Читать книгу NICHT WIEDER ROSA MOOS - Gloria Fröhlich - Страница 5

3. Kapitel

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Es war bisher nicht auszumachen, zu welchem Drosselmann das ein wenig magersüchtig und ziemlich gleichgültig wirkende Drosselweibchen gehört, um das es bei den beiden kämpfenden Drosselmännchen in unserem Garten geht, und das wohl in der dichten Kirschlorbeerhecke brüten will. Es erscheint nur, um zu fressen, ohne den seltsamen Rivalen auch nur die geringste Beachtung zu schenken. Ich kann mir vorstellen, was die Drosselin dazu sagen und ihre Entscheidung vielleicht gern noch einmal überdenken würde, käme ihr die Natur mit dem Drang zur Fortpflanzung nicht dazwischen. „Die Flucht. Er kann es kaum erwarten, der schwarze Drosselmann, es gibt den Tanz im Garten, der ist im Frühling dran. Da geht es um ein Weibchen, so scheu und kaum zu sehen, verliebt ist er in Scheibchen, kann ihr nicht widerstehen. Für sie, da wird er bauen, ein Nest am Gartenteich, und dafür Zweiglein klauen und rosa Moos, ganz weich. Und jeden Nebenbuhler, den schlägt er in die Flucht, denn er ist doch viel cooler, das Balzen, eine Sucht. Das Weibchen noch allein, versteckt im Blätterdach, wie wird es diesmal sein, denkt oft darüber nach. Nicht wieder rosa Moos und bitte nicht am Teich und nichts aus ihrem Schoß, nicht wieder alles gleich! Und dann beginnt der Tanz, der Drosselmann holt auf, er echauffiert den Wanst, ist trotzdem prima drauf. Die Drosselfrau, sehr klug, schaut zu und ist entspannt, denn jetzt ist sie am Zug und hat es in der Hand, wann, wie, weshalb, warum und ob und überhaupt, er macht sich für sie krumm, weil er an Liebe glaubt. Auch sie ist überzeugt, es gibt den Herzensraub, hat sich ihm oft gebeugt, macht sich jetzt aus dem Staub! Und er ist ahnungslos, der Tanz bauscht sein Gefieder, Held denkt an rosa Moos, doch sie, sie kommt nicht wieder“. Und ich habe wirkungsvoll dekoriert, um mein Schlafgemach gemütlich zu machen. Auf einem der dicken Querbalken sitzt mit nacktem Po und kurzem Hemdchen ein Engel, der ungefähr so groß ist, wie ein hockendes Kaninchen aus einer Kleintierzucht. Vor einigen Jahren hat mich der Engel in einem Drogeriemarkt regelrecht überrascht und mich von meinem eigentlichen Vorhaben, Zitronensäure zu kaufen, abgelenkt. Ich war total überrumpelt, weil ich ihn dort nicht erwartet hatte. Er verzauberte mich und ohne lange zu überlegen, wurde ich mit sicherem Griff seiner habhaft und habe ihn gekauft. Glücklich über diese Errungenschaft, blieb ich ohne Zitronensäure, ohne mich deswegen zu ärgern. Zu groß war mein Glück über das himmlische, geflügelte Wesen. Um den Engel oben auf dem Balken zu platzieren, war die Trittleiter aus dem kleinen Kabuff im Keller nötig. Die Tür zu dem Kabuff steht immer einen Spalt weit offen. Das erledigt eine altrosa, metallicfarbene Flasche Brut Dargent, die ich mit Sand gefüllt habe, damit sie genug Gewicht hat und sich nicht so ohne weiteres beiseite schieben lässt. Ich weiß nicht mehr, zu welchem Anlass wir uns den perlenden Inhalt gegönnt haben. Es war wohl nicht so wichtig, denn sonst hätte ich es nicht vergessen. Es kann auch sein, dass es keinen besonderen Grund gab, und wir haben ihn getrunken, weil er da war. Vielleicht war er ein Geschenk, ein Mitbringsel von Freunden.

Der Engel befindet sich in einer ganz enormen Schieflage, wenn er keinen Balken oder keine Schrank-, Tisch- oder Bordkante unter sich hat. Ein vermeintlicher Schutzengel in Schieflage, das war ein sehr befremdliches Gefühl für mich. Was soll das werden? Aber ich habe ihn mir mit diesem Wissen ins Haus geholt und so hängt eins der dicken Beinchen über den Rand des Balkens, damit er aus seiner unwürdigen Situation und Position herauskommt.

Ihn richtig hinzusetzen, das war bei seiner Erschaffung schließlich auch so geplant. Engel und Balken erscheinen bei Nacht in demselben Grau. Bei Tageslicht in Wollweiß. Das geflügelte Himmelswesen pustet in ein sehr einfaches Musikinstrument aus Blech in Richtung Dachspitze. Ich glaube, man nennt so ein Ding auch Tröte. Es besteht aus einem langen, dünnen Rohr, in das kräftig hinein geblasen wird und an dessen Ende ein Trichter einen Ton hinausschleudert, den ich mir kaum vorstellen kann. Der Engel hält das Instrument mit beiden Händen umklammert, an seine geschürzten Lippen. Ich könnte es ihm sogar wegnehmen. Mach ich aber nicht, weil es dann aussehen würde, als wenn er mit seinen Fäustchen einen Trichter bildet und etwas in den Himmel brüllt. Das machen Engel nicht. Oder dass er mit seinem Atem versucht, seine kalten Hände zu wärmen. Ein verfälschter Eindruck würde entstehen, denn Engel frieren nicht. Unter ihm ist der Rauchmelder fest an den Balken geschraubt, der seine Pflicht nicht vergisst und in regelmäßigen Abständen für eine halbe Sekunde ein Lämpchen rot aufleuchten lässt. Nachts ist es gut zu sehen. Dann weiß ich, dass die Batterie noch nicht ausgewechselt werden muss. Der Engel sitzt sozusagen auf einem ungewöhnlichen Vulkan, der aufschreit, wenn es woanders raucht.

Zitronensäure löst im Handumdrehen und gründlich Kalkablagerungen. Dann brauche ich keine Chemie. Im Nachhinein ist es doch ärgerlich, dass ich wegen des Engels vergessen habe, welche zu kaufen. Das Zimmer ist rechteckig. Mein Bett steht nicht an der graden Wand, sondern macht seitlich unter der Schräge vom Giebel aus mit den Beinen am Fußende einen großen Schritt in den Raum. An den Enden vom Kopf- und Fußteil steht je eine etwa siebzig Zentimeter hohe, armdicke Säule, auf der eine Kugel, so groß wie eine geballte Faust den Abschluss bildet. Ich wollte das Bett aufgemotzt und deshalb sind die Kugeln aus hellgrauem Marmor. Es hat ein wunderschönes, geschnitztes Kopfteil.

Es ist die Rede davon, dass es wieder Bettwanzen geben soll. Das sind Plagegeister. Nächtliche Blutsauger am Menschen. Die verstecken sich tagsüber in Ritzen und hinter Tapeten und legen dort ihre Eier ab. Das kann ich zu meinem Glück noch nicht bestätigen.

An der graden Wand rechts von meinem Bett, hängt ein großer Spiegel in einem aufwendigen Rahmen, in den ich von meinem Bett aus hinein und durch das Fenster der Gaube, das sich in ihm spiegelt, nach draußen sehen kann. Das habe ich ganz bewusst so gewählt. Neben dem Bett steht ein Nachttisch. Das Wort irritiert, denn Tisch ist völlig falsch. Und auch Nacht stimmt nur teilweise, denn er steht auch am Tag dort. Es gibt auch Stehtische. Stehen Tische nicht immer? Aber Ausziehtische ziehen sich auch nicht aus. Ich mag derartige Wortspielereien. Manchmal bricht es mir das Genick, wenn diese Leidenschaft nicht auf Gleichgesinnte trifft. Aber dann passt es eben nicht.

Das Wort Nachttopf ist auch nicht korrekt. Solche Gefäße gibt es nur noch in einigen Antiquitätenläden als Dekoration fürs Badezimmer zur Aufbewahrung von Seifen oder als Übertopf für Alpenveilchen, die auch wieder modern sind. Aber wenn ich damit jetzt nicht aufhöre, ufert es aus. Aber eins noch. Ein Ameisenhaufen ist kein Haufen Ameisen, die es da zwar zuhauf gibt, aber es ist ein perfekt ausgeklügeltes, unterirdisches Tunnelsystem, von dem wir nur die Spitze sehen. Es geht aber ziemlich tief in die Erde. Manchmal sogar zwei Meter. Eine bessere Bezeichnung ist Ameisennest. Und nun doch noch eins. Mein Nachttisch ist auch kein Schränkchen, denn man nennt so ein Kleinmöbel auch Nachtschrank. Auch hier Irritation bei mir. Aber jetzt belasse ich es bei Nachttisch. Auf ihm liegen die Utensilien, die ich vor dem Einschlafen brauche. Es gibt selbstverständlich einen Wecker. Handteller groß, weiß und rund, der mit einer Batterie die Zeiger in Bewegung hält. Daneben liegt ein Kugelschreiber. Ein wahres Schmuckstück. Er glitzert überaus festlich im Licht der kleinen Nachttischlampe mit dem wunderschönen Blütenschirm aus weißem Glas. Fürs Glitzern sorgen in seiner Transparenz eine Menge kleiner Swarowskikristalle. Ein Gebrauchsgegenstand ist er trotzdem für mich. Inzwischen hat er jedoch seinen Geist aufgegeben, das heißt, die Miene ist leer. Ich habe noch nicht herausgefunden oder besser gesagt, mich auch noch nicht darum gekümmert, wie sie ausgewechselt wird und wo ich Ersatz bekommen kann. Außerdem hat auch jedes Buch, in dem ich mich schläfrig lese, auf dem Nachttisch den Platz in unmittelbarer Nähe zu mir.

In dem Glas mit den Mini-Gewürzgurken schwimmen nur noch zwei von den kleinen, krummen Dingern. Die Senfkörner, Zwiebel- und Chilistückchen sind eindeutig in der Überzahl. Die Gurken halten sich aber noch eine Weile in dem Sud, der noch so klar ist, wie ein Bergbach. Das Glas steht aber nicht auf meinem Nachttisch, sondern im Kühlschrank. Dazu habe ich mir eine Geschichte ausgedacht, die unbedingt erzählt werden muss. Es handelt sich um das verlorene Glück eines Zwiebelringes. Die Gurke auf dem Tellerrand, die diesen Zustand grässlich fand, erinnert sich an jedem Tag, als sie im Glas in „Sauer“ lag. Sie war ein wohl gewachsnes Ding, verlobt mit einem Zwiebelring. Der gab sein „delikates“ Wissen, an sie auf einem Senfkornkissen, das auf dem Glasgrund, wie ein Bett, gut abgeschirmt vom Etikett, zwar keinen Blick von außen ließ, was aber überhaupt nicht hieß, dass niemand, was sie taten, sah, denn über sich die Gurkenschar, erfreute sich im Gurkenglas, am Zwiebelring und Gurkenspaß. Doch damit war es nun vorbei, ein Messer teilte sie entzwei, die Gabel spießte sie dann auf, so nahm das Schicksal seinen Lauf. Zwar fingen Zähne an zu funkeln, doch Gurke sah nichts mehr im Dunkeln. Sie wurde schnell und fest gepackt, sehr grob zerbissen und zerhackt, sie ließ sich von der Zunge heben und durfte noch am Gaumen kleben. Es gab dann keinen Weg zurück, der Zwiebelring verlor sein Glück.

An der geraden Wand lehnt ein hohes, schmales, verschnörkeltes Regal, über das ich später noch berichten werde. Daneben stehen zwei weitere Schränkchen, die durch einen hohen, ovalen Spiegel, zwar einen halben Meter voneinander getrennt, aber durch ein Brett, ziemlich weit unten, in das er eingelassen ist und unter dem es unter einem Bord noch zwei Schubladen gibt, fest miteinander verbunden sind. Ich hoffe, dass ich dieses weiße, besondere Möbel verständlich genug beschrieben habe. Es könnte aus dem 19ten Jahrhundert sein. Der Spiegel zeigt mich in ganzer Größe, wenn ich vor ihm stehe und hat bereits einige Altersflecken, die mich aber nicht weiter stören.

Lachsschnitten mit Haut habe ich immer falsch gebraten. Zuerst die Hautseite. Warum, weiß ich nicht, ich fand es wohl irgendwie richtig. Seit einiger Zeit weiß ich, dass die Haut zuletzt gebraten wird, damit sie kross bleibt und nicht in dem flüssigen Fett wieder aufweicht, wenn ich dann erst die Seite ohne Haut brate. Ist doch klar! Labbrig ist sie so ein richtiger Hautlappen, wie zum Implantieren und drückt den Appetit auf Null. Es gibt Lachs auch ohne Haut.

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