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Einleitung zur „Großen Katechese“.

1 Über den Zweck dieses wichtigen Werkes, dessen Abfassung nicht vor 385 fallen dürfte, spricht sich Gregor im Eingang der Schrift mit genügender Deutlichkeit aus. Sie soll den Vorstehern der Kirche ein Hilfsmittel sein, das „zuverlässige Wort2“ den Ungläubigen nahezubringen, damit so durch den Zuwachs der Geretteten die Kirche zur Fülle gelange3. Aber nicht die gleiche Art der Belehrung ist für alle angemessen, die zum Unterricht kommen. Allerdings ist das Lehrziel immer das gleiche, aber je nach der Verschiedenheit der Religionen muß sich die Unterrichtsweise verschieden gestalten, anders beim Juden, anders beim Heiden und wieder anders bei den verschiedenen Sekten der Häretiker . . . Man muß je nachdem gewisse Grundwahrheiten als eine gemeinsame Basis der Erörterung vorausschicken und dann schrittweise mit den entsprechenden Folgerungen den Widerpart weiterführen, bis man, den guten Willen desselben vorausgesetzt, zu einer Einigung kommt. An diese Methode hält sich Gregor beharrlich im Laufe der Darstellung, um so eine brauchbare Anleitung zu geben, ähnlich wie man auch heutzutage beim Konvertitenunterricht zu Werke gehen wird. Den Heiden gegenüber beruft er sich nicht auf Offenbarungsschriften, sondern sucht durch Analogien aus dem natürlichen Leben, Gleichnisse, logische Schlußfolgerungen die Einwendungen zu beseitigen, welche gegen die über menschliche Vernunft erhabenen Wahrheiten gemacht werden. Den Juden, die ihr Altes Testament gläubig hochhalten, beruft er sich gelegentlich auf ihre heiligen Bücher, um deren Übereinstimmung mit der Lehre Christi aufzudecken. Bei den Häretikern kann er wenigstens von jenen Schriften des Neuen Testamentes Gebrauch machen, die von ihnen anerkannt werden. Immerhin tritt im ganzen Werke die biblisch-theologische Argumentation sehr zurück gegen das rationell deduktive und metaphysische Beweisverfahren. Der reichliche Stoff wird in 40 Kapiteln behandelt und verbreitet sich über die großen Wahrheiten von Gott, der Erlösung und Heiligung. Der erste Abschnitt (c. 1―4) belehrt über den* einen* Gott in drei Personen, die Gleichheit des Sohnes mit dem Vater und die Gottheit des heiligen Geistes. Das Analogon vom menschlichen „Wort“ und „Hauch“ dient zur Veranschaulichung des Mysteriums. Weitaus der größte Teil der Katechese (c. 5―32) bewegt sich in den christologischen Fragen. Gregor fühlt die große Schwierigkeit, das wunderbare Geheimnis dem Außenstehenden nahe zu bringen. Er beginnt mit dem Urzustand. Nachdem die* ursprüngliche* Natur des Menschen dazu bestimmt war, an den göttlichen Gütern teilzunehmen, ist durch die Sünde, die freiwillige Abkehr des Menschen von Gott, diese herrliche Ordnung gestört worden. Gott ist nicht schuld an dem verkehrten Zustand, der jetzt folgte. Nur in der Sünde (privatio boni) liegt das Übel. Selbst der Tod ist nicht als ein Übel zu betrachten. Aber welche Einwürfe erheben sich gegen solche Lehren? „Gott hat Unwürdiges (in der Menschwerdung) angenommen!“ In der Entgegnung erscheint der nachmals oft wiederholte Vergleich mit der aus Leib und Seele bestehenden Menschennatur. „Aber in der Geburt und im Tode Christi liegt doch etwas für Gott Ungeziemendes!“ Dagegen sprechen die wunderbaren Taten Christi, der Unterschied des menschlichen Geborenwerdens und Strebens gegenüber der Geburt und dem Tod Christi4 und das Motiv der Menschwerdung, die erbarmende Liebe Gottes. „Aber warum hat Gott nicht lieber einen andern Weg als den der leidvollen Erlösung gewählt, da er uns durch einen einfachen Willensakt die Schuld erlassen konnte?“ Hier genügt für die Gläubigen die Gewißheit der gottgewollten Tatsache; aus dem Glauben sind sie überzeugt, daß gerade dieser Art der Erlösung ein weiser Ratschluß Gottes zugrunde liegt. Den Zweiflern werden Vernunftgründe vorgelegt, die von der Einheit aller göttlichen Eigenschaften hergeleitet sind. Gerechtigkeit, Güte, Weisheit, Macht Gottes offenbaren sich allzumal in dem Erlösungswerk. Gregor adoptiert die von Origenes5 vertretene, später aufgegebene Theorie, der* Teufel* habe als Lösegeld für die ihm verschuldete Menschheit den Kreuzestod des Gottmenschen empfangen. Mit der Annahme der menschlichen Natur durch Christus war die Notwendigkeit verbunden, auch* alle* ihre Eigentümlichkeiten derselben anzunehmen. Das ist mit Gottes Hoheit und Allgegenwart wohl vereinbar. Die menschliche Geburt Gottes sollen die Gegner nicht aus Unverstand ins Lächerliche ziehen. Zwei letzte Einwürfe lauten: „Warum ist die Menschwerdung nicht früher erfolgt, und warum ist dem stets fortschreitenden Übel nicht Einhalt getan worden?“ „Warum mußte gerade der schmähliche Kreuzestod die Erlösung bewirken, da der Macht Gottes viel leichtere Wege zur Verfügung standen?“ Der Apologet beruft sich auf die unserer Natur angemessene weise Fürsorge Gottes und die glorreiche Überwindung des Todes durch den Tod Christi.

In den nächsten Kapiteln (33―37) spricht Gregor von den zwei Sakramenten, durch die uns die Früchte der Erlösung zugeleitet werden. Die Taufe ist eine zweite geistige Geburt, gewirkt durch Anrufung der gleichen Allmacht Gottes, die auch das Wunderbare irdischer Zeugung bewirkt. Das dreimalige Untertauchen in das Wasser hat tiefern mystischen Sinn. Weil auch das Feuer reinigende Kraft besitzt, so müssen die Ungetauften durch Feuer gereinigt werden6. In diesem Zusammenhang entwickelt Gregorius, von Origenes beeinflußt, seine Lehre von der Apokatastasis.

Durch das Sakrament der Eucharistie wird das neugewonnene Leben erhalten und gestärkt. Die Schlußkapitel (38―40) handeln vom Glauben an den dreieinigen Gott, sofern er die Voraussetzung für die Wiedergeburt aus Gott ist und das neue Leben in allem bestimmt und befruchtet.

Fußnoten

1. Aus: Des heiligen Bischofs Gregor von Nyssa Schriften / aus dem Griechischen übers. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 56) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1927

2. πιστός λόγος, (pistos logos) vgl. 1 Tim. 1, 15; 2, 11

3. Anspielung auf Ephes. 1, 23

4. χε οτε γέννησις π πάθους ρξατο, οτε θάνατος ες πάθος κατέληξεν [Echei oute hē gennēsis apo pathous ērxato, oute ho thanatos eis pathos katelēxen]

5. Origenes in Matth. 18, 8. Vgl. Pohle, Dogmatik II 179 f

6. Ο δ ταύτης μύητοι τς καθάρσεως ναγκαίως τ πυρ καθαρίζονται [hoi de tautēs amyētoi tēs katharseōs anangkaiōs tō pyri katharizontai] (M. 45, 92). Andere diesbezügliche Belege bei Bardenhewer a. a. O

Essentielle Schriften, Band 1

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