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Trinity, Planet Alera, Mytikas-City, Transportstation

Ich taumelte über die Transportfläche, als die Kälte aus meinen Knochen wich. Der stechende Schmerz meiner erwachenden Glieder bewirkte, dass ich mich zu einem Bündel zusammenrollen und weinen wollte. Ich blickte kurz zu Faith und Destiny und sah, dass sie dieselben elenden Schmerzen erlitten.

“Alles in Ordnung?” fragte ich.

Sie nickten. Sie schüttelten ihre Arme aus und ließen die Köpfe kreisen, um ihre Nackenmuskulatur aufzulockern.

Der Transportraum sah genauso aus wie auf der Erde, aber genau wie Dorothy in Der Zauberer von Oz waren wir in einer gänzlich anderen Welt. Die Aleranischen Männer vor uns sahen nicht gerade wie Zwerge aus. Sie waren groß. Nicht so groß wie der Atlane im Bräutezentrum auf der Erde, aber jeder Holzfäller wäre wohl blass vor Neid geworden.

Sechs Aleranische Männer warfen uns grimmige Blicke zu.

“Willkommen auf Alera,” sprach einer von ihnen.

Himmel, Alera. Wir waren wirklich hier. Ich blickte mich um. Eine Wand. Keine irdische Wand. Es würde kein Zurück mehr geben, schließlich waren wir Lichtjahre von der Erde entfernt. Keine Zeitzonen, sondern eine ganze Galaxie trennte uns jetzt vom Leben, wie wir es bisher kannten. Wir waren in unserer eigenen Science-Fiction-Saga angekommen, und ich war keine Prinzessin Leia. Ich biss meine Lippe, denn es war leicht überwältigend.

Alera.

Der Transport musste mich gefühlsduselig gemacht haben, denn ich war den Tränen nahe. Was für eine verfluchte Scheiße. Diesen Morgen wollte ich noch arbeiten gehen und jetzt befanden wir uns auf Alera, auf der Suche nach unserer Mutter. Und das war noch nicht alles. Alle in diesem Raum Anwesenden erwarteten von mir, dass ich noch heute Abend mit einem Fremden ficken würde. Jetzt gleich. Einem Alien. Einem Mann, den ich nie kennengelernt hatte und den ich vielleicht nie wieder sehen würde.

Von wegen romantisch … Ich war zwar keine Jungfrau mehr, aber das musste nicht heißen, dass ich mal eben mit Wildfremden fickte. Ich hatte noch nie ein One-Night-Stand gehabt, belangloser Sex behagte mir nicht. Keine Kumpels mit gewissen Vorzügen. Wäre mein Körper nicht auf hundertachtzig aufgeheizt, dann würde ich den Gigolo—nein, den Mann für alle Gelegenheiten—zum Teufel jagen und mich auf meine Mutter konzentrieren.

Und dieser Mann? Jener Typ, mit dem ich mich so schnell wie nur menschlich möglich nackig machen und in die Horizontale begeben sollte? Es war ziemlich offensichtlich, wer er war. Die anderen fünf trugen identische Uniformen und standen einen Schritt hinter ihm. Der Mann infrage war gutaussehend, muskulös und mindestens zwanzig Jahre älter als ich. Er sah aus wie fünfzig, mit dunklem Haar und silbernen Strähnen an den Schläfen. Er hatte einen adretten Anzug an. Marineblau. Seine Schultern waren breit und sein Blick wohlwollend. Das würde helfen. Gott sei Dank war diese Gluthitze eine einmalige Sache. Etwa so, wie von einem außerirdischen Stecher entjungfert zu werden. Sobald die Gluthitze vorüber war, würde ich normal weiterleben können. Mir ein neues Zuhause aufbauen. Ich würde es überleben. Solange ich nicht vor Scham verrecken würde.

“Verehrte Damen, ich bin Cassander, von der Familie Jax. Es ist mir ein Vergnügen Ihnen zu dienen.” Der Mann verneigte sich und streckte die Arme aus, um uns die Garden vorzustellen. “Diese edlen Krieger sind treue Diener der Familie Jax. Wir stehen ihnen zur Verfügung.”

Seine Stimme war tief. Selbstbewusst. Ruhig.

Vielleicht würde eine Nummer mit ihm ablaufen wie ein Besuch beim Gynäkologen. Effizient. Unaufgeregt. Schnell.

Vorbei.

Wenn ich diesem Mann auf der Straße begegnet wäre, dann hätte ich wohl bemerkt, wie großartig er sich gehalten hatte. Er war groß, genau wie die Garden hinter ihm, aber um einiges älter. Ein Silberfuchs, wie meine Mutter gesagt hätte.

Die Garden waren allerdings jünger. Ihre dunklen Uniformen umzeichneten jede Kurve, jeden Muskelstrang und … andere Dinge. Rasch wandte ich den Blick ab und bemerkte, wie Destiny mich beobachtete.

“Schade, dass du es nicht mit einem der Garden treiben kannst. Heilige Sexbombe.”

“Halt die Klappe.” Meine Antwort war pathetisch. Wie im Kindergarten. Leider fiel mir nichts Besseres darauf ein.

“Lass sie in Ruhe. Trinity soll es hinter sich bringen, damit wir uns Wichtigerem zuwenden können.” Faith verschränkte die Arme, sie stieg von der Plattform und näherte sich einem der Garden an. “Ich nehme an, wir werden nicht hier in dieser Transportstation verweilen.”

“Natürlich nicht. Wir haben ihnen eine Unterkunft für die Nacht besorgt. Wir werden Sie bewachen, bis Herr Cassander nicht mehr gebraucht wird.” Der Mann verneigte sich leicht, aber eher als Zeichen des Respekts einer Dame gegenüber als Zeichen bedingungslosen Gehorsams. Meine Schultern entspannten sich leicht. Gut. Diese Männer waren hier, sie folgten ihren Befehlen und sie hatten keine Ahnung, wer wir waren. Prime Nial hatte Wort gehalten.

Ich bezweifelte, dass wir wie Prinzessinnen aussahen. Mein verdammtes Shirt war immer noch verkehrt herum. Ich musste mich fragen, ob Cassander überhaupt auf mich stand. Würde er überhaupt mit mir schlafen wollen? Wann hatte ich mir das letzte Mal die Beine rasiert?

Stopp. Was? “Bis er nicht mehr gebraucht wird?”

Ich blickte zu ihm rüber und ertappte ihn, wie er mich mit den Augen auszuziehen schien. Das professionelle Interesse in seinen Augen von vorhin hatte sich zu etwas anderem gewandelt. Etwas, was mir im Moment völlig egal war. Lust. Begierde. Ich war eine beliebige Schlampe und sein Job war es, mein Loch zu füllen.

Na toll. Einfach nur toll.

“Es kommt auf die Frau drauf an, werte Dame,” erläuterte Cassander. “Einige benötigen zwei Tage meiner Zuwendungen. Andere sogar vier. Nur du wirst wissen, wann alle deine Bedürfnisse befriedigt wurden. Ich verspreche, ich werde alle deine Wünsche erfüllen.”

Würg. Mein Wunsch war es, möglichst schnell von diesem Typen wegzukommen.

“Gütiger Gott, Trin. Vier Tage? Wir haben keine Zeit.” Destiny klang abgebrüht wie immer. Leider hatte sie recht. Oder zum Glück, denn wenn ich es mit diesem Typen treiben müsste, dann würde ich es so schnell wie möglich hinter mich bringen … in einer Stunde. Nicht vier verdammten Tagen.

“Was passiert, wenn ich mich nach einem Tag davonmache, selbst, wenn ich nicht vollkommen—befriedigt wurde? Was passiert dann?”

Er wirkte schockiert, als ob er diese Frage zum ersten Mal hörte. Was? Alle anderen wollten offensichtlich tagelang im Bett verschwinden und endlos Sex haben. Ich aber nicht.

Scheiße. So gesehen hörte es sich gar nicht so krank an. Welche Frau würde denn nicht ohne Unterlass gefickt werden wollen …, und zwar immer wieder? Dieser Mann war ausschließlich anwesend, um mich auf alle erdenklichen Weisen zu befriedigen. Was bedeutete, dass er alle meine Wünsche erfüllen würde. Mir geben würde, was immer ich wollte.

Ich würde einfach die Augen zumachen und so tun, als wollte ich tatsächlich … von ihm angefasst werden. Als ob er meine Gedanken lesen konnte—und beleidigt war—richtete er sich auf und plusterte die Brust raus. Toll. Selbst Männer für alle Gelegenheiten hatten empfindliche Egos. “Wenn du früher gehst, wird die Erleichterung nur vorübergehend sein. Kurz danach wird dein jetziger Zustand dich erneut überkommen,” sprach er voller Überzeugung.

“Wie lange danach?” Wenn mir ein paar Wochen blieben, dann konnten wir unsere Mutter aufspüren und unsere Zukunft in Angriff nehmen. Vielleicht würde ich sogar einen Mann finden, den ich tatsächlich mochte und mit dem ich es treiben wollte, um die Gluthitze zu beenden.

“Binnen Stunden, wie mir berichtet wurde.” Er neigte den Kopf zur Seite und plötzlich kam er mir vor wie ein Zuhälter. Offensichtlich hatte er in seiner Aufgabe noch nie versagt. Seine Kundinnen hatte er wohl immer befriedigt. Permanent. “Ich werde mich bestens um dich kümmern. Du hast mein Wort.”

Verflucht. Ich konnte nur hoffen, dass ein einziger Tag mit ihm reichen würde. Aber ich vermutete, dass es wohl eher vier Tage dauern würde. “Dann lass uns gehen.”

Ich wirkte wohl nicht besonders begeistert—genauso fühlte ich mich auch—, denn Faith reckte die Hand aus und pfiff mich zurück. “Warte.”

“Was?” fragte ich, schließlich wollte ich es hinter mich bringen, damit wir endlich unsere Mutter suchen konnten.

“Du musst nicht mit ihm gehen. Himmel, das ist doch lächerlich. Warum würdest du mit einem Typen schlafen, wenn du nicht auf ihn stehst? Das ist … schräg. Es ist falsch. Hier stehen noch fünf andere Typen. Der Zweite sieht süß aus.”

Die Garden warfen sich fragende Blicke zu, wahrscheinlich wollten sie herausfinden, wer von ihnen ‘der Zweite’ war.

“Sie hat recht, Trin,” bekräftigte Destiny. “Es ist wie deine Entjungferung. Das macht man nicht einfach so nebenbei.”

Ich verdrehte die Augen, dann lehnte ich mich an Faith heran. Destiny trat näher, sodass wir einen Kreis bildeten. “Stell dir vor du nimmst deinen Vibrator und du bist kurz davor, du bist wirklich kurz vorm Kommen. Du bist direkt an der Schwelle … und die Batterie gibt auf.”

Destiny machte ein witzig schmachtendes Geräusch. Wir wohnten zwar alle noch Zuhause, aber wir waren allesamt erwachsen. Wir hatten Vibratoren und Freunde und Sex und ein echtes Leben.

“Genau so geht es mir. Die ganze Zeit.”

Faith biss ihre Lippe und warf mir einen mitleidsvollen Blick zu. “Dann such dir einen aus. Sechs Typen sind hier. Einer davon müsste doch deiner hysterischen Mumu zusagen.”

Darauf musste ich lachen. Ich strich Faith über den Kopf und wir drehten uns gemeinsam um und starrten auf die Männer. Alle sechs. Der ältere Mann war verlockend, aber nicht verlockend genug. Destiny hatte recht. Der zweite Wächter war wirklich heiß.

Cassander wirkte jetzt verärgert, als ob wir ihn nicht nur beleidigt hatten, sondern auch noch vollkommen bescheuert waren. “Bei allem Respekt, werte Damen, die Garden werden nicht imstande sein, sie so zu bedienen, wie es sich gehört. Nur ein Mann, der die Richtige für sich bereits getroffen hat, dessen Lanze von seiner einzig wahren Partnerin erweckt wurde, kann eine Frau beglücken. Männer meiner Sorte haben ihre Partnerinnen verloren. Meine Frau ist vor zwei Jahren in einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Ich bin der einzige hier, dessen Körper erwacht und voll funktionsfähig ist. Keiner dieser Garden hat eine Partnerin. Und Aleranische Männer schlafen nicht mit anderen Frauen, solange ihre Partnerin noch am Leben ist. Ich werde nicht zulassen, dass sie einen anderen Mann um diesen Gefallen bitten und so seine Partnerin entehren. Ich bin zwar nur ein einfacher Diener, aber meine Aufgabe ist heilig und sie wird auf ganz Alera geschätzt und geachtet.”

Na toll. Wir waren seit zwei Minuten hier und hatten bereits alle anwesenden Aleraner beleidigt.

“Verzeihung, Cassander. Es war nicht unsere Absicht, dich oder die Garden zu beleidigen. Ich würde niemals einen Krieger darum bitten, seine Partnerin zu entehren. Nie.” Ich blickte zu den Garden. Faith und Destiny ebenfalls. Diese großen, knackigen Jungs, allesamt in unserem Alter, hatten noch nie Sex gehabt? Ihre Schwänze waren noch nicht aufgewacht? Mutter hatte diesen Umstand erwähnt, ihn erklärt, aber ich hatte ihr nicht geglaubt. Ich meine, auf der Erde waren alle Jungs über vierzehn geil wie Sau. Sie dachten von morgens bis abends an nichts anderes als Sex und wie sie in ein weibliches Höschen kamen.

Und diese fünf Garden waren noch nie erregt gewesen? Sie hatten noch nie Sex gehabt? Keinen Orgasmus?

“Heilige Scheiße,” flüsterte Destiny. “Ein Planet voller heißer Jungmänner. Die Fantasie einer jeden Frau.”

“Dann muss eben er hinhalten, Trin,” flüsterte Faith. “Mach einfach die Augen zu und denk an Justin Timberlake.”

Ich musste lachen. Faith war immer noch von ihrem Lieblingspopstar besessen. Ich beschloss, das Beste aus der kniffeligen Situation zu machen und ging auf Cassander zu; der verneigte sich und küsste meine Handfläche. Sein Kuss war warm. Angenehm. Die einfache Berührung bewirkte keine Wunder, aber ich brauchte keinen Lustrausch. Oder wahre Liebe. Ich musste nur diese außerirdische Gluthitze loswerden—so schnell wie möglich—, damit wir die Kidnapper aufspüren und Mutter retten konnten.

Abgesehen davon würden wir uns nicht hier im Transportraum die Kleider vom Leib reißen, also hatte ich wenigstens ein bisschen Zeit, um meine Vagina einzustimmen. Sie würde sich mit dem Plan abfinden müssen. Ich hatte keine Zeit, um auf diesem Planeten einen Partner für mich zu suchen. Jede Minute, die verstrich, war eine Minute länger, in der Mutter in tödlicher Gefahr schwebte.


Leo

Ich erreichte das Transportzentrum zehn Minuten früher, aber ich schreckte zurück, als ich fünf Garden der Jax-Dynastie durch den Seiteneingang eintreten sah. Unter ihnen befand sich ein Mann für alle Gelegenheiten, den ich wiedererkannte. Cassander von Jax war bei den Damen sehr populär. Genau genommen hatte ich Geschichten von frustrierten Männern gehört, deren neue Partnerinnen sich beklagten, weil Cassander ein besserer Liebhaber war.

Sicher, er hatte zwanzig Jahre mit seiner Partnerin verbracht, bevor diese gestorben war. Ich konnte mir nur ausmalen, welches Können und welche Fertigkeiten er dem weiblichen Körper und seinen Gelüsten gegenüber er an den Tag legen musste. Er wusste genau, wie er sie anfassen musste, wie er sie unterwürfig machte, damit sie jeden seiner Wünsche, jedes seiner Bedürfnisse erfüllte.

Sollte ich je die Richtige für mich finden, so hatte ich keinen Zweifel, dass ich sie umfassend befriedigen würde. Ihre Lustschreie würden meine Obsession werden. Wie ein Meister würde ich ihren Körper bedienen, ich würde jede Regung und jeden Atemzug studieren, bis ich zu ihrem Gebieter wurde und sie nach meinen Berührungen bettelte. Bis sie sich danach sehnte. Bis sie ohne mich keine Erleichterung finden würde.

Ein eigenartiger Duft stieg mir in die Nase und plötzlich fing mein Schwanz an zu zucken.

Mein Schwanz regte sich. Von ganz allein. Was zum Teufel?

Nur eines zarten Dufts wegen, nämlich dem Duft einer durchscheinenden Aleranischen Blume, die so üppig in den Zitadellengärten, in denen ich als Kind gespielt hatte, wuchs. Irre.

Ich war schon seit Jahren nicht mehr in die Zitadelle gegangen und der liebliche Duft hätte mich nicht anregen dürfen. Noch länger war es her, seit ich töricht genug gewesen war und meine Nase im Zentrum der seidigen Blütenblätter vergraben und ihren Duft eingesogen hatte. Als die Königin hier lebte und regierte, spielte ich im Garten, während mein Vater sich mit den anderen Garden absprach. Die Zitadelle aber war weit entfernt und auf meiner Fahrt vom Wachturm war ich auch nicht an den heiligen Gärten vorbeigekommen. Vielleicht wehte der Wind den Duft bis zu mir, versteckt in der Dunkelheit, ein spöttisches Phantom glücklicherer Tage.

Eigenartig. Jahrelang hatte ich nicht mehr an diese langen, hellen Tage zurückgedacht. Aber der Blütenduft verweilte, als ob er einen eigenen Willen hatte und sich an meinen Körper heftete. Um meinen Schwanz anzustacheln? Es war ein Duft, keine Frau. Vielleicht sollte ich mal zum Arzt gehen.

“Hör auf zu träumen und beweg dich, Soldat.” Mit gedämpfter Stimme raunte ich mir den Befehl zu. Drei Frauen befanden sich in diesem Gebäude und ich hatte Prime Nial versprochen, sie zu beschützen. Ich wusste nicht, wer sie waren, oder warum sie ausgerechnet von der Erde kamen. Aber diese Fragen waren irrelevant. Ich brauchte nicht ihre Namen zu kennen, um für sie zu sterben. Das war der Schwur eines jeden Kriegers. Für Unschuldige zu sterben, die er oder sie niemals gekannt hatte. Sie zu beschützen, weil sie jemanden brauchten, der stärker, der beflissener war als sie, um sie zu verteidigen.

Als ich die schattige Straße verlassen und ins Gebäude eintreten wollte, geriet ich ins Stocken. Drei Schatten schlichen über das Dach.

Killer.

Momente später waren sie wieder verschwunden, verschluckt von der Dunkelheit, als ob sie nie da gewesen wären. Phantome. Aber ich hatte sie gesehen. Ich wusste, dass sie echt waren.

Wusste, dass sie auf der Jagd waren.

Es bestand kein Zweifel daran, warum sie hier waren. Warum sie getarnt und lautlos übers Dach huschten.

Die Erdenfrauen.

Wer waren die drei? Und woher kamen die Killer? Wohl nicht im Auftrag von Lord Thordis Jax? Nach allem, was ich gehört hatte, war er ein anständiger, ehrenwerter Mann. Aber seine Familie war vielleicht nicht so anständig. Oder waren die Auftragskiller diesen Frauen von der Erde gefolgt? Von Prillon Prime? Nials Partnerin, Lady Deston, hatte so geklungen, als ob die Frauen ihr persönlich am Herzen lagen. Vielleicht hatte, wer auch immer diesen Damen nachstellte, es auf Prime Nial, seinen Sekundanten und ihre Partnerin abgesehen. Warum aber waren die Frauen dann auf Alera und nicht auf Prillon?

“Wo steckt ihr Mistkerle?” Meine Stimme war so leise, ich konnte kaum meine eigenen Worte hören, als ich die Dächer und Gebäude nach Bewegungen absuchte. Ich war kein ausgebildeter Killer, aber ich war sehr, sehr gut im Töten. Und Wache halten. Abwarten. Ich war auf der Jagd.

Die Tür ging auf und ein Fahrzeug fuhr vor. Ein großer E-Sprinter kam zum Stehen und ich sah, wie zwei Garden das Transportzentrum verließen und Fahrzeug und Fahrer überprüften, bevor sie die drei Frauen, den Begleiter und die restlichen Garden einsteigen ließen. Das Shuttle war groß und schnell, wie ein Blitz raste es an mir vorbei, während ich meinen Tracker in die Luft schleuderte. Die kleine, autonome Drohne würde ihnen unbemerkt hinterher fliegen und mir jeden Haltepunkt und jedes Ziel am Computer anzeigen. Mit ihren Koordinaten würde ich ihnen mühelos folgen können.

Ich rannte zu meinem eigenen Sprinter und fuhr ihnen nach, dann allerdings erblickte ich eine zweite Drohne, die dem Shuttle folgte und musste die Stirn runzeln. Lord Jaxs Gefährt war sehr viel schneller als meines. Sehr viel teurer. Mein Soldatenlohn erlaubte solche Extravaganzen nicht und solange mein E-Sprinter mich von A nach B brachte, war mir das auch egal. Ich war nicht verschwenderisch. Je nach Zielort würde ich allerdings direkt hinter ihnen bleiben, oder zwanzig Minuten später eintreffen.

Die Killer jedoch würden wohl den besten Sprinter fahren, den man mit Geld kaufen konnte. Sie würden ihre Beute beobachten und herausfinden, wohin sie unterwegs waren. Ihnen nachstellen. Angreifen. Töten.

Scheiße. Ich schaltete mein Komm-Gerät an und kontaktierte Thordis Jax. Sein tränensäckiger Assistent beantwortete den Anruf.

“Hallo? Es ist mitten in der Nacht, Sir. Wer sind Sie und warum rufen Sie an?”

“Ich muss mit Lord Thordis Jax sprechen. Ein Notfall.” Ich blickte von den Drohnen aufs Heck des Sprinters mit den Erdenfrauen.

“Nein, ist es nicht. Lord Jax schläft gerade und ich versichere Ihnen, was immer das für ein Notfall ist, er kann bis zu angemessener Stunde warten.”

“Hören sie zu,” konterte ich mit tiefer Stimme. “Wecken Sie ihn auf. Sagen Sie ihm, seine Ehrengäste werden von Killern verfolgt.”

“Wer sind Sie?” wollte er wissen, anstatt mich ernst zu nehmen.

“Das ist egal. Wecken Sie ihn verdammt nochmal und übermitteln ie ihm die Nachricht.”

Der alte Herr schnaufte, rieb sich die Augen und ich tippte aufs Komm-Gerät, um das Gespräch zu beenden. Was für ein Idiot. Mir blieb keine Zeit für Diskussionen und ich hatte nicht vor, ihm meinen Namen zu sagen. Besonders da ich nicht wusste, ob dieser scheinbar unbedarfte alte Diener den Feinden von Prime Nial eventuell Informationen zuspielte. Prime Nial hatte selbst gesagt, dass er niemandem vertraute.

Ich war auf mich allein gestellt.

Das Killerkommando würde mich zu ihrem Ziel führen. Der Sprinter mit den Erdenfrauen war seit zehn Minuten außer Sicht. Auf meinem Bildschirm konnte ich sehen, wie sie sich immer weiter entfernten. Verdammt nochmal.

Die Killer würden nicht lange warten. Sie würden ihren Auftrag ausführen, schnell und gnadenlos, und dann in die Nacht verschwinden. Ich konnte nur hoffen, dass ich es schaffen würde, bevor sie alle Garden ausgeschaltet hatten.

Trinity

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