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ОглавлениеEin Spiegelei braten – naturwissenschaftlich betrachtet
Sicherlich zählt das Spiegeleibraten neben dem Wasserkochen zu den Kochkünsten, die nahezu von jedermann beherrscht werden. Aber gehören Sie auch zu denjenigen, die bislang ihr Spiegelei in eine beliebige Pfanne gehauen – das Ganze bei großer Hitze, dann geht es ja schneller – und eine Prise Salz und Pfeffer darüber gegeben haben?
Ihre Küchenfertigkeiten können im Folgenden ein wenig verfeinert werden, wenn Sie sich die Zeit nehmen, bei diesem Experiment einmal ganz genau hinzuschauen.
Einfacher ist das Beobachten, wenn Sie dieses eine Mal auf die leckeren Speckwürfel verzichten.
Diese Materialien benötigen Sie
–1 rohes Ei
–1 kleine Pfanne mit Heizplatte, evtl. beschichtet
–Salz
So wird’s gemacht
Auch wenn’s eigentlich den meisten von uns vertraut ist – hier in Kürze ein »Rezept«, das zwar nicht zu den kulinarischen Highlights zählt, aber für unser Experiment das Wesentliche zeigt.
Erhitzen Sie eine Herdplatte und stellen Sie eine beschichtete Pfanne darauf. Schlagen Sie nun das Ei an einem harten Rand auf und geben Sie das Ganze in die Pfanne – ohne zu salzen.
Das gibt’s zu sehen
Allmählich wird das Eiklar fest und weiß. Allerdings verläuft dieser Prozess nicht gleichmäßig. Am Eiklar, das sich nahe dem Dotter befindet, setzt die Gerinnung später ein. Es bilden sich am Eiklar Blasen, die manchmal mit einem lauten Blubbern aufplatzen können. Der Eidotter bleibt länger weich als das Eiklar.
Schaut man genau hin, kann man beim noch rohen Eidotter einen kleinen weißen Fleck entdecken, die Keimscheibe. Diese schwimmt oben auf dem Eidotter. Erhitzt man das Spiegelei weiter in der Pfanne, wird das Eiweiß mit der Zeit gummiartig fest, auch das Eigelb verfestigt sich. Jetzt ist es höchste Zeit, das Ei vom Herd zu nehmen, sonst karbonisiert (verkohlt) es noch!
Deutung des Experiments
Weshalb das Eiklar in der heißen Pfanne gerinnt, wurde schon im ersten Experiment, »Warum wird eigentlich ein Hühnerei beim Erhitzen hart?«, beschrieben. Im jetzigen Experiment ist nun überraschend, dass der Gerinnungsprozess nicht gleichmäßig stattfindet. Das Eiklar, das eine bakterienhemmende Funktion hat und einen Schutz für das Eigelb und das heranwachsende Küken darstellt, ist nicht an allen Stellen des Eis gleich aufgebaut: Man unterscheidet zwischen dem recht dünnflüssigen Eiklar in der Nähe der Eierschale, dem mittleren Eiklar, das rund 50 Prozent der Eiklarmasse darstellt, einer erneuten Schicht dünnflüssigen Eiklars und einer vierten dickflüssigen Eiklarschicht direkt am Dotterrand (vgl. McGee, 2016, S. 87).
Je dickflüssiger das Eiklar, umso mehr Anteile des Proteins Ovomuzoid (Ovomuzin) enthält es. Dieses gerinnt später als die anderen Proteine. Will man, dass das Eiklar im Übergangsbereich zum Dotter genauso schnell gerinnt wie das andere Eiklar, ohne so viel Energie zuzuführen, dass der Rest des Eis zäh wie Gummi wird, so rät der französische Kenner der Haute Cuisine Hervé This-Benckhard in seinem rundum lesenswerten Buch »Rätsel der Kochkunst – naturwissenschaftlich erklärt«, Salz zu verwenden. Salz zieht zum einen das Wasser aus dem Eiklar und zum anderen beschleunigt es die Gerinnung (vgl. This-Benckhard, 2016, S. 55).
Und warum entstehen beim Spiegelei Blasen? Schaut man genau hin, bilden sich die Blasen eher am äußeren Rand, dort, wo das Eiklar dünnflüssiger ist und damit einen höheren Wasseranteil hat. Die Blasen bilden sich aus Wasserdampf, der bei der hohen Temperatur aus dem Eiklar entweicht. Immerhin besteht das Eiklar zu 88 Prozent aus Wasser!
Wenden wir uns nun dem Eidotter zu, der sich gegenüber der Pfannenhitze deutlich länger resistent zeigt als das Eiklar: Die Gerinnungstemperatur des Eidotters liegt um ca. 8 °C höher. Das liegt vor allem an seiner Zusammensetzung. Er hat im Vergleich zum Eiklar einen deutlich höheren Fettanteil aus Cholesterin und Lecithin (zusammen etwas über 30 %). Zudem trägt auch seine Position zum späteren Gerinnen bei. Weil er etwas über das Eiweiß herausragt, dringt die Hitze nicht so schnell in den Dotter ein (dasselbe gilt auch für das hart gekochte Ei, in dem der Dotter in der Mitte liegt, zu der die Wärme nicht so schnell vordringt).
Und woher kommt der kleine weiße Fleck oben auf dem Dotter? Hat hier etwa der Hahn etwas hinterlassen oder handelt es sich gar um eine Verunreinigung? Auf jedem Hühnereidotter kommt die sogenannte Keimscheibe zu liegen, die sich in allen Hühnereiern befindet. Nur aus ihr entwickelt sich beim Brüten das Küken, der Rest des Eis dient als Schutz und Lieferant für Aufbaustoffe.
Wie Sie das Ei vor dem Aufschlagen auch drehen – immer ist die Keimscheibe ganz oben auf der Dotterkugel. Wenn dies vielleicht in unseren Augen auch nicht so schön aussieht – die Natur hat hier ein architektonisches Wunderwerk vollbracht: Der Dotter mit der Keimscheibe ist im rohen Hühnerei an zwei spiralförmigen Gebilden – den sogenannten Hagelschnüren – drehbar mit den Polen des Eis verbunden. Seinen Schwerpunkt hat der Dotter an der Seite, die der Keimscheibe gegenüber liegt. Deshalb liegt diese auch bei noch so großem Gerüttel immer oben – wie ein Stehaufmännchen. Beim Bebrüten bekommt sie auf diese Weise am schnellsten die nötige Wärme ab, sodass sich das Küken gut aus ihr entwickeln kann.
Dass so ein Ei einmal den Weg in unsere Küchenpfanne nimmt, war in der Evolution wohl nicht vorgesehen – daher die Keimscheibe oben mitten im Dotter des Spiegeleis.
Tipps zum guten Gelingen eines Spiegeleis
This-Benckhard hat den Spiegeleiern bzw. »Les oeufs sur le plat« in »Kulinarische Genüsse« ein eigenes Kapitel gewidmet. Hier die beiden wichtigsten Regeln, die sich unmittelbar aus unseren naturwissenschaftlichen Erkenntnissen dieses Experiments ableiten lassen: Das Ei bei nicht zu großer Hitze braten, damit das Wasser im Eiklar erhalten bleibt und dieses so seine Elastizität erhält.
Nur die Eiklar-Region direkt am Dotter salzen, um den Gerinnungsprozess bei diesem dickeren und erst bei höheren Temperaturen gerinnenden Eiweiß zu beschleunigen. Und dann rät er noch, weißen Pfeffer zu verwenden – das macht sich auf dem zarten Eigelb und Eiweiß einfach besser … (This-Benckhard, 2016, S. 112 ff.)