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Erinnerung gesucht

Peter Jabulowsky

O

ft fahre ich in diese Stadt am Untermain. Warum? Ich muss in einem früheren Leben ein Seligenstädter gewesen sein. Vielleicht suche ich nach Zeichen. Zu gern möchte ich mich erinnern.

Vom Fastnachtszug im Schlumberland habe ich gehört. Den gibt es schon seit mehr als hundert Jahren. Auch fühle ich mich manchmal schlumberlich. Ob das von damals übrigblieb, kann ich nicht sagen, kann mich an eine alte Fastnacht nicht erinnern.

Auch katholisch bin ich nicht. Habe bis vor Jahresfrist von Einhard nie gehört. Und doch erscheint er mir vertraut, der Baumeister und Biograph.

Die Märtyrer Marcellinus und Petrus sind mir völlig unbekannt. Dennoch scheinen sie, bei meinem Gang durch die Basilika, mir im Geiste zu winken. Ich durchstreifte die Jahrhunderte in dicken, alten Büchern. Ob ich den Herren persönlich je begegnet war? Weder an den Priester noch an den Exorzisten kann ich mich erinnern.

Sollte ein Beamter ich gewesen sein, der mit Grandeur den fahrenden Händlern den Löffeltrunk reichte? Oder habe ich gar als Offizier mit blankem Schwert und meinen Mannen raffgierige Händler auf ihrem Weg zur Stadt hinaus durch den düsteren Wald geleitet? Ich kann mich nicht erinnern.

Der Abt Colchon und die Wallonen erschienen mir, als ich von dem Geschehen hörte, gleich sympathisch. Ich durchforste meinen Kopf und finde keinen Hinweis, ob ich dabei gewesen war. Ich kann mich einfach nicht erinnern.

Vielleicht war ich doch nie ein Seligenstädter. Der pure Zufall will es, dass hier meine Freunde leben. Ich sitze gern mit ihnen vor herausgeputzten Fachwerkhäusern in einem grünen Gasthausgarten und trinke Glaabs.

Außerdem traf ich hier Menschen, die mit Sprache spielen. Gemeinsam verhaken wir Worte zu klingenden Ketten. Wir knüpfen bizarre Gedankengobelins im Heute und dekorieren damit unsere Zukunft.

Das Vergangene überlasse ich derweil seiner eigenen Erinnerung.

Seligenstädter Einladung

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