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Erster Aufzug ERSTER AUFTRITT

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Szene: Flur in Nathans Hause.

Nathan. von der Reise kommend. Daja ihm entgegen.

Daja. Er ist es! Nathan! — Gott sei ewig Dank, Daß Ihr doch endlich einmal wiederkommt.

Nathan. Ja, Daja; Gott sei Dank! Doch Warum endlich?

Hab’ ich denn eher wiederkommen wollen?

Und wiederkommen können? Babylon

Ist von Jerusalem, wie ich den Weg,

Seit ab, bald rechts, bald links, zu nehmen bin

Genötigt worden, gut zweihundert Meilen;

Und Schulden einkassieren, ist gewiß

Auch kein Geschäft, das merklich fördert, das

So von der Hand sich schlagen läßt.

Daja. O Nathan,

Wie elend, elend hättet Ihr indes

Hier werden können! Euer Haus . . .

Nathan. Das brannte

So hab’ ich schon vernommen. — Gebe Gott,

Daß ich nur alles schon vernommen habe!

Daja. Und wäre leicht von Grund aus abgebrannt.

Nathan. Dann, Daja, hätten wir ein neues uns Gebaut, und ein bequemeres.

Daja. Schonwahr! —

Doch Recha wär’ bei einem Haare mit Verbrannt.

Nathan. Verbrannt? Wer? Meine Recha? Sie? —

Das hab’ ich nicht gehört. — Nun denn! So hätte

Ich keines Hauses mehr bedurft. — Verbrannt

Bei einem Haare! — Ha! Sie ist es wohl!

Ist wirklich wohl verbrannt! — Sag’ nur heraus!

Heraus nur! — Töte mich, und martre mich

Nicht länger. — Ja, sie ist verbrannt.

Daja. Wenn sie

Es wäre, würdet Ihr von-mir es hören?

Nathan. Warum erschreckest Du mich denn? [— O Recha!

O meine Recha!

Daja. Eure? Eure Recha?

Nathan. Wenn ich mich wieder je entwöhnen

Müßte, dies Kind mein Kind zu nennen!

Daja. Nennt Ihr

Alles, was Ihr besitzt, mit eben so viel Rechte Das Eure?

Nathan. Nichts mit größerm! Alles, was Ich sonst, besitze, hat Natur und Glück

Mir zugeteilt. Dies Eigentum allein

Dank’ ich der Tugend.

Daja. O wie teuer laßt

Ihr Eure Güte, Nathan, mich bezahlen!

Wenn Güt’, in solcher Absicht ausgeübt,

Noch Güte heißen kann!

Nathan. In solcher Absicht?

In welcher?

Daja. Mein Gewissen . . .

Nathan. Daja, laß

Vor allen Dingen dir erzählen . . .

Daja. Mein

Gewissen, sag’ ich . . .

Nathan. Was in Babylon

Für einen schönen Stoff ich dir gekauft.

So reich, und mit Geschmack so reich! Ich bringe

Für Recha selbst kaum einen schönrn mit.

Daja. Was hilft’s? Denn mein Gewissen, muß

Ich Euch nur sagen, läßt sich länger nicht betäuben.

Nathan. Und wie die Spangen, wie die Ohrgehenke,

Wie Ring und Kette dir gefallen werden,

Die in Damaskus ich dir ausgesucht:

Verlanget mich zu sehn.

Daja. So seid Ihr nun!

Wenn Ihr nur schenken könnt! Nur schenken könnt!

Nathan. Nimm du so gern, als ich dir geb’: —

Und schweig!

Daja. Und schweig! Wer zweifelt, Nathan, Daß Ihr nicht die Ehrlichkeit, die Großmut selber Seid? Und doch . . .

Nathan. Doch bin ich nur ein Jude. —

Gelt, das willst du sagen?

Daja. Was ich sagen will,

Das wißt Ihr besser.

Nathan. Nun so schweig!

Daja. Ich schweige.

Was Sträfliches vor Gott hierbei geschieht,

Und ich nicht hindern kann, nicht ändern kann, —

Nicht kann, — komm’ über Euch!

Nathan. Komm über mich! —

Wo aber ist sie denn? Wo bleibt sie? — Daja,

Wenn du mich hintergehst! — Weiß sie es denn,

Daß ich gekommen bin?

Daja. Das frag’ ich Euch!

Noch zittert ihr der Schreck durch jede Nerve.

Noch malet Feuer ihre Phantasie

Zu allem, was sie malt. Im Schlafe wacht,

Im Wachen schläft ihr Geist: bald weniger

Als Tier, bald mehr als Engel.

Nathan. Armes Kind!

Was sind wir Menschen!

Daja. Diesen Morgen lag

Sie lange mit verschlossnem Aug’, und war

Wie tot. Schnell fuhr sie auf, und rief: ,,Horch, horch!

Da kommen die Kamele meines Vaters!

Horch! Seine sanfte Stimme selbst!“ — Indem

Brach sich ihr Auge wieder: und ihr Haupt,

Dem seines Armes Stütze sich entzog,

Stürzt’ auf das Kissen. — Ich, zur Pfort’ hinaus!

Und sieh: da kommt Ihr wahrlich! Kommt Ihr Wahrlich!

Was Wunder! Ihre ganze Seele war

Die Zeit her nur bei Euch — und ihm.

Nathan. Bei ihm?

Bei welchem Ihm?

Daja. Bei ihm, der aus dem Feuer

Sie rettete.

Nathan. Wer war das? Wer? — Wo ist er?

Wer rettete mir meine Recha? Wer?

Daja. Ein junger Tempelherr, den, wenig Tage Zuvor, man hier gefangen eingebracht,

Und Saladin begnadigt hatte.

Nathan. Wie?

Ein Tempelherr, dem Sultan Saladin

Das Leben ließ? Durch ein geringres Wunder

War Recha nicht zu retten? Gott!

Daja. Ohn’ ihn,

Der seinen unvermuteten Gewinnst

Frisch wieder wagte, war es aus mit ihr.

Nathan. WOist er, Daja, dieser edle Mann?

Wo ist er? Führe mich zu seinen Füßen.

Ihr gabt ihm doch für’s erste, was an Schätzen

Ich euch gelassen hatte? Gabt ihm alles?

Verspracht ihm mehr? Weit mehr?

Daja. Wie konnten wir?

Nathan. Nicht? Nicht?

Daja. Er kam, und niemand weiß woher.

Er ging, und niemand weiß wohin. — Ohn’ alle

Des Hauses Kundschaft, nur von seinem Ohr

Geleitet, drang, mit vorgespreiztem Mantel,

Er kühn durch Flamm’ und Rauch der Stimme nach,

Die uns um Hülfe rief. Schon hielten wir

Ihn für verloren, als aus Rauch und Flamme

Mit eins er vor uns stand, im starken Arm

Empor sie tragend. Kalt und ungerührt

Vom Jauchzen unsers Danks, setzt seine Beute

Er nieder, drängt sich unters Volk und ist —

Verschwunden!

Nathan. Nicht auf immer, will ich hoffen.

Daja. Nachher die ersten Tage sahen wir

Ihn untern Palmen auf und nieder wandeln,

Die dort des Auferstandnen Grab umschatten.

Ich nahte mich ihm mit Entzücken, dankte,

Erhob, entbot, beschwor, — nur einmal noch

Die fromme Kreatur zu sehen, die

Nicht ruhen könne, bis sie ihren Dank

Zu seinen Füßen ausgeweinet.

Nathan. Nun?

Daja. Umsonst! Er war zu unsrer Bitte taub;

Und goß so bittern Spott auf mich besonders . . .

Nathan. Bis dadurch abgeschreckt . . .

Daja. Nichts weniger!

Ich trat ihn jeden Tag von neuem an;

Ließ jeden Tag von neuem mich verhöhnen.

Was litt ich nicht von ihm! Was hätt’ ich nicht

Noch gern ertragen! — Aber lange schon

Kommt er nicht mehr, die Palmen zu besuchen,

Die unsers Auferstandnen Grab umschatten;

Und niemand weiß, wo er geblieben ist. —

Ihr staunt? Ihr sinnt?

Nathan. Ich überdenke mir,

Was das auf einen Geist, wie Recha’s, wohl

Für Eindruck machen muß. Sich so verschmäht

Von dem zu finden, den man hochzuschätzen

Sich so gezwungen fühlt; so weggestoßen

Und doch so angezogen werden! — Traun,

Da müssen Herz und Kopf sich lange zanken,

Ob Menschenhaß, ob Schwermut siegen soll.

Oft siegt auch keines; und die Phantasie,

Die in den Streit sich mengt, macht Schwärmer,

Bei welchen bald der Kopf das Herz, und bald

Das Herz den Kopf muß spielen. — Schlimmer

Das Letztere, verkenn’ ich Recha nicht, [Tausch! —

Ist Recha’s Fall: sie schwärmt.

Daja. Allein so fromm,

So liebenswürdig!

Nathan. Ist doch auch geschwärmt!

Daja. Vornehmlich eine — Grille, wenn ihr wollt,

Ist ihr sehr wert. Es sei ihr Tempelherr

Kein irdischer und keines irdischen;

Der Engel einer, deren Schutz sich

Ihr kleines Herz, von Kindheit auf, so gern

Vertrauet glaubte, sei aus seiner Wolke,

In die er sonst verhüllt, auch noch im Feuer

Um sie geschwebt, mit eins als Tempelherr

Hervorgetreten. — Lächelt nicht! — Wer weiß?

Laßt lächelnd wenigstens ihr einen Wahn,

In dem sich Jud’ und Christ und Muselmann

Vereinigen, — so einen süßen Wahn!

Nathan. Auch mir so süß! — Geh, wackre Daja,

Sieh, was sie macht; ob ich sie sprechen kann. — [geh;

Sodann such’ ich den wilden, launigen

Schutzengel auf. Und wenn ihm noch beliebt,

Hienieden unter uns zu wallen; noch

Beliebt, so ungesittet Ritterschaft

Zu treiben: find’ ich ihn gewiß, und bring’

Ihn her.

Daja. Ihr unternehmet viel.

Nathan. Macht dann

Der süße Wahn der süßern Wahrheit Platz: —

Denn, Daja, glaube mir, dem Menschen ist

Ein Mensch noch immer lieber, als ein Engel —

So wirst du doch auf mich, auf mich nicht zürnen,

Die Engelschwärmerin geheilt zu sehn?

Daja. Ihr seid so gut, und seid zugleich so schlimm!

Ich geh! — Doch hört! Doch seht! — Da kommt sie selbst.

Nathan der Weise

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