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„Der Reichtum“
ОглавлениеIn dieser Komödie aus dem Jahre 388 wird zu Beginn ein armer Mann gezeigt, der beim delphischen Orakel nach einer Möglichkeit angefragt hatte, seiner Armut zu entkommen. Es gehe, so eröffnet er dem Gotte, gar nicht so sehr um ihn selber, sondern um den Sohn: Soll der rechtschaffen leben oder unehrlich, um voranzukommen? Er bekommt die dem euripideischen „Ion“ ähnelnde Antwort, er solle dem ersten folgen, dem er beim Verlassen des Heiligtums begegnen würde. Es war dies ein alter, schäbiger Blinder. So folgt er denn mit seinem Diener Karion dem Alten und ärgert sich, dass der nur schweigt und nicht sagt, wer er sei.52 Der arme Mann, Chremylos mit Namen, nennt sich selber rechtschaffen und gottesfürchtig (28), obschon seine Frage an den Gott die Zuschauer kaum davon überzeugen konnte. Man ist von der Rechtschaffenheit des Chremylos auch im weiteren nicht überzeugt, stimmt er doch dem Sklaven bei, als der vorschlägt, um den Blinden loszuwerden, ihn vor eine Schlucht zu stellen, damit er hineinfalle (69 f.). Nun spricht der Mann: Er sei der Reichtum (78), den Zeus aus Beneidung53 der Menschen geblendet habe. Würde er wieder sehend werden, würde er nur noch zu den Guten gehen (95ff.), und so geht er denn auch ins Haus des „rechtschaffenen“ Chremylos, der unumwunden zugibt, das Geld mehr zu lieben als Weib und Sohn, den „ich am meisten liebe nach dir“ (251).
Chremylos ist nun reich geworden, das Gerücht davon hat sich verbreitet, und so kommt ein Freund herbei. Dem Neureichen ist sein Glück schon zu Kopfe gestiegen, denn er begrüßt den Freund nicht mehr wie sonst, sondern hoch gestelzt.54 Der Freund, ein Normalmensch, wie Flashar (1975, 416) verdeutlicht, kann sich gar nicht vorstellen, dass sein Freund auf ehrliche Weise reich geworden sein könnte, kennt er ihn doch von ganz anderen Seiten (360, 365), Chremylos ihn aber auch (380f.): So entlarvt man einander gegenseitig, man kennt sich, und die Ironie des Dichters ist unüberhörbar, unüberhörbar auch der Anschluss an die Selbstentlarvungen in den „Ekklesiazusai“. Ironie umspielt nun auch die Szene, in der die Personifizierung der Armut („Penia“) auftritt:55 Sie sei notwendig, sonst würde ja niemand mehr, reich geworden, an Arbeit denken und, da nur die Armen rechtschaffen, würde die Stadt ihre Rechtschaffenheit verlieren (569).
Nach dem Agon56 tritt als Hauptperson der Diener57 des Chremylos, Karion, auf, und an ihn heran tritt ein Mann, der zum neuen Gotte will, zum Plutos, um ihm zu danken. Hinter ihm drein kommt ein Diener, der ihm einen zerschlissenen Mantel und löchrige Schuhe nachträgt. Sein Herr, ehemals ein Reicher, der durch Wohltätigkeit verarmt war, also ein – so scheint es – Ehrenmann durch und durch, will dem Gotte seine früheren Kleider und Schuhe weihen (844), die Karion zu Recht ironisch als uralt58 bezeichnet: „Das sind ja süße Gaben“ (849). Nach ihm erscheint ein Denunziant, und seine Szene ist dadurch bestimmt, dass er seine widerliche Art nur allmählich offenbart, und dies verbindet den „Plutos“ erneut deutlich mit den früheren „Ekklesiazusai“. Nicht viel anders steht es mit der folgenden Szene, in der eine Alte auftritt, toll geschminkt; sie klagt, dass ihr junger Liebhaber, den sie bisher für seine Dienste entlohnte, nun reich geworden, nichts mehr von ihr wissen wolle. Und wie geldversessen, nicht aber ehrlich hilfsbereit der Mann ist, zeigt er selber, als er betrunken auftritt und die arme Alte übel verspottet. So macht er seine „schmutzige Gesinnung“ (Flashar 427) selber erkennbar. Aber letztlich sind alle hier, bis auf Plutos und Penia, unredliche Charaktere, die ihre Unredlichkeit selber schrittweise demaskieren. Das, was in den früheren Komödien nur ein Unterton war, das Offenlegen von inneren Motiven und verborgenen Gesinnungen, wird im „Plutos“ zum tragenden Gedanken. Das Stück ist nicht mehr politisch im Sinne einer Bezogenheit auf bestimmte Ereignisse. Darum tragen mehrere Personen auch keine Eigennamen mehr, sondern Bezeichnungen wie „Ein Gerechter“.59 Es beginnt die Zeit der „Typen“, wie Silk (2000, 231) es ausdrückt. Die Komödie ist auf dem Wege zu Menander.