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2. Kapitel

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Und es ist jetzt die Zeit zwischen Abend und Morgen und Geisterstunde. Und ich bin bereit für diesmal vielleicht mit oder ohne Geister, je nach Befindlichkeit und offen für heikle Überraschungen mit Folgen für alle Beteiligten. Und wer war Friedrich von Bodenstedt? Ein Schriftsteller von 1810 bis 1892, der den Dichternamen Mirza Schaffy hatte. Er soll so etwas Ähnliches gesagt haben, wie: „Wenig große Lieder bleiben, mag ihr Ruhm auch stolzer sein, doch die kleinen Sprüche schreiben, sich ins Herz des Menschen ein. Schlagen Wurzeln, treiben Blüte, tragen Frucht und wirken fort. Wunder wirkt oft im Gemüte ein geweihtes Dichterwort“. Und das hört sich großartig an, so dass ich dabei mitwirken möchte. Aber wenn sich das folgende Gedicht von mir nun nicht in die Herzen und Seelen der Menschen liest, habe ich nicht das erreicht, was Mirza Schaffy in dem Glauben, dass es so ist, versprochen hat. Aber ich möchte es trotzdem versuchen. „Monster gibt es überall und Gespenster auch. Beide Spezis haben Angst und Schrecken in Gebrauch. Monster gruseln tüchtig und Gespenster spuken. Nachts sind Monster flüchtig, überwinden Luken. Am Morgen sitzen sie am Tisch, man sieht sie in den Läden, sie fahren Bus und ärgern fies und das durchaus verwegen. Kein Gespenst mag helles Licht, sie heulen und krakeelen, auch wenn man will, man sieht sie nicht, kann sie deshalb nicht zählen. Verstecken sich in allen Zimmern, sie kriechen durch die Fenster, ein schaurig, nächtlich Gruselwimmern, das machen nur Gespenster. Sie stürmen Fliegengitter, nichts nützt die Mausefalle, Erfahrungen sind bitter, das wissen wir doch alle. Ein Monster sein, auf Erden, dann wird man Ängste los, selbst ein Gespenst zu werden, sehr fies und rigoros“. Wenn das nicht in die Herzen geht, dann geht es vielleicht ein klein wenig in einige Köpfe, wenn man zwischen den Zeilen etwas entdeckt. Mal sehen! Eigentlich sollte ich die Nacht nicht zum Tag machen und in dieser Dunkelzeit mit geschlossenen Augen in tiefem Schlaf daliegen und vielleicht etwas träumen. „Was macht die Nacht, wenn du nicht schlafen kannst, Unruhe schafft und mit des Schlafes Bruder tanzt? Wenn sie lauert, die Müdigkeit bis zur Weißglut reizt, dich nicht bedauert und nicht mit ihrem Nachtblei geizt? Zählst die endlosen Stunden mit ihr, verschwendest die Gedanken? Du Störenfried in ihrem Revier, wirst du dich mit ihr zanken? Siehst die Schuld allein bei ihr und wiegt dein Vorwurf schwer? Oder meinst du dann ein Wir, erfährst nur Gegenwehr?“ Reimend frage ich mich, wie die Nachtgeschichte weitergeht. Und sie geht tatsächlich sofort weiter. „Dringt das Gewissen ins Geschehen? Wer ist irgendwann gescheiter und lässt das Spiel zu Ende gehen? Die Nacht ist kein Tag, du erlebst sie hellwach und pur. Die Nacht tut, was sie vermag, hat auch ihre Stunden nur. Hoffst du auf das Morgenlicht, die jeder Nacht das Dunkel raubt, worauf verlegst du das Gewicht und welcher Vorwurf ist erlaubt? Kommt die Geduld auf leisen Sohlen und schiebt die Nacht dann vor sich her, um sie auch diesmal abzuholen, bis zu ihrer Wiederkehr?“ Und genauso ist es, ich bin hellwach und allein mit diesem Wortschwall aus meinem Hirn, den ich in meinem Bett sitzend, aufgeschrieben habe und jetzt friere. Tag hat schon begonnen. Und es ist genau dieser Tag, für den ich mich spontan entscheide, weil es mich drängt, einmal zu versuchen, alles, was während der nächsten vierundzwanzig Stunden in meinem Kopf herumgeistert und von außen noch dazukommt, zu komprimieren, ohne darüber zu spekulieren, ob der Tag, der diesem folgt, für mein Vorhaben vielleicht noch mehr Potential hergeben würde und dadurch effektiver wäre. Oder ein Tag in der nächsten Woche oder im nächsten Monat, eventuell im Juni. Und wer glaubt, es wird jetzt geistig hochtrabend, der wird sicherlich enttäuscht, denn dieser Tag wird bestimmt so profan, wie viele andere davor und noch folgende Alltage. Und unsortiert und ohne Zusammenhänge wird es sein, so, wie es mir gerade in den Sinn kommt. Sozusagen schriftlicher Smalltalk. Die Idee mit diesem einen Tag kam mir gerade eben und bei vollem Bewusstsein. Dazu muss ich klarstellen, dass ich mehr Zeit dafür brauche, als diesen einen Tag. Meine Schreiberei wird sich über Wochen hinziehen, bis daraus ein Buch entstanden ist.

Ich liege gut zugedeckt, auf kühlem Laken, und meine Augen wandern mit diesem Vorhaben aufmerksam durch die seltsame, stille Licht- und Schattenwelt dieser doch so vertrauten Umgebung. Und ich stelle fest, dass diese vier Wände für mich nachts schon immer wie ein Abendteuer hätten sein können. Auch mystisch, wenn der Vollmond sein silbernes Theaterstück aufführt und unkompliziert und gemächlich mit seiner Helle erst durch das Fenster, dann über den Fußboden kriecht und eine ganze Weile auf meinem Kopfkissen verweilt. Und das nicht, weil es so gemütlich ist, sondern weil er gar nicht weiß, dass er auf seiner Reise bei mir Rast macht. Es interessiert ihn nicht, so einfach ist das. Er wird wahrscheinlich in vielen anderen Zimmern und auf manchem Kissen sogar lästig sein. Und ich nehme an, nicht nur in den Betten, auch auf Sofas und Bettvorlegern oder Teppichen und Auslegewaren. Neugierig wandert er über Buchrücken in dunkelbraunen Schrankwänden und klebt eine Weile mit seinem Licht an Hausfassaden, wie Straßenlaternen das immer tun, sobald es dunkel wird. Es gibt aber auch Menschen, die können den Vollmond nicht leiden. Doch mich fasziniert er immer wieder. Stundenlang kann ich ihn anschauen, und ich möchte ihn anheulen wie ein Wolf. Warum? Vielleicht aufgrund einer Erinnerung an ein früheres Leben? Wer weiß das schon. Es gibt so viele Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir uns nicht erklären können. Und nicht nur darum liebe ich die Vollmondnächte, dieses großartige, atemberaubende, magische Licht- und Schattenspektakel aus dem Universum. Ich sehne diese hellen, schattenreichen Nächte herbei, weil sie mich inspirieren. Mein Gehirn läuft dann auf Hochtouren, und meine Begeisterung hält sich überhaupt nicht in Grenzen. Dann muss ich etwas tun und schreibe bis ins Morgenrot. Da turnen Worte und eilende Zeilen, ohne Halt auf Linien zu finden, schnurstracks in das Notizbuch, das in ständiger Bereitschaft auf meinem Nachttisch liegt. Dann wird der leuchtende Trabant zu meiner Muse: „Mond, ich schließe nicht die Lider, wenn ich von dir träumen will. Mit dir kommt die Sehnsucht wieder und das wahre Glücksgefühl, wenn dein Silber mich verführt und dein Licht mein Herz berührt. Wenn du mich in dunkler Stille, mit auf deine Reise nimmst, wenn sich doch mein Traum erfülle, doch das ist ein Hirngespinst. Mond, ich schließe nicht die Augen, fühle mich mit dir verbunden, aber ich muss wieder glauben, DU hast mich noch nicht gefunden. (Damit meine ich, dass er mich nicht kennt, und das wird ja auch nie geschehen, aber ich will keine wehmütige Stimmung und es geht weiter). Mond, ich schließe nicht die Lider, eine Träne glänzt im Licht, tröstlich ist, ich seh’ dich wieder, und ich weiß schon, wann das ist“. Ende!

Nun bin ich ein wenig abgeschweift und kehre gedanklich zurück ins Nachtzimmer, dessen spannende Abwechslung ich bisher nur als normal und nicht als großartiges Erlebnis erkannt und verpasst habe. Und ich werde zunehmend neugierig auf diese stille Dunkelwelt, an die sich meine Augen schnell gewöhnen. Über mir gibt es keine gewöhnliche Zimmerdecke. Nein, es gibt überhaupt keine Decke, sondern eine ganz erhebliche Höhe bis in die Dachspitze mit vielen, dicken Balken, die sich nicht nur nach oben strecken und an der Dachkonstruktion beteiligt sind, sondern drei von ihnen sind mit großen Abständen auch eine unbedingt erforderliche Stütze von der Schräge zur graden Wand gegenüber. Sie stemmen sich gegen die Verkleidung aus Rigipsplatten und gegen das Dach.

Ich bin mal gespannt, wie lange die Revierkämpfe der beiden Drosselmänner noch dauern. Es scheint zwischen ihnen so eine Art Hassliebe zu geben. Zuerst springen sie sich wütend Brust gegen Brust an, als hätten sie sich diese Art zu kämpfen, von den imposanten Hähnen, die, bevor sie getrennt, sprich umgesiedelt oder geschmort werden, auf einem Bauernhof in Konkurrenz unter einer Horde Hennen leben, abgeguckt. Das sieht bei den sehr viel kleineren Drosselkerlen jedoch nicht ganz so gefährlich aus. Da fliegen auch keine Federn, und sie bleiben unverletzt. Kaum haben sie festgestellt, dass das viel zu Nerven aufreibend ist, lassen sie voneinander ab und rennen hintereinander her, als wäre nichts geschehen, picken beinah an derselben Stelle nach Kleinstlebewesen, meistens erwischen sie Regenwürmer und sitzen dann friedlich nebeneinander in der Rotbuche. Genauso war es neulich im Linienbus. Zwei Männer, ich schätzte sie Ende dreißig, die ihre Muskeln über Jahre systematisch unter professioneller Anleitung zu festen, strammen Faserbündeln aufgebaut haben, bauten sich in stummer Drohgebärde nur einen winzigen Schritt von etwa dreißig Zentimeter von einander, aber beinahe Bizeps an Bizeps an der Tür auf. Für mich war es spannend, wem es von den beiden gelingen würde, als Erster den Bus zu verlassen, denn es war eindeutig das Ziel für die Bestätigung in der Öffentlichkeit, hier der Platzhirsch zu sein. Den starken Muskelprotzen war der Wille, sich hier auszuprobieren und zu produzieren, auch sofort anzumerken, als der Bus langsam an die Haltestelle fuhr. Als sich die Tür öffnete, machten sie tatsächlich gleichzeitig einen Schritt nach vorn. Ein kurzes, heftiges Gedrängel, und wie nicht anders zu erwarten, verkeilten sie sich mit verbissenen Gesichtern in der Türöffnung und rührten sich nicht mehr von der Stelle. Vielleicht hätte jetzt ein treffsicherer Fausthieb die Rangordnung geregelt, wenn die Menschen hinter ihnen nicht laut darauf bestanden hätten, dem noch immer stummen, kampfwütigen Gehabe ein Ende zu machen, um aussteigen zu können, so dass der Klügere mit den noch geringfügig, weniger bepackten Muskeln, schließlich nachgab und einen knallroten Kopf bekam, sich das jedoch nicht bieten lassen wollte und dem „Sieger“ kräftig in die Hacken trat, als der mit stolz geschwellter Muskelbrust mit seinem Ellenbogen den Rivalen mit sichtlicher Verachtung streifte und den Bus mit Elan verließ. Der Blick auf die Kampfhähne, die jetzt so richtig in Fahrt kamen und noch etwas zu erledigen hatten, blieb mir leider verwehrt, als sich die Tür schloss und der Bus sich in Bewegung setzte.

NICHT WIEDER ROSA MOOS

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