Читать книгу Die Piraten von Manaus - Gordon L. Schmitz - Страница 9
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Und die Früchte können giftig sein
Und die Herzen noch viel gift‘ger sein
Die so schwarz sind
Wie der Dschungel um Manaus
Die junge Frau sang gedankenverloren vor sich hin, während sie wie automatisch ihre Haare wieder zu einem Dutt knotete. Alf Mason, ein stämmiger Pirat aus Hooks Mannschaft, beobachtete sie, wie sie da am Fenster stand und über die Stadt blickte. Sie hatte die Stadt sicherlich noch nie von so einem hohen Platz aus gesehen oder gar in so einem »guten« Hotel angeschafft, aber Alf – von dem es hieß, er sei schon mit Bart geboren worden – mochte es so am liebsten: einfache Gossenhuren, die noch wirklich was von ihrem Handwerk verstanden, in den bequemsten Betten, die er sich leisten konnte. Das war zwar nicht viel, und die ganzen feinen Pinkel die hier rumliefen würden vor so einer Absteige wahrscheinlich die Nase rümpfen, aber Suzanne - so der Name der jungen Dame - sah gerade mehr als zufrieden aus. Alf stand auf, ging zu ihr rüber und spielte mit ihren roten Haaren.
»Hey! Lass das, oder ich muss von vorne anfangen…«, mahnte sie neckisch.
»Das würde dir doch passen«, meinte er mit schelmischem Grinsen, »– dann könnteste noch länger diesen Ausblick genießen«, und dabei schlang er seine Arme um ihre Taille. »Ich verstehe aber was dich so ablenkt«, gab er zu.
Unter ihnen glänzten die Kupferdächer, rot oder blau lackierten Ziegel und die goldene Kuppel der Oper, in den engen Gassen dazwischen flackerten die Gaslaternen und von den prächtigen Boulevards schien blendend hell das elektrische Licht. Wenn die hohen Handelsherren prahlten, dass sie mit Manaus ein Juwel mitten im Urwald erschaffen hatten, übertrieben sie nicht.
»Außerdem muss ich wieder runter«, sagte Suzanne mit ihrem Akzent, der irgendwo zwischen Südafrika und Frankreich zu verorten war, »denn warum sollte ich mich ausruhen auf dem schönen Geld, das ich mit dir verdient habe, wenn da draußen ein Trinkgeld auf mich wartet?«
»Weil ich nicht gesagt habe, dass du hier fertig bist!«, rief er plötzlich und zog sie unter wildem Gelächter zurück aufs Bett. Wie Smee so gerne sagte: Manaus verführte alle zu Ausschweifungen.
***
Hook und Smee waren an Bord der Jolly Roger zurückkehrt, und aus dem Abend war die Nacht geworden.
»Ich hatte angenommen, der Rover würde den Kapitän nicht so lange warten lassen«, sagte der Schwarze mit einer Stimmte, die erstaunlich sanft für einen so gefürchteten Hünen war.
Smee konnte nur freundlich mit den Schultern zucken. »Werden wir ja bald sehen, nicht wahr?«
Er nickte noch Mullins zu, dann verschwand er eilig in der Kajüte.
Seine Augen brauchten einen Moment, sich an das Kerzenlicht hier drinnen zu gewöhnen, an die Dunkelheit, welche selbst alle Tropfkerzen der Karibik nicht zu erhellen vermochte.
»Oben wissen sie jetzt Bescheid, Käpt‘n.« Smee orientierte sich am leisen Klimpern des Cembalos in einer Ecke des Raums. »Sie halten die Augen nach dem Rover offen, sollte er sich entschlossen haben, ohne die Switch zu kommen.«
Bewacht wurde die Jolly Roger nie (denn wie Hook immer sagte, bewachte der schlechte Ruf des Schiffs es genug und man musste schon eine mutige Seele sein, um sich trotzdem an Bord zu wagen, eingeladen oder nicht) und schon recht nicht in Manaus. Dies war einer der wenigen Orte, denen Hook neben Eton und Hamburg noch etwas abgewinnen konnte, und sein Name hatte bei den richtigen Leuten im Hafen ein gewisses Gewicht.
»Oh, er wird mit der Switch kommen. Der Rover wüsste sonst gar nicht, wie er seine Sammlung aller Welt präsentieren sollte«, kam es mit einem leisen Lachen unter einer schwarzen Lockenpracht hervor, die leicht zur Musik über dem Instrument hin und her huschte. »Mein alter Freund ist zu eitel, ohne seine Kunstwerke ausgerechnet in so eine Stadt wie Manaus zu kommen.« Da hob sich der Kopf und Smee sah in die vergissmeinnicht blauen Augen des Kapitäns. Geisterhaft saß er am Cembalo, dass er trotz, oder ja vielleicht gerade wegen des Hakens, beherrschte wie kein Zweiter. Umrahmt wurde sein Gesicht von einem geschmackvoll zusammengestellten Strauß weißer Rosen und ebenso elfenbeinweißer Orchideen, die anderen an diesem Ort vielleicht seltsam vorgekommen wären, Smee aber so vertraut waren, dass die Kajüte ihm ohne Blumen merkwürdig vorgekommen wäre.
»Vielleicht möchte er aber auch keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, da er doch so teure Schätze bei sich hat?«. Smee hatte sich auf einen Schemel auf der anderen Seite des Cembalos gesetzt und sah nun aus wie ein kleines Kind, das von seinem bösen Piratenkapitän eine Gutenachtgeschichte erzählt bekommen wollte.
Hook lachte, und es war kein freudloses Lachen, wie Smee es schon so oft von Hook gehört hatte.
»Nein, der Red Rover will auf alle Fälle, dass man ihn sieht, hört, ja sogar riecht. Es würde mich nicht überraschen, wenn er seine Mahagonimöbel an Deck stehen hat, gegen den Wind, damit nur jeder das reiche Holz schnuppern kann!«
Smee wusste nicht ganz, wie er reagieren sollte; der Käpt‘n durfte natürlich Witze über seinen alten Freund reißen, aber jeder andere konnte von ihm dafür natürlich genauso gut mit dem Haken abgestraft werden.
In einem seiner seltenen cleveren Momente versuchte Smee daher, das Gespräch in eine für ihn sichere Richtung zu bewegen. »Was sollst du dem Rover für den Kompass denn geben?«
Hook lachte abermals auf, Smee war aus dem Schneider (er war sehr stolz auf sich dafür).
»Oh, nichts! Er will mir den Kompass sogar schenken, sagt er, aber dafür kenne ich ihn zu gut! Also habe ich ihm das hier mitgebracht.« Hook deutete auf eine Schachtel aus dunklen Hölzern, deren obere Seite aufgeklappt war und ein handgroßes Schild aus Metall enthielt. Smee musste den Kopf leicht drehen, um die Schrift darum lesen zu können.
»Floreat Etona… Ah, das ist das Wappen deiner alten Schule, Käpt‘n!«, sagte Smee, auch diesmal wieder nicht ohne Stolz.
Ob Hook nun wegen Smees Wissen grinste oder der einen Witz gemacht hatte, den der Bootsmann selber nicht verstand, das wusste dieser nicht, ging aber einfach mal von ersterem aus.
»Ich bin mir sicher, der Rover wird diese Geste… nun, zu schätzen wissen ist vielleicht falsch ausgedrückt, aber er wird den Wink verstehen.«
Und Smee bemühte sich, denselben Eindruck zu erwecken und nickte zustimmend, einen ganz klugen Gesichtsausdruck aufsetzend.
»Weißt du Smee, diesen Kompass will ich schon so lange an den Haken bekommen… Er gehörte der Legende nach Christopher Kolumbus, einem üblen Dieb und Mörder, einem richtigen Schlächter, der selbst mir zu grausam war. Und das schlimmste von allem: Er war einer der schlechtesten Seefahrer, der jemals in der neuen Welt gesegelt ist.«
»Hat er nicht die neue Welt entdeckt?«
»Nein, die neue Welt hat ihn entdeckt, verloren auf dem Meer. Das ist ein gewaltiger Unterschied, vor allem für Seefahrer.«
»Warum willst du dann seinen Kompass haben, Käpt‘n?«
»Weil die Geschichte seiner Irrfahrt noch witziger wird, wenn der Kompass funktioniert.«
Smee öffnete den Mund und hoffte, dass irgendetwas Zusammenhängendes rauskommen würde, da klopfte es an der Türe. Erleichtert rief Smee: »Herein!« Es war, wie erwartet, der Schwarze.
»Die Switch ist soeben im Hafen eingelaufen, Kapitän.«