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DAS LEBEN DER FLORENTINER ANTONIO FILARETE UND DES BILDHAUERS SIMONE

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Vita d’Antonio Filarete e di Simone Scultore. Fiorentini (1568)

Hätte Papst Eugen IV.1 bei seinem Entschluß, das Portal von Sankt Peter in Rom in Bronze ausführen zu lassen, darauf geachtet, vortreffliche Männer für diese Arbeit zu finden, was ihm zu seiner Zeit ein leichtes gewesen wäre, weil damals Filippo di Ser Brunelleschi,2 Donatello3 und weitere außerordentliche Künstler lebten, dann wäre dieses Werk nicht auf die unselige Weise ausgeführt worden, in der es sich uns heute darbietet. Aber vielleicht war es bei ihm nicht anders als bei den meisten Fürsten, die entweder nichts von Kunstwerken verstehen oder sehr wenig Vergnügen an ihnen finden. Wüßten sie aber, wie wichtig es ist, bei öffentlichen Werken vortrefflichen Personen den Vorzug zu geben, weil hieraus Ruhm für einen selbst erwächst, würden ganz sicher weder sie noch ihre Verwalter derart nachlässig handeln. Wer sich nämlich mit zweitklassigen und inkompetenten Künstlern einläßt, sorgt für kurze Dauer von Werken und Ruhm, ganz zu schweigen von dem Schaden, der dem Gemeinwohl zugefügt wird und dem Jahrhundert, in dem man geboren ist; sind die nachfolgenden Generationen doch fest davon überzeugt, daß jener Fürst, wären in jener Epoche bessere Meister zu finden gewesen, ganz sicher auf die Dienste jener zurückgegriffen hätte und nicht auf die von Taugenichtsen aus dem gemeinen Volk.4 Nachdem er also 1431 zum Pontifex ernannt worden war und dann hörte, daß die Florentiner die Türen an San Giovanni von Lorenzo Ghiberti5 ausführen ließen, kam Papst Eugen IV. auf den Gedanken, auch an Sankt Peter eine aus Bronze schaffen zu wollen. Weil er von solchen Dingen aber nichts verstand, überließ er die Angelegenheit seinen Verwaltern, bei denen der damals noch junge Antonio Filarete6 und Donatellos Bruder Simone,7 beide Bildhauer aus Florenz, so hoch in der Gunst standen, daß ihnen jenes Werk übertragen wurde.8 Sie legten folglich Hand an und plagten sich dann zwölf Jahre lang mit der Fertigstellung. Und obwohl Papst Eugen aus Rom fliehen mußte und durch die Konzile arg in Bedrängnis geriet, sorgten jene, denen die Aufsicht über Sankt Peter oblag, dafür, daß dieses Werk nicht aufgegeben wurde. Filarete schuf in diesem Werk eine schlichte Einteilung im Flachrelief und führte in jedem Segment zwei aufrecht stehende Figuren aus: oben den Erlöser und die Madonna, darunter die Heiligen Petrus und Paulus und zu Füßen des Heiligen Petrus jenen naturgetreu porträtierten Papst auf Knien. Außerdem findet sich unter jeder Figur eine kleine Episode mit dem darüber abgebildeten Heiligen – unter dem Heiligen Petrus seine Kreuzigung und unter Paulus die Enthauptung, und genauso unter dem Erlöser und der Madonna einige Begebenheiten aus ihrem Leben. Einem Einfall folgend, schuf Antonio auf der Innenseite zu Füßen besagter Tür eine kleine Szene in Bronze, in der er sich selbst, Simone und seine Schüler porträtierte, wie sie zu einem Weinberg spazieren und einen mit Leckereien vollbeladenen Esel mitführen.9 Allerdings haben sie in dem genannten Zeitraum von zwölf Jahren nicht ständig an dieser Tür gearbeitet und auch in Sankt Peter einige Grabmäler aus Marmor von Päpsten und Kardinälen geschaffen, die beim Neubau der Kirche zugrunde gegangen sind.10 Im Anschluß an diese Werke wurde Antonio von Herzog Francesco Sforza,11 damals Gonfaloniere der Heiligen Kirche, nach Mailand geholt, weil dieser Werke von ihm in Rom gesehen hatte und nach seinem Entwurf das Armenhaus errichten wollte, was er dann auch tat, bei dem es sich um ein Spital für kranke Männer und Frauen und für die unschuldigen, unehelich geborenen Kinder handelt.12

An diesem Ort mißt der gesonderte Bereich der Männer, da kreuzförmig angelegt, in jeder Richtung einhundertsechzig Ellen und jener der Frauen noch einmal so viel; die Breite beträgt sechzehn Ellen. Und in den vier Quadraten, welche die Kreuzarme dieser separaten Bereiche umschließen, befinden sich vier Höfe, die von Säulengängen, Loggien und Zimmern gesäumt und für den Gebrauch des Spitalleiters, der Amtsträger, des Dienstpersonals und der Verwalter des Spitals bestimmt und sehr zweckmäßig und nützlich sind. Auf einer Seite verläuft ein Kanal, in dem zur Versorgung des Spitals und zum Mahlen [des Korns] ständig Wasser fließt, was für jenen Ort von nicht geringem Nutzen und Gewinn ist, wie ein jeder sich vorzustellen vermag. Zwischen dem einen Spital und dem anderen liegt ein Kreuzgang, in einer Richtung achtzig, in der anderen einhundertsechzig Ellen breit, in dessen Mitte die Kirche steht und so ausgerichtet ist, daß sie sowohl der einen als auch der anderen Abteilung zugänglich ist. Kurz gesagt, ist dieser Ort so gut angelegt und geplant, daß es, wie ich glaube, in ganz Europa keinen zweiten dieser Art gibt. Wie Filarete selbst schreibt, wurde der erste Stein dieses Bauwerks im Rahmen einer feierlichen Prozession des gesamten Klerus von Mailand gelegt, im Beisein des Herzogs Francesco Sforza, der Herrin Bianca Maria13 und aller ihrer Kinder,14 des Markgrafen von Mantua15 und des Botschafters von König Alfons von Aragon16 und vieler weiterer hoher Herrschaften. Und auf diesem ersten Stein, der in das Fundament gelegt wurde, wie auch auf den Medaillen standen diese Worte:

FRANCESO SFORZA, 4. HERZOG, DER DIE DURCH DEN TOD SEINER VORGÄNGER VERLORENE HERRSCHAFT ÜBER DIE STADT ZURÜCKGEWONNEN HAT, HAT DIESE STIFTUNG DEN ARMEN CHRISTI ÜBERGEBEN UND AM 12. APRIL 1457 DEN GRUNDSTEIN GELEGT.17

Später wurden diese Begebenheiten von dem Lombarden Meister Vincenzo Foppa im Portikus gemalt, da sich in dieser Gegend kein besserer Meister hatte finden lassen.18 Ebenfalls ein Werk von Antonio war die große Kirche von Bergamo, für deren Errichtung er nicht weniger Sorgfalt und Urteilskraft aufwendete als bei dem eben erwähnten Spital.19 Und weil er auch am Schreiben Gefallen fand, schrieb er in der Zeit, in der diese seine Werke ausgeführt wurden, ein in drei Teile gegliedertes Buch: Im ersten behandelt er die Maße aller Gebäude und alles, wonach es bei einem Bauvorhaben verlangt; im zweiten die Methode des Bauens und wie eine überaus schöne und höchst zweckmäßige Stadt angelegt sein könnte; im dritten hingegen schlägt er neue Bauformen vor, bei denen er Antikes und Modernes vermischt.20 Das ganze Werk ist in vierundzwanzig Bücher unterteilt und über und über mit Abbildungen von seiner Hand versehen. Und läßt sich durchaus das ein oder andere Gute darin finden, ist es doch überwiegend lächerlich und so albern wie irgend möglich. Gewidmet hat er es im Jahr 1464 dem prächtigen Piero di Cosimo de’ Medici,21 und heute ist es in der Sammlung des erlauchten Herrn Herzog Cosimo.22 In Wahrheit wäre es, da er so viel Mühe hineingesteckt hat, wenigstens stellenweise zu loben, wenn er nur der Meister seiner Zeit und ihrer Werke gedacht hätte. Es finden sich aber nur wenige Hinweise dieser Art, und diese wenigen sind ohne Ordnung im ganzen Werk an den unpassendsten Stellen eingestreut. Er hat sich abgemüht und ist dabei, wie man sagt, arm geworden und einer, dem man wenig Urteilsvermögen zuspricht, weil er sich auf etwas eingelassen hat, von dem er nichts verstand. Nun habe ich aber wirklich genug über Filarete gesagt und es ist an der Zeit, daß ich mich Simone zuwende, dem Bruder von Donatello, der im Anschluß an das Portal-Projekt das Grabmal von Papst Martin aus Bronze schuf.23 Außerdem führte er ein paar Gußwerke aus, die nach Frankreich gingen und viele weitere, von denen man nicht weiß, wo sie sich befinden.24 In der Kirche der Ermini [Armeni] am Canto alla Macine in Florenz schuf er ein lebensgroßes Kruzifix, das bei Prozessionen vorangetragen wird und das er, damit es leichter wäre, aus Kork machte.25 In Santa Felicita schuf er eine Heilige Maria Magdalena als Büßerin aus Ton, dreieinhalb Ellen groß, schön proportioniert und mit einer derart enthüllenden Wiedergabe der Muskulatur, daß er zeigte, wie sehr er sich in der Anatomie auskannte.26 Ebenso hat er in der Kirche der Serviten für die Annunziata-Bruderschaft einen marmornen Grabstein geschaffen, in den er in der Art von Malerei eine sehr gelobte Figur aus grauem und weißem Marmor einlegte, ganz so, wie es weiter oben über das gesagt worden ist, was der Sieneser Duccio27 im Dom von Siena vollbracht hat.28 In Prato [stammt von ihm] das Gitter der Kapelle vom [Heiligen] Gürtel.29 In Forlì schuf er über der Tür zum Haus der Kanoniker eine Madonna mit zwei Engeln im Flachrelief;30 und für Messer Giovanni da Riolo31 gestaltete er in San Francesco die Trinitätskapelle im halbhohen Relief aus.32 In Rimini hingegen gestaltete er für Sigismondo Malatesta33 in der Kirche San Francesco die Kapelle des Heiligen Sigismund, mit zahlreichen in den Marmor skulptierten Elefanten, die das Wappenbild jenes Fürsten sind.34 Messer Bartolomeo Scamisci,35 dem Kanoniker der Pieve von Arezzo, schickte er eine Madonna mit Kind im Arm aus Terrakotta und einige Engel im halbhohen Relief, die sehr gut ausgeführt sind; heute ist sie in besagter Pieve an einer Säule angebracht.36 Ebenso gestaltete er für das Taufbecken in der Bischofskirche von Arezzo in einer Reihe von Szenen, die im Flachrelief ausgeführt sind, einen Christus, der vom Heiligen Johannes getauft wird.37 In Florenz schuf er in der Annunziata-Kirche das Grabmal für Messer Orlando de’ Medici aus Marmor.38 Schließlich, im Alter von fünfundfünfzig Jahren, übergab er seine Seele dem Herrn, der sie ihm gegeben hatte.39 Nicht viel später starb Filarete, der nach Rom zurückgekehrt war, im Alter von neunundsechzig Jahren und wurde in der Minerva beigesetzt,40 wo er den hochgelobten Maler Giovanni Fochetta [Jean Fouquet] ein Porträt von Papst Eugen malen ließ, in der Zeit, als er in Rom lebte und in dessen Diensten stand.41 Antonios Porträt, das von eigener Hand stammt, findet man am Anfang seines Buches, in dem er das Bauen lehrt.42 Schüler von ihm waren die Florentiner Varrone und Niccolò,43 die in der Nähe von Ponte Molle die Marmorstatue für Papst Pius II.44 ausführten, als er den Kopf des Heiligen Andreas nach Rom brachte.45 Und im Auftrag desselben restaurierten sie Tivoli fast von den Grundmauern auf46 und schufen in Sankt Peter das marmorne Rahmenornament über den Säulen der Kapelle, in dem das erwähnte Haupt des Heiligen Andreas aufbewahrt wird.47 Ganz in der Nähe jener Kapelle befindet sich die Grabstätte des besagten Papst Pius,48 geschaffen von der Hand des Pasquino da Montepulciano,49 der ein Schüler Filaretes war, und von Bernardo Ciuffagni,50 der in San Francesco in Rimini ein Marmorgrabmal für Sigismondo Malatesta und darin sein naturgetreues Porträt schuf,51 dazu noch ein paar weitere Werke, wie es heißt, in Lucca und Mantua.52

Ende der Lebensbeschreibung des Antonio Filarete.

Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler

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