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VERBINDUNGEN

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zwischen den Sex Pistols, Dada und dem so hochtrabend Situationistische Internationale genannten Gebilde bis hin zu vergessenen Ketzereien wurden nicht von mir entdeckt. In den frühen Tagen des Londoner Punk fand sich kaum ein Artikel zum Thema, in dem das Wort »Dada« fehlte: Punk sei »wie Dada«, sagten alle, doch keiner erklärte, warum, ganz zu schweigen davon, was das heißen sollte. Anspielungen auf Malcolm McLarens angebliche Kontakte zu der geheimnisvollen »S.I.« wurden in der britischen Pop-Presse als Insiderwissen gehandelt, aber dieses Wissen brachte einen anscheinend nicht weiter.

Dennoch hörte sich das alles interessant an, auch wenn »Dada« für mich allenfalls ein Wort war, das nur vage an eine verflossene Kunstrichtung erinnerte (Paris in den Goldenen Zwanzigern? etwas in der Art); auch wenn ich von der Situationistischen Internationale noch nie gehört hatte. Ich stöberte also herum, und je mehr ich herausfand, desto weniger wusste ich. Alle möglichen Leute hatten diese Verbindungen hergestellt, aber keiner hatte etwas daraus gemacht … und ziemlich bald führte mich mein Versuch, etwas daraus zu machen, vom Katalog der Universitätsbibliothek in Berkeley zum Dada-Gründungsort in Zürich, von Gil J. Wolmans Bohèmewohnung in Paris zu Michèle Bernsteins Pfarrhaus in Südengland, von Alexander Trocchis Junkieabsteige in London zurück zu Büchern, die dreißig Jahre lang in Bibliotheksregalen verstaubt waren, bevor ich sie auslieh. Er führte mich zu Mikrofilmgeräten, auf denen sich die unzweideutigen öffentlichen Äußerungen aus der Zeit meiner Kindheit abspulten; es ist eigenartig, alte Zeitungen zu durchforsten, auf der Suche nach dem bestätigenden Datum für das Fragment einer privaten fixen Idee, die man in eine öffentliche Äußerung zu verwandeln hofft, sich von Anzeigen ablenken zu lassen, die nach all der Zeit so plump und durchsichtig wirken, zu fühlen, ja, die Vergangenheit ist ein anderes Land, eine nette Gegend für einen Besuch, aber man möchte dort nicht leben, um auf die ersten Meldungen über den Sturz der guatemaltekischen Regierung Arbenz zu stoßen, die toten Nachrichten zu lesen, als wären sie eine miese Parodie von CIA-Desinformationen, und anschließend in der aktuellen Tageszeitung die Konsequenzen zu verfolgen: Gesichter, schreibt der Reporter 1984, drei Jahrzehnte nachdem Arbenz in die Mikrofilmarchive einging, die heute von dubiosen Bürgern mittels Bajonetten entfernt und dann an Bäume gehängt werden, bis sie zu Masken getrocknet sind. Die Zeit schreitet fort.

Es war keine heroische Suche; einige der Bücher verdienten es, auch die nächsten dreißig Jahre übersehen zu werden. In erster Linie war es ein Spiel, oder auch ein Jucken, das gekratzt werden wollte: das Aufspüren einer echten Story oder das Verfolgen einer falschen Fährte um des Vergnügens willen, das nur eine falsche Fährte bereitet. Die Recherche bewirkt, dass die Zeit voranschreitet, rückwärts läuft oder stehenbleibt. Zwei Jahre und fünfzehntausend Kilometer später lagen die ersten Nummern von Potlatch vor mir, einem Mitteilungsblatt der Lettristischen Internationale, das Mitte der fünfziger Jahre in Paris verteilt wurde; auf seinen hektographierten Seiten firmierte »Kritik der Architektur« als Schlüssel zur Kritik des Lebens. Hier wurde der große Architekt Le Corbusier als »M. Sing-Sing« und »Erbauer von Slums« verdammt. Seine Strahlende Stadt wurde als autoritäres Experiment sozialen Maschinenbaus verworfen, als Ansammlung »vertikaler Gettos« und turmhoher »Leichenschauhäuser«; die wahre Funktion von Le Corbusiers gefeierten »Wohnmaschinen«, so las man in Potlatch, sei es, Maschinen zu produzieren, die in ihnen wohnten. »Das Dekor bestimmt die Gesten«, schrieb die L.I.; »wir werden leidenschaftliche Häuser bauen.« Von einem Größenwahn beseelt, der im Gegensatz zu ihren verschmierten maschinegeschriebenen Seiten stand, brachte die L.I. Worte zu Papier, die »Anarchy in the U.K.« später in Bob Geldofs Mund legen sollten – das konnte man sich durchaus vorstellen. Doch als mir meine guatemaltekischen Reisen im Mikrofilmraum einfielen, fragte ich mich, ob es für die Geschichte der Sex Pistols etwas bedeutete, dass die Potlatch-Autoren (Gil J. Wolman, Michèle Bernstein und die vier anderen, die damals ihre Namen auf das Papier schrieben) im Sommer 1954 den Sturz des Reformers Arbenz durch die CIA als zentrales gesellschaftliches Ereignis wählten, als Metapher und als Mittler zu der Sprache der »alten Welt«, die sie zerstören wollten, zu der »neuen Zivilisation«, die sie schaffen wollten.

Hier fanden sich hellsichtige Versionen der Nachrichten der folgenden Woche, als Potlatch Saint-Just von der Guillotine zurückholte, um ein »Voraburteil« über Arbenz’ Weigerung abzugeben, Guatemalas Arbeiter gegen den unvermeidlichen Putsch zu bewaffnen (»Wer eine Revolution nur halbherzig macht, schaufelt sein eigenes Grab«). Außerdem fanden sich kryptische Verweise auf die Katharer, Ketzer im Frankreich des dreizehnten Jahrhunderts, sowie die neuesten Erkenntnisse der Teilchenphysik. Hier tauchte auch die erste Notiz eines immer wiederkehrenden situationistischen Themas auf: der Vorstellung vom »Urlaub« als einer Art Teufelskreis von Entfremdung und Unterjochung, ein Symbol der falschen Versprechungen des modernen Lebens, ein Gedanke, der mit CLUB MED – EIN BILLIGER URLAUB IM ELEND ANDERER LEUTE im Paris des Mai 1968 als Graffito auftauchte und sich später, so schien es, in »Holidays in the Sun« verwandelte. »Nach Spanien oder Griechenland kann sich nun auch Guatemala zu den für den Tourismus geeigneten Ländern zählen«, schrieb die L.I. kühl und merkte an, dass die Exekutionskommandos der neuen Regierung bereits die Straßen von Guatemala City säuberten. »Wir hoffen, irgendwann mal hinzufliegen.«

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