sieht Marina sofort, welche Art von Antrag gestellt werden muss, um an die Unterstützungsgelder zu gelangen.

Die etablierten Anwälte kümmerten sich nur um die Grossfirmen, da ist mehr zu holen. Für die kleinen Beträge lohnt sich der Aufwand nicht. Doch, dank dem Programm von Max und der Erfahrungen von Marina mit den ersten Klienten, bleibt der Verwaltungsaufwand gering.

Bei einigen Klienten arbeitet sie kostenlos, sie bringt es nicht fertig, den von der Krise arg gebeutelten Kleinunternehmer, noch eine Rechnung zu stellen, denn das gesprochene Geld ist für einige von Ihnen, nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Wenn sie auch mit den Kleinunternehmern kein grosses Geschäft machen kann, so hilft es ihr doch, bekannt zu werden. So konnte sie auch einige Prozesse gegen Versicherungen gewinnen, was zu einem normalen Anwaltshonorar vergütet wird. So kommen die beiden gut über die Runden.

Inzwischen ist auch die gerichtliche Trennung von Max, von seinen Kindern erfolgt. Die Buben haben tatsächlich unterschrieben, dass sie auf das Erbe ihres Vaters verzichten, wenn sie nicht mehr seinen Namen tragen müssen. So sind die beiden nun von der Schande befreit, Meier zu heissen. Am Anfang tat es Max weh, doch er verdrängt, dass er einmal Kinder hatte. Zu lange ist es her, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Die neue Beziehung ist so schön und ausgefüllt, dass er von seinem früheren Leben nichts vermisst.

Im Herbst wird es auf der Terrasse, ihrem bevorzugten Aufenthaltsort, zu kühl und man braucht keine Maske. Immer kürzer wird die Zeit, welche die zwei draussen verbringen. Das führt dazu, dass Max noch mehr Zeit an seinem PC verbringt. Das Programm für Marina ist fertig und funktioniert ausgezeichnet. Damit er sich beschäftigen kann, eröffnet er eine Webseite, in welcher er für die Kanzlei Werbung macht.

Das Konzept sieht Beratung in rechtlichen Fragen vor. Nebst direkter Beantwortung von Fragen, kann auf einer Diskussionsplattform auf Missstände hingewiesen werden. Weiter berichtet Max über aktuelle Ereignisse, möglichst schnell und kommentiert diese Meldungen, wie er es bei Susi gelernt hat.

Die gestellten Fragen sind mehrheitlich aus dem Bereich Arbeitsrecht und Besteuerung von Kleinbetrieben. Doch immer öfter, wird auch auf Missstände im Umweltschutzbereich hingewiesen. Das Thema Klimaerwärmung ist nach der Coronakrise in den Hintergrund gerückt. Doch jetzt greifen einige Firmen zu Sparmassnahmen, welche die Umwelt belasten. Da gibt es zum Beispiel Anfragen, ob man sich gegen die Rodung eines Waldstücks gerichtlich wehren kann. Marina prüft dann die Sachlage und strebt unter Umständen einen Prozess an. Sie vermeidet konsequent, sich auf langwierige Prozesse einzulassen, sie hat nicht die Mittel dazu. Doch mit jedem gewonnenen Prozess, wird ihr Ruf auf diesem Gebiet besser. Dabei muss Max oft als Detektiv tätig werden und die Anklage mit Fotos unterstützen. Er hat sich schon überlegt, ob das nicht eine Sache für Susi wäre, doch er verzichtet auf ihre Dienste, er ist mit seiner Marina zufrieden und will nichts riskieren.

In der Kommunikationsecke, welcher er im Anhang aufschaltet, wird über die verschiedensten Themen diskutiert. Viele diskutieren einfach, dass sie diskutiert haben, doch diese Schreiber kennt Max mittlerweile und hält sich raus. Er überlässt sie den anderen Schreiberlingen, welche dann ihre bissigen Kommentare abgeben.

Ein Schreiber macht ihn darauf aufmerksam, dass seine Webseite sehr langsam ist. Dario, wie der Schreiber heisst, war bis zu seiner Entlassung, in einer Werbefirma als Webdesigner tätig und könnte ihm einige Tricks verraten.

Nach einigen Treffen mit Dario, erhält dieser Zugriff auf die Webseite. Er ist zufrieden, wenn er Max helfen kann. Als Lohn erhält Dario eine kleine Beteiligung an Aufträgen, welche Marina über die Webseite erhält. Auch an Einnahmen für die aufgeschaltete Werbung, wird Dario beteiligt. Reich wird er nicht, aber so kann er überleben, ohne bei der Gemeinde um Unterstützung zu fragen.

Nun legt sich Dario mächtig ins Zeug. Die Webseite erhält ein modernes Aussehen. Die Beiträge werden noch interessanter und er bietet einigen kritischen Berichten zum Thema Umweltschutz, eine Plattform, in der sie ihre Meinung einem grösseren Leserkreis vorstellen können.

«Durch Vorgabe eines bestimmten Themas auf der Webseite wird es vielleicht übersichtlicher», überlegt sich Max.

Drei Tage denkt er nach, dann entscheidet er sich für Hecken als Hauptthema. Hecken sind bei uns schon lange verschwunden, sie sind nicht wirtschaftlich. Dabei haben sie eine sehr wichtige Funktion. Es gibt noch Länder mit intakten Hecken. Dort sollen sie erhalten bleiben. In der Schweiz wäre es wünschenswert, wenn wieder neue Hecken entstehen würden.

Hecken bieten nicht nur Vögeln und anderen Kleintieren einen Lebensraum, sie verhindern auch ein Austrocknen der Böden, wenn die Bise stark bläst.

Nachdem sich Max für die Hecken entschieden hat, gestaltet er die Webseite mit einigen Beiträgen zu diesem Thema. Bald treffen viele Mails über Hecken ein.

Das ganze Heckenthema läuft nun schon einige Wochen und beschäftigt Max den ganzen Herbst. Es tut gut, sich für etwas einzusetzen, was man als nützlich erachtet. Man kriegt das Gefühl, ein Franz von Assisis, zu sein. Aber in Tat und Wahrheit, ist es so, dass in der ganzen Welt, nicht eine Hecke mehr entsteht, aber er hat es wenigstens versucht.

Die ersten Kommentare fallen positiv aus. Bald melden sich junge Musiker, ob sie nicht ihren neuen Song auf der Webseite vorspielen können und so für etwas Auflockerung sorgen. So haben Dario und Max die Möglichkeit, ein abwechslungsreiches Programm anzubieten. Noch wird das Musikprogramm stündlich wiederholt, doch die News werden laufend aktualisiert.

Die Zahl der Follower nimmt stetig zu. Allerdings auch der Arbeitsaufwand. Max hat kaum noch Zeit, für die Kanzlei zu arbeiten. Marina schaut grosszügig, darüber hinweg, da sie doch einige neue Klienten der Webseite verdankt.

Max ist nervös. Heute ist der Zeitpunkt gekommen. Er wird den Eltern von Marina vorgestellt. Das ist ein entscheidender Schritt in einer Beziehung. Wie wird er ankommen? Bis jetzt scheiterten alle Versuche zu einem persönlichen Treffen, am vollen Terminkalender ihres Vaters.

Die Einladung zum gemeinsamen Weihnachtsfest konnten die Eltern nicht ablehnen. Sogar Topmanager haben an Weihnachten keine Sitzungen.

Als es klingelt stürmt Marina zur Türe und begrüsst ihre Eltern mit einer liebevollen Umarmung.

«Ihr habt ja schon einiges von Max gehört, da ist er in natura, ich stelle vor, - Max! Das ist Urs, mein Vater!»

Max wird Corona konform per Handschlag begrüsst. Die kritischen Fragen werden sicher später noch folgen, aber eigentlich haben sich die Eltern daran gewöhnt, dass sie ihrer Tochter nichts mehr vorzuschreiben haben. Sie ist alt genug, mit wem sie eine Beziehung eingeht, das ist allein ihre Sache. Während dem Essen werden banale Fragen gestellt. Wo ist Max aufgewachsen und andere unkritische Fragen.

Beim Kaffee auf dem Sofa, lenkt Urs die Aufmerksamkeit auf die Webseite von Max. Anscheinend hat er auch einige Male draufgeklickt.

«Bei so vielen Follower, wird die Webseite für Firmen interessant, um Werbung zu posten. Hast du schon Anfragen bekommen?»

«Bis jetzt nur wenige, Geld ist für mich nicht wichtig», erklärt Max, «ich will damit den Leuten helfen, welche juristische Probleme haben und sich keinen Anwalt leisten können. Einzig Dario hat einige Werbung reingeholt, für ihn sind diese Einnahmen überlebenswichtig.»

«Eine soziale Einstellung, das ist heutzutage selten. Ich möchte euch trotzdem einen Vorschlag machen», erklärt Urs, «wenn ihr die Webseite in einen Verein umwandelt, wäre ich bereit, von meinem Konzern Werbung, mit der üblichen Bezahlung zu platzieren. Dazu müsste die Webseite finanziell von der Kanzlei getrennt werden.»

«Da bin ich dagegen», wehrt sich Marina, «dadurch verlieren wir unsere Unabhängigkeit.»

«Mein Konzern würde nicht direkt werben, es wären Produkte, welche ganz im Sinne der Webseite liegen, ich bin nicht unbedingt interessiert, dass eine grosse Werbewirkung erzielt wird, mir reicht es, wenn der Konzern einige tausend Franken mehr von der Steuer abziehen kann. Wir werden schon Werbung finden, welche von den Follower akzeptiert werden.»

«Du meinst, wir würden unabhängig bleiben?», fragt Max.

«Ich habe kein Interesse, mich da einzumischen», bestätigt Urs, «für Marina bringt es ebenfalls Vorteile.»

«Ja, ich habe da schon etwas vorbereitet», meldet sich jetzt Marina zu Wort, «die Webseite in einen Verein umzuwandeln bringt der Kanzlei einige Vorteile. Dein Lohn würde von der Webseite bezahlt, ich würde nur noch die Stunden vergüten, welche du direkt für die Kanzlei leistest. Da es sich um einen Verein handelt, werden die Einnahmen nach einem günstigeren Satz versteuert. Mein Vater sorgt mit einer gemeinnützigen Spende dafür, dass ausreichend Geld zur Verfügung steht, die er zum grossen Teil wieder reinholt, wenn seine Steuerrechnung ins Haus flattert. Du siehst, so sozial ist die Spende gar nicht, aber so sind nun Mal unsere Gesetze, alles legal.»

«Und, was muss ich jetzt unternehmen?», fragt Max.

«Ich habe alles vorbereitet», erklärt Marina und legt ein Schreiben auf den Tisch, «die heutige Zusammenkunft wird eine Gründungsversammlung für den Verein, den Namen kannst du bestimmen. Die Statuten sind vorbereitet und du musst nur unterschreiben. Wir wählen dich zum Vereinspräsidenten und ich bin Aktuarin, während Papi als Kassier, Dario und Mami als Beisitzer dem Verein angehören.»

«Den Vorteil sehe ich ein», meint ein etwas überrumpelter Max, «es ist nicht nur eine Wohltätigkeit von deinen Eltern?»

«Schon, aber mit einem egoistischen Zweck, es muss natürlich als wohltätige Spende in ihrer Buchhaltung auftauchen, aber damit hat es sich.»

«Na gut, ich bin einverstanden. Der Name hat sich bereits eingebürgert. Es bleibt bei Freier Webseite Jura kurz FWJ, das Jura bezieht sich, sowohl auf den Jura als Region, als auch auf das juristische Angebot. Ist somit gegeben.»

«Dann sind wir uns also einige», meint Urs und hebt das Glas, «die Freie Webseite Jura ist damit gegründet. Möge sie erfolgreich sein und ihre Ziele erreichen!»

«Ich werde die Statuten noch mit dir nach Weihnachten besprechen, wenn wir genügend Mitglieder haben, werden meine Eltern den Verein verlassen und durch neue Mitglieder ersetzt. Aber so, kann der Verein noch in diesem Jahr gegründet werden und zählt bereits rückwirkend für die nächste Steuererklärung!»

Noch vor Neujahr wird der Link zu den Vereinsstatuten auf der Webseite aufgeschaltet. Noch im alten Jahr melden sich die ersten Vereinsmitglieder an. Dazu müssen sie ein Formular ausfüllen und den Mitgliederbeitrag von 20 Franken einzahlen, dann sind sie im Verein aufgenommen.

Nun können sie von der kostenlosen Beratung in Rechtsfragen profitieren. Brauchen sie einen Anwalt, übernimmt Marina den Fall, 40% der effektiven Kosten müssen auf das Vereinskonto einbezahlt werden. Die restlichen 60% leistet Marina kostenlos.

Noch hält sich die Belastung von Marina durch die Vereinsmitglieder in Grenzen. Es gibt nur wenige, welche dieses Angebot nutzen müssen. Sollten die Fälle zunehmen, könnte Marina eine Praktikantin einstellen. Bei Jura-Studenten ist die Nachfrage nach einem Praktikum gross.

Die Kanzlei hat immer noch viele Fälle im Bereich Arbeitsrecht, unberechtigte Kündigungen und Mietaufschübe, als direkte Folge der Coronakrise. Die Erträge aus diesen Verfahren sind gering, doch da die Fälle sich gleichen, hält sich der Aufwand in Grenzen. Finanziell gibt es keine Engpässe. Marina und Max sind den ganzen Frühling ausreichend mit Arbeit versorgt. Für den Lebensunterhalt wirft die Kanzlei genug ab, Max braucht den Lohn, welcher ihm die Statuten des Vereins gestatten würden, nicht auszunutzen und auch Dario bezieht nur das absolut Notwendigste. So steigt das Vermögen des Vereins relativ schnell an.

Durch sein abwechslungsreiches Programm steigen sowohl die Follower, als auch die Mitgliederzahlen des Vereins. Zudem hat Max grosse Freude an seinem neuen Job. Wenn man berücksichtigt, wie seine Zukunftsaussichten noch vor einem Jahr aussahen. Kurz, er hat sein Leben wieder im Griff.

Raus aus der Krise

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