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Vorwort

den Sich-Unterredenden

Die Musen Kalliope und Urania lassen sich nach einer Geschichte Platons aus dem Phaidros (258e–259d) regelmäßig von den Zikaden darüber unterrichten, wer philosophisch lebt. Das grillende Gezirpe im Hintergrund des Ilissos, an dessen Lauf sich Phaidros und Sokrates eingefunden haben, surrt die Verweilenden in den Schlaf wie die Schafe, und ihr Singen gleicht einem Gelächter – es sei denn, es wird in ihrer Gegenwart philosophiert: Dann unterhalten sich die Zikaden über das Gesprochene und erzählen den Musen davon.

Gewiss ist, dass es schon sehr viele Einführungen in das Werk Platons und seine Philosophie gibt, ebenso aber können wir mit Berechtigung sagen, dass es niemals genug sein können. Platon steht am Anfang der paganen Philosophie, der schriftlichen und überlieferten Auseinandersetzung mit den Grundfragen des menschlichen Lebens, Denkens, Wissens und Handelns – Themen also, welche sich immer wieder neu stellen, vor allem in Zeiten, in denen eine Reflexion auf ihre Bedingungen alles andere als selbstverständlich ist.

Platon als das größte philosophische Genie zu bezeichnen, ist fast schon eine Untertreibung. Er war nämlich ebenso einer der besten Literaten überhaupt, worauf philologisch gebildete Leser sehr gerne hinweisen. Dabei zeichnet sich die Art seines Schreibens und Philosophierens durch eine extreme Offenheit aus. Die meisten seiner Dialoge sind einfach zu lesen, verbergen aber unter der Oberfläche unauslotbare Tiefenschichten, die zu einer Fülle an Verstehensdeutungen führten und immer noch führen. Nachdem man ab dem späten 17. Jahrhundert angefangen hatte, die Texte in ihrem Wortlaut zu sichern, hat die Forschung entsprechend divergierende Platonbilder hervorgebracht: Sollen wir uns mehr auf eine Gesamtinterpretation verständigen? Oder steht jeder Text, jedes Argument für sich? Gibt es Überzeugungen Platons, die sich aus seinen Texten herauslesen lassen? Kannte er ein großes System, das er in seinem Werk aber nur in Andeutungen versteckte? Lässt sich heute, wenn wir seine Positionen herausschälen können, mit seinen Themen und Lösungen noch etwas anfangen? Es erscheint eigenartig, wenn sich diese Fragen nicht eindeutig beantworten lassen. Und doch ist diese Orientierungslosigkeit einer der Hauptgründe dafür, dass sich sein Werk immer wieder neu lesen lässt. Bezeichnend ist vor allem, dass diese unterschiedlichen Lesarten die Auseinandersetzung mit seinen Schriften fortwährend bereichert haben und bereichern.

Mit dem vorliegenden Buch soll ein Einstieg in die Lektüre Platons erleichtert werden. Ich stelle einige, meines Erachtens zentrale Textstücke aus Platons Werk vor und versuche Fragen und Probleme, die sich dabei auftun, zu erörtern. Im Zentrum steht zunächst die Person von Sokrates und Platons Philosophiebegriff sowie Aspekte seines Schreibens. Dann beschäftigen sich die Texte mit der Bestimmung der seelischen Vermögen, wozu auch die Erkennbarkeit der Welt gehört. Den Abschluss bilden zwei Kapitel, die ethische und politische Themen behandeln. Leider mussten drei Kapitel, über das philosophische Argumentieren, über den Weltentstehungsmythos des Timaios und über Platons Religionsbegriff, aus Platzgründen gestrichen werden.

Die Textstücke, die vorwiegend aus Platons früher und mittlerer Schaffensphase stammen, werden zuerst immer ausführlich vorgestellt. Die Stellen sind stets angegeben, um Interessierten ein schnelles Nachschlagen zu ermöglichen. Danach diskutiere ich einige Schwierigkeiten, welche sich daraus ergeben, und versuche, die Aktualität der behandelten Fragen zu belegen. Dazu greife ich zuweilen über Platon hinaus. Diese Methode stellt nicht den ganzen Platon und seine vollständige Philosophie in ihrer Entwicklung vor, sondern konzentriert sich auf einige wenige Hauptaspekte seines Philosophierens. Die Lektüre soll eine Vorstellung davon vermitteln, wie Platon vorgeht und argumentiert; und sie soll anregen, die Texte selbst in die Hand zu nehmen, es genauer wissen zu wollen, um sich dadurch ein eigenes Urteil zu bilden, und um dieses mit anderen zu diskutieren. So leicht es Platon einem oberflächlich mit der Lektüre seiner Dialoge macht, so sehr erschließt er sich erst beim mehrmaligen Lesen und beim intensiven Durcharbeiten seiner Denkwege.

Die Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur wurde stark beschränkt, auf die Rezeption der älteren wurde weitgehend verzichtet. Diese und ihre Positionen sind aber in der angegebenen Sekundärliteratur schnell aufzufinden. Ein tieferes Eindringen in strittige Fragen hätte schnell sowohl den Textumfang unangemessen ausgeweitet, als auch Leserinnen und Leser, die eine Einführung in das Denken Platons erwarten, unverhältnismäßig überfordert. Es wurden vor allem neuere Werke angegeben, welche wichtige Fragen zur platonischen Philosophie gestellt haben, so dass sich bei einem Rückgriff darauf die Schwierigkeiten und Diskussionen zu Einzelfragen schnell ausdifferenzieren lassen. Eine allgemeine Darstellung der Forschungsfragen zu Platon ist nur schwer möglich, weil auch das kleinste Problem bei Platon in Kürze unübersichtlich wird. Das Literaturverzeichnis ist damit überschaubar gehalten und enthält einige Kommentare, welche sicher meinen eigenen Vorlieben geschuldet sind. Die Übersetzungen folgen Schleiermacher.

Ich danke Ulrike Angermeier und Christina Burger für Korrekturen und Hinweise zum Verständnis meiner Darstellung. Ihre Hinweise haben erheblich dazu beigetragen, den Text lesbarer zu machen. Weiter danke ich dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, und insbesondere dessen Programmleiterin für Philosophie, Dr. Martina Kayser, und dem Verantwortlichen für die UTB-Reihe, Kai Pätzke, sowohl für die Aufnahme des Bandes in die Studienbuchreihe als auch für die hervorragende Betreuung bei der Endfassung. Mögen die Grillen zahlreich sein, die den Musen das ihre berichten! Denn, um einen wahren Logos aufzufinden, ist besser als das bloße Lesen, wie Platon will, das Sich-mit-andern-Unterreden.

Regensburg, im März 2015 Günter Fröhlich
Platon und die Grundfragen der Philosophie

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