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Der Sammler

Ich bin Nina. Ich putze.

Es war mir natürlich nicht in die Wiege gelegt, dass ich mal Putzfrau werden würde, eigentlich hätte alles ganz anders kommen sollen. Ich hab an der FH für Gestaltung studiert, doch der Kerl, mit dem ich zusammen war, hat gerade ein Fitnesscenter eröffnet.

Und als dann das Geld nicht mehr reichte, habe ich das Studium halt unterbrochen, um zu arbeiten.

Und wo dann das Fitnesscenter und die Beziehung gleich dazu den Bach runter waren, musste ich weiterarbeiten, um meinen Anteil an seinen Schulden abzutragen.

Dumm gelaufen.

Na ja, irgendwann vielleicht …

Ich putze also.

Jetzt gerade ist es schwer, was anderes zu kriegen, und Putzen ist nicht so übel, wie man meinen könnte.

Hier in der Gegend, in Baden-Baden, gibt es einige interessante Haushalte, in denen ich schon geputzt habe.

Wie zum Beispiel bei Ralf.

Ralf hat eine Wohnung in einem dieser großen, alten Kästen in der Innenstadt, einem von denen, die so ein wirklich pompöses Treppenhaus haben mit rotem Teppich auf den Stufen, mit schmiedeeisernen Geländern, mit Mosaikfliesen an den Wänden und Kübelpflanzen auf großen Marmorfensterbänken.

Ralfs Wohnung ist zudem noch riesig, mit sehr hohen Fenstern und Stuckdecken, und sie ist unglaublich altmodisch eingerichtet, überall alte Möbel, alte Bilder, alte Büsten.

Grottiger Plunder halt. Aber auf eine Art schon beeindruckend, irgendwie.

Ralf selber ist ganz nett, natürlich schon ziemlich alt, so zwischen vierzig und fünfzig.

Nein, »ganz nett« trifft es nicht so richtig.

Er hat definitiv eine Macke, das merkt man ganz schnell, wenn man mit ihm zu tun hat.

Aber man kann sich gut mit ihm unterhalten.

Nur sieht er oft an einem vorbei, wenn er spricht.

Manchmal schaut er mich aber auch direkt an, das ist dann ganz komisch.

Doch er macht das immer nur ganz kurz, dann sieht er gleich wieder weg.

Ja, also, ich putze auch für Ralf.

Und er bezahlt gut. Er ist ziemlich unordentlich und immer ganz froh, wenn ich für ihn aufräume.

Ralf arbeitet nicht. Er schreibt.

Anscheinend hat er das ganze Haus geerbt, und so, wie ich verstanden hab, lebt er wohl von den Mieteinnahmen.

Es scheint ihm aber ganz gut damit zu gehen.

Kannst mal sehen!

Und er ist ein geiler Sack.

Irgendwie ein geiler alter Sack.

Nicht dass er aufdringlich wär, dafür ist er natürlich viel zu kultiviert.

Aber er sieht mir gerne beim Putzen zu.

Es gefällt ihm, mir zuzusehen, definitiv.

Wie ich staubsauge und den Boden schrubbe oder Staub wische.

Er sitzt dann an seinem PC und folgt mir mit den Augen. Vielleicht stellt er sich vor, ich sei sein williges Zimmermädchen in Strapsen und Schürzchen und so, und die putzt ihm hinterher noch sein … keine Ahnung.

Mich stört das aber auch nicht groß. Solange er bezahlt und seine Finger bei sich lässt, ist mir sein Kopfkino alles in allem ziemlich egal.

Im Gegenteil, ich reize ihn gern ein bisschen, bücke mich mal hier, zeig ihm Ausschnitt da.

Ralf ist harmlos.

Er hat noch nie Annäherungsversuche gemacht.

Ralf sammelt Damenschuhe.

Ich habe beim Aufräumen einen ganzen Schrank voller Damenschuhe bei ihm gefunden – also getragene, keine neuen.

Es ist ihm ziemlich peinlich gewesen, als er mich vor dem offenen Schrank gesehen hat, aber dann hat er zugegeben, dass er auf Frauenschuhe steht.

Was hätte er auch sonst tun sollen, als das zugeben, mein ich?

Na ja, ich hab mir gedacht, ich tue mal was für seinen Blutdruck, und das nächste Mal hab ich meine schönen Sandalen angezogen, die mit den Glitzersteinen oben auf dem Spann.

Und ich habe mir extra die Zehennägel lackiert – in Dunkelrot.

Ralf hat meine Füße fast aufgefressen – mit den Augen, mein ich.

Ich kauf dir die Sandalen ab, hat er gesagt, und es hat ihn ziemlich gedrückt – in der Hose natürlich.

»300 Euro«, hat er gesagt und: »Zieh sie gleich aus!«

Ich hab da nichts dagegen gehabt, schließlich haben sie mich ja nur fünfundsiebzig gekostet.

Und wenn er’s sooo dringend braucht …

Ich habe also barfuß auf seinem Parkett gestanden, die Sandalen in der Hand, und hab gewartet, dass er das Geld bringt.

Aber dann ist er mit einem Eimerchen wiedergekommen und hat das Zeug vor mir auf den Boden gekippt, und ich habe vor Schreck einen Schritt rückwärts gemacht, und da ist es an meinen Fußsohlen auf ein Mal kurz ganz heiß geworden, und ich war am Boden festgeklebt.

Ralf hat gelacht und ist wieder weggegangen.

Ich habe geschrien wie verrückt, und da ist er zurückgekommen mit einem Baseballschläger in der Hand – und einer Säge.

Und dann hat er mit dem Baseballschläger zugeschlagen.

An dieser Stelle muss ich zugeben, dass ich gelogen habe.

Nun ja, nicht direkt gelogen, es ist mehr die Erzählperspektive, die nicht so ganz gestimmt hat.

Natürlich hat nicht Nina diese Geschichte erzählt.

Dazu ist Nina bedauerlicherweise nicht mehr in der Lage, ist sie doch inzwischen bereits entsorgt.

Welche pikante Doppeldeutigkeit in diesem Wort liegt.

Nina ist »ent – sorgt«.

In der Tat. Das ist sie. Keine Sorgen mehr für Nina.

Ich liebe es, das Spiel mit der Sprache.

Wort-Spiele.

Noch mehr allerdings liebe ich Frauenfüße.

Ninas zum Beispiel, wirklich bemerkenswert schöne, wohlgeformte und gepflegte Füße, die jetzt in Formalin schwimmen und so fast für die Ewigkeit konserviert sind.

Ich werde jedenfalls noch viel Spaß mit ihnen haben.

Zumal ich, und das erwähne ich jetzt nicht ohne eine gewisse Eitelkeit, dieses Mal das Problem der immer ein wenig hässlich aussehenden Schnittflächen oberhalb der Fußknöchel sehr befriedigend gelöst habe, mit je einer Abschlusskappe aus dünnem, getriebenen Silberblech.

Der Aufwand hat sich wirklich gelohnt, und Ninas Füße sind ihn definitiv auch wert.

Arme Nina – das Leben war wirklich nicht nett zu ihr.

Aber jetzt wird alles gut.

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