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Ein Besen mit menschlichen Zügen

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Rucella war gut von ihrem Einkauf nach Hause gekommen. Sie zog ihre alten Filzpantoffel an und packte ihren Einkauf aus. Die Gewürze sauber in Vorratsgläser gefüllt, einen neuen Docht durch eine ihrer Petroleumlampen gezogen und auch gleich mit Petroleum aufgefüllt, saß sie nun da und überlegte:

„Wie kann es nur sein, dass mein Besen so ausbricht und so ungehorsam ist?“ wunderte sich Rucella.

Sie hatte den zerbrochenen Besen aufbewahrt, denn als Handbesen würde er noch gute Dienste tun. Sie kroch unter ihr Bett und kramte die Besenteile hervor. Beide Teile schienen äußerlich in Ordnung zu sein. Gut, hier und da, war er etwas abgewetzt und so einige Reisigzweige fehlten auch schon. Naja, vielleicht doch etwas mehr Zweige. Doch dies wäre noch kein Grund gewesen, unkontrollierbar zu sein.

„Erst einmal ein Tässchen Tee. Dann sehen wir weiter“.

Gerade als Rucella ihre Spezialkräutermischung in der Kanne mit heißem Wasser übergoss, kam Esmeralda auf einen Plausch vorbei.

„Knollenstein, wo kommst du denn zu später Stunde her“ freute sich Rucella.

„Ach, ich sag`s dir Rucella, was glaubst du denn, was mir heute passiert ist!“

„Ich gieße dir erst einmal eine schöne heiße Tasse Tee ein und dann kannst du mir erzählen, was dir passiert ist! Denn, stell´ dir vor, mein Tag war auch nicht gerade langweilig!“

Esmeralda nahm einige Schlucke aus ihrer Tasse und fragte neugierig:

„Was hast du denn Aufregendes erlebt?“

Dabei lehnte sie sich interessiert vor und lauschte auf das, was da jetzt kommen möge. Sofort legte Rucella los und erzählte in ausführlicher Weise von ihrem Einkauf auf dem Markt, von dem schönen neuen Besen, der sich so unkompliziert fliegen lässt und nicht zuletzt von dem Jungen, dem sie einen bösen, einen wirklich bösen Streich spielte. Dabei sprang sie von ihrem Stuhl auf und stellte den Vorfall bis ins Detail nach. Esmeralda war sichtlich amüsiert von der Geschichte und der Tatsache, dass Rucella doch nicht so ganz auf die Zauberei verzichten kann.

„Ähmm, Rucella, warst nicht du diejenige, die wie ganz normale Leute leben wollte?“ rezitierte sie.

Kaum hörbar konterte Rucella: „Habe ich nie gesagt!“

„Ja, ja, das willst du nie gesagt haben! Rucella, du wirst nie ein normaler Mensch sein! Hätten normale Menschen die Fähigkeit des Zauberns, würden sie es auch zu ihren Gunsten einsetzen! Das lässt sich so gut wie gar nicht vermeiden!“

„Knollenstein, du hast Recht!“ musste Rucella eingestehen. „Ich werde nie ein normaler Mensch aber auch nicht wie eine typische Hexe sein!“ Ich bin eben ein ... ein Hexmensch!“

„Ja, du bist ein Hexmensch! Gutes Wort! Gefällt mir, Rucella!“ meinte Esmeralda anerkennend.

„Aber war das nicht etwas übertrieben, den Jungen mit einer Bananenschale zu Fall zu bringen?“

„Nö, gar nicht! Er hätte ja aufpassen können!“

Aufgrund der fesselnden Geschichte von Rucella, hätte Esmeralda fast vergessen, ihr eigenes Erlebnis zu erzählen. Doch sie lenkte das Thema geschickt in ihre Richtung.

„Schon als ich in der Frühe aufstand, ging alles los“ fing Esmeralda an.

Bereits dieser Satz versprach eine äußerst lustige Geschichte zu werden. Esmeralda passieren nun mal die komischsten Sachen. Rucella brachte sich schon `mal in eine entspannte Körperhaltung und hing schon wissbegierig an ihren Lippen.

„Du kennst ja meinen alten Kater „Stiefel“. Der hat heute Morgen nichts als Unsinn gemacht! Stell` dir nur vor, was passiert ist: Ich wache in der Frühe auf und sehe gerade noch, dass Stiefel wie wild durch die Stube saust. Ich rieb mir die Augen und setzte mich im Bett auf. Ich konnte mir gar nicht erklären, was in ihn gefahren ist.“

„Jetzt wird´s interessant!“ rief Rucella aus. „Sprich nur weiter!“

„Kurze Zeit später sitze ich gerade am Tisch und frühstücke, da kommt Stiefel angerannt, springt mit einem Satz auf den Tisch, rutscht auf der Tischdecke zur anderen Seite des Tisches und reißt dabei das schöne Porzellangeschirr meiner Mutter runter. Vor Schreck kippte ich fast vom Stuhl! Alles lag in Scherben: Die Kanne, die Tasse mit Untersetzer, ein Teller, die Obstschale aus Glas, die teure Blumenvase – na einfach alles! Ich rannte hinter ihm her und wollte ihn packen, doch er war eindeutig schneller! Vor Wut habe ich getobt, ihm die am Boden liegenden Blumen hinterhergeworfen und ihn beschimpft! Sogar mit wüsten Worten habe ich ihn bedacht! Als er sich scheinbar wieder beruhigt hatte, fegte ich die Scherben zusammen. Da spielte Stiefel erneut verrückt! Wie von einer Biene gestochen machte er einen Luftsprung hinauf zu seiner heißgeliebten Hängematte, guckte sich kurz um und hopste wieder auf den Boden. Da verschwand er dann unter meinem Bett! So hatte ich ihn noch nie erlebt! Es dauerte auch gar nicht lange da spurtete er wieder unter dem Bett hervor und sprang geradewegs in den Kettenzug meiner Uhr! Das muss man sich einmal vorstellen! Er krallte sich mit den Vorderpfoten am Pendel fest, mit den Hinterpfoten umklammerte er den Seilzug. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen! Und schon wieder brachte er meine Uhr zum Stehen! Jetzt war ich aber richtig sauer! Noch bevor er zum Sprung von der Uhr ansetzte, griff ich ihn mir. Ich packte ihn am Genick und wollte ihn zu mir herziehen, da fiel mir die Uhr auf den Kopf! Er hat sie förmlich mitgerissen! Hier, fühl` mal, wie groß meine Beule ist!“ forderte Esmeralda sie auf.

„Ja, ja, die ist wirklich gewaltig groß! Fast so groß wie eine Knolle“ feixte Rucella.

„Tolles Wortspiel, Rucella, wirklich, ganz toll“ bemitleidete sich Esmeralda.

„Ich kann`s dir sagen, daraufhin wurde mir schlagartig schlecht und musste mich erst einmal setzen! Zuvor jedoch brachte ich es noch fertig, Stiefel kurzerhand aus dem Haus zu schmeißen. Nachdem ich meine Beule gekühlt hatte, sorgte ich erst einmal in Ruhe wieder für Ordnung.“

„Magst du dir mein Holzgeschirr leihen?“ bot Rucella an.

„Nein danke. Das ist nett von dir, aber ich habe noch Ersatz.“

„Aber weswegen drehte Stiefel denn so durch? – Er ist ja doch mehr diese Art Kater, der einer Nackenrolle gleicht“ erkundigte sich Rucella.

„Auslöser für das alles war eine harmlose Maus. An meiner Wand unter dem Bett entdeckte ich ein kleines Loch. Und durch dieses Loch spazierte die Maus rein und raus.“

„Was!? Alles wegen einer Maus? – Wozu ist Stiefel denn ein Kater? – Das Jagen müsste ihm doch im Blut liegen!“

„Ich denke, Stiefel hat noch nie eine Maus gesehen“ meinte Esmeralda. Zumindest hat er auf seinen Streifzügen noch nie eine Maus mitgebracht.“

„Und was hast du dagegen gemacht?“ fragte Rucella neugierig.

„Einstweilen habe ich mein Bett so hingestellt, dass der Bettpfosten genau davorsteht. Jetzt muss die Maus eben draußen bleiben!“

„Und ist Stiefel wieder im Haus oder hast du ihn zur Bestrafung draußen lassen?“

„Er kratzte ja schon herzerwärmend an der Tür, sodass ich ihn wieder rein ließ. Aber erst nachdem ich mich wieder beruhigt hatte. Momentan liegt er neben dem Bettpfosten und hält ein scharfes Auge Richtung Wand.“

„Aber wieso liegt denn der kaputte Besen herum?“ stellte Esmeralda erstaunt fest.

„Ach ja, mein alter Besen! Ich wollte ihn nochmal genauer anschauen, weshalb er so ausgebrochen ist. Ich kann aber nichts Außergewöhnliches feststellen.“

Esmeralda schob Rucella zur Seite und meinte „lass mich `mal, ich bin Expertin, wenn es um Besen geht“.

Esmeralda hob die Besenstücke auf, begutachtete sie, zupfte hier und da und brach danach in schallendes Gelächter aus:

„Ha! Ha! Ha! Ich wusste es …. Ich wusste es …“

„Knolle, was wusstest du?“ fragte Rucella verdattert.

„Naja“ setzte Esmeralda erneut an: „Dein Besen und mein Stiefel haben eines gemeinsam! Die pure Angst! Mein Stiefel vor Mäusen und dein Besen vor Spinnen!“

„Du bist ja nicht ganz gescheit!“ meinte Rucella und rollte dabei mit den Augen.

„Ja Rucella, wenn ich`s dir doch sage, dein Besen hat ganz normale menschliche Züge. Die meisten Menschen haben Angst vor Spinnen und dein Besen eben auch!“

„Sowas habe ich ja noch nie gehört! Was für ein Unsinn!“

„Glaub` mir, Rucella, das ist so. Schau her, hier an den Reisigzweigen kannst du genau sehen, dass alte Spinnweben dran sind. Die Spinne muss auch da gewesen sein. Die ist eben bei unserem Sturz abgefallen. Außerdem hattest du den Besen unterm Bett gelagert. Da ist es doch völlig normal, dass sich eine Spinne darin verkrochen hat! Du hast die besondere und sehr seltene Sorte Besen gehabt, die überängstlich ist. Eben ein Besen mit ganz normalen menschlichen Zügen!“ witzelte Esmeralda.

„Hmm, soll man so etwas glauben!?“ sinnierte Rucella. „Und wo ist denn die Spinne hin? – Da läuft einem doch glatt das Essen davon! Die hätte man noch brauchen können!“

Insgeheim zweifelte Rucella an Esmeraldas Erklärung. Doch möglich wäre natürlich alles. Sie beschloss jedenfalls für sich, den neuen Besen vor anstehenden Flügen immer auf Spinnen und anderem Getier zu untersuchen – rein vorsichtshalber. Und außerdem schadet es nichts, wenn die Vorratskammer immer gut gefüllt ist.

Rucella Wurzelbein

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