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DIE ERMUTIGUNG, DIE BEDEUTUNG DIESES KOSTBAREN MENSCHLICHEN LEBENS ZU ERFASSEN

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[4] Shantideva erinnert uns als erstes daran, daß wir jetzt einen äußerst seltenen und kostbaren Besitz unser eigen nennen: die voll ausgestattete menschliche Form. Im Gegensatz zu der überwältigenden Mehrzahl der Wesen im Universum - einschließlich der meisten Menschen - haben wir die Möglichkeit, unserem Leben einen wirklichen Sinn zu geben. Wir sind frei von bestimmten Einschränkungen und im Besitz bestimmter Fähigkeiten und nützlicher Umstände, die es uns ermöglichen, Ziele zu erlangen, die weit jenseits der Reichweite der meisten Wesen liegen. Wenn wir aber nicht den bestmöglichen Gebrauch von unserem jetzigen Leben machen, dann wird es sehr schwierig sein, erneut eine solch perfekt ausgestattete Form zu erlangen. Damit uns der große Wert stärker bewußt wird, müssen wir uns mit der folgenden detaillierten Analyse vertraut machen.

Wieso ist unsere gegenwärtige Existenzform so selten und so schwierig zu erlangen? Der Grund dafür ist, daß wir nicht zufällig als Mensch geboren wurden. Jede Wirkung hat eine Ursache, und unsere gegenwärtige Existenz als Mensch - und zudem als besonders ausgestatteter Mensch - ist das Resultat einer Anzahl von besonderen und schwierig zu erschaffenden Ursachen. Im allgemeinen hängt eine Geburt als Mensch von der Einhaltung reiner moralischer Disziplin und der Praxis des Gebens in früheren Leben ab. Im einzelnen hat jeder Aspekt einer voll ausgestatteten menschlichen Form seine eigene ihm entsprechende Ursache, wie es weiter unten beschrieben wird. Damit wir diese Form erlangen konnten, müssen wir außerdem reine Gedanken oder Gebete für ein körperliches Fahrzeug gemacht haben, das uns die Möglichkeit und Freiheit geben würde, unseren Geist durch die fortgesetzte Dharma-Praxis oder spirituelle Unterweisungen weiterzuentwickeln. Um wirksam zu sein, durften diese Gebete nicht durch Anhaftung an vorübergehende Annehmlichkeiten und Glück verschmutzt sein. Da es selten ist, daß wir auch nur eine dieser notwendigen Ursachen erzeugen, folgt, daß das Ergebnis, das aus einer Kombination aller dieser Ursachen heranreift, äußerst selten zu finden ist.

Unsere gegenwärtige Situation kann anhand der folgenden Analogie verstanden werden: Wenn jemand einen Klumpen Gold findet, seine Seltenheit und seinen Wert aber nicht erkennt, wirft er ihn vielleicht weg. Wir haben jetzt einen kostbaren menschlichen Körper erlangt, der weitaus mehr wert ist als Gold. Wenn wir aber seinen wahren Wert nicht erkennen, neigen wir dazu, ihn für sinn- und ziellose Aktivitäten zu verschwenden. Deshalb ist es zuerst einmal sehr wichtig, die acht Freiheiten und zehn Ausstattungen dieser seltenen und kostbaren Möglichkeit zu verstehen.

Die acht Freiheiten beziehen sich auf acht einschränkende Zustände. Vier davon werden auch von Menschen erfahren. Die vier Freiheiten von Einschränkungen durch nichtmenschliche Existenzen sind:

(1) Freiheit von einer Wiedergeburt als Höllenwesen

(2) Freiheit von einer Wiedergeburt als Hungriger Geist

(3) Freiheit von einer Wiedergeburt als Tier

(4) Freiheit von einer Wiedergeburt als Langlebensgott (Skrt. Deva)

Die vier Freiheiten von Hindernissen innerhalb der menschlichen Existenz sind:

(5) Freiheit von einer Wiedergeburt in einem Land, in dem kein einziges Wort des Dharmas gefunden werden kann

(6) Freiheit von einer Wiedergeburt mit geistigen oder körperlichen Behinderungen

(7) Freiheit von einer Wiedergeburt mit falschen Sichtweisen, wie nicht an das karmische Gesetz von Ursache und Wirkung, den Fortbestand des Bewußtseins und so fort zu glauben

(8) Freiheit von einer Wiedergeburt in einer Zeit, in der kein Buddha erschienen ist

Wieso werden diese Umstände die acht Freiheiten genannt? Weil diese acht Zustände frei von den Hindernissen sind, die unserer Dharma-Praxis im Weg stehen oder sie sogar verhindern.

Die zehn Ausstattungen können in zwei Kategorien unterteilt werden: die fünf persönlichen Ausstattungen und die fünf Ausstattungen der Umwelt. Die fünf persönlichen Ausstattungen sind:

(1) Als Mensch geboren worden zu sein

(2) In einem sogenannt zentralen Land geboren worden zu sein, einem Ort, wo der Dharma blüht

(3) Mit vollständigen Sinneskräften geboren worden zu sein

(4) Keine der fünf Handlungen sofortiger Vergeltung begangen zu haben. Diese sind: das Töten der eigenen Mutter, des eigenen Vaters, eines Arhats, das Vergießen des Blutes eines Buddhas und das Verursachen einer Spaltung in einer spirituellen Gemeinschaft

(5) Vertrauen in die drei Körbe (Skrt. Tripitaka) von Buddhas Unterweisungen sowie in die gesamte buddhistische Lehre zu haben

Die fünf Ausstattungen der Umwelt sind:

(6) Eine Wiedergeburt in einer Zeit zu erlangen, in der Buddha erschienen ist

(7) Eine Wiedergeburt in einer Welt zu erlangen, in der dieser Buddha den Dharma gelehrt hat

(8) Eine Wiedergeburt in einer Welt zu erlangen, in der dieser Dharma stabil ist und blüht

(9) Eine Wiedergeburt in einer Welt zu erlangen, in der Praktizierende diesem Dharma folgen

(10) Eine Wiedergeburt in einer Welt zu erlangen, in der es freundliche Gönner gibt, die die Notwendigkeiten für die Dharma-Praxis wie Nahrung, Kleider und so fort bereitstellen

Diese zehn Zustände werden Ausstattungen genannt, weil sie die Umstände vervollständigen, die für die Dharma-Praxis förderlich sind.

Aufgrund unserer verdienstvollen Handlungen (Skrt. Karma), die wir angesammelt haben, haben wir jetzt diese kostbare menschliche Form mit den oben genannten achtzehn Merkmalen erlangt. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, uns an diesem außerordentlichen Glück zu erfreuen. Was ist der Sinn dieser menschlichen Existenz und weshalb ist sie so wertvoll für uns? Der Wert und Zweck einer derartigen Existenz liegt in der Möglichkeit, die sie uns gibt, eines von drei herausragenden Zielen zu erreichen. Das höchste Ziel, das wir erreichen können, ist die Erlangung der Erleuchtung: das vollständige und perfekte Erwachen eines Buddhas. Das mittlere Ziel ist die Erlangung der persönlichen Befreiung aus Samsara, dem Teufelskreis von Geburt und Tod, der von Leiden und Unzufriedenheit durchdrungen ist. Das geringste Ziel ist, nochmals eine Wiedergeburt als Mensch oder Gott zu erlangen.

Im allgemeinen wissen wir den Wert unserer gegenwärtigen Situation überhaupt nicht zu schätzen. Insbesondere sehen wir die kostbare Möglichkeit nicht, die wir jetzt haben, eines der drei Ziele zu erlangen. Statt dessen verschwenden wir unsere Zeit und vergeuden diese kostbare Möglichkeit, indem wir den vergänglichen Freuden dieses Lebens hinterherlaufen. Wenn wir den Wert und das Potential dieses kostbaren menschlichen Lebens voll und ganz erkennen würden, dann würden wir es mit Sicherheit durch das Dharma-Studium und das Streben nach einem der drei Ziele nutzen wollen. Wie Shantideva sagt: «Wenn wir jetzt keinen Nutzen aus dieser kostbaren Wiedergeburt ziehen, wie können wir hoffen, diese Möglichkeit in Zukunft je wieder zu haben?»

Es gibt eine Geschichte, die verdeutlicht, wie wichtig es ist, den vollen Nutzen aus unserer perfekten menschlichen Form zu ziehen. In einem abgelegenen Dorf in Tibet lebte ein einbeiniger Mann. Eines Tages, als er sich langsam und mühselig mit Hilfe eines Stockes durch die Gegend quälte, stolperte er und fiel einen Steilhang hinunter. Wie das Schicksal es wollte, landete er auf dem Rücken eines wilden Pferdes, das unten graste. Das Pferd erschrak so sehr, daß es weggaloppierte, während sich der Mann mit aller Kraft festklammerte. Ziemlich lange Zeit verging, und zur Überraschung der Dorfbewohner zeigte der Mann keine Zeichen von Müdigkeit. «Wieso steigst du nicht von diesem Pferd ab?» riefen sie verwundert, als er vorbeiraste. «Für nichts in der Welt!» rief er zurück, «das ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich auf einem Pferd reite. Wann hat ein Krüppel wie ich je wieder eine solche Möglichkeit? Ich werde die Gelegenheit voll ausnutzen, solange ich kann.» Und er raste weiter, während er sich an den Rücken des wilden Tieres klammerte. Genau wie der Mann in dieser Geschichte sein außergewöhnliches Glück nutzte, so sollten auch wir unsere gegenwärtige vollausgestattete menschliche Form durch die Schulung unseres Geistes in der Dharma-Praxis voll ausnutzen.

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