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Abgrenzung des Faches

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Unabhängig davon steht die Untersuchung der Architekturtheorie Albertis natürlich in einem größeren Zusammenhang. Es hat sich als notwendig erwiesen, die Grundlagen des Faches Architekturtheorie – sollte es nicht seine Eigenständigkeit gänzlich verlieren – neu zu überdenken und es besser gegen die Nachbardisziplinen Architekturgeschichte, Kunstgeschichte, Kunsttheorie, Entwurfstheorie etc. abzugrenzen. Insbesondere zwischen Architekturtheorie und Kunstgeschichte ist die Verbindung spätestens seit Vasaris „tre arti del disegno“ so eng und teilweise unauflösbar, dass tatsächlich der größte Teil aller wissenschaftlichen Untersuchungen auch zur Architekturtheorie von kunstwissenschaftlicher Seite geleistet wurde. Dadurch wurde das Fundament unseres gesamten Wissens über das architektonische Erbe von der Antike bis heute gelegt, aber durch den notwendig anderen Blickwinkel und die Konzentration auf ästhetische und stilistische Fragen, die immer nur einen Teilaspekt der Architektur erfassen, wurde auch der eine oder andere Akzent falsch gesetzt und zum Beispiel im Fall Vitruvs einer grundlegenden Fehlinterpretation Vorschub geleistet. Die Unterschiede zwischen Architekturtheorie und Kunstgeschichte betreffen aber nicht nur den Blickwinkel, sondern vor allem den Zeitpunkt der Betrachtung: Architekturtheorie beschäftigt sich mit den Entstehungsbedingungen und -voraussetzungen von Architektur vor ihrer Realisierung – Kunstgeschichte betrachtet und bewertet das fertige Gebäude. Architekturtheorie ist die Theorie des Faches Architektur, die theoretische Fundierung der entwurflichen Tätigkeit des Architekten – Kunstgeschichte analysiert das jeweilige formale, stilistische und ästhetische Ergebnis dieser Tätigkeit und versucht immer wieder aufs Neue, daraus einen Kanon jener anerkannten Werke der Baukunst abzuleiten, die sich im Laufe der Jahrhunderte wie Sedimentschichten abgelagert oder aufeinandergetürmt haben und die, je tiefer beziehungsweise weiter in der Zeit zurück sie lagern, desto mehr in ihrer Position erstarrt oder versteinert sind (wobei es in Abständen durchaus zu erheblichen tektonischen Verwerfungen durch neue Sichtweisen und – je näher man an die Oberfläche (die Gegenwart) steigt, wo der Wellengang naturgemäß höher und die Ablagerungen des Untergrunds noch ungeformt und schwankend sind – zu erbitterten Auseinandersetzungen kommen kann). Aber diese Auseinandersetzungen sind nicht Gegenstand der Architekturtheorie. Deren Aufgabe ist es, den Weg der Entdeckung und Weiterentwicklung der theoretischen Grundlagen des Faches Architektur nachzuzeichnen und zur Reflexion der Architekten über die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ihrer Disziplin beizutragen. Im Falle Vitruvs ist diese Untersuchung bereits geleistet worden und hat zu erstaunlich tragfähigen Grundlagen für das weitere Nachdenken geführt.8 Der nächste logische Schritt war daher die Beschäftigung mit dem ersten Traktat der Neuzeit, Albertis De re aedificatoria, zumal dieser auf engste Weise mit dem Vorgängertext verbunden ist. Es galt festzustellen, welchen Einfluss 1500 Jahre Zeitdifferenz auf die Ausgangsthesen Vitruvs gehabt hatten und wie Alberti von dort aus weiter vorangeschritten ist. Setzte man diesen Weg der Analyse wichtiger Beiträge zur Architekturtheorie fort, bestünde tatsächlich die Möglichkeit, Schritt für Schritt zu einem neuen, tragfähigen und eigenständigen Fundament des Faches Architekturtheorie zu gelangen.

Leon Battista Alberti

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