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3. KAPITEL Mittwoch, 13. Februar 1957

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Ich werde diesen abend niemals vergessen. Elf Tage nach meinem 15. Geburtstag lehnten Clarkie und ich im Odeon Theatre an der Brüstung des oberen Rangs und schauten zu, wie die Reihen im Parkett sich wieder füllten. Es war Pause, und das alte Kino platzte aus allen Nähten. Wir waren so aufgedreht, dass wir uns kaum auf unseren Sitzen halten konnten. Die Kalin Twins hatten das Konzert eröffnet und einen großartigen Auftritt hingelegt, und jetzt hatte die Spannung im Saal ihren Höhepunkt erreicht.

Dann erloschen die Lichter. Ich liebe diesen Moment, wenn du so lange dagesessen und gewartet hast, und dann wird es plötzlich dunkel und du weißt – jetzt geht’s los. Alle eilten zurück auf ihre Plätze, und mir lief ein Schauer nach dem anderen über den Rücken. Es wurde stockfinster im Saal, ein einziger Scheinwerfer warf einen kleinen hellen Punkt auf die Mitte des roten Vorhangs. Eine Hand schob den Vorhang ein paar Zentimeter zur Seite, ein Gesicht mit Schmachtlocke auf der Stirn schaute hervor und rief: „See you later, alligator!“

Well, I saw my baby walkin’ / with another man today …

Der Vorhang öffnete sich, und der Anblick brannte sich für immer in meine Seele ein. Da war er: Bill Haley höchstpersönlich. Er war weder hübsch noch sexy, er war kein Elvis – aber was für eine Show dieser Mann hinlegte! Er und die Comets in ihren karierten Anzügen rockten den Laden mit einer Spielfreude, die ihresgleichen sucht. Der Bassist, Al Rex, setzte sich auf sein Instrument wie auf ein Pferd und gab ihm die Sporen, während Rudy Pompilli das Saxophon beim Spielen in die Luft streckte, den Rücken weit nach hinten gebogen. Viel Herumgekasper, aber auch eine Menge großartiger Musik. Sie spielten alle ihre Hits: „Razzle Dazzle“, „Shake, Rattle and Roll“, „Rudy’s Rock“, „Calling All Comets“, „Dim, Dim the Lights“, „Birth of the Boogie“. Als sie zu „Rock Around the Clock“ überleiteten, hatte in Manchester die Rock’n’Roll-Ära begonnen.

Man konnte es dem Publikum an diesem Abend ansehen. Es waren vor allem Jugendliche in meinem Alter, und ihre Gesichter strahlten eine geradezu gespenstische Energie aus. Wir glaubten an diese Musik. Es war etwas Neues, etwas, das nur uns gehörte – es hatte nichts mit dem Mist zu tun, den sie uns auf BBC oder in der Schule vorspielten, nichts mit den Nachkriegsschnulzen unserer Eltern. Rock’n’Roll hatte einen jungen, völlig anderen Klang, der uns unmittelbar ansprach. Es war, als wäre eine neue Religion gegründet worden, und Bill Haley überbrachte die Frohe Botschaft.

Clarkie und ich, wir waren außer uns. Die Musik, die überdrehte Show, die Energie des Publikums – wir sprachen nicht darüber, aber ich weiß, dass wir uns beide bereits selbst auf dieser Bühne sahen. Schon mit 15 war ich mir sicher: Dort lag meine Zukunft. Und an diesem Abend schwor ich mir, dass mich nichts und niemand aufhalten sollte. Nach dem Konzert, als die Leute das Kino wieder verließen, gelang es mir, hinter die Polizeiabsperrung zu kommen und Rudy Pompilli, der gerade in den Tourbus einstieg, am Ellbogen zu berühren! So sehr sehnte ich mich nach einer Verbindung zu dieser Welt. Was mir blieb, waren die Platten, die es bis in die Läden in Manchester schafften, und der Saturday Club auf BBC, wo die neuesten Hits aus den Staaten gespielt wurden. Aber das war auch schon alles, was es an Rock’n’Roll gab.

An einem Samstag im Herbst 1957 gingen Clarkie und ich zu einer Feier im Keller von St. Clements, einer katholischen Schule in Salford. Eigentlich hatten wir mit den Leuten dort nichts zu tun, aber es wimmelte von katholischen Mädchen. Muss ich dazu noch was sagen? Wir sahen mordsmäßig gut aus, wie zwei junge James Deans. Ich trug ein rotes Hemd mit schwarzen Tupfen, keine Krawatte, und hatte mir die Haare mit einer halben Dose Brylcreem zurückgekämmt.

Wir gingen die Treppe hinunter und überreichten der jungen Dame an der Tür unsere Eintrittskarten. Im abgedunkelten Raum hinter ihr hatten sich bereits an die hundert Jugendliche versammelt. Wir blieben erst mal am Eingang stehen und verschafften uns einen Überblick. Aus den Lautsprechern erklang „You Send Me“ und auf der Tanzfläche verknoteten sich die Pärchen. Hier und da ging mal ein Lehrer dazwischen und trennte die Kombattanten, und man konnte den Jungs von den Lippen ablesen, was sie dann sagten: „Ich habe meine Freundin nicht so angefasst!“ Ach, wir hätten uns am liebsten gleich zu ihnen gesellt. Allan und ich waren vernarrt in Mädchen. Wir waren zwar nicht cool, aber wir hofften, dennoch Anschluss zu finden, und hier sahen wir einige Chancen für uns. Der Song ging zu Ende, die Lichter wieder an, und die Pärchen, die eben noch auf Tuchfühlung gegangen waren, stoben auseinander, zogen sich an die Ränder der Tanzfläche zurück.

Am anderen Ende des Raums erspähten wir Norma Timms und steuerten schnurstracks auf sie zu. Norma war ein Mädchen, das man wohl als frühreif bezeichnen kann. Sie lebte in einem Arbeiterhaus, das etwas schicker war als unseres, aber Clarkie und ich fanden Norma ohnehin wahnsinnig schick und wetteiferten darum, wer sie zuerst herumbekam. Da liefen wir also über die Tanzfläche, schubsten einander zur Seite, als plötzlich ein Song aus den Lautsprechern ertönte, der uns erstarren ließ.

Bye bye love, bye bye happiness,

Hello loneliness, I think I’m a-gonna cry-y.

So etwas hatte ich noch nie gehört. Die akustischen Gitarren, die den Rhythmus vorgaben. Barrégriffe, die sich übereinander legten. Zwei helle Stimmen, die sich nahtlos zu einer verbanden. Ich hatte noch nie zwei Stimmen gehört, die einander so gut ergänzten. Diese Mischung war einfach magisch, ich war fassungslos. „Was …!?“ Mir blieb beinahe die Luft weg. „Was, zur Hölle, ist das?“ Wir standen wie zu Stein erstarrt und lauschten. Erst nach einer Weile bemerkten wir, dass die Leute sich um uns geschart hatten und tanzten, aber ich war wie gelähmt. Jedenfalls bis ich mitbekam, dass Allan auf Norma zuging, was mich sofort zurück ins Hier und Jetzt holte. Dieser Moment war unheimlich wichtig; einer der Wendepunkte meines Lebens. Es war, als hätte sich in meiner Seele eine riesige Pforte geöffnet, als wäre in mir eine Saite zum Klingen gebracht worden, die nie wieder aufhören sollte zu schwingen. Als ich die Everly Brothers singen hörte, wusste ich, dass ich Musik machen wollte, die die Menschen berührte. Das war mein Ding, und diese Erkenntnis kann ich auf die Nacht in St. Clements zurück führen.

Ich schubste Clarkie noch einmal zur Seite, und Norma wurde später meine Freundin, aber die wahre Eroberung hatten wir auf musikalischem Gebiet gemacht. Eine halbe Stunde später quetschten wir den DJ aus; er sollte uns alles über diese fantastische Platte erzählen. Er zog sie aus seinem Stapel und lieferte uns die Fakten: Die Everly Brothers erschienen bei Cadence Records. Sie waren wirklich Brüder, kamen aus Kentucky und waren Fans der Louvin Brothers, ein Name, den ich mir auch gleich merkte.

Allan und ich nahmen „Bye Bye Love“ sofort in unser Repertoire auf; wir imitierten die Everlys, so gut es uns gelang. Und wir suchten ganz Manchester nach weiterem Material von ihnen ab, nach Singles oder einem ganzen Album. Innerhalb von einem Monat hatten wir den Schatz gehoben: The Everly Brothers. Wir schafften uns alle Songs drauf, konnten sie bald im Schlaf: „Brand New Heartache“, „Maybe Tomorrow“, „Wake Up Little Susie“ und mein Lieblingslied „Lucille“.

Mittlerweile traten wir auf, wo immer wir Gelegenheit dazu bekamen. In Manchester gab es einen Club namens Plaza Dance Hall in der Oxford Street, der von Jimmy Savile betrieben wurde, einem einflussreichen englischen DJ und Moderator, der immer exzentrische Klamotten trug und hellblond gefärbtes Haar hatte. Jahre später gab es ernste und schockierende Anschuldigungen gegen ihn wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern – es war ein Skandal, der die BBC und das ganze Land erschütterte –, aber damals bekamen wir bloß mit, dass er uns sehr unterstützte. Wir hatten keine Ahnung von seiner dunklen Seite. Wir wussten nur, dass es in seinem Club jeden Montag eine Talentshow gab, die massenhaft Publikum anzog. Allan und ich gewannen die Show viermal in Folge, wir sangen „Be-Bop-a-Lula“ wie die Everly Brothers und „When Will I Be Loved“. Jimmy ermutigte uns. Er spürte, dass wir besonders talentiert waren und nicht bloß zwei Jungs mit ihren Gitarren. Wir spielten auch in anderen Tanzschuppen in Manchester. Ich ging zwar noch auf die Salford Grammar, aber ich dachte lange und intensiv darüber nach, die Schule zu schmeißen. Allan war bereits von der Ordsall Board School abgegangen und arbeitete bei Alexander Kenyon, einem Laden für Elektroteile. Jeden Abend trat er als Sänger mit den Riverside Rockets auf, einer Skifle-Band aus Broughton. Er verdiente also schon ordentlich Geld. Aber dadurch trennten sich unsere Wege für eine Weile, und meine Mutter nahm es ihm sehr übel, dass Allan sich von ihrem Sohn abgewandt hatte. Tatsächlich fühlte ich mich allein gelassen. Monatelang gab es niemanden, mit dem ich hätte singen können.

Mein Vater trat eine Stelle als Lagerist bei Imperial Tobacco an, einer Firma am Salforder Hafen. Beruflich war das ein ziemlicher Abstieg, aber er nahm das mit der ihm eigenen stoischen Art hin. Zwei Tage später kam er nach Hause und sagte: „Ich habe heute mit dem Rauchen aufgehört. Ihr habt ja keine Ahnung, was in Zigaretten alles drinsteckt.“ Er erzählte, was in den Tabakcontainern gefunden wurde: Ratten, Kakerlaken und anderes Ungeziefer, von weiteren Ekligkeiten gar nicht zu sprechen. Aber anstatt sie zu entfernen, wurde das Zeug hinter verschlossenen Türen einfach ausgeräuchert, und der Dreck wanderte mit in den Tabak. Kein Wunder, dass mein Vater auch nie wieder anfing zu rauchen!

Davon abgesehen, war er auch sonst nicht mehr derselbe. Er hatte seine gesellige Art verloren, sein innerer Funke war verglüht. Seine Veränderung verstörte mich sehr, aber wir redeten nie darüber. Der Schleier, der sämtliche Gemütsbewegungen verhüllte, wurde nie gelüftet.

Am 6. Februar 1958 kam eine weitere Erschütterung hinzu. Ich war auf dem Heimweg von einem langweiligen Tag in der Schule, und als ich aus dem Bus stieg, war der Nebel so dick, dass ich keinen Meter weit sehen konnte. Als meine Augen sich schließlich angepasst hatten, machte ich einen Pulk von Zeitungshändlern aus, die Schilder mit der aktuellen Schlagzeile vor sich hertrugen. Die Nachricht des Tages lautete: „Flugzeugabsturz von Manchester United“. Mein Magen sackte in die Kniekehlen. Die „Busby Babes“ waren mein Team. Sie gehörten zur Weltspitze und waren unser ganzer Stolz. Mein Vater hatte mich zu Dutzenden von Fußballspielen mitgenommen, und einige der gefeierten Spieler – Duncan Edwards und Eddie Coleman – waren auf meine Schule gegangen. Ich holte mir eine Zeitung und versuchte zu begreifen, was passiert war. Das Team war auf dem Rückweg von einem Spiel gegen Roter Stern Belgrad gewesen, als das Flugzeug beim Start nach einem Auftankstopp in München explodierte. Tot … sie waren alle tot.

Das Elend lastete schwer auf meinen Schultern, und es war eine Erleichterung, ein paar Wochen später Allan über den Weg zu laufen. Anfangs fühlte es sich ein bisschen seltsam an, dazustehen und mit meinem besten Kumpel höflich Konversation zu treiben, aber immerhin brachten wir einander auf den neuesten Stand. Er hatte die Riverside Rockets verlassen und suchte nach neuen Möglichkeiten, Musik zu machen. „Hey, schau dir das mal an“, sagte er schließlich, öffnete seinen Gitarrenkoffer und holte eine schwarze Halbakustikgitarre hervor. Er reichte sie mir wie ein Heiligtum – und das Schätzchen fühlte sich in meinen Händen wirklich sehr gut an. Ich war unheimlich neidisch. Allan hatte auch einen kleinen Verstärker. Diese Kombination – Gitarre und Verstärker – machte aus einem Skiffle-Spieler einen Rockstar. Das wollte ich auch sein. Ich schob meinen Neid beiseite und freute mich für Allan. Er war auf dem richtigen Weg. Und diesmal ging ich mit ihm.

Wir nannten uns Ricky und Dane Young und traten als Two Teens in Manchester auf. Ich war Dane – frag mich nicht, warum. Der Name klang irgendwie cool. Wenn wir es im Showgeschäft zu etwas bringen wollten, brauchten wir andere Namen als Graham und Harold. Was den Nachnamen betrifft: Wir waren neue Gesichter und dachten, Young wäre passend – schon seltsam, wenn man an Neil denkt, den ich später traf. Allan und ich probierten verschiedene Rollen aus; wir wären so gerne gewesen wie James Dean.

Wichtiger war: Wir waren gut. Wir sangen uns die Seele aus dem Leib, und das sprach sich in Manchester herum. Wir traten in Cafés und Pubs auf, wo auch immer sich eine Möglichkeit ergab. Das brachte ein bisschen Geld, und es war auch ein guter Weg, Mädchen kennenzulernen, wie wir bald herausfanden. Besonders Letzteres motivierte mich sehr. Meine erste Liebe war Rose Oliver, ein wunderschönes Geschöpf mit langen blonden Haaren und einem Körper, der auf der Schwelle zum Frausein stand. Sie war schön und fröhlich und ließ nicht zu, dass ich sie berührte, aber mir war das egal. Kurz darauf bekam ich meinen ersten Kuss von einem Mädchen namens Sylvia. Mit ihr hatte ich auch zum ersten Mal Sex (danke, Sylvia), und zwar im Stehen in der Gasse hinter ihrem Haus. Ich kann nicht behaupten, dass es eine alles übertreffende Erfahrung war. Es war schon vorbei, bevor wir überhaupt begriffen, was wir da trieben. Aber es hatte mir doch Lust auf mehr gemacht.

Als Two Teens nahmen Allan und ich – also Ricky und Dane – an örtlichen Wettbewerben teil, die in Nordengland sehr populär waren. Diese Talentshows bewegten sich manchmal hart an der Grenze zum Varieté. Unter den zehn oder zwölf Amateurkünstlern, die da Woche für Woche gegeneinander antraten, waren nicht nur Sänger, sondern auch Zauberer, Bauchredner, Pantomimen, Akkordeonspieler und Tellerjongleure, das volle Programm. Eine unserer frühen Eskapaden führte uns in die Urlaubsanlage Middletown Towers – wir sangen dort „It’s Only Make Believe“ von Conway Twitty, bekamen tosenden Applaus und wurden zum dreitägigen Finale eingeladen, das dann allerdings irgendein Schnulzensänger gewann.

Der wichtigste Wettbewerb, an dem wir teilnahmen, hieß Star Search und fand am 19. November 1958 im Hippodrome Theatre in Manchester statt. Moderator war Carroll Levis, ein leicht übergewichtiger kanadischer Künstleragent und offenbar der Herr des Amateurtalente-Markts. Es schien, als würden alle Gruppen aus ganz Lancashire bei ihm antreten, um sich einen Namen zu machen. Ich begegnete Johnny Peters, Frontmann der Rockets, dessen Coolnessfaktor jede Messlatte sprengte. Ronnie Wycherley, später bekannt als Billy Fury, lümmelte hinter der Bühne herum, genauso wie Freddie Garrity, ein kleiner Typ mit Brille, der in den 1960ern als Freddie and the Dreamers ein paar Hits landete. Für die meiste Aufregung im Vorfeld der Show sorgte eine Band aus Liverpool namens Johnny and the Moondogs. Sie sangen „Think It Over“ von Buddy Holly. Ich fand sie ziemlich toll, was meinen guten Geschmack beweist, wenn man bedenkt, dass die Gruppe aus John Lennon, George Harrison und Paul McCartney bestand. Johnny Hutchinson spielte Schlagzeug. Allan und ich entschieden uns für „It’s Only Make Believe“, denn wir wussten, wie man in diesen Song Gefühl legte.

Der Abend war unheimlich gut besucht. Carroll Levis war eine Berühmtheit, und die Leute kamen auch wegen ihm. Die anderen Teilnehmer waren überraschend gut. Die Harmonica Rascals waren Lokalhelden; so ein Zwerg spielte bei ihnen Bass-Mundharmonika, ein Angeber, der schamlos mit dem Publikum flirtete. Und die Moondogs waren natürlich ein Knaller. Sie hätten auch wahrscheinlich gewonnen, wenn sie bis zum Ende hätten bleiben können, aber der letzte Bus nach Liverpool ging um halb zehn, und da war die Show noch in vollem Gange. Allan und ich schlugen uns genauso gut wie die anderen. Unsere Harmonien waren tadellos, und wir holten alles aus der Ballade heraus. Als Levis schließlich alle noch einmal auf die Bühne bat, konnte man nur raten, wer auf dem ersten Platz landen würde. Er stellte uns der Reihe nach auf, schritt die einzelnen Gruppen ab und hielt seine Hand hoch – wenn das Publikum losjubelte, wusste man, dass man gute Chancen hatte. Billy Fury und Freddie Garrity hatten Freunde mitgebracht, die ohrenbetäubenden Lärm machten; bei den Harmonica Rascals und Johnny Peters war es dasselbe. Aber als Allan und ich an der Reihe waren, gab es gar keinen Zweifel, dass wir gewonnen hatten. Wir durften ins Finale einziehen, das eine Woche später in Morecombe stattfand.

Wir waren auf dem Weg nach oben, soviel war sicher. Ein Manager hatte ein Auge auf uns geworfen, Arthur Fee, er betreute bereits eine Band namens Kirk Daniels and the Deltas. Fee war selber Musiker gewesen, aber er hatte den Durchbruch nicht geschafft und stattdessen entschieden, Popkünstler auf eine neue Art und Weise aufzubauen. Sein Konzept bestand darin, dass wir nicht nur sangen und spielten, sondern eine ganze Show präsentierten, eine Art Revue. Kirk Daniels und wir eröffneten den Abend mit ein paar gemeinsamen Songs, dann kamen Ricky und Dane Young in identischen grünen Laméjacken auf die Bühne, dann zogen wir uns alle einen Lendenschurz über und stürmten umher wie Fred Feuerstein – solche Nummern eben. Und es funktionierte, eine Zeit lang zumindest. Wir wurden für Feiern am Wochenende gebucht; Schulaulen verwandelten sich in Tanzclubs, in denen 150 Jugendliche bis zum Zapfenstreich feiern konnten. Wir traten auch in größeren Pubs wie dem Yew Tree in Wythenshaw auf. Unsere Sets dauerten eine dreiviertel Stunde, es gab keine Wiederholungen. Wir lernten damals eine Menge, und anfangs war es eine interessante Art zu arbeiten, aber bald nervte uns die Albernheit der Shows und wir beschlossen, alleine weiterzumachen.

Manchmal verdienten wir zwanzig bis dreißig Pfund pro Woche – ganz schön viel für einen 16-jährigen Jungen, besonders, wenn man die Umstände bei mir zu Hause bedenkt. Unsere Familie brauchte jede Hilfe, die sie kriegen konnte. Meine Eltern arbeiteten beide, aber sie kamen kaum über die Runden, und die Aussichten in Salford wurden immer düsterer. Also beschloss ich, von der Schule abzugehen und mir eine Arbeit zu suchen. Es war keine schwierige Entscheidung. Von der Schule hielt ich ohnehin nichts; ich wusste, dass meine Zukunft der Bühne und der Musik gehörte. Es war an der Zeit, dass das echte Leben anfing.

Meine Eltern versuchten nicht, mir das auszureden. Wie üblich führten wir kein tiefergehendes Gespräch darüber, aber ich war mir sicher, dass sie meine Entscheidung guthießen. Sie hofften wohl nur, dass ich nicht den Salforder Weg einschlagen würde – das hätte bedeutet, in einem Bergwerk oder einer Baumwollspinnerei zu arbeiten, bis ich sechzig wäre, um dann vom Chef eine goldene Uhr zu bekommen und zu sterben. Was für ein elendes Leben, aber so endeten hier die meisten Leute. Tatsächlich hatte Allan nach der Schule in einer Tuchfabrik in Salford gearbeitet. Ich besuchte ihn dort einmal in seiner Mittagspause, und für mich war es die Hölle. Diese riesigen Maschinen, die im gleichen Rhythmus stampften, und all die Weberschiffchen, die hin und her flitzten. Es war dreckig, überall flogen Stofffetzen herum. Erstaunlicherweise schien Allan das alles nichts auszumachen, was mir zeigte, dass man sich komplett von seiner Außenwelt abschotten kann, wenn man will. Aber es war nicht der richtige Ort für mich, das wusste ich gleich. Zum Glück verließ Allan die Fabrik, um eine Stelle bei Alexander Kenyon anzutreten. Er empfahl mich dort, und ich hatte meinen ersten richtigen Job.

Wir zwei fuhren zusammen zur Arbeit, der Weg dorthin war irre. Der Laden lag vor den Toren von Manchester, in Ardwick. Wir mussten um sechs Uhr morgens aufbrechen, zwei Busse nehmen und dann noch ein Stück laufen. Nach der Arbeit, pünktlich um halb sechs, erwartete uns ein Transporter und wir fuhren in ein Städtchen im Umkreis. Dort traten wir auf und kamen erst um drei Uhr morgens wieder heim. Samstags arbeitete ich zusätzlich in einem Plattenladen. Es war eine Plackerei, aber wir hielten jahrelang durch. Immerhin war es toll, einen richtigen Lohn zu bekommen. Ich werde nie vergessen, wie ich meine erste Lohntüte – zwei Pfund und zehn Schilling – in Empfang nahm und sie meiner Mutter brachte.

Ich steuerte immer etwas zum Familieneinkommen bei, aber es gelang mir auch, ein wenig Geld zur Seite zu legen. Seit ich Allans E-Gitarre gesehen hatte, sparte ich auf eine eigene. Er wollte inzwischen ein besseres Instrument, und nach ein paar Monaten bei Kenyon hatten wir genug Geld, um uns zwei zueinander passende Modelle von Guyatone zu kaufen. Ich bezahlte etwa 14 Pfund, das war ein Vermögen. Aber mit diesen Gitarren konnten wir endlich Rock’n’Roll spielen.

Wir nannten uns Guyatones – sehr origineller Einfall, ich weiß – und traten hauptsächlich in einer Reihe von Cafés auf, die damals in Nordengland nur so aus dem Boden schossen. Wir spielten Songs von den Everly Brothers, ein bisschen was von Buddy Holly, ein Schuss Gene Vincent rundete das Ganze ab. Eines nachmittags waren wir für einen Auftritt im Bodega gebucht, einem kleinen Künstlerlokal in der Nähe der Deansgate am Albert Square in Manchester. Das war so ein Laden für Möchtegern-Beatniks, die gestreifte Hemden und Baskenmützen trugen und mit den Fingern schnipsten, anstatt zu applaudieren. Wir hielten rein gar nichts von all dem, aber Hauptsache, wir bekamen unser Geld. Nach unserem Auftritt kam ein junger, gutaussehender Typ auf uns zu und stellte sich vor. Er hieß Joe Abrams; seinem Vater gehörte der größte Zeitungskiosk von Manchester, etwa zweihundert Meter vom Bodega entfernt. Mit 15 Jahren war Joe von der Schule abgegangen, um seinem Vater zu helfen. Sie verkauften Zeitungen und Magazine an die Massen von Arbeitern, die jeden Tag vorbeikamen. Joe spielte Schlagzeug, und er war extra gekommen, um sich unseren Auftritt anzusehen.

„Ihr seid echt gut“, sagte er. „Aber ihr braucht eine Band.“

„Was soll das heißen, wir brauchen eine Band?“, fragte ich und ging sofort in Abwehrstellung. „Wir kommen prima alleine zurecht. Allan und ich verdienen fünf Pfund pro Abend. Wir brauchen niemanden sonst.“

„Doch, braucht ihr. Einen Schlagzeuger, einen Bassisten und einen Leadgitarristen. Zufälligerweise bin ich der großartige Schlagzeuger, den ihr braucht. Außerdem braucht ihr Bocking.“

„Bocking!? Keine Ahnung, wovon du redest.“

„Pete Bocking – den braucht ihr für eure Band.“

„Ach ja? Und wieso?“

Joe Abrams grinste – jetzt hatte er mich am Haken. „Weil er jedes Solo spielen kann, das du je gehört hast, jedes Solo von Buddy Holly, jedes Solo von Gene Vincent, alles von Little Richard …“

„Tja, wenn das so ist“, sagte ich. „Dann stell uns diesen Pete Bocking doch mal vor.“

Wir machten uns sofort auf den Weg nach Didsbury, einen Vorort von Manchester. Noch heute fällt es mir schwer, Pete Bocking zu beschreiben. Er war anders als alle Musiker, denen ich je begegnet war – oder noch begegnen sollte. Er war schüchtern und introvertiert, seine Stimme war nur ein Flüstern, und er hatte mit 17 Jahren schon eine Glatze. Als wir uns trafen, trug er eine Sonnenbrille und einen dunklen Anzug mit überlangen Ärmeln, und er rauchte wie ein Schlot. Er hatte einen rechteckigen Koffer dabei, den er feierlich auf dem Boden ablegte.

„Was ist in dem Koffer?“, fragte ich ohne große Erwartungen.

Bocking sagte kein Wort. Er öffnete den Koffer und – großer Gott! Eine Stratocaster! Es war die erste Fender Stratocaster, die ich je sah. Ich hatte schon so viel über diese Gitarren gehört. Sie waren teuer, kosteten mehr als 170 Pfund, und Pete hatte auf diese schnittige Schönheit gespart, die sich wie ein Surfbrett in der Sonne spiegelte. So, wie er sie anfasste, sah man gleich, dass sie etwas ganz Besonderes war. Dann fing er an zu spielen. Er stöpselte sie nicht einmal ein, spielte wie auf einer akustischen Gitarre, aber es war einfach magisch. Er spielte unsere liebsten Solos völlig stilsicher. Joe Abrams hatte nicht zu viel versprochen.

Ich wandte mich an Allan: „Joe hat recht – wir brauchen diesen Typen.“ Ich wusste, dass Allan dasselbe dachte. Wir hatten uns als Duo sehr wohlgefühlt mit unseren zwei kleinen Gitarren und unserem Tatendrang. Aber uns war klar, was als Nächstes anstand. Wir wollten eine Rock’n’Roll-Band gründen, mit Pete Bocking als Leadgitarristen, Joe Abrams am Schlagzeug und ihrem Freund Butch Mepham am Bass. Diese Jungs konnten uns helfen, unseren Traum wahr zu machen.

Wir nannten uns Fourtones – obwohl wir zu fünft waren. Die Fourtones: meine allererste Band. Zu Beginn spielten wir noch anspruchsvollen Skiffle, Instrumentalstücke und Sachen von den Ventures. Aber bald wandten wir uns dem amerikanischen R&B zu: Coasters, Barrett Strong, Arthur Alexander und Konsorten, gemischt mit unseren alten Bekannten, den Everly Brothers und Buddy Holly. Allan und ich fanden es fantastisch, wie Joe und Butch den Takt hielten, und bei jedem unserer Auftritte freuten wir uns auf Bockings Solo. Er war einer dieser Typen, die nie ein Solo zweimal spielen, so gut war er. Clarkie und ich schauten uns immer an und sagten: „Ok – Zeit für ein Solo“, dann wandten wir uns Pete zu und saugten seine genialen Ideen in uns auf. Was für ein Gefühl! Mit den Fourtones hatten Allan und ich etwas losgetreten, das eine unfassbare Energie besaß. Wir sangen immer noch Songs von den Everly Brothers und spielten Skiffle, aber jetzt waren ein Beat und Pete Bockings Solos hinzugekommen; wir hatten uns endlich aufgemacht in Richtung Rock’n’Roll.

Die Fourtones waren eine ziemlich gute Band. Beinahe jedes Wochenende traten wir in Manchester und Umgebung auf und hatten bald eine treue Fangemeinde. Als Mitglied einer Rock’n’Roll-Band in den später 1950ern hatte man einen großen Vorteil: Die Mädchen standen offensichtlich auf Musiker. Vorne an der Bühne versammelte sich immer eine Schar von Schönheiten, und die Blicke flogen nur so hin und her. Das Ganze hatte allerdings auch seine Tücken. Wenn der Freund des jeweiligen Mädchens etwas von dem Flirt mitbekam, gab es nach dem Konzert oft noch eine Prügelei. Bob Joy war einer dieser Jungs. Er war Afroamerikaner und hatte immer eine Silbermünze dabei. Er fixierte dich, warf die Münze in die Luft, fing sie auf … warf sie wieder in die Luft, fing sie auf … immer wieder, bis er deine Aufmerksamkeit hatte. Dann warf er sie viel höher in die Luft als zuvor, und während du der Münze noch hinterherschautest, verpasste er dir die übelste Kopfnuss deines Lebens. Eines Nachts trugen Allan und ich unsere Verstärker zum Transporter, der gerade vorgefahren war, aber aus irgendeinem Grund blieb ich zurück. Mit Bob Joy, der auch dort wartete. Das Arschloch hatte es auf mich abgesehen, und diese Silbermünzen-Kopfnuss-Nummer hinterließ bei mir einen nachhaltigen Eindruck. Eifersucht durfte man nicht auf die leichte Schulter nehmen – eine Lektion, die ich auf dem harten Weg lernte und nicht so schnell vergessen sollte.

Die 1960er Jahre begannen, und es fühlte sich großartig an, auf eigenen Beinen zu stehen, anständig Geld zu verdienen und als Musiker aufzutreten. Nicht viele hatten es im Alter von 18 Jahren schon so weit gebracht. Aber manchmal braucht es nur eine zufällige Begegnung, und du wirst wieder daran erinnert, was für ein Kind du noch bist.

Irgendwann nach Jahresbeginn entdeckte ich eine Anzeige in der Lokalzeitung von Manchester: die Everly Brothers, live im Konzert in der Free Trade Hall. Keine Frage, da wollte ich hin. Allan auch. Und wir setzten uns in den Kopf, dass wir unsere Helden irgendwie treffen mussten. Davon träumten wir schon lange. Natürlich rechneten wir nicht damit, dass es uns gelingen würde. Aber wir heckten trotzdem einen Plan aus, der uns durchführbar erschien, und waren wild entschlossen, ihn in die Tat umzusetzen.

Am Abend der Show waren wir extrem aufgeregt. Wir waren vollgepumpt mit Adrenalin, und das Herz schlug uns bis zum Hals. Wir hatten tolle Plätze in der achten Reihe, meine Schwester Elaine war auch dabei. Es gab Gerüchte, dass Phil und Don nicht mehr miteinander redeten, und ich stellte mir vor, Allan und Elaine einfach zurückzulassen und für Phil einzuspringen, wenn er nicht auftauchen sollte. Aber dann fing das Konzert an, und sie waren beide da, so, wie wir es gehofft hatten. Sie waren fantastisch. Sie brachten alle ihre Hits und spielten wie junge Götter auf ihren Akustikgitarren, grauen Gibsons. Es klang unglaublich. Sie sangen in ein Mikrophon, es war perfekt ausbalanciert. Und diese Stimmen! Ich traute meinen Ohren nicht! Es war umwerfend.

Ein 18-jähriger Typ namens Jimmy Gordon saß an diesem Abend am Schlagzeug; Jahre später engagierte ich ihn für „Marrakesh Express“ – wie sich manchmal im Leben die Kreise schließen.

Nach dem Konzert leerte sich der Saal ziemlich schnell. Der Großteil des Publikums musste am nächsten Tag wieder zur Schule, und Mädchen durften sowieso nicht so lange ausgehen, also setzten wir meine Schwester in den Bus nach Hause. Ihr war das egal, sie schwebte auf Wolke sieben. Während des Konzerts war Phil Everly eine Saite gerissen, und ich war nach vorne gehechtet, um sie für meine Schwester zu holen. Ich bin mir sicher, dass sie diese Saite den ganzen Heimweg lang anschmachtete – sie hat sie bis heute aufbewahrt. Nachdem wir uns von Elaine verabschiedet hatten, machten wir uns ans Werk. Ein Tourbus war nirgends zu entdecken, also konnten wir die Suche schon einengen. Wir vermuteten, dass die Everlys in Manchester übernachten würden, wahrscheinlich im Midland Hotel, das sich in der Nähe der Free Trade Hall befand. Es war das beste Hotel der Stadt und ein bekannter Treffpunkt; in den 1920er Jahren hatten sich dort Rolls und Royce kennengelernt. Vor dem Eingang stand ein livrierter Portier. Wie die Coolness in Person schlenderte ich auf ihn zu. „Sind die Everly Brothers schon da?“, fragte ich. Unglaublicherweise fiel er darauf herein. „Nein, noch nicht“, sagte er, und da wussten wir, dass wir es geschafft hatten.

Clarkie und ich stellten uns vor der Eingangstür auf. Ich schaute auf die Turmuhr gegenüber: zehn Uhr. Als ich das nächste Mal hinschaute, war es bereits viertel vor zwölf. Die Buslinien stellten um Mitternacht ihren Betrieb ein. Es regnete in Strömen und war arschkalt – typisches nordenglisches Wetter eben –, aber wir gaben nicht auf. Wir wussten, dass wir die 15 Kilometer nach Salford wahrscheinlich zu Fuß zurückzulegen mussten, aber wen kümmerte das schon? Wir warteten schließlich nicht auf irgendwen. Die Uhr hatte schon eins geschlagen, als ich die beiden schließlich um die Ecke kommen sah. Sie waren ein bisschen betrunken; sie waren in einem Nachtclub gewesen. „Da sind sie!“, zischte ich Clarkie zu. „Oh Gott, sie kommen direkt auf uns zu! Scheiße! Was jetzt?“

Wir standen vor dem Hotel wie festgenagelt, und für die beiden führte kein Weg an uns vorbei. Sie schauten uns an und wir wussten, sie hatten uns gleich als Fans erkannt.

„Wir wollen euch nicht belästigen“, sagte ich. „Ich bin Graham und das ist mein Freund Allan, und wir singen zusammen. Wir singen wie ihr – wir imitieren euren Stil.“

„Nett von euch“, sagte Don. „Seid ihr denn gut?“

„Wir denken schon“, sagte Clarkie. Wir erzählten von unserer Band und unseren Auftritten in Manchester. „Weiter so, Graham und Allan“, sagte Phil. „Ihr macht das schon.“

Graham und Allan. Phil und Don nannten uns Graham und Allan! Da standen wir also vor dem Midland Hotel, Allan und ich und Phil und Don, und redeten über Musik. Und sie ermutigten uns. Anstatt uns abzuwimmeln und schlafen zu gehen, unterhielten sie sich mit uns. Auch wenn unser Gespräch vielleicht nur vierzig Sekunden dauerte, kam es mir vor wie vierzig Minuten. So oder so, es änderte unser Leben. Es war ein großer Moment für mich. In dieser Nacht schwor ich mir eins: Sollte ich je berühmt werden und Fans von mir treffen, dann wollte ich mit ihnen reden wie die Everly Brothers mit uns. Ich fühlte mich von ihnen als Person anerkannt. Noch heute halte ich es so – wenn ich nach einem Auftritt mit dem Bus wegfahre, und da stehen Fans und winken, dann bitte ich den Fahrer anzuhalten und rede ein paar Minuten mit den Leuten. Dann waren die Everly Brothers verschwunden. Clarkie und ich flippten aus, klopften einander auf die Schultern, hüpften auf und ab. „Ist das gerade wirklich passiert? Ich kann’s gar nicht fassen!“

Wochenlang zehrten wir von dieser Begegnung. Die beiden hatten mich tief beeindruckt, und ich nahm mir ihre Ratschläge zu Herzen. Wir hatten auch übers Songschreiben gesprochen. Die Everly Brothers hatten eine Menge fabelhaftes Material, das auf ihre eigene Kappe ging, also wollten Allan und ich es auch versuchen. Sie hatten gemeint, wir sollten nicht allzu lange darüber nachdenken, sondern einfach loslegen. Ein paar Monate später war es soweit.

Wir ließen uns auf einer Parkbank vor den Regent Road Baths nieder, einem Schwimmbad unweit von meinem Zuhause. In der Bäckerei gegenüber hatten wir uns Brot vom Vortag gekauft, und dann machten wir uns an unseren ersten eigenen Song. Wir hatten nicht einmal unsere Gitarren dabei und mussten alles im Gedächtnis behalten. „Hey, Whats’s Wrong with Me?“ war kein Meisterstück, aber das war egal. Für einen ersten Versuch war es nicht schlecht, und der Song landete dann auch auf der B-Seite unserer allerersten Platte. Die Gewissheit, dass wir einen ganz anständigen Rock’n’Roll-Song schreiben konnten, befriedigte uns enorm. Mich begeisterte der kreative Prozess, persönliche Gefühle mit Worten und Musik zu verbinden, und ich begann mich in der Hoffnung zu wiegen, dass ich mit der Zeit ein guter Songschreiber werden würde.

Allan und ich machten weiter. Wir schrieben zusammen, und die Fourtones wuchsen eng zusammen. Wir hatten einige großartige Rock’n’Roll-Nummern im Repertoire: „Mr. Moonlight“, „Anna“, „Mickey’s Monkey“, „You’ve Really Got a Hold on Me“, „Stay“, „Poison Ivy“ – es machte uns großen Spaß, diese Songs zu spielen. Ende 1960 machten wir in einem Plattenladen namens Johnny’s Roadhouse unsere erste Aufnahme, damals waren das noch acetatbeschichtete Aluminiumplatten. Eines Samstagmorgens schleppten wir unsere Instrumente die Treppen hoch in einen Raum, dessen Wände zur Schalldämmung mit Eierkartons tapeziert waren. Das war vielleicht eine schäbige Klitsche! Wir hatten zusammengelegt, investierten vier Schilling in die Session und nahmen drei Songs auf: „Cryin’ in the Rain“ und „Wimoweh“ von den Everly Brothers sowie „Learn How to Twist“, diesen Song hatten wir selbst geschrieben.

Aber Teenager-Bands halten nicht ewig. Auch die Fourtones lösten sich irgendwann auf. Joe, Pete und Butch gingen ihrer eigenen Wege, und Allan und ich taten uns mit anderen Jungs zusammen: mit Vic Farrell, einem Gitarristen, der später unter dem Namen Vic Steele ziemlich berühmt wurde, Eric Haydock, der bereits bei Kirk Daniels and the Deltas den Bass gespielt hatte, und Don Rathbone, der ein ganz anständiger Schlagzeuger war, den wir aber eigentlich nur deshalb aufnahmen, weil sein Vater als Inhaber einer Leichenhalle einen großen Wagen hatte, den wir benutzen durften.

Eines Abends im Jahr 1962 hatten wir einen Auftritt im Two J’s in der Lloyd Street in der Nähe vom Albert Square. Das war ein winziger Laden im Erdgeschoss eines alten Gebäudes und eines der ersten Cafés in Manchester, in denen Livemusik gespielt wurde. (Später wurde er in Oasis umbenannt und gab der berühmten Britpop-Band ihren Namen.) Ich arbeitete nachmittags dort, servierte Kaffee, bereitete Burger zu, wischte die Tische ab. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich dafür bezahlt wurde – ich wollte einfach zu dem Laden dazugehören. Dem Besitzer, Jack Jackson, sagte ich, er solle sich unsere Band einmal anhören, und er willigte ein. Graham Clegg, der Moderator des Abends, kam auf uns zu, bevor wir die Bühne betraten.

„Ich kündige euch gleich an“, sagte er. „Wie heißt denn eure Band?“

Gute Frage. Wir hatten noch gar keinen Namen und zogen uns kurz zurück, um darüber zu diskutieren.

„Wie wär’s mit Deadbeats?“, schlug Don vor.

Deadbeats – Versager. Ich fand, das klang ganz cool. Clarkie war glücklicherweise anderer Meinung. „Wir sind doch keine Versager“, sagte er. „Wir bringen den Leuten Spaß.“

Irgendjemand – ich weiß wirklich nicht mehr, wer – meinte dann, wir sollten uns nach unserem Lieblingssänger benennen. Sofort stimmten alle zu, und ich ging, um unsere Entscheidung zu verkünden. Ein paar Minuten später standen wir schon an der Seite der briefmarkengroßen Bühne, und Graham Clegg trat nach vorne ans Mikrophon. „Bitte begrüßen Sie mit einem warmen Applaus die nächste Band“, sagte er. „Die Hollies!“

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