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3 Ist jede Religion inhuman?
ОглавлениеEin Offenbarungsgott ruft Religion hervor. Dies gilt besonders für die drei sog. monotheistischen Religionen. Moses, Mohammed und viele andere berufen sich auf die Offenbarung, um ihre Religion als absolut verlässlich zu erweisen. Die Religionen schöpfen ihre Kraft aus etwas Unhinterfragbarem, aus einem Tabu. Das polynesische Wort „Tabu“ meint ein System religiöser Verbote, einen Zaun, der um religiöse Werte gezogen wird, diese begründet und als heilig, unberührbar und unumstößlich erklärt. Tabuisierte Voraussetzungen eines Systems machen dieses selbst absolut gültig und ermöglichen eine machtstabilisierende Ordnung. Im nichtreligiösen Konzept finden wir dies bei den „Monohumanismen“, bei sozialen Systemen (Kommunismus, Kapitalismus), die jeden Revisionismus ausschließen und Unterwerfung unter das Staatsmonopol oder das Goldene Kalb des Geldes fordern. Dieser absolute Anspruch an den Menschen steckt ihn in eine Zwangsjacke und verlangt gehorsame Unterwerfung. Diese wird umso radikaler, je „göttlicher“ der tabuisierte Anspruch ist.
Was ist Religion? Ganz allgemein ist sie ein Überwachungssystem der Werteselektion. Diese Überwachung ist nur dann vollkommen, wenn bei Nichteinhaltung des Wertekodex nicht nur innerweltlich, sondern auch von Gott sanktioniert wird. Dadurch erhält die Religion eine höhere transzendente Gültigkeit. Gott dient den Religionen zur Käfighaltung der Menschen. Der Käfig der Gebote, durch die der Mensch eingesperrt wird, verspricht ihm Heil. Wirklich findet er seinen Lebenssinn jedoch nur, wenn er vom Religionskäfig ausgewildert wird. Nun sind religiöse Systeme oft sehr erfolgreich. Da der Mensch frei geboren wird, eröffnen sich ihm grundsätzlich unzählige Wert- und Sinnangebote. Die Religionen bieten nun ein System an, das Sinn und Werte reduziert, um auf diese Weise stärkeren Sinn und Wert zu produzieren und zu schützen. Religionen sind also kulturelle Schutzsysteme. Auch heute noch bekennen sich drei Viertel der Weltbevölkerung zu einer oder mehreren Religionen, die ihnen im gesellschaftlichen Rahmen Erfolg für das individuelle Leben und das Überleben versprechen.
Geschlechtlichkeit und Heil stehen in den Religionen in enger Verbindung. Wie jede Diktatur stürzen sich auch die Religionen auf die Geschlechtlichkeit. Dabei sind die Erfolgsstrategien (im Namen eines Gottes) sehr unterschiedlich. Die Sexualvorschriften können Enthaltsamkeit (dauernd oder zu bestimmten Zeiten wie z.B. im Ramadan oder in der Fastenzeit) gebieten oder zur Fortpflanzung verpflichten (wie im AT). Häufig wird außerehelicher Verkehr ausgeschlossen und die Ehe mit Sanktionen geschützt (bei Ehebruch droht im Koran die Todesstrafe oder im Christentum die Hölle). Im Katholizismus waren 90 % der Beichtstuhlsünden Sexualvergehen. Im Beschneidungsritual wird die sexuelle Verfügbarkeit dem Gott übergeben, der über sie bestimmt.
Zur Macht über die Geschlechtsbeziehung gesellen sich in den Religionen die Speisevorschriften. Die Nahrungsaufnahme wird religiös geregelt. Es gibt Zeiten des Fastens, die sehr unterschiedlich gestaltet werden: an bestimmten Tagen Fleischverbot (katholisch) oder ein Qualitätsfasten (Ostkirche) oder weder Essen noch Trinken (Islam). Dazu treten grundsätzliche Regelungen, wie kein Schweinefleisch zu essen oder keinen Alkohol zu trinken (der erst, wie im Islam, im Paradies gestattet wird). Katholischerseits wird geregelt, wer die Hostie empfangen darf und wer nicht; bei Nichteinhaltung drohen die stärksten Sanktionen. Die Erfüllung solcher Vorschriften, die die Kultbeamten als göttliche Gesetze deklarieren, gibt vielen Genugtuung und eine Steigerung des Selbstwertgefühles. Durch Sanktionen wird zudem die Sinnreduktion aufrechterhalten. Ohne Zweifel kann diese Selektion als eine Erfolgsstrategie verstanden werden.
Ähnlich verhält es sich auch, neben den ethischen Werten, mit den Lehrinhalten, die eine gewisse Gehirnwäsche darstellen. Bestimmte Dinge sind zu glauben, auch wenn ich sie nicht verstehe. Neben dem ethisch verpflichtenden Gehorsam steht der Glaubensgehorsam. Monotheistische Offenbarungsreligionen sind hier besonders rigoros, und jede Abweichung wird noch härter als ethisches Versagen bestraft. Der Willens- und Verstandesgehorsam wird absolut eingefordert. Religiöse Gefühle dürfen nicht verletzt werden. Jede abweichende Meinung über Gott und seine Propheten ist tödlich. Todesstrafe und Höllendrohung sind das Mittel. Diese Selektion gewährt einer Gemeinschaft durch Repression das Bewusstsein, eine auserwählte Gruppe mit einer bestimmten Sinn- und Wertkonstruktion zu sein, wobei alles andere als Unwert und Unsinn ausgeschieden wird. Da gibt es plötzlich ein auserwähltes Volk, das deshalb andere Völker ausrotten und unterdrücken darf. Da gibt es die Umma, und wer sich ihr nicht anschließt, ist ein „Ungläubiger“, der zufrieden sein muss, wenn er als Mensch zweiter Klasse geduldet wird.
Da fast alle Religionen aus archaischer Zeit stammen, konstituieren sie sich oppositionslos. Opposition ist immer auszuschließen, zu verketzern und zu verurteilen. Das hat seine Logik, da Religionen sich auf eine unumstößliche göttliche Wahrheit berufen. Über sie lässt sich, so die Meinung der Kultbeamten, nicht diskutieren. Es sind höchstens unterschiedliche Interpretationen (islamische Rechtsschulen, theologische Meinungen) zugelassen; dies aber immer nur in einem ganz engen Rahmen. Daher ist ein echter Dialog, der alle religiösen Dimensionen einbezieht, nicht möglich.
Das ist das Wesen jeder weltlichen und religiösen Diktatur. Die Wert- und Sinnauswahl darf in ihrem Fundament nicht angetastet werden, andernfalls herrscht angeblich die „Diktatur des Relativismus“ (Benedikt XVI.). Religiöse Führer sehen sich dazu berufen, bestimmte, meist von ihnen selbst festgelegte oder aus der Tradition übernommene Werte und Sinngebilde zu garantieren, die nicht dialogisch eingelöst, sondern a priori festgesetzt werden. Diese Sinn- und Wertvorgabe, die unerschütterlich ist, ist durch ein angebliches „Gottesgebot“ absolut begründet und verpflichtet zum Gehorsamsakt unter die „göttliche“ Norm. Halte ich mich an sie, dann bin ich in die Heilsgemeinschaft integriert. Für diese angebliche Heilsgewissheit in einer Religion muss ich allerdings meine Freiheit auf den Opferaltar legen. Was innerhalb einer Religionsgemeinschaft gilt, wird, besonders in den monotheistischen Religionen, zu einem Universalanspruch. Die wahre Religion besitzen allein wir, so tönt es aus Rom und aus Mekka. Der eine Gott hat sich nur in unserer Religion endgültig ausgesprochen. Der sog. Exklusivismus macht einen echten Dialog der Religionen unmöglich, weil höchstens religiöse Randerscheinungen zur Disposition stehen, nicht aber der gesamte Sinn- und Wertekodex. So behauptet die katholische Kirche, die einzig wahre zu sein, und spricht allen anderen, wie den evangelischen Kirchen, das Kirchesein ab. Schon der Heilige Augustinus hat sich zu der Behauptung verstiegen, dass alle nichtkatholischen Christen eine „verfluchte Menschenmasse“ sind, und Benedikt XVI. stimmt ihm in der Sache zu, denn die endgültige Offenbarung Gottes gebe es nur in Jesus Christus, der von der katholischen Kirche nicht zu trennen sei. Wer sich dieser wahren Religion hingibt, findet den Sinn des Lebens, wenn „sich der Mensch vertrauensvoll jenen Personen überantwortet, welche die Sicherheit und Authentizität der Wahrheit selbst garantieren können“.9 Gemeint ist der Papst mit den Bischöfen, die Wahrheit und Sinn verordnen. Jeder Dialog wird hier unmöglich. Den gleichen Absolutheitsanspruch finden wir im Islam, denn jeder Mensch sei vom Ursprung her ein Muslim und Allahs Wille ist es, dass jeder Mensch sich der Umma, der Gemeinschaft der Muslime, anschließt. Solange Mohammed seine religiöse Konzeption primär nur für die arabischen Stämme verstand und noch keinen Universalanspruch erhob, finden wir im Koran einige Texte der Toleranz. Als er jedoch seinen Religionsanspruch für alle Menschen als verbindlich ansah, zeigte er sich im Namen Allahs höchst intolerant.
Statt dieses fundamentalistischen Exklusivismus gibt es eine humanere Haltung, die einen gewissen Dialog peripher ermöglicht, den sog. Inklusivismus. Andere, vor allem monotheistische, Religionen können Heilsbedeutung besitzen. Das 2. Vatikanische Konzil ging sogar so weit, dass der konkrete Mensch in und wegen seiner Religion als Moslem, Jude oder Buddhist das Heil finden kann. Es bleibt jedoch dabei, dass die christliche Religion gegenüber anderen Religionen die höchste Verwirklichung der Wahrheit und des Lebenssinnes für alle Menschen ist. Solche Ansichten finden wir auch parallel dazu bei toleranten Muslimen. Dagegen schließt der Buddhismus nicht nur andere Religionen ein, sondern gesteht ihnen auch einen gleichberechtigten Heilsweg zu. Ganz anders verhält sich jedoch die christliche Religion in der Gestalt der katholischen Kirche. Alle anderen Religionen sind nur „Vorbereitungen“ auf das Christentum, insofern sie Gutes und Wahres erkennen.
„Die katholische Kirche anerkennt, dass alles, was sich in den anderen Religionen an Gutem und Wahrem findet, von Gott kommt, ein Strahl seiner Wahrheit ist, auf die Annahme des Evangeliums vorbereitet und zur Einheit der Mensch in der Kirche Christi hindrängen kann.“10
Solche Sätze verraten eine unglaubliche Ideologiebefangenheit. Die anderen Religionen haben nur einen „Strahl“ der göttlichen Wahrheit bewahrt.
Nur die Hierarchie der katholischen Kirche hat die volle Wahrheit und entscheidet, was in allen anderen Religionen gut und wahr ist. Mit einer solchen kirchenfaschistischen Haltung ist jedes Religionsgespräch zum Scheitern verurteilt. Die Religionen werden in ihrem Eigenwert nicht geachtet. Zwar ist ein freundlicher Umgang mit anderen Glaubenssystemen möglich, denn sie haben etwas Gutes, sie sind jedoch trotzdem minderwertig. Diese Überhöhung des Wahrheitsanspruches zerstört außerdem die Nächstenliebe.
Um dieses pervertierte Religionsverständnis zu überwinden und einen echten Dialog auf gleicher Ebene zu ermöglichen (ohne absolute Sinn- und Wertpriorität), fragen sich Theologen, wie das Dilemma zu lösen ist: Ist jede Religion gleich gut und sinnvoll oder ist nur eine Religion wahr? N. Luhmann hat recht, indem er darauf hinweist, dass jede Wahrheit systemgebunden ist, d.h., sie ist grundsätzlich perspektivisch. Unsere Sichtweise ist nicht nur persönlich durch die physische und psychische Konditionierung bedingt, sondern auch durch die historisch-geschichtliche Situation, in der wir leben. Wird „Heilswahrheit“ hingegen aus den Kontext gerissen, erhebt sie einen dialogfeindlichen Absolutheitsanspruch. Dies kann sie am besten mit dem Rückgriff auf Gottes Offenbarung, die jeden Dialog verstummen lässt. Religiös-konfessionalistische Satzwahrheiten verursachen durch die Appellation an die Offenbarung Dialogblockaden. Gottes Wort wird missbraucht, um auf eine konsensfähige, dialogisch verantwortete Wahrheit verzichten zu können. Der Rekurs auf einen abrahamitischen Gott, der allmächtig und barmherzig sei, nützt nichts, da er sich angeblich endgültig entweder in der Thora, in Jesus Christus oder im Koran ausgesprochen habe. Die Differenz der Religionen wird gerade durch diesen Gott unüberbrückbar. So wird der monotheistische Gott für die religiöse Verständigung der Menschen untereinander zur absoluten Hürde. Der Gottesglaube wird unmenschlich, weil er andersdenkende Menschen in die Knie zwingen will. Die offenbarten Texte, die von der jeweiligen Religionsbehörde interpretiert werden, schalten letztlich Vernunft, Gewissen und Liebe aus. Die Shari’a wird „das letzte und weltumfassende Muster für die Menschheit“.11 Oder wie Benedikt XVI. sagt: „Das subjektive Gewissen ist keine letzte ethische Instanz.“12 Ja, die Gewissensfreiheit wird zur „absurden Wahnidee“ (Gregor XVI.). All die von „Gott“ bestimmten Autoritäten „sagen – wahr“! Sie befehlen – wir gehorchen! Gefährlich wird jede Religion, die andere Religionen ausschließt, weil die Folge der Ausschluss von Menschen ist.
Atheisten bezeichnen oft die monotheistischen Religionen als Menschenfresserreligionen. Aber auch Monohumanismen können genauso verheerende Wirkungen erzielen, indem Ideale und Idole über die konkreten Menschen gestellt werden. Gott kann man nur die Ehre geben, indem die Menschheit einsieht, dass jede Religion und jede Weltanschauung relativ ist, relativ auf den Menschen hin und relativ im Hinblick auf Wert und Sinn. Dies gilt genauso für das Christentum in der Gestalt der Kirchen wie für Islam und Judentum. Religiöse Sinn- und Wertvorstellungen haben nur Geltung, wenn sie für die Menschen da sind und ihnen zu einem menschlichen Leben verhelfen. Jeder Mensch ist frei gegenüber jeder Religion und darf seine Freiheit und Würde niemals einer Religion opfern. Sonst wird er zum Sklaven einer Ideologie und Gott zu einem Moloch.
Selbstverständlich wirken Religionen nicht nur negativ, sondern sie sind zweideutige Phänomene. Sie können menschliche Werte bewahren, wenn sie auf die ungegenständliche Dimension des Menschen durch ihre Symbole hinweisen und den Wert des Vertrauens (Glaubens) und der mitmenschlichen Liebe zur Geltung bringen. Wenn Religion Solidarität statt Konkurrenzkampf einfordert, zu Toleranz und Akzeptanz anderer Lebenskonzepte aufruft und jedem Menschen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht, hat sie eine positive Funktion. Religion verwechselt dann den Glauben nicht mit den religiösen Ausdrücken, den Glaubenssymbolen. Thomas von Aquin meinte schon im 13. Jahrhundert, dass eine Religion immer nur ein begrenzter Ausdruck des Glaubens sein kann. So wenig, wie es die Sprache der Menschheit gibt, so wenig gibt es die Religion. Religion gibt es nur in der Vielzahl, wie die Vielfalt in den Kulturen. Hätte die Menschheit nur eine Kultur, wäre sie erschreckend arm. Religion kann nur als Ort oder Plattform des Dialogs über Sinn und Wert verstanden werden, die zur Wahrheitsfindung beitragen soll und kann. Von jeder Religion ist das Humanum einzufordern, denn sie wird unwahr, wenn sie unmenschlich wird.
Religionen können human oder autoritär sein. Autoritär ist eine Religion, wenn sie die ungegenständliche Dimension (Glaube, Liebe) des Menschen vergegenständlicht, d.h. verfügbar macht. Symbole werden zum Mythos, die Seinsdimension zur Habensdimension. Menschen werden durch privilegierte Personen (Priester, Muftis, Mullahs, Mönche usw.) beherrscht und ihre Freiheit wird beschränkt. Dafür erhalten sie ein sinnreduziertes Universum zurück. Durch Riten, Kult und Gehorsam wird ihnen Heil zugesagt. All das sind leere Versprechungen, die dem Menschen vorgegaukelt werden. Keine Religion bietet eine verlässliche Sinnvorgabe für ein glückendes Leben. Das bedeutet nun nicht, dass alle Religionen „gleich-gültig“ wären, wie manche Religionspluralisten annehmen, sondern das Kriterium ist das Humanum, d.h., was der Liebe und dem Vertrauen dient. Selbstverständlich heißt dies nicht, dass Religion auf eine vielleicht verbindliche Moral zu beschränken ist (Weltethos). Religion lässt sich nicht auf Moral reduzieren, weil sie nicht nur Werte, sondern vielmehr Sinn entwirft. Religionen sind auch nicht auf eine Grundkonzeption zurückzuführen; dies wäre ihre Skelettierung. Juden, Christen und Muslime glauben nicht an den gleichen Gott. Tragisch werden die Vielfalt und Verschiedenheit erst dann, wenn die Achtung und der Respekt vor dem Anderen fehlen und die Grenze meiner religiösen Freiheit, nämlich die religiöse Freiheit des Anderen, nicht mehr gilt. Religiöser Wert oder Unwert, Sinn oder Unsinn stellen sich kulturell sehr unterschiedlich dar. Was mir lächerlich erscheint, kann für das Leben eines Anderen wichtig sein. Immer jedoch haben Wert- und Sinnkonstruktionen nur innerhalb einer Religion Geltung. Wird diese Perspektivität der Wahrheit nicht gesehen, glaubt man Gott einen Dienst zu erweisen, wenn man andere eliminiert (vgl. Johannes 16).
Jesus spricht davon, dass sich diese Einstellung gegen Abraham richtet, der Menschenopfer verweigerte (vgl. Johannes 8,33). Die abrahamitischen Religionen sind allesamt sekundär und können sich nur auf Abraham berufen, wenn sie sich ihrer Relativität bewusst sind. Das Neue Testament geht noch einen Schritt weiter und zeigt, wie relativ religiöse Gebilde sind. Wir lesen: „Ehe Abraham ward, bin ich“ (Johannes 8,58), d.h., alles Religiöse ist zeitbedingt, ist dem Werden und Vergehen verfallen. Das „Ich bin“ meint, dass Jesus eine Metapher für den menschlichen Menschen ist. Das „Ich bin“ ist nur insofern eine Aussage von Gott, als er ein anderer Begriff für Liebe ist. Im Klartext heißt dies: Die Liebe ist jeder Religion vorgeordnet.
Wo eine Religion den Wert eines Menschen schmälert, wird sie unmenschlich, verwerflich und gewalttätig. Richtig sagt Benedikt XVI.: „Wer im Namen Gottes Gewalt verübt, beleidigt Gott.“13 Jede Gewaltreligion steht gegen die Liebe. Wenn wir die Geschichte der Religionen betrachten, vor allem auch die christliche, dann sind sie eine einzige „Beleidigung Gottes“. Nur wenn Religionen auf das Gewaltmonopol verzichten und tolerant sind, können sie Zeit und Raum geben für Gotteserfahrung in der Nächstenliebe. Wahrheit des Glaubens und der Liebe ist mit keiner bestimmten Religion identisch. In verschiedenen Religionen kann ein humaner Befreiungsimpuls gefunden werden. Allerdings gibt es Minimalvoraussetzungen, damit Menschlichkeit in einer Religion verwirklicht werden kann. Für die drei abrahamitischen Religionen wäre das: 1. Der Papst verzichtet auf seinen Unfehlbarkeitsanspruch. Nur wenn er etwas Wahres sagt, dann ist er wie jeder Mensch „unfehlbar“. Er ist aber kein „Wahr-Sager“. Sein Amt garantiert nicht die Wahrheit. 2. Das Judentum erkennt an, dass jedes Volk von Gott gleich auserwählt ist. Auch das jüdische Volk ist auserwählt, aber genauso wie Araber, Franzosen und Chinesen. 3. Für den Islam genießen Gläubige und sog. Ungläubige (nach muslimischem Verständnis) gleiche Rechte. Religionswechsel werden im Respekt vor dem konkreten Menschen voll akzeptiert.
Kein Religionsfriede ist möglich ohne echte Mitmenschlichkeit. Der humane Friede ist die Bedingung für den Frieden unter den Religionen. Er ist nur durch einen Dialog auf gleicher Ebene zu erreichen.