Читать книгу Pflegefall – der Weg nach Hause - Gisela Schäfer - Страница 8

Der Umzug

Оглавление

Die letzten Tage waren noch voll Hektik, weil zwei Teile, die benötigt wurde, erst im letzten Moment geliefert wurden, nämlich Bett und Rollstuhl, und auch noch einige Fragen bei zwei Ärzten und in der Apotheke zu klären waren. Ich hatte also bis zum letzten Augenblick zu tun. Aber endlich war es so weit.

Unsere Tochter aus England kam am Morgen angereist, um mir beim Umzug zu helfen. Wir fuhren zum Heim und packten alles ein, was ich im Laufe der Zeit hingetragen hatte, Kleidungsstücke, Pflegeutensilien, Bilder, Fernseher, Inhaliergerät, Medikamente, usw. Es war so viel, dass unsere Tochter nicht mehr ins Auto hineinpasste und die neunhundert Meter bis zu unserem Haus zu Fuß gehen musste.

Wir packten alles aus, ohne es wegzuräumen, und gingen zu Fuß zum Heim zurück, um meinen Mann zu holen. Das Wetter war angenehm, und so hatten wir uns entschlossen, ihn im Rollstuhl durchs Dorf zu fahren.

Aber zunächst gab es den großen Abschied mit Küsschen und Umarmungen, Fotos, Überreichen von kleinen Präsenten und einer Urkunde für das beste Heim, von der alle begeistert waren; sie hat heute dort einen Ehrenplatz im Flur.

Danach ging es heimwärts. Wir schoben den Rollstuhl zu zweit, was eine große Erleichterung war; denn alleine hatte ich immer Schwierigkeiten damit, jedenfalls an allen Stellen, wo der Kantstein an Hauseinfahrten abgesenkt war; da drohte mir der Rollstuhl immer Richtung Fahrbahn abzugleiten. Aber zu zweit war es kein Problem. Mein Mann registrierte aufmerksam alle Veränderungen, die sich in den knapp zwei Jahren seines Fortseins vollzogen hatten. Bekannte trafen wir nicht.

Nach zwanzig Minuten waren wir da. Die einzige echte Schwierigkeit – die Stufe vor der Haustür – bewältigten wir zu zweit ganz leicht, und dann schob ich meinen Mann ins Wohnzimmer. Endlich, endlich daheim! Voll Freude nahmen wir uns in den Arm. Nach fast zwei langen Jahren war er wieder zu Hause.

Zuerst sollte mein Mann alle Veränderungen kennen lernen. Ich schob ihn durch alle Räume und ließ ihn gleich die Toilette ausprobieren. Die war zuerst zu hoch. Aber nachdem unsere Tochter den Aufsatz etwas niedriger gestellt hatte, der Größe meines Mannes angepasst, registrierten wir glücklich, dass er mit der Sitzerhöhung und den Stützgriffen rechts und links gut zurechtkam. Er brauchte nur meine Hilfe beim Rein- und Rausfahren, weil der Raum zu eng war, um den Rollstuhl zu drehen, aber sonst funktionierte alles ausgezeichnet.

Ich schüttete Kaffee auf, und dann saßen wir zu dritt am Wohnzimmertisch wie in alten Zeiten und ließen uns die Teilchen schmecken, die ich vorher beim Bäcker geholt hatte.

Das Wegräumen der Sachen, die mein Mann im Heim gehabt hatte, dauerte danach noch eine Weile, weil sie an verschiedene Stellen in der Wohnung gehörten. Aber das störte ihn nicht. Er probierte in der Zeit den Fernseher aus und stellte zu seiner Freude fest, dass er auch damit wie früher gut zurechtkam.

Wir erhielten noch Besuch an diesem Tag, unsere jüngere Tochter mit ihrer Familie. Der Erste, der eintraf, war unser vierzehnjähriger Enkel, der sich gleich darangab, die Fußstützen an dem neuen Rollstuhl tiefer zu setzen; die waren bis dahin ziemlich unbequem gewesen. Während er damit beschäftigt war, traf unsere Tochter mit ihren beiden Jüngsten ein und gegen 18 Uhr unser Schwiegersohn. Ihn bat ich, die Wechseldruckmatratze, die mein Mann nötig hatte, aufzupumpen. Wir hatten im Heim das Ventil geöffnet, so dass Luft entwich und wir sie transportieren konnten, ohne dass sie allzu viel Platz einnahm. Ich glaubte, sie müsste aufgepumpt werden. Das war aber nicht nötig. Als sie ans Netz angeschlossen war, pumpte sie sich automatisch von selbst wieder auf. Schon nach einer Viertelstunde konnten wir sie beziehen und das Bett fertig herrichten für die Nacht.

Ein wenig aufgeregt, wie es mit dem Zu-Bett-Gehen klappen würde, war ich schon. Aber auch das war kein Problem. Nach Toilettengang und Zähneputzen schob ich den Rollstuhl nahe ans Bett, mein Mann stellte sich, ich gab ihm die Hände, so dass er sich mit einigen kleinen Schritten quer vor das Bett positionieren und ich ihm die Hosen ausziehen konnte. Alles Weitere war im Sitzen möglich, das Hemd auszuziehen, seinen Rücken mit Franzbranntwein einzureiben und ihm das Schlafanzugoberteil anzuziehen.

Etwas schwierig war es für ihn, sich hinzulegen. Aber auch das ging gut mit einigen Fehlversuchen. Er warf sich nach hinten, wobei sich seine Beine von selbst mit anhoben, und ich brauchte nur in diesen Schwung hineinzugreifen und die Beine Richtung Wand zu drücken. Sie mit meiner Kraft hochzuheben hätte ich bei meinem lädierten Rücken nicht geschafft, aber so, wie geschildert, klappte es gut. Der Hausarzt, der ein paar Tage später vorbeikam, war ganz begeistert, als er uns zuschaute. „Ich habe ja nicht gedacht, dass Sie zwei das so gut schaffen“, sagte er, „aber Sie machen das wirklich gut.“

Als mein Mann lag, wusch ich seinen Unterleib, entfernte den Tages-Urinbeutel und schloss den größeren Nachtbeutel an. Außerdem musste ich wegen der Körperfülle meines Mannes überall dort, wo Haut auf Haut lag, Streifen von Mullkompressen anbringen; das war jeden Abend und jeden Morgen nötig.

Wir schauten uns noch die Tagesschau an. Aber dann war mein Mann müde – er bekam ja auch regelmäßig neben seinen Abendpillen eine Schlaftablette –, und so sagten unsere Tochter und ich ihm gute Nacht und setzten uns für den Rest des Abends in die Küche.

In der Nacht rief mein Mann einmal. Ich fuhr hoch, schlüpfte rasch in meine Hausschuhe und ging hinüber zu ihm. „Ich bekomme schlecht Luft“, sagte er. Ich wusste, was ich zu tun hatte; der Physiotherapeut hatte es mir gezeigt. Mein Mann musste sitzen. Hochhieven konnte ich ihn nicht, aber ich hielt ihm meinen Arm hin, und so konnte er sich selber daran hochziehen und sich mit einer Hand abstützen. Nun klopfte ich ihm den Rücken ab, was ihm sehr guttat.

Als mein Mann wieder lag, verschwand auch ich wieder rasch im Bett, konnte aber lange Zeit nicht einschlafen, da meine Füße von dem vielen Stehen und Gehen am Tag brannten …

Pflegefall – der Weg nach Hause

Подняться наверх