Читать книгу Billy Rollins und der Kampf ohne Gnade: Western-Roman - Glenn Stirling - Страница 6
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ОглавлениеDas neue Herdencamp der Herz-Ranch liegt einen Tagesritt von dem Hauptbetrieb entfernt. Oben in den Bergwäldern befindet es sich, auf einer riesigen Lichtung. Hier steht das Blockhaus, in dem die Cowboys schlafen. Nachts wird auch die Herde hierher getrieben.
Es ist Nacht, als der athletische Dick Hanson auf seinem Weißfuchs „Diamant“, dort anlangt. Der Vollmond taucht die Weide in einen silbernen Schein. Wie eine dunkle Insel liegt die Masse der ruhenden Rinder darin. Schon von Weitem hört Dick den monotonen Singsang der beiden Herdenwächter. Dieser eintönige Gesang beruhigt die Rinder; sie wissen, dass der Mensch für sie wacht.
„Wer ist da?“, wird Dick von einem Cowboy angerufen.
„Dick Hanson!“, gibt Dick sich zu erkennen.
„Oh, es ist unser Athlet!“, ruft der Cowboy zurück und reitet näher an Dick heran. „Lange nicht mehr geseh‘n, alter Knabe!“
„Wo sind die anderen?“, fragt Dick den kleinen Cowboy.
„Sie liegen im Blockhaus! Charly schnarcht wieder mit Little Egg um die Wette!“
Inzwischen ist der zweite Reiter herangekommen. „Hallo, Dick!“
„Hallo, Len!“, erwidert Dick den Gruß.
„Erzähl uns was Neues, Junge! Hier oben erfährt man alles erst ein Jahr später!“, sagt Len.
„Ich habe keine Lust, euch hier mitten in der Nacht Romane über den neuen Unterrock von Tante Mary zu erzählen!“, erklärt Dick.
„Dann soll dich der Kuckuck holen, du Stier! Hast du wenigstens guten Tabak?“, fragt Shorty mürrisch, weil Dick ihnen keine Neuigkeiten berichten will.
Dick lacht rau. „Hier“, sagt er und reicht Shorty seinen Tabaksbeutel.
Sofort bringt Shorty eine Pfeife zum Vorschein und stopft sie. Er stopft sie so voll, dass es Dick trotz der mäßigen Sicht auffällt. „Damned, lass noch was drin!“, schimpft er.
„Kann ich auch stopfen. Dick?“, fragt Len freundlich. „Meine Pipe ist nicht so groß wie dem unverschämten Shorty sein Hochofen!“
Dick knurrt: „Stopft eure Kocher und geht damit zur Hölle! Solche Aussauger wie ihr sind mir im Leben noch nicht vorgekommen!“ Als Shorty immer noch versucht, in seine Pfeife etwas hineinzupressen, wird Dick wild. „Du hast ja schon bald einen Zentner drin, zum Teufel, nun hör wieder auf! Wollt ihr mich ruinieren?“
Shorty lacht und gibt Len den Beutel. Dick glaubt seinen Augen nicht trauen zu können, als er sieht, dass Lens Pfeife mindestens noch einmal so groß ist wie die Shortys.
Als Dick schließlich wieder in den Besitz seines Beutels gelangt, reicht der Inhalt gerade noch für eine knappe Pfeife.
Dann zünden sich die Boys ihre Pfeifen an. Dabei sieht Dick die wettergegerbten Gesichter seiner Kameraden. „Habt ihr kein Wasser hier oben?“, fragt er und tippt Shorty an seinen Stoppelbart.
„Warum?“, fragt Shorty; er hat noch nicht begriffen, was Dick damit sagen will.
„Ein Glück, dass ich keine Lady bin, Boys! Seid verdammt schlecht rasiert! Schätze, dass sie euch unten in Cortez gleich anseilen, wenn ihr so hinunterreitet! Ein Igel ist ‘n aalglattes Tier gegen euch beide Stachelschweine!“
„Hoho, seht nur einmal diesen eitlen Pfau an!“, empört sich Len. „Er kommt von der Ranch wie ein Truthahn so stolz, und nun will dieser Grizzly uns zu Gentlemen erziehen!“
„Len, mach nicht so ‘n Krach, du machst das Vieh wild!“, brummt Shorty seinem Kameraden zu. Tatsächlich beginnt eine Kuh zu brüllen. Die laute Unterhaltung der Männer scheint sie in ihrer Nachtruhe gestört zu haben.
„Ich werde wild, wenn dieser Gorilla mir altem, bewährtem Mann Vorschriften erteilen will! Ich schabe meinen Pelz, wann ich es will, klar?“ Len, der immer etwas gereizt ist, faucht empört wie ein Puma.
„Reg dich wieder ab, Kleiner!“, beruhigt ihn Dick, und dabei grinst er übermütig. Dann treibt er seinen Fuchs nach der Hütte zu.
„Der Seilcorral ist etwas weiter hinten! Bei dem Hackberrybaum, Dick!“, ruft Shorty ihm nach.
„Lass diesen Nashornbullen in die Hölle reiten!“, schimpft Len.
Dick kennt seine Freunde. Er weiß, dass ihre rauen Scherze nicht so gemeint sind, wie sie ausgesprochen werden. Es ist eben ihre Art. Er bringt „Diamant“, in den Seilcorral und sattelt ihn ab. Die übrigen Pferde springen scheu auf und traben in die hintere Ecke.
Dick blickt zu der Hütte hinüber, die wie ein schwarzer Binde in der silbrig erhellten Weide liegt. Die beiden Hackberrybäume davor sehen aus wie zwei Riesen, die hier wachen.
Mit dem Sattel auf der Schulter stapft Dick zur Hütte hin. Schon vor der Tür hört er das Schnarchen der Männer. Einer spricht im Schlaf, anscheinend träumt er von einer Frau, denn er nennt immer ihren Namen. Dick grinst. Wie oft hat er das schon alles erlebt. Stets spürt er den eigenartigen Reiz jener Stimmung, die von solchen Camps ausgeht. Dick ist schon immer lieber auf dem erbärmlichsten Camp gewesen als auf der Ranch, wo der Cowboy zwar mehr Annehmlichkeiten hat, dafür aber nicht jene wilde Freiheit wie im Lager. Hier sind die Männer ganz unter sich, und raue Späße, die sich die Cowboys auf der Ranch oft verkneifen müssen, können hier an den Mann gebracht werden.
Dick öffnet die Tür. Eine Welle warmer, stickiger Luft schlägt ihm entgegen. Jetzt spürt er, wie empfindlich kalt es nachts ist. Im Raum ist es stockfinster. Dick muss aufpassen, dass er nicht auf einen Schläfer tritt, denn die Männer liegen auf ihren Decken über den Boden der Hütte verteilt. Betten gibt es im Camp nicht.
„Was für ‘n Gorilla stapft denn da ‘rein?“, knurrt eine Stimme. Irgendeiner der neun Männer, die hier schlafen, ist munter geworden. Er muss die Umrisse von Dicks Gestalt in der Tür gesehen haben.
Dick lacht „Penn weiter, Kamerad!“ Er legt seinen Sattel zu Boden und will gerade seine Decke ausbreiten, als er aus Versehen einem Schlafenden auf die Hand tritt. Der Mann wird augenblicklich wach. Er brüllt wie ein angeschossener Stier.
Im Nu wird die gesamte Mannschaft munter. Ein wüstes Geschimpfe hebt an.
„Ein Saurier hat meine Hand zerquetscht!“, heult der Mann, dem Dick auf die Hand getreten ist. „Uh, es muss ein Urvieh gewesen sein, verdammt und zugenäht!“
„Welcher blöde Hengst macht denn solchen Lärm?“ ächzt ein anderer. „Werft dieses Stinktier hinaus!“
Dick sagt gar nichts, sondern lacht nur verhalten. Dann legt er sich auf seine Decke.
Aber der Aufruhr legt sich noch lange nicht.
„Hier neben mir liegt dieses wilde Tier, das mir auf meine Hand getreten ist!“, brüllt Dicks Nachbar.
„Dann spieß ihn auf und schmeiß ihn ins Feuer, zum Teufel!“, ruft ein anderer. „Nur halte endlich deinen Rand! Wer soll denn als anständiger Mensch bei euch brüllenden Greenhorns noch ein Auge zutun?“
„Ruhe, sage ich!“, lässt sich plötzlich Phil Morel, der Herdenboss, vernehmen. „Ihr sollt endlich eure Mäuler halten! Morgen geht‘s wieder früh raus, und da mault ihr herum!“
Augenblicklich herrscht Stille. Das Wort des Vormanns gilt in diesem Lande der rauen Männer mehr als irgendein anderes.
Aber Little Egg, der kleine glatzköpfige Cowboy, muss noch seinen Senf dazugeben: „Es gibt nur einen Mann, der so ‘ne Figur hat wie dieser zweibeinige Bulle, der eben zur Tür ‘reinkam und uns mit seinen mächtigen Quadratlatschen zu Brei stampfen will! Das ist Dick Hanson, der missratene Sohn des alten Schmieds Hanson aus Kentucky.“
„Halt deinen Rand!“, knurrt einer der Männer.
Doch Little Egg ist nicht still. „Ich möchte wetten, dass ich recht habe! Hat keiner ein Streichholz, damit ich es euch zeigen kann? Bestimmt liegt er jetzt auf seinem dicken Bauch und lacht sich einen Ast, weil wir uns so aufregen!“
„Little Egg, wenn du nicht sofort ruhig bist, musst du morgen Pfähle anspitzen!“, droht Phil, der Vormann, dem vorlauten Cowboy.
Aber auch diese Drohung mit einer bei den Cowboys höchst unbeliebten Arbeit lässt Little Egg nicht schweigen.
„Ich habe ihn geseh‘n! Es ist mein Recht, nachzuprüfen, ob meine Vermutung stimmt!“, ereifert sich Little Egg. „Vielleicht ist es ‘n Bandit, der sich hier ‘reingeschlichen hat?“
„Du bist auch so ‘n Bandit, du!“, höhnt einer der Männer, die vergeblich zu schlafen versuchen.
Jetzt wird Phil Morel wütend. „Wenn du deinen Rand nicht sofort hältst, Little Egg, dann komme ich zu dir rüber und mache dich zu Frikassee!“
Dick lacht leise. Er beschließt, nun auch noch seinen Teil zur Aufregung zu überbieten. „Macht doch endlich die Klappen zu! Wer soll denn da noch schlafen?“, schimpft er mit Bassstimme, als wäre er gerade aus tiefem Schlafe erwacht
Ein allgemeiner Entrüstungsschrei ist die empörte Antwort. „Und er ist es doch!“, kreischt Little Egg in höchsten Tönen. „Ich wusste es!“
„Licht anmachen! Ich werde ihn umbringen! Damned, in einer Stunde muss ich an den Kochofen! Dieser höllische Bandit hat mich um meinen Schlaf gebracht! Licht an, sage ich! Ich werde diesen Bullen zerlöchern!“
Für Dick gibt es keinen Zweifel, wem diese Stimme gehört Nur Lin, dem ebenso streitlustigen Bruder Lens, kann der Sprecher sein. Lin verrichtet hier im Lager unter anderem auch den Kochdienst, weil er diese Kunst am besten von allen beherrscht. Dick lacht laut auf.
Plötzlich zündet jemand ein Zündholz an. Es ist Little Egg, der schließlich die Petroleumfunzel in Gang bringt.
Schon springt Lin in der Hütte herum und fuchtelt wild mit den Armen. „Umbringen werde ich dich, du Elefant!“, grölt er und will zu Dick hinüber. Aber dazwischen sitzen und liegen noch sechs Männer. So ohne Weiteres kommt Lin nicht über sie hinweg. Als er einem aufs Bein tritt, bekommt er einen Tritt ins Rückgrat, Lin stolpert und fliegt lang auf die Bäuche der Liegenden.
Binnen weniger Sekunden ist an jener Stelle nur noch ein Knäuel sich raufender Männer in Unterhosen. Der Lagerkoch Lin bekommt mächtige Prügel.
Dick sucht sich leise einen anderen Winkel, und ohne auf die raufenden Männer zu achten, nimmt er seine Decke und den Sattel und legt sich hin. Er ist der einzige, der sich nicht mit herumbalgt.
Phil, der Vormann, ist mitten in dem Gewühl.
Plötzlich geht die Tür auf, und kalte Nachtluft zieht herein. Len und Shorty kommen, um ihre Ablösung zu rufen.
Das „Schlachtfeld“ sieht verheerend aus. Kleidungsstücke liegen in Knäueln herum, Sättel, Männer und Stiefel bedecken die übrige Fläche. Lin, der Lagerkoch, sitzt wie ein geschlagener Feldherr auf einem Sattel und versucht krampfhaft, seine zerfetzte Unterhose zusammenzuhalten. Little Egg hat sich mit dem Haar in einer Schnalle von Phils Zaumzeug verheddert und schimpft wie ein Frachtkutscher. Phil selbst ist dem Kamin zu nahe gekommen und hat das Gesicht voller Ruß.
Len und Shorty müssen sich zusammenzureißen, um nicht laut zu lachen, doch das können sie sich nicht leisten, es hätte ihnen ebenfalls „Mannschaftskeile“, eingebracht.
Nur einer liegt still in seiner Ecke und schläft: Dick Hanson.
Phil Morel sieht es und blickt grimmig auf Dicks breiten Rücken. „Dieses Ungeheuer liegt tatsächlich in ‘ner Ecke und schlummert wie ‘n Bär im Winterschlaf!“, heult er wütend. Seine Hände sind zu Fäusten geballt.
„Woll‘n wir ihn durchdrehen?“, ruft Little Egg, der inzwischen sein Haar befreit hat.
Phil Morel winkt müde ab. „Wir würden noch mehr Prügel beziehen, als wir uns gegenseitig verpassen könnten!“
„Umbringen! Erschießen! Erledigen! Aufhängen!“, jault Lin. Niemand weiß, wen er mit seinen Worten meint. Lin ist ein geschlagener Mann, aber wer ihn kennt, der weiß, dass der Lagerkoch jetzt erst richtig zufrieden ist. Er braucht diese Schlägerei wie ein anderer von Zeit zu Zeit einmal ein Glas Bier oder einen Whisky Soda nötig hat.
Als Shorty und Len ihre Decken ausbreiten – die ablösenden Cowboys sind schon draußen – wird es wieder ruhig. Die Männer suchen ihre Decken zusammen und legen sich wieder hin, um noch etwas Schlaf zu erhaschen.
Dick schläft schon fest in seiner Ecke und schnarcht so laut und dröhnend, dass Little Egg entsetzt aufseufzt.
Phil bläst die Lampe aus, und alles ist wieder wie zuvor.