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Anmerkungen zur Übersetzung

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Wie alle anderen Italiener, die je nach Region einen der zahlreichen Dialekte des „Volgare“, der italienischen Volkssprache, benutzten, mussten auch die Humanisten die lateinische Sprache, in der sie ihre offiziellen Texte verfassten und die in der Renaissance die Rolle einer ‚lingua franca‘ der gebildeten Kreise übernahm, erst mühsam erlernen. Besuchte man dazu – wie Alberti – eine der neu gegründeten Humanistenschulen, so erfolgte dieser „Fremdsprachenunterricht“ nicht in mittelalterlichem Kirchenlatein, einer eher trockenen und formelhaft erstarrten Amtssprache, sondern in klassischem, ciceronischem Latein, das gerade erst von den Humanisten wiederentdeckt und wiederbelebt worden war. Das Latein, in dem Alberti seinen Architekturtraktat De re aedificatoria und auch viele andere offizielle Werke verfasste, war insofern weder das tatsächliche Latein der Antike, noch das Kirchenlatein des Mittelalters, sondern die Summe der humanistischen Hypothesen darüber, wie denn ein in klassischem Latein neu verfasster Text auszusehen hätte – eine reanimierte Kunstsprache, deren korrekte sprachliche und grammatikalische Anwendung Gegenstand erbitterter Auseinandersetzungen unter den Humanisten war. Natürlichkeit und Verständlichkeit blieben bei einer derart stilisierten Hochsprache allerdings ähnlich oft auf der Strecke wie bei Vitruv. Vor allem aber war die (sich über hunderte von Seiten erstreckende) Übertragung technischer und fachspezifischer Ausführungen zu Materialien, Konstruktionsformen, funktionalen Typologien oder auch zu Schmuckformen von Säulenordnungen in eine Fremdsprache, die dafür keineswegs optimal geeignet war, eine äußerst mühselige und aufwendige Angelegenheit – genau wie deren spätere „Rückübersetzung“ nicht nur ins Italienische, sondern auch in andere Sprachen. Im Fall von De re aedificatoria stellte sich für den Übersetzer also – anders als bei Vitruv – ein doppeltes Problem: Zum einen musste er herausfinden, was Alberti nach dem damaligen Stand der Lateinkenntnisse wohl unter den von ihm benutzten Vokabeln verstanden haben mochte, zum anderen musste er die auf dieser Grundlage gewählten Vokabeln mit den heutigen, nach Jahrhunderten akribischer philologischer Forschung kodifizierten Bedeutungen abgleichen und die jeweils passende Entsprechung im Deutschen finden.

Trotzdem hat der Übersetzer Max Theuer diese Aufgabe in hervorragender Weise gelöst und man kann die über 600 Seiten gleichbleibende Qualität und Genauigkeit nur bewundern. Es finden sich kaum wirkliche Übersetzungsmängel und auch dort, wo vielleicht Korrekturen angebracht wären, kommt es nur selten zu einer Verfälschung des Sinngehalts. Treten trotzdem Fehler auf, dann allerdings gerade an Stellen, die für das Verständnis des Textes und des Inhalts von zentraler Bedeutung sind. Das betrifft z.B. die in jeder Abhandlung über Alberti wiedergegebene Kritik an Vitruv, die auf einer falschen Übersetzung beruht (s. Teil II, Albertis Verhältnis zu Vitruv). Es betrifft weiterhin ausgerechnet die entscheidende Definition von Schönheit und Schmuck, bei der Theuer – wie Veronika Biermann überzeugend nachgewiesen hat – mit seiner Formulierung vom „erdichteten Schein und äußerer Zutat“ die Grenzen einer lexikalisch gesicherten Übersetzung in tendenziöser Weise überschreitet (s. Teil III, Albertis Theorie der Schönheit). Sehr bedauerlich ist auch die missverständliche Übersetzung solcher Schlüsselbegriffe wie lineamenta und structura. Der altertümliche Ausdruck „Risse“ (als Übersetzung für „lineamenta“) trifft den tatsächlichen Inhalt „Bauplan, Pläne, Planung“ nur sehr schlecht und „structura“ ist keinesfalls „die Ausführung“, also etwas Prozesshaftes, sondern „prinzipiell etwas Materialhaftes“9. Es ist ein großer Unterschied, ob der zentrale Eingangssatz (1. Buch, 1. Kapitel, 2. Absatz) lautet: „Die ganze Baukunst setzt sich aus den Rissen und der Ausführung zusammen“10 oder aber: „Alles Bauen gründet sich auf Baupläne und Baukörper“11 (s. Teil II, Fabrica/ratiocinatio und lineamenta/structura). Besonders sinnverfälschend ist auch die konstante Übersetzung von „res aedificatoria“ (sowohl im Titel wie auch im Text) als „Baukunst“, obwohl Alberti gerade mit der Wahl dieser speziellen Wortschöpfung ganz andere Implikationen als ästhetische oder künstlerische verband (s. Teil II, Der unterschiedliche Titel). Überhaupt ist die permanente Übersetzung des lateinischen Wortes „ars“, das Alberti meist im Sinne von „Fach, Disziplin“ benutzt, mit „Kunst“ oder im Plural mit „die Künste“ häufiger Anlass für Irritationen.12 Unabhängig davon kommt es an einigen entscheidenden Stellen auch zu Auslassungen. So hat das Fehlen des Teilsatzes „alia demum angulorum plurium“13 („andere eben mit mehr Ecken“) bei der Beschreibung der Tempelformen zu Wittkowers These von der Bevorzugung von Kreis und Quadrat durch die Renaissance beigetragen. In einem anderen Fall wird eine wichtige Handlungsanweisung im Rahmen der Schönheitsdefinition („bei der Fertigstellung eines Gebäudes die Natur nachzuahmen“14), von Theuer nicht mit übersetzt. Aber das bleiben Einzelfälle.

Wenn eine Neuübersetzung dennoch in hohem Maße wünschenswert erscheint, so liegen die Gründe dafür zum einen in der notwendigen sprachlichen Modernisierung des immerhin schon hundert Jahre alten Textes, in deren Rahmen auch die oben genannten Schlüsselbegriffe präziser formuliert werden könnten. Zum anderen bestünde die Möglichkeit, auch die ästhetischen und architektonischen Grundhaltungen des Übersetzers Max Theuer, die aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg stammen und vielfach die eigentliche Ursache für die oben angeführten Übersetzungsprobleme sind, zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Hinzu käme eine Sichtung der Kapiteleinteilungen, die im Originalmanuskript noch nicht vorhanden waren und besonders im 5. Buch zu Unstimmigkeiten führen, des Weiteren eine Neufassung der unförmig langen Kapitelüberschriften und eine klarere Formulierung der Buchüberschriften (s. Teil II, Neue Inhaltsübersicht). Da aber eine solche neue Übersetzung noch aussteht, wurde bei Zitaten aus Gründen der Nachvollziehbarkeit so weit wie möglich auf den Übersetzungstext von Theuer zurückgegriffen (mit sparsamsten redaktionellen Modernisierungen). Nur bei entscheidenden inhaltlichen Abweichungen wurde eine eigene neue Übersetzung herangezogen.

1 Alberti, Momus 1993, S. 5/6: „Nichts lässt sich sagen, das nicht schon einmal gesagt worden ist“. Übers. von Michaela Boenke.

2 „Nullam est iam dictum, quod non dictum sit prius“ (Nichts ist schon gesagt worden, was nicht schon vorher gesagt worden ist) Publius Terentius Afer, Enuchus 41; röm. Komödiendichter, ca. 193 – ca. 158 vor Chr. Zitiert nach: H. Biermann, 1990, S. 445, Anmerkung 7 und 9).

3 Germann, Einführung 1993, S. 61.

4 Kruft, Geschichte 1991, S. 54; so auch Neumeyer 2002, S. 19.

5 Neumeyer 2002, S. 23.

6 Ebenda, S. 19.

7 Burckhardt 1920, S. 39.

8 Fischer, Vitruv 2009.

9 Hubert 2008, S. 211.

10 Alberti, Theuer 1991, S. 19.

11 Alberti, Lücke 1975, S. 4, Übers. Fischer: „Tota res aedificatoria lineamentis et structura constituta est“.

12 Fischer, Vitruv 2009, S. 78–82.

13 Alberti, Lücke 1975, 4. Band, S. 114a, 6. Zeile.

14 Alberti, Lücke 1975, 4. Band, S. 164, Zeile 32–34: „A peritissimis veterum admonemur et alibi diximus esse veluti animal aedificium, in quo finiundo naturam imitari opus sit“.

Leon Battista Alberti

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