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Warum das eigene Grundeinkommen ein Ziel sein könnte

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Das Arbeitsleben wandelt sich. In viele verschiedene Richtungen, von denen einige hier kurz betrachtet wer­den sollen. Zum einen ist da die Sicherheit im Arbeits­leben. Welche Sicherheit? Genau; hier wandelt sich etwas. Zum anderen werden wir aber auch an bestimm­ten Stellen sehr gebraucht, es kommt zum Mangel, der es möglich macht, Ansprüche zu stellen. An den Arbeitsplatz, die Ausstattung und das Gehalt. Dazu kommen immer wieder neue Stellen, die wir uns vor einigen Jahren noch gar nicht vorstellen konnten. Aber der Reihe nach.

Wie sicher kann ich mich bei meinem Arbeitgeber fühlen? Ist meine Stelle sicher? Am Anfang meiner Berufslaufbahn habe ich bei dem einen oder anderen größeren Unternehmen noch Menschen kennengelernt, die ihr 30- oder sogar 40jähriges Berufsjubiläum beim selben Arbeitgeber gefeiert haben. Einige von diesen Unternehmen wurden später aufgekauft und ich musste dann auch erleben, wie lang-gediente Mitarbeiter „ab­gewickelt“ wurden. Dies ist heute immer mehr zur Nor­malität geworden. Man fängt nicht mehr bei einer Arbeitgeberin an und bleibt dort sein ganzes Leben. Man rechnet damit gar nicht mehr. Und man findet es meist auch nicht mehr attraktiv. Da die vermeintliche Si­cherheit nach einem festen Arbeitsplatz sowieso nicht mehr eingehalten wird, muss man auch nicht seine Seele an ein und dieselbe Arbeitgeberin verkaufen. Stattdessen lernen viele junge Menschen befristete An­stellungsverhältnisse und Werkverträge kennen. Arbeit verändert sich und damit der Stellenwert von Arbeit all­gemein. Einige reagieren darauf mit der Suche nach der festen sicheren Anstellung. Möglichst unbefristet. Dafür werden viele Kompromisse eingegangen, was die Arbeitsweise, die Inhalte und die Arbeitsbelastung an­geht. Ich bin manchmal erstaunt, wie viel Stress und Belastung aufgenommen wird, weil die Stelle halt so sicher ist. Und man diese Sicherheit braucht, um den eigenen Lebensstil zu finanzieren. Denn das Leben ver­ursacht Kosten, in der Konsequenz kann die Arbeit nicht reduziert oder gar beendet werden. Denn die Kos­ten wollen ja gedeckt werden. Dabei schaukeln sich Ein­nahmen und Ausgaben in einem faszinierenden Gleichgewicht hoch. Günstigstenfalls.

Ich habe auch mit Menschen zu tun, bei denen sich die Ausgaben schneller entwickeln, als die Einnahmen. Logisch, dass sich hier der Druck, auf jeden Fall die Stelle zu behalten, nochmals erhöht. Bei meinen Selbständigen erlebe ich auch viel Druck. Oft werden die Angebote und Preise in der Gründungsphase nach den Lebenshaltungskosten festgelegt. Das Ziel sind monatlich 6.000 €, also braucht es entsprechend monat­lich 60 Stunden, die für 100 € verkauft werden. Logisch, dass der Druck steigt, wenn es nicht genügend Kunden gibt, die diese Stunden in Anspruch nehmen und bezah­len. Hier entsteht dann gerne ein anstrengen­der Teu­felskreis: Der Kunde spürt, dass er dringend gebraucht wird. Man will aber nicht händeringend für die Ein­künfte eines Anderen zuständig sein, sondern frei die entsprechende Dienstleistung in Anspruch nehmen, wenn man diese eben gerade braucht. Ohne Verpflich­tung und ohne schlechtes Gewissen, wenn man sich aus welchen Gründen auch immer abwendet. Um keine Verpflichtung einzugehen, bucht man die Dienstleis­tung bereits beim ersten Mal nicht oder bleibt, wenn man den Druck erst später unbewusst spürt, dann schnell weg. Die Existenzangst steigt.

Viele Menschen sorgen sich um die Sicherheit ihrer Arbeitsstelle bzw. ihres Einkommens. Bei Selbständigen ist dies meist präsenter, bei Angestellten wird es immer dann ein Thema, wenn die Firma sich verkleinern muss oder wenn sich der Standort verändern soll oder wenn es keinen geeigneten Nachfolger für die jetzigen In­ha­berinnen gibt. Immer dann – und wahrscheinlich noch in vielen anderen Situationen – wird das eigene Lebens­konstrukt in Frage gestellt. Die Frage ist simpel: Kann ich mir mit Lohnersatzleistungen meinen Lebens­stil leisten und werde ich wieder was Neues finden? Für viele kommt hier eine reale Existenzangst ins Spiel.

Unsere Arbeitssicherheit wird sich in Zukunft durch weitere Automatisierung und Digitalisierung noch ver­ringern. Es wird einfach weniger Arbeit geben, für die Unternehmen oder Andere bereit sind, zu zahlen. Aus diesen Zukunftsaussichten und sicherlich auch aus einer Unzufriedenheit, dass Arbeit heute für viele nur noch schlichte Notwendigkeit zum Überleben ist, ent­stand und entsteht immer mehr eine wachsende Bewe­gung, die das bedingungslose Grundeinkommen in Deutschland und in vielen anderen Ländern fordert. Zur Bundestagswahl 2017 ist zum ersten Mal eine Partei mit dieser Botschaft angetreten. Ein Signal an alle an­de­ren Parteien, sich diesem Thema zuzuwenden und es nicht als Phantasterei abzutun.

In den jüngeren Generationen wird außerdem der Wert der Arbeit immer mehr in Frage gestellt. Die Nach­kriegsjahre in denen eifrig aufgebaut und damit gear­beitet wurde, sind vorbei. Auch die Generation aus den etwa 70ger Jahren im Westen und im Osten noch früher – bei denen Männer wie Frauen gearbeitet und Kinder großgezogen haben, wird heute teilweise kritisch ange­schaut. Einfach, weil wenig Zeit für die eigene Person, für das eigene Leben blieb. Muss man sein gesamtes Le­ben – bis auf die Randzeiten der Kindheit und der Rente – wirklich dem stetigen Arbeitsleben widmen? Frei­hei­ten wie Arbeitszeiten zu Hause, mehr Urlaubstage und flexible Arbeitsformen werden bei der Wahl der Stelle wichtiger. Besonders bei denen, bei denen sich be­reits ein Bewerbermangel auf Stellen bemerkbar macht und die sich entsprechend erlauben dürfen, Forderun­gen an ihr Stellenprofil zu stellen. Dazu kommt ein im­mer kri­tischerer Blick auf viele Arbeitsstellen, die heute so an­geboten werden. Macht es wirklich Sinn, Werbung zu gestalten für Produkte, die ich gar nicht kaufen will? Macht es Sinn, in welcher Form auch immer an der Pes­tizidproduktion, an Waffenproduktionen oder am Ab­bau von Braunkohle beteiligt zu sein? Machen wir unsere Welt damit wirklich besser? Wie absurd wird es dann erst, wenn bestimmte Praktiken unbedingt beibe­halten werden sollen, wie beispielsweise den Braunkoh­leabbau, nur um Arbeitsplätze zu schützen. Kein Wunder, dass sich gegen die Arbeitswelt immer mehr leiser Widerstand regt. Konkret in dem Ziel vieler Men­schen, sich anständige Stellen zu suchen. Jobs mit Sinn haben Konjunktur, denn man muss ja schließlich ir­gendwas machen.

Einige gehen noch radikaler heran. Sie bauen an ih­rem eigenen Grundeinkommen. Sie gestalten ihr Leben anders, als es vom Mainstream als normal wahrgenom­men wird. Mich faszinieren diese individuellen Lösun­gen sehr. Ursprünglich habe ich Menschen gesucht, die die finanzielle Freiheit angestrebt haben. Erst dachte ich, diese Menschen haben komplett ausgesorgt, müs­sen nie wieder was machen und verbringen ihre Tage im Süden. Im Rahmen vieler Gespräche bin ich schlauer geworden. Ich habe mich viel über den Sinn der finan­ziellen Freiheit ausgetauscht und sehr genau hinge­schaut, warum Menschen dies machen. Es geht ihnen um die Freiheit, selbst entscheiden zu dürfen, nicht von einem Arbeitgeber oder Kundinnen abhängig zu sein und auch keine Existenzangst empfinden zu müssen. Dabei ging es fast nie um unendlichen Reichtum, nicht mal um ein luxuriöses Leben. Luxus ist Zeit und Selbst­bestimmung. Je intensiver ich mich mit dem Thema be­fasst habe, desto mehr kam für mich die Erkenntnis, dass hier die Zielstellungen des bedingungslosen Grundeinkommens von einzelnen Menschen indivi­du­ell verwirklicht wurden. Meine Gesprächspartner ha­ben nicht auf eine staatliche Entscheidung für ein ge­nerelles Grundeinkommen gewartet. Stattdessen haben sie ihr Leben so gestaltet, dass sie auf der einen Seite we­nig Geld brauchen und auf der anderen Seite genügend Geld da ist, um sparsam aus den Erträgen zu leben.

Wir alle arbeiten übrigens an unserem eigenen be­dingungslosen Grundeinkommen. Je nach Anstrengung und Aufwand wird es höher oder niedriger ausfallen, wir haben auch das Risiko, dass wir es nicht erleben werden. Wenn wir es erleben, nennen wir es Rente. Für diese Rente haben wir investiert. Teilweise hat dies der Staat für uns übernommen und gleich den Renten­bei­trag von unserem Gehalt eingezogen. Teilweise hat dies auch noch der Betrieb unterstützt, für den wir ar­beiten und in eine Betriebsrente eingezahlt. Und zuneh­mend werden wir auch selbst in die Pflicht genommen und zahlen in unserem aktiven Berufsleben in eine pri­vate Altersvorsorge ein. Wenn wir gut gerechnet haben, dann entsteht irgendwann die finanzielle Freiheit. Nämlich der Zustand, dass wir mit unseren Einkommen aus der Altersvorsorge unsere Lebenshaltungskosten decken können. Haben wir zu knapp kalkuliert, dann verfügen wir auch nach 65 oder 67 nur über ein Grund­einkom­men und müssen uns wahlweise in unserem Lebens­standard einschränken oder eben doch noch dazuverdienen. Wir sind es also alle gewöhnt, für unsere finanzielle Freiheit oder unser Grundeinkommen zu ar­beiten. Der gesellschaftliche Konsens sieht dafür eine Altersgrenze um die 65 vor. Die wird sich in den nächs­ten Jahrzehnten wahrscheinlich eher nach oben ver­schieben. Das soll einzelne aber nicht daran hindern, die eigene Grenze weiter nach vorne zu schieben. Mit einem Grundeinkommen ist es eben auch schon mög­lich mit 35 mit der klassischen Erwerbsarbeit, dem Zwang arbeiten zu müssen, auszusteigen. Oder eben mit 40, mit 45 und für viele ist es auch ein Traum sich dies mit 55 oder 60 verwirklichen zu können. Und da man in diesem Alter hoffentlich gerne noch aktiv ist, reicht sozusagen die Grundrente. Denn es wird sich, vielleicht nach einer Zeit des Ausruhens, wieder ein Modus ein­stellen, in dem man Lust hat, was zu machen. Zumindest war das bei fast allen Menschen so, mit denen ich im Laufe mei­ner Recherche sprechen durfte.

Gerne stelle ich meine Gesprächspartner hier kurz vor. Sie werden im Laufe des Buches immer wieder über ihren Weg und von ihren Erfahrungen berichten. Die Interviews in Langform habe ich bereits in meinem Buch „Finanzielle Freiheit“ veröffentlicht, allerdings wurden sie für dieses Buch zum Teil aktualisiert.

Emma und Robert, beide in den 30gern, haben zum Zeitpunkt unseres Gesprächs noch in Deutschland ge­lebt. Sie ist Schottin, er ist Teil der ungarischen Minder­heit in Rumänien. Sie haben zwei kleine Kinder und haben es beide geschafft, durch viel Eifer und mit Hilfe von Immobilien vor drei Jahren die klassische Erwerbs­arbeit hinter sich zu lassen. Nachdem sie auch mit ihren Gedanken freier waren, haben sie sich nun auch ent­schieden, ihren Wohnort nach Rumänien zu verlagern. Um in der Nähe seiner Eltern sein zu können und um das deutlich ruhigere Leben in Rumänien zu genießen. Über ihr Leben bloggen sie auf dem Blog www.whatlifecouldbe.eu.

Melanie ist Anfang 40 und hat schon früh davon ge­träumt, nicht immer arbeiten zu müssen. Ihr war auch klar, dass dies am besten mit Immobilien geht und sie hat mit Hilfe von Bausparverträgen früh angefangen, Wohnungen zu erwerben. Durch Umstrukturierungen in ihrer Firma nutzte sie eine günstige Ausstiegs­gelegen­heit und beendete vor wenigen Jahren ihre Tä­tigkeit. Sie lebt nun von ihren Mieteinnahmen.

Monika, knapp 50, hat ihr Ziel des Grundeinkom­mens auch mit Immobilien sowie mit Aktien erreicht. Nach einer kurzen Phase des Nichtstuns ist sie sehr schnell zum Ergebnis gekommen, dass Arbeit viel mehr ist, als nur Broterwerb. Den Luxus, Geld nicht als not­wendiges Mittel zum Leben, sondern als Maßstab der Anerkennung wahrnehmen zu können, bewertet sie als ein großes Glück in ihrem Leben. Sie bloggt mit anderen Frauen auf der Seite www.klunkerchen.com.

Brandon ist auch in seinen 30gern und lebt mit sei­ner Frau Jill in Schottland. Ich bin froh, dass ich ihn ken­nenlernen durfte, da ich so auch Zugang zu den Gedanken eines US-Amerikaners hatte. In den USA ist der Gedanken der finanziellen Freiheit viel weiterver­breitet als in Europa. In seinen Augen liegt das an den höheren Gehältern, ich habe das nicht überprüft. Er hat im letzten Jahr seinen Job gekündigt. Seine Leidenschaft steckt er in seinen Blog www.madfientist.com sowie in ausgiebige Reisen mit seiner Frau.

Alex ist Anfang 40 und hat eine kleine Tochter. Er lebt mit seiner Familie im Süden von München. Alex kündigte 2014 seinen Festangestellten-Job bei einer Bau­sparkasse. Diesen Schritt konnte er wagen, da er sich be­reits nebenher ein selbstständiges Einkommen mit diversen Internetangeboten aufgebaut hatte und sein Geld erfolgreich mit Dividendenaktien vermehrt hatte. Inzwischen reist er dauerhaft mit Frau und Kind um die Welt.

Lars ist Mitte 40 und berichtet von einem langen Le­ben als ganz normaler Angestellter. Bis er irgendwann aufwachte und einen komplett anderen Weg einschlug. Mit Hilfe von Aktien konnte er es irgendwann wagen, aus seinem Arbeitsverhältnis auszusteigen. Nach einer kurzen, auch gesundheitlich bedingten, Pause hat er sich dann der Geldbildung verschrieben. Heute schult er in seiner Finanzakademie viele Menschen und macht sie in Sachen Geldanlage fit.

Christian ist Anfang 30, hat drei Kinder und lebt mit seiner Frau und Familie in der Nähe von München. Er hat es geschafft, sich ein ansehnliches Grundeinkom­men zu schaffen und nutzte dieses zunächst, um in einer selbstgewählten Elternzeit seine kleinen Kinder intensiv zu erleben. Er betreibt zudem eine Internetseite, auf der er seine Investments und Erfahrungen teilt: www.dasrenditeprojekt.de. Nachdem wir unser Inter­view geführt hatten, sind wir in Kontakt geblieben. Er kann seine Leidenschaft für Immobilien, besonders in Ostdeutschland, nicht lassen und hat für die Beratung in Sachen Immobilienerwerb inzwischen eine eigene GmbH gegründet.

Vincent, auch Anfang 40, lebte lange in Südfrank­reich und baute sich dort gute passive Kapitaleinkünfte auf. Inzwischen ist er wieder zurück in Deutschland, nach der 3 Tage Woche an Wochenenden in Frankreich hatte er sich zunächst eine viermonatige Auszeit genom­men und arbeitet nun wieder 28 Stunden, allerdings normal in der Woche (Mo-Do). Sein Ziel ist die Wochen­arbeitszeit zunächst auf die geringste mögliche Zahl von 15 Stunden zu senken. Auch wenn er sein Einkommen aus dem Angestelltenverhältnis zum Leben nicht mehr braucht, so will er doch auf die Annehmlichkeiten wie Krankenversicherung, Rentenpunkte usw. noch nicht verzichten. Stolz berichtet er mir von seinem 25jährigen Betriebsjubiläum, da gibt es schon auch ein bisschen Bindung zum Unternehmen. Trotzdem will er immer wieder Auszeiten machen, die nächste längere Reise nach Australien ist schon geplant. Er bloggt auf seiner Seite: www.freakyfinance.net.

Die Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben ist an unzähligen Stellen zu spüren und im Augenblick sehr modern. Bei einem Geld-Seminar, als es um den Aufbau von Vermögen durch viele verschiedene passive Einkommensströme ging, brachte eine ältere Journalis­tin einen verwunderten Einspruch ein. Sie erzählte, wie sie ihren Beruf damals vor 40 Jahren ausgesucht hat. Es ging um Neigung und Freude an einem möglichen Beruf. Ihr ging es nicht so sehr ums Einkommen, trotz­dem blickt sie auf ein auskömmliches Leben zurück und eben auf ein spannendes Berufsleben. Ich glaube, dass sich hier in den letzten Jahren und Jahrzehnten etwas massiv verändert hat. Unsere Arbeitswelt ist ausbeuteri­scher geworden. Ich formuliere das mal bewusst so dras­tisch. Menschen erleben einen stärkeren Druck, Jobsicherheit ist ein Fremdwort geworden, dafür wird aber mehr Einsatz nach dem eigentlichen Feierabend gefordert. Immerhin ermöglicht das Smartphone Er­reichbarkeit an Wochenenden und im Urlaub. Als ich vor etwa 20 Jahren meine erste Anstellung angetreten habe, gab es noch Weihnachts- und Urlaubsgeld. Für viele jungen Menschen heute ein totales Fremdwort. Dafür erdreisten sich viele hippe Arbeitgeber span­nende Aufgaben in Form von Praktika auszuschreiben – immerhin darf man ja dankbar sein, wenn man was Spannendes lernt. In der Selbständigkeit ist es leider für viele auch nicht besser. Glücklich sind die, die ihre Preise verteidigen können. Gestresst sind die, denen im­mer mehr abverlangt wird. An mich wurde neulich ein Projekt der Wirtschaftsförderung Berlin herangetragen. Stundenlohn 18 € - ich habe mir erlaubt, vorzurechnen, dass mir bei diesem freiberuflichen Stundensatz nach Abzug aller Kosten gerade mal ein Euro bleibt. Und dies von der Wirtschaftsförderung! In vielen anderen Berei­chen wie Musikschulen, überhaupt Weiterbildungs­einrichtungen, bei Hebammen oder Stadtführern, es ist immer das gleiche Lied: Ich kann meiner Leidenschaft nachgehen, aber würdevoll von meinem Einkommen leben, das geht nicht. Bei Selbständigen kommt noch die unterschiedliche Auftragslage hinzu. Mal reicht es oder ist es sogar sehr gut und in anderen Zeiten ist es dann wie­der recht dünn. Kein Wunder, dass hier ein Grund­einkommen eine große Erleichterung wäre. Letztlich haben auch entsprechend negative Erfahrungen bei meinen Gesprächspartnern dazu geführt, nach anderen Wegen zu suchen. Durchgängig konnten sich alle nicht mehr vorstellen, ein Leben lang angestellt zu arbeiten. Dazu hatten die meisten irgendwann schlechten Erfah­rungen gemacht. Keine Erfahrungen, die grausam gewe­sen wären. Aber eben Momente von zu viel Belastung, zu wenig Wertschätzung und das dumpfe Gefühl, sinn­lose Besprechungen oder Tätigkeiten ausführen zu müs­sen. Oder sie haben gesehen, wie die älteren Kollegen enden und fanden das nicht erstrebenswert. Vincent, der noch als Techniker angestellt ist, schildert mir seine Motivation so: Schon nach der Ausbildung habe ich oft ge­sagt, dass ich mit 30 gerne in Rente gehen würde. Schon da­mals habe ich viel gearbeitet, gut verdient und das Meiste investiert, damit es auch mit der angestrebten „Früh­rente“ klappt. Vorbilder hatte ich dabei keine. Höchstens im umgekehrten Sinne. Ich habe die älteren Kollegen angesehen. Oft kamen die mir unzufrieden, teilweise verbittert vor. Und das obwohl wir in einer wirklich tollen Firma mit Spitzen­gehältern arbeiten. So wollte ich jedenfalls nicht „enden“.

Das hatte ich also schon mal verstanden, ein finan­zi­eller Puffer liefert Freiheit und Unabhängigkeit sowie auch noch Sicherheit. Dabei liegt der Luxus am Ende nicht in der Geldmenge, sondern in der freien Verfüg­barkeit von Zeit. Zeit zu haben, um teils Geld zu verdie­nen oder eben auch nicht. Der ausschlaggebende Faktor besteht darin, dass man keine Dinge tun muss, die an­dere einem vorgeben. Was sich meine Gesprächspartner „erkaufen“ ist Zeit und individuelle Freiheit.

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