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AGGRESSIVE KRAFT
ОглавлениеWenn mir gesagt, ja vorgeworfen wird: „Du bist schon wieder so aggressiv!“, dann verbinde ich damit: „Reiß dich zusammen!“, „Sprich freundlicher mit mir!“, „Reg dich nicht so auf!“ oder gar: „Du machst mir Angst.“
Kein Wunder, dass ich dann einen Zustand von Aggression gar nicht erst aufkommen lassen möchte. Wenn ich diese unbestimmte Kraft oder dieses diffuse Gefühl dann doch spüre, habe ich Mühe, es zu unterdrücken. Gleichzeitig fühle ich mich bewertet und kritisiert. Häufig kommt es dann bei mir zu einer Rechtfertigung oder Verteidigung. Manchmal kann ich es gut „wegreden“. Und ich nehme dabei nicht wahr, dass mein Zeigen von aggressiver Gestik und Sprache ein Ausdruck meines inneren Gefühlszustandes ist.
Was wir vielfach als „aggressives“ Verhalten interpretieren, ist nicht selten ein Äußern von inneren Zuständen wie Überforderung, Ohnmacht, Zorn, Wut, Ratlosigkeit. Wut und Zorn eignen sich gut, um z. B. tief verborgenen Schmerz zu verstecken oder umzuwandeln; gerade auch, weil wir (seelischen) Schmerz und Verletzungen nicht wahrhaben wollen bzw. glauben, diesen nicht aushalten zu können.
Destruktive Aggression wie dauerhafte Wutgefühle, Schreien oder Toben, Neigung zu Gewalttätigkeit, übermäßiger Konsum von Alkohol und anderes Suchtverhalten lassen uns Traurigkeit, Schmerz, Ängstlichkeit und Einsamkeit nicht spüren. Aggression ist dann ein Abwehrverhalten und dient der emotionalen Selbsterhaltung, sie richtet sich dann entweder latent und unterschwellig gegen das eigene Selbst oder aktiv und zerstörend gegen die Umwelt. Zugleich verhindert diese destruktive Energie die Selbstwahrnehmung, dass wir auch verletzlich, empfindsam, unentschlossen und berührbar sind.
Bisweilen vergesse ich, dass Aggression eine Form von Entschlossenheit, energetischer Sammlung und Bewältigungsenergie ist, ohne die ich vieles im Leben nicht hinbekommen würde. Wenn ich etwa in einem Konflikt diese aggressive Energie im Gepäck habe, dabei kontrolliert und gewaltfrei in Tat und Wort agiere, bin ich nach einer Auseinandersetzung nicht gerädert oder frustriert.
Konstruktive Aggression ist mehr als ein Gefühl, sie ist die innere Quelle, die mir die Energie verleiht, meinen Herausforderungen im Leben konstruktiv begegnen zu können. Aggression als Lebenskraft hat unmittelbar nichts mit Gewalt, mit Grenzverletzungen und unkontrollierten Wutausbrüchen zu tun. Sie ist meine vitale Seite, die mich aufrecht leben lässt und die mich immer neu herausfordert, diese innere Kraft zu spüren, zu kultivieren, zu kontrollieren und mich daran zu erfreuen.