Читать книгу Null - Gine Cornelia Pedersen - Страница 16

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Die Leute starren mich an

Auf der Straße

Überall

Ich beschimpfe eine Frau in der Straßenbahn

Sage, dass sie ein schlechter Mensch ist und dass Leute wie sie die Welt kaputtmachen

Sie schaut weg

Ich sage, ja, das soll sie ruhig machen

Sie kann einfach wegschauen, aber das macht alles nur schlimmer

Ich frage, ob irgendetwas Abnormales an mir ist

Sie schüttelt den Kopf

Ich sage, sie ist diejenige, die abnormal ist

Dass sie hässliche Kleider hat und Falten im Gesicht

Ich sage, ihr Geld wird sie nicht vor dem Untergang retten

Dass man so einen Pelzmantel nicht mitnehmen kann in die Hölle

Dass sie den Verputz in ihrem Gesicht wohl nicht mal mit einer Hacke abbekommt

Ich sage, sie und alle, die sie liebt, werden eines Tages sterben, und es gibt nichts, was sie dagegen tun kann

Sie hat eine Tüte aus einem Designerladen in der Hand

Ich reiße die Tüte an mich und kippe den Inhalt auf den Boden

Heraus fallen ein Seidenkleid, ein Schal und ein Blazer

Ich trample darauf herum

Reibe das Zeug in den versifften Boden

Dann springe ich aus der Straßenbahn und renne

Ich gehe in ein Café

Alle starren

Ich gehe nach Hause

Schließe die Tür ab

Mache das Handy aus

Ich zittere

Verhänge alle Spiegel in der Wohnung

Schalte den Fernseher an

Zünde mir eine Zigarette an

Schalte den Fernseher aus

Lege mich unter die Decke

Ich mache die Augen zu

Mache sie auf

Mache sie zu

Schalte den Fernseher wieder an

Es läuft eine Dokumentation über die Mayas

Sie sagen, dass der Maya-Kalender mit dem Jahr 2012 endet

Ich drehe die Lautstärke so hoch wie möglich

Sie reden über die Zahl 23

Allmählich zähle ich eins und eins zusammen

23 verfolgt mich

23 ist überall

Ich fange an, alles zusammenzuzählen

Alles ergibt 23

Ich sehe immer deutlicher, wie alles miteinander verbunden ist

Gehe am 23. nicht mehr aus dem Haus

Ich habe Angst, aber gleichzeitig bin ich froh, etwas so Wichtiges erkannt zu haben

Ich rede mit Mama

Ich sage, dass ich ihr ein Geheimnis anvertrauen muss

Dass sie sich vor der Zahl 23 in Acht nehmen soll

Sie sagt, das ist völliger Quatsch

Ich werde wütend

Sage ihr, sie soll aufpassen, und dass die Dinge nicht so sind, wie sie glaubt

Sie fragt, was ich damit meine

Ich sage, dass ich das am Telefon nicht erklären kann und dass ich auflegen muss

Ich bin nachts wach und lese im Internet über die Zahl 23

Es gibt mehrere Leute, denen etwas dazu aufgefallen ist

Mama fragt mich, ob ich genug schlafe

Ich lüge und sage ja

Sie findet, dass ich krank aussehe

Ich sage, Kranksein ist relativ, und dass ich erst jetzt wirklich gesund bin

Ich sage ihr, wenn eine von uns krank aussieht, dann sie

Ich gehe nicht aus dem Haus, außer, um Essen von McDonald’s zu holen oder zum Zigarettenkaufen

Meine Freundin sagt, dass sie sich Sorgen macht und dass es für sie so nicht weitergehen kann

Ich sage, dann muss sie sich eben eine neue Freundin suchen

Ich weine nicht mehr

Nichts ist traurig

Nur seltsam

Wie ein Déjà-vu

Es klopft an der Tür

Ich mache nicht auf

Das Klopfen wird lauter

Sie sagen, sie sind von der Polizei, und ich soll die Tür aufmachen

Sie sagen, ich brauche keine Angst zu haben

Sie wollen mir helfen

Ich klettere aus dem Badezimmerfenster

Springe auf einen Fassadenvorsprung und gleite dann an einer Regenrinne hinunter

Ich laufe

Es ist kalt

Bestimmt minus zwanzig Grad

Meine Füße bluten

Ich laufe am Haus des Premierministers vorbei

Springe über den Zaun

Es gibt keine Sicherheitsleute

Ich lache

Klingle an der Tür

Der Premierminister öffnet

Ich stelle mich vor

Sage ihm, dass ich weiß, dass er weiß

Er wirkt verwirrt, sieht sich um

„23“, sage ich

Er wirkt, als hätte er Angst

Ich knalle ihm eine

„Aufwachen, Mann! Die Zeit läuft, wir müssen hier zusammenarbeiten.“

Er möchte die Tür zumachen

Ich lasse ihn nicht

Ich schreie, vor dieser Sache kann er seine Tür nicht einfach zumachen

Dass es keinen Sinn hat, die Tür jetzt zuzumachen, und dass es bald zu spät sein wird

Er knallt die Tür zu und schließt ab

Die Polizei hat mich inzwischen gefunden

Sie sagen, ich muss mitkommen, und dass ich nicht ins Gefängnis komme

Ich weine zum ersten Mal seit Langem

Null

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