Читать книгу Rucella Wurzelbein - Gisela Schießl - Страница 5
Der Frühjahrsputz
ОглавлениеEs war Frühjahr …. Noch etwas kalt, aber die Sonne lachte schon am Morgen durch die dichten Tannen und durch das satte Grün der Laubbäume. Rucella war voll Tatendrang und wollte unbedingt ihren alljährlichen Frühjahrsputz machen. Überall war Schmutz und Staub: An den Vorhängen, auf dem Boden, Spinnenweben in den Ecken und auch der Kamin war total verrußt. Aber schon nach kurzer Zeit, setzte sie sich auf ihr Bett, schaute sich nach allen Richtungen umher und machte sich gedanklich schon einmal einen Plan, mit was sie anfangen sollte. Zu allererst schürte sie den Kamin an und füllte den großen Kessel mit Wasser.
„Erst einmal eine schöne Tasse Ingwertee, damit ich in Fahrt komme!“ ermutigte sie sich.
Nachdem sie den Tee in ihrer bauchigen Teekanne mit heißem Wasser aufgoss, schenkte sie sich das dampfende Kräuterwasser in eine Tasse und schlürfte genüsslich daran. Dabei sah sie sich immer wieder umher und begutachtete ihre Stube.
„Hmm, wäre meine Freundin Esmeralda da, würde der Frühjahrsputz natürlich schneller von statten gehen. Aber so …. und ohne die Zauberkunst einzusetzen …. wird es schon anstrengend“ musste sie sich eingestehen.
Trotz anfänglicher Lustlosigkeit band sie sich ihre Schürze um, räumte alle leichteren Möbelstücke in eine Ecke und begann die Vorhänge abzunehmen. Die waren so pechschwarz, dass sie sie in viel Wasser einweichen musste. Und in den Spinnenweben saßen teilweise sogar noch die Spinnen mit ihrer Beute!
„Puh, was für eine Arbeit!“ stöhnte Rucella. „Und wie ekelhaft“ fügte sie noch hinzu.
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür.
„Hallo Esmeralda! Schön, dass du da bist! Du kannst mir gleich helfen!“
Ihre Freundin, Esmeralda Knollenstein, wohnte gar nicht allzu weit weg von Rucella. Ab und zu besuchte sie ihre Freundin. Und jedes Mal, wenn die beiden zusammen waren, hatten sie viel Spaß miteinander!
„Was treibst du denn, Rucella?“ fragte Esmeralda.
„Na, siehst du doch, ich mache meinen Frühjahrsputz! Aber setz` dich ruhig, ich habe einen frischen Ingwertee gemacht!“
Auch Esmeraldas Blicke wandern in der Hütte umher.
„Das ist aber viel Arbeit!“ stellte Esmeralda fest.
„Darum bin ich ja so froh, dass du hier bist!“ flötete Rucella. „Gemeinsam geht es viel schneller“!
Während Esmeralda sich um die Vorhänge kümmerte und auch die Teppichläufer zum Ausklopfen nach draußen brachte, wedelte Rucella die Spinnweben von der Decke. Danach riss sie alle Fenster auf. Denn wenn sie erst einmal den Kamin sauber macht, dann fliegt die Asche und der Ruß nur so umher. Genau so war es dann auch. Kaum hatte sie mit dem kleinen Handreisigbesen den Kamin ausgekehrt, schon wirbelte der Staub nur so umher und die Asche setzte sich auf dem Boden ab. Rucella war schwarz an den Händen, Armen und im Gesicht.
Und von den kleinen Blümchen auf ihrer Schürze war nicht mehr viel zu sehen.
Esmeralda kam ins Haus um einen kleinen Schluck zu trinken und fragte erstaunt: „Wieso nimmst du eigentlich nicht den Besen und lässt ihn die Arbeit machen?“
„Das ist eine sehr gute Idee, aber wo habe ich ihn nur hingestellt!?“ sinnierte Rucella. „Ha, zuletzt habe ich ihn unter dem Bett gesehen! Dort müsste er eigentlich noch sein!“
Tatsächlich lag der Besen noch an Ort und Stelle. Der Besen war sowohl Haushaltsgerät als auch ihr Fluggerät.
„Wenn ich den Besen zum Tanzen bringe, dann gibt`s aber eine ordentliche Staubwolke!“ sprach sie mit sich.
Mit gekonnten Fingerbewegungen beschwor sie den Besen, er möge durch die Hütte wirbeln, doch irgendwie klappte der Versuch nicht. Esmeralda bog sich vor Lachen, weil Rucella immer wieder versuchte, dem Besen Leben einzuhauchen. Rucella war ja eigentlich sehr geduldig, aber die Geduld verwandelte sich schon bald zu Ärger.
„Ich kann doch nicht so eingerostet sein! Das muss doch funktionieren!“ wetterte sie.
Esmeralda hielt sich schon den Bauch vor Lachen!
„Rucella, das kommt davon, wenn man die Hexenkunst so selten anwendet! Du solltest mehr üben!“
Rucella konnte das gar nicht verstehen.
„Ich habe schon die wildesten Ritte mit dem Besen gemacht, sogar in einem Wettbewerb den 1. Platz belegt und schon viele tausend Male die Hütte damit gefegt!“
„Naja, irgendetwas musst du ja falsch machen!“ erfreute sich Esmeralda.
Je mehr sich Esmeralda lustig machte, desto wütender wurde Rucella.
„Ich bin also aus der Übung, findest du! Ich sollte mehr trainieren, findest du! Na warte, dir zeige ich, wie man zaubert …!“
Und schon verspürte Esmeralda eine Veränderung an sich. Rucella hatte ihr doch tatsächlich eine hässliche große Hakennase ins Gesicht gezaubert. Aus den Nasenlöchern ragten sogar schwarze lange Haare, die sich an den Enden kräuselten! Esmeralda schluckte kurz, war verstummt und schlug sich dann aber vor Lachen auf die Schenkel. Es artete so dermaßen aus, dass sie sich gegenseitig Hässlichkeiten ins Gesicht und an den Körper zauberten. Nachdem sie sich ausgetobt hatten, saßen beide auf dem Boden und lachten über die jeweils andere. Esmeralda hatte jetzt nicht nur eine große hässliche Hakennase mit langen Nasenhaaren, sondern dazu auch 8 riesige Warzen, jede Menge Leberflecke, ein Eselsohr, borstige kurze Haare wie ein Schwein und am Steißbein ein Stummelschwänzchen. Rucellas Augen traten wie bei einem Frosch heraus, sie bekam die Nase eines Ferkels, Zähne wie ein Pferd, Haare im ganzen Gesicht und einen Klumpfuß.
Beide Hexen kugelten sich vor Lachen auf dem Boden. Dabei kamen ihnen schon die Tränen, so sehr mussten sie lachen. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatten, machte jede der beiden Freundinnen ihre Verwünschung wieder rückgängig, denn es sollte mit der Arbeit weitergehen. Esmeralda hatte die Vorhänge gewaschen und auf die Leine gehängt und die Teppiche waren so ausgeklopft, dass man auch die Farbe wieder erkennen konnte. Rucella hingegen brauchte noch einige Ansätze, bis sie den Besen dazu brachte, den Boden abzuwirbeln.
Nachdem die Fensterbänke gereinigt waren, auch die Ecke, in die sie die Möbel schob, wieder im Glanz erstrahlte, die Ohrensessel entstaubt waren und auch wirklich alles wieder an seinem Platz stand, kam Rucella noch eine letzte Arbeit in den Sinn. Im vergangenen Jahr hatte sie bemerkt, dass ein kleines Bäumchen im Schornstein wuchs. Das wollte sie natürlich auch entfernen, damit der Rauch besser abziehen kann.
„Esmeralda, hilf mir doch `mal mit der Leiter!“
Rucella lehnte eine Leiter außen an die Hütte und wollte hinaufsteigen auf das Dach.
„Aber Rucella, du hast doch deinen Besen! Das ist viel sicherer!“ rief Esmeralda.
„Du hast Recht! Wir werden beide auf das Dach fliegen, um das Bäumchen aus dem Kamin zu entfernen!“
„Ja, wenn du den Zauberspruch noch beherrschst!“ feixte Esmeralda.
Beide Freundinnen gingen ins Haus und schwangen sich auf den Besenstiel. Rucella vorne, Esmeralda hinten. Die passende Zauberformel wurde ausgesprochen und der Besen erhob sich zögerlich in die Luft. Gerade als er schwungvoll zur Haustür hinausflog, um in einer langgezogenen Kurve zum Dach zu fliegen, fing er an zu bocken. Esmeralda schrie auf und krallte sich an den Stiel und Rucella wäre fast hinuntergefallen.
Sie bändigte jedoch den Besen und brachte ihn auf die richtige Flugroute. Der Besen setzte beide Frauen auf dem Dach beim Kamin ab, als wäre nie etwas vorgefallen. Rucella meinte noch grummelnd zu Esmeralda indem sie ihre Sätze wiedergab:
„Nimm doch besser den Besen …. der ist sicherer!“
„Ich kann ja nichts dafür, wenn du den Besen nicht richtig steuern kannst!“ wehrte sich Esmeralda beleidigt.
Für jede weitere Diskussion war jedoch keine Zeit. Beide Hexen sahen in den Kamin, an welcher Stelle genau das Bäumchen wurzelte. Es war gar nicht mal so weit weg von der Öffnung. Man musste sich nur etwas runterbeugen und eventuell auch strecken, und schon konnte es ausgerissen werden.
„Ich werde mich in den Kamin beugen und du, Esmeralda, wirst mich festhalten“ sagte Rucella.
Rucella beugte sie tief über und versuchte, das Bäumchen zu greifen.
„Ein kleines Stückchen noch!“ rief Rucella.
Um näher ranzukommen, streckte sie sich so über, dass sie mit den Füßen nicht nur den Halt, sondern auch einen Schuh verlor. Esmeralda wollte noch nach ihm greifen, doch da war es schon zu spät! Er rollte vom Dach …. und wie sollte es auch anders sein …. direkt in die Regentonne! Wenigstens hatte Esmeralda - in Anbetracht der Lage - noch rechtzeitig nach Rucellas Beinen gegriffen, sonst wäre sie durch den Kamin gefallen. Nur das Bäumchen hätte sie dabei eventuell noch auffangen können, was wohl eher unwahrscheinlich gewesen wäre.
Durch das tiefe Strecken konnte Rucella aber das Bäumchen greifen und mit mehreren Rucken ausreißen.
„Puh, das ist geschafft! Das hätte auch ins Auge gehen können!“ sagte Rucella erleichtert.
„Aber dein Schuh ist jetzt nass!“ stellte Esmeralda fest. „Wieso machst du es dir nicht leicht und zauberst?“
„Naja“, meinte Rucella nachdenklich, „die normalen Leute können doch auch nicht zaubern. Und ich möchte auch normal sein.“
An dieser Stelle scheiden sich die Geister bzw. als eingefleischte Hexe konnte Esmeralda das gar nicht verstehen. Das Bäumchen war zum Glück beseitigt, der Kamin war wieder frei und zufrieden könnten die Hexen eigentlich wieder vom Dach fliegen. Eigentlich. Beide Hexen setzten sich auf den Besen und schon erhob er sich in die Lüfte. Eine großzügige Kurve zurück Richtung Haustüre, doch der Besen tat erneut, was er wollte. Er sauste kurz vor der Eingangstüre wieder hoch in die Luft, schleuderte ein paar Mal hin und her und bockte. Rucella versuchte mit all ihren Künsten ihn wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Doch statt der Haustüre entschied sich der Besen scheinbar für ein Fenster. Nur gut, dass Rucella die Fenster so weit geöffnet hatte.
„Achtung! Kopf einziehen! Beine anlegen!“ konnte Rucella noch rufen und schon waren sie durch den Rahmen geflogen.
„Bremsen!“ schrie Esmeralda verzweifelt. „Brems doch ab!“
Aber es war zu spät. Der Besen donnerte mit voller Wucht an die Wand. Beide Hexen knallten zuerst an die Holzverkleidung und landeten schließlich unsanft auf dem Boden. Der Besen lag mit zerbrochenem Stiel und in einem ramponierten Zustand daneben.
Esmeralda und Rucella blieben nach diesem Absturz erst einmal auf den Boden liegen und mussten sich sammeln. Rucella befühlte ihre Stirn:
„Auweia! Das wird eine dicke Beule!“ meinte sie.
Esmeralda kam glimpflicher davon. Sie hatte ja als Puffer Rucella, die das Schlimmste verhinderte. Sie verstauchte sich nur den rechten Fuß.
„Rucella, bist du denn verrückt geworden? Du kannst froh sein, dass wir uns nicht ernsthaft etwas getan haben!“ wetterte Esmeralda.
Kleinlaut gab Rucella zu: „Ich sollte doch ein bisschen mehr üben!“
In ihrer Ehre gekränkt holte Rucella ihren nassen Schuh aus der Regentonne, kühlte sogleich mit dem Regenwasser ihre angeschwollene Stirn und nahm sich feierlich vor, so oft wie möglich mit einem neuen Besen zu üben. Die Sonne ging langsam unter, doch die Vorhänge wurden noch trocken. Schnell die Fenster schließen, die Teppichläufer platzieren und zum Abschluss noch die Vorhänge aufhängen. Geschafft! Rucella lud Esmeralda zum Dank noch zum Abendessen ein. Sie saßen noch lange zusammen und unterhielten sich über diesen Tag. So einen lustigen und auch aufregenden Frühjahrsputz hatte Rucella jedenfalls noch nie erlebt!