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Warum wird eigentlich ein Hühnerei beim Erhitzen hart?

Wir alle kennen die Prozedur beim morgendlichen Frühstücksei-Kochen: Kochtopf rausholen, Wasser zum Kochen bringen und dann lange vier bis fünf Minuten warten, bis das Ei gerade die richtige Festigkeit hat – eben nicht steinhart, aber auch bloß nicht mehr flüssig. Ähnlich ergeht es uns, wenn wir uns für ein Spiegelei in der Bratpfanne entscheiden: Ohne Wärmezufuhr wird das Ei in der Regel nicht hart.

Eigentlich erstaunlich, denn ansonsten verflüssigt sich ein Feststoff durch Wärmezufuhr – denken Sie nur einmal an Schokolade, wenn sie bei sommerlichen Temperaturen im Auto liegen gelassen wurde. Auch Schnee und Eis schmelzen in der Sonne. Während flüssige Schokolade und Wasser beim Erkalten allerdings wieder fest werden, bleibt unser gekochtes Hühnerei gegenüber jeder Abkühlung – im wahrsten Sinne des Wortes – hart. Oder haben Sie schon einmal beobachtet, dass ein hart gekochtes Ei im Kühlschrank wieder flüssig wurde?

Lassen Sie uns doch einmal ganz genau beobachten, was beim Kochen eines Hühnereis so vor sich geht.

Diese Materialien benötigen Sie

–1 rohes Ei

–1 Teeglas (hitzestabil)

–1 Kochtopf, zur Hälfte mit Wasser gefüllt

–(falls vorhanden, 1 hitzestabiles Thermometer mit einer Temperaturskala zwischen 20 °C und 100 °C, aber wer hat das schon im Haus?)

So wird’s gemacht

Schlagen Sie das rohe Ei auf, trennen Sie das Eiweiß vom Eigelb und fangen Sie einen Teil des Eiweißes in einem Teeglas oder einem anderen hitzestabilen durchsichtigen Behältnis auf – den Rest des Eiklars benötigen Sie noch für die folgenden beiden Experimente. Erwärmen Sie das Wasser im Kochtopf auf einer Herdplatte zunächst auf kleiner Flamme. Bei handwarmer Temperatur des Wassers (ca. 35–40 °C; evtl. mit dem Thermometer kontrollieren) wird das Teeglas in das Wasser gehalten und beobachtet, ob eine Veränderung eintritt.

Das Wasser wird nun weiter erhitzt (für Beherzte ohne Thermometer: Einfach mit der Hand fühlen; natürlich nicht, wenn es schon kocht). Erneut wird das Teeglas mit dem Eiklar in das erwärmte Wasser gehalten. Ist eine Veränderung zu beobachten?

Das gibt’s zu sehen

Das Eiklar färbt sich im heißen Wasser nach einiger Zeit – je nach Wassertemperatur kann das einige Minuten dauern – allmählich weiß und wird hart. Die Farbveränderung tritt zunächst an der Glaswand ein.

Deutung des Experiments

Das Eiklar des Hühnereis besteht zu rund 10 Prozent aus Eiweiß, auch Protein genannt; der größte Teil des Eiklars, nämlich 88 Prozent, besteht aus Wasser.4 Im rohen Ei, in dem das Eiklar noch flüssig vorliegt, haben die Proteine eine Struktur, die mit einem langen Faden vergleichbar ist, der sich ein wenig kräuselt. Im rohen Zustand liegen diese Protein›fäden‹ isoliert vor, sind also untereinander nicht verbunden. Ähnlich wie Haaren, die leicht durchkämmt und aneinander vorbeigeschoben werden können, gelingt es auch den Proteinen im flüssigen Eiklar problemlos, aneinander vorbeizugleiten; das Eiklar ist beweglich wie andere Flüssigkeiten auch. Das Licht kann zudem durch die Fäden hindurchleuchten, weshalb das Eiklar durchsichtig erscheint. Erhitzt man nun das Eiklar, dann wird die vorgegebene Struktur der Proteinfäden des Eiklars nach und nach verändert: Die zunächst isolierten, nur zusammengewickelten Proteine werden entfaltet. An den Stellen, an denen zuvor die verknäulten Eiweiße miteinander verbunden waren, bilden sich nun Verbindungen mit benachbarten Eiweißen aus und bleiben wie die beiden Teile eines Druckknopfs fest miteinander verbunden – man sagt auch: Sie gerinnen oder koagulieren. Dadurch verlieren sie ihre Beweglichkeit und das Eiklar wird zunächst weich und weiß und dann allmählich immer härter. Die Farbveränderung können wir damit erklären, dass das Licht nun nicht mehr ungehindert durch das Eiklar hindurchtreten kann, sondern von dem Proteingeflecht reflektiert wird: Es erscheint weiß.

Dieser Vorgang der Eiweißgerinnung durch Temperaturzufuhr ist irreversibel, d. h., auch bei noch so niedriger Temperatur werden aus den vielen verknäulten Proteinen nie wieder isolierte Proteinfäden.

Was ist noch zu beobachten? Das Experiment zeigt uns, dass die Eiweißgerinnung zunächst an der Glaswand beginnt und sich erst allmählich im Inneren fortsetzt. Genauso ist es auch im Hühnerei: Das Eiklar wird zunächst in der Nähe der Eierschale fest und erst anschließend in der Mitte, weil die Wärme des Wassers außen am schnellsten wirkt. So kann man sich auch erklären, weshalb das Eigelb, das sich ja in der Mitte des Eis befindet, bei einem gut gekochten Hühnerei noch flüssig ist, während das Eiklar bereits fest erscheint (wobei hierfür auch noch weitere Ursachen verantwortlich sind, um die es in den folgenden Experimenten gehen wird).


a) Eiklar nicht erhitzt

b) Eiklar mit entfalteten Proteinen

c) denaturiertes Eiweiß

Nach: McGee, On food and cooking, S. 98.

Mathematisch genau betrachtet hat die »Durchhärtungsgeschwindigkeit« des Hühnereis etwas mit seiner Größe zu tun: Je größer das Ei, desto langsamer erfolgt die Gerinnung in heißem Wasser. Oder noch exakter: Die Kochzeit des Hühnereis nimmt mit dem Quadrat des Ei-Durchmessers zu.

Sollte Ihr Schatz Sie beim nächsten gemeinsamen Frühstück also wieder einmal fragen, wie lang denn Ihr Frühstücksei gekocht werden soll, antworten Sie nicht lapidar mit »Viereinhalb Minuten, Liebling«, sondern fragen Sie zunächst einmal, wie groß denn das für Sie vorgesehene Hühnerei ist. Ein relativ kleines Ei mit einem Durchmesser von weniger als 40 mm braucht nämlich nur etwa 60 Prozent der Zeit, die ein besonders großes Ei mit einem Durchmesser von 50 mm benötigt.

Fragen Sie aber auch noch nach der Temperatur Ihres Frühstücksei-Rohlings! Die Kochzeit hängt nämlich auch von der Ausgangstemperatur des Hühnereis ab. Ein Ei aus dem Kühlschrank muss etwa 15 Prozent der Gesamtkochzeit länger gekocht werden als ein Ei mit einer Ausgangstemperatur von 20 °C, also Raumtemperatur (vgl. hierzu auch: Barham, 2014, S. 71; Fisher, 2007, S. 56).

Wo Eiweißgerinnung sonst noch überall vorkommt

Die Eiweißgerinnung, die wir in diesem Experiment beobachtet haben, findet natürlich nicht nur beim Naturschauspiel des Frühstücksei-Kochens statt, sondern ist überall dort zu sehen, wo Proteine durch Energiezufuhr denaturieren können. Deshalb wird auch Fleisch beim Braten irreversibel hart.

Auch im menschlichen Organismus erfüllen Proteine lebenswichtige Aufgaben. Daher sollte Fieber nicht in die Nähe der Temperatur von 42 °C ansteigen, da ansonsten einige Proteine denaturieren könnten. Die Haut besteht ebenfalls aus Eiweiß, weshalb manche Hautverbrennungen irreversible Schäden verursachen.

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