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Wer findet ein Grundeinkommen attraktiv?

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Ich habe in meinen Recherchen mit sehr vielen Menschen gesprochen. Nicht alle Menschen finden es erstrebenswert, sich ein eigenes Grundeinkommen zu schaffen. Viele leben im Hier und Jetzt und wollen es sich gut gehen lassen. Warum also Kapital anhäufen, wer weiß denn, ob ich nicht vielleicht morgen schon tot bin. Andere finden ihre Arbeit so spannend und erfül­lend, dass eine zusätzliche Geldquelle für sie gar keinen Sinn macht. Und dann habe ich solche kennengelernt, die den Druck brauchen, Geld verdienen zu müssen, um so immer wieder im Job gute Leistung zu bringen. Viele verschiedene Motivationen, die eine Anstrengung zum Aufbau eines Grundeinkommens nicht besonders at­traktiv erscheinen lassen. Ich freue mich aber schon sehr, wenn auch diese Menschen, die im Hier und Jetzt leben, genügend Offenheit für ein auskömmliches Ein­kommen im Alter mitbringen. Denn der früher herr­schende Pakt, Mama Staat kümmert sich komplett um Dich, wenn Du alt bist, ist einfach schon eine ganze Weile aufgekündigt. Wer nicht bis 85 zumindest teil­weise noch arbeiten will und wer nicht bis ins hohe Al­ter auf Grundsicherung angewiesen sein will, der muss heute was tun. Ist nicht schön, ist aber so. Und wider­spricht zugegeben Werten, wie Genuss, das Leben in vollen Zügen zu genießen und Geld als aktuelle Beloh­nung wahrzunehmen.


Menschen, die ein Grundeinkommen oder gar die komplette Sicherung der Lebenshaltungskosten durch Kapitaleinkünfte anstreben, nennen andere Werte. Un­abhängigkeit wird dabei sehr oft genannt. Die Mög­lich­keit, dem Chef sagen zu können, ich mache nicht mehr mit, wird von diesen Menschen als sehr attraktiv einge­schätzt. Zu dem Wert der Unabhängigkeit wird auch Freiheit als häufiger Begriff verwendet. Die Frei­heit, im Leben nicht immer dasselbe machen zu müssen. Die Freiheit ein Jahr durch die Welt zu reisen oder die Frei­heit mal was Neues auszuprobieren. Diese Möglichkeit wird von Freunden des Grundeinkommens sehr hoch geschätzt. Und dann ist da noch die Sicher­heit. Keine Existenzangst haben zu müssen. Sie wird sehr häufig als Wert genannt. Wer Sicherheit im Leben als ein wertvol­les Ziel einschätzt, dem wird ein finan­zieller Puffer sehr helfen. Menschen, mit dem Wert Sicherheit als hohe Motivationstriebfeder sind übrigens die, die gerne im­mer mehr anhäufen. Denn das Sicher­heitsbedürfnis kann oft nicht mit einer Summe X befrie­digt werden, sondern ist unersättlich. Zumal das Leben ja tatsächlich nicht planbar ist und deshalb möglichst viel finanzielle Sicherheit das Unplanbare erträglicher macht. Monika definiert ihre Werte folgendermaßen und ist damit eine eindeutige Kandidatin für ein selbst aufgebautes Grundeinkommen: Ich glaube, der gewünschte und be­wusst entschiedene Wert für mein Leben ist Freiheit. Ich fand es schon immer abschreckend, irgendwo angestellt meine Zeit gegen Geld zu verkaufen. Eine ganze Zeitlang habe ich das gemacht, aber so richtig super fand ich das nicht. Deshalb auch der Plan, möglichst schnell finanziell unabhängiger zu sein. Ein weiterer Wert, den ich gar nicht so toll finde, der mich aber unbewusst sicherlich auch antreibt, ist das Streben nach Sicherheit. Da würde ich mir manchmal mehr Leichtig­keit wünschen. Aber mein eigener Sicherheits­manager wacht da doch sehr über mich. Das ist dann auch die Angst, es könnte am Ende nicht reichen. Ich habe schon zig Excel-Ta­bellen gebaut und rauf und runter gerechnet. In Zeiten von inneren Unsicherheiten muss ich die dann öffnen und den Zinssatz ein bisschen nach unten oder oben verschie­ben. Diese Unsicherheit habe ich wohl von meinen Eltern über­nommen. Sie sind kurz vor dem 2. Weltkrieg geboren und tra­gen die Angst, alles zu verlieren, schon noch in sich. Das hat mich in meiner Kindheit sehr geprägt und färbt wahr­schein­lich auch heute noch sehr ab.

Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, be­richten alle natürlich auch von Zielen. Melanie, 42, be­reits mit einem guten Grundeinkommen versehen, antwortet mir auf die Frage, ab wann sie die Vorstellung hatte, nicht für Geld arbeiten zu müssen: Diese Idee hatte ich in der Tat schon sehr früh. Ich glaube mit 14 hatte ich das erste Mal davon gesprochen, dass ich das Ziel habe, von mei­nen Mieten zu leben.

Dafür brauchte ich Geld. Also habe ich mir einen Job aus­gesucht, bei dem ich ein wenig mehr Geld verdienen konnte. Außerdem war ich schon immer sparsam. Das sind für mich die Zutaten, die man braucht, um finanziell frei zu werden: Relativ gut im Job verdienen, der Wille, mehr zu leisten als der Durchschnitt, also beispielsweise auch mal Überstunden zu machen und insgesamt sparsam zu leben.

Emma und Robert, sie Schottin, er Ungar, haben sich auch recht früh ein Grundeinkommen aufgebaut. Ihr Weg war dabei geradezu ein bisschen zufällig:

Robert: In 2007 habe ich in Deutschland einen Job als Softwareentwickler gefunden, die Firma wollte mich einstel­len, konnte dies aber ohne eine Arbeitserlaubnis für mich nicht realisieren. Diese haben wir dann auch beantragt, sie wurde aber erstmal abgelehnt. Ich hatte als Plan B auch die Alternativvorstellung, als Freelancer für die Firma zu arbei­ten. Mit dem Vorteil, dass ich auch andere kleinere Kunden behalten konnte. So haben wir es gemacht und im Nach­hinein war das für mich das Beste, was mir passieren konnte. Mehr Geld, mehr Freiheiten und weniger Abgaben. Gleichzei­tig bedeutete das aber auch mehr Arbeit, aber in der damali­gen Lebensphase war das in Ordnung für mich.

Schnell habe ich erfahren, dass ich keine Arbeitslosen­ver­sicherung und noch wichtiger, keine Rentenbeiträge leisten muss. „Wow!“, dachte ich! Logischerweise blieb als Selbstän­diger am Ende des Monats viel mehr Geld auf meinem Konto zurück. Super! Und hier komm ich zum Punkt „Rente“. Das war der erste Auslöser in Richtung finanzielle Unabhängig­keit. Damals habe ich natürlich an Alters­vorsorge gedacht. Es ist zwar schön keine Rentenbeiträge zu zahlen und mehr zu verdienen, was mache ich aber, wenn ich älter bin?

Also habe ich angefangen in private Rentenversicherun­gen zu „investieren“, wenn auch mit einem unguten Gefühl. Dann passierte ein paar Jahre nichts in diesem Bereich, zwar hatte ich kein großes Vertrauen in die privaten Rentenversi­cherungen, was Besseres kannte ich aber auch nicht. Ich zahlte einfach. Emma war in dieser Zeit klassisch angestellt. Sie hat in die gesetzliche Rente einbezahlt und hat sich über ihre Altersvorsorge keine großen Gedanken gemacht. Ich hätte es vermutlich auch nicht so intensiv gemacht, wenn ich angestellt gewesen wäre.

Emma: Ja, genau. Altersvorsorge war erstmal nicht mein Thema. Unser Weg zur finanziellen Unabhängigkeit war schon ein langer Prozess. 2009 ist Robert auf das Buch Rich Dad Poor Dad gestoßen, ich habe es dann auch gelesen. Da­mals ging es darum, Finanzthemen besser zu verstehen und uns einen Überblick über unsere Ausgaben zu verschaf­fen. Robert Kiyosaki wurde mit 47 komplett finanziell frei. Die Idee fanden wir gut, und Robert hat sich das Ziel gesetzt, mit 50 dieses Ziel zu erreichen.

Dann ist Robert 2012 auf „Der Millionär neben­an“ gestoßen. Wir haben es als Hörbuch gehört und konnten uns besser mit den Ideen darin identifizieren. Besonders toll fanden wir die Statistik, dass von allen Einwanderergruppen in den USA die Ungaren und die Schotten prozentual die meisten Millionäre hatten (nur die Russen hatten mehr). Wahrscheinlich, weil die Ungarn fleißig und die Schotten gei­zig sind. Da dachten wir, dass wir ganz gute Karten haben! Robert hat dann im Internet recherchiert und ist da natürlich auf Mr. Money Mustache gestoßen. Er hat fleißig alle Bei­träge gelesen und ich habe mich auch ein bisschen reinge­lesen. Die Ideen fand ich auch sehr interessant, eher vom Lebensstil her – mir war das mit den ETFs aber noch etwas zu kompli­ziert. Nach kurzer Zeit hat Robert sein Ziel geändert und wollte nun so schnell wie möglich finanziell frei werden und ein gutes Grundeinkommen aufbauen.

Ich fand diese Idee verlockend, weil ich mich wie ein Ro­boter in meinem Beruf gefühlt habe und keine Aufstiegs­chan­cen sehen konnte. Keine Möglichkeiten, etwas Neues zu lernen oder mehr Geld zu verdienen, immer nur genau das Gleiche zu machen. Das hat mich ziemlich fertiggemacht, und ich wollte einen Ausweg finden. Ich fing an, darüber nachzuden­ken, wie mein Leben aussehen könnte, wenn ich nicht mehr arbeiten müsste. Ich hätte endlich Zeit, das zu machen, was ich wollte. Dabei sind mir unzählige Dinge eingefallen, die ich gerne machen würde, wenn ich die Zeit hätte. Damit wurde auch ich überzeugte Anstreberin für den Aufbau unseres Grundeinkommens.

Für Christian war die Geburt der ersten Tochter der Auslöser, um über ein anderes Leben nachzudenken:

Der Gedanke hat sich über Jahre mehr und mehr heraus­kristallisiert. Insbesondere als wir die kleine Paula bekommen hatten, das war 2011, habe ich gemerkt, dass ich stärker ins Familienleben integriert sein und viel mehr mitbekommen möchte. Und der Tausch, im Verzicht auf Geld mehr Freizeit zu bekommen, ging für uns logischerweise nur mit einem Grundstock an passivem Einkommen auf. Denn Unsummen anzusparen und dieses Vermögen dann zu verbrauchen war mit zwei durchschnittlichen Einkünften, ab dem ersten Nach­wuchs mit sogar nur noch einem Einkommen, nicht möglich.

Im Gespräch mit Lars nannte dieser mir nicht nur seinen Auslöser, sondern gleich eine ganze Wegbe­schreibung von 2004 bis heute: Bis 2004 war ich so im ganz normalen Arbeitstrott drin. Ich habe als leitender Ange­stellter im Schichtdienst gearbeitet, es kam Geld rein und ich habe es wieder ausgegeben. In den Jahren davor habe ich auch immer mal wieder Schulden gemacht. Da war sicherlich ein Moment ausschlaggebend, als ich am Geldautomaten stand und einfach kein Geld bekommen habe. Das war für mich eine Art Aufwecker, ich habe gedacht, so kann das nicht weitergehen.

2004 habe ich dann im Netz ein Investitionsspiel gespielt. Man konnte Geld in alle möglichen Produkte (Aktien, aber auch Sportwetten und viel mehr) investieren und hat dann entsprechend Geld dazuverdient oder eben auch weniger. Ich habe bei diesem Spiel einiges gelernt. Nach einem Jahr gab es das Spiel nicht mehr, bei mir blieb das Wissen, und so bin ich auch zur Börse gekommen. Ich habe dann erstmal mit schrä­gem Kleinhandel angefangen, also erstmal drei Aktien ge­kauft oder auch Fonds. Ohne die Gebühren im Blick zu haben. Dann war ich irgendwie angefixt: Ich habe mir meine Ausga­ben Schritt für Schritt angeschaut. Erst habe ich aufge­hört zu rauchen, später habe ich mein Auto abgeschafft. Bei beiden Punkten wusste ich, dass hier einiges an Geld reinging. Und in Berlin braucht man nun wirklich kein Auto, das Rauchen muss ich gar nicht erst kommentieren, oder? Im nächsten Schritt habe ich angefangen zu investieren, zunächst in Akti­enfonds. Damit habe ich mich aber nicht wohlgefühlt, es sollte irgendwie schneller gehen. Eine Stufe weiter ging es, als ich das Prinzip von passivem Einkommen entdeckt habe. Un­ter anderem mit Büchern von Kyosaki, Bodo Schäfer und an­deren. Ich habe also mehr Geld in Divi­denden-ETFs und Einzelaktien gesteckt. Langsam ging es immer mehr voran. Entsprechend bin ich dabeigeblieben. Irgendwann war mein Vermögen sechsstellig, dann ging es immer schneller. Meine Erfahrungen habe ich 2011 in einem Buch „Aufwachen und finanziell umdenken“ veröffentlicht und dann fortlaufend in meinem gleichnamigen Blog Finanziell-umdenken.info ge­teilt. Durch die Buchverkäufe und Werbung auf der Internet­seite kam dann nochmal Geld dazu, wenn das auch seine Weile gedauert hat. Aber diese pas­siven Einkünfte nahmen dann doch Fahrt auf. Dass, was ich dann so an Geld pro Mo­nat übrighatte, da würden sich an­dere freuen, wenn sie das an Gehalt hätten.

2012 habe ich gemerkt, dass meine passiven Einkünfte schon 50% meiner Ausgaben gedeckt haben. Das hat mich unglaublich motiviert. Ich habe noch mehr gespart und viel Energie in meinen Blog gesteckt. Und so wurde es immer mehr. Es beschleunigt sich wie beim Schneeballeffekt.

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