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Hygiene, Instrumente und Nahtmaterialien

Fabio Saccardin, Constantin Berli, Andreas Filippi

Aspekte zur Hygiene bei oralchirurgischen Eingriffen

Die Hygienerichtlinien beinhalten Maßnahmen zur Vermeidung nosokomialer Infekte. Dies setzt jedoch voraus, dass alle Mitarbeitenden im Behandlungszimmer bzw. im Eingriffsraum die Richtlinien bei vorgeschriebener Asepsis (=Keimfreiheit) kennen und diese auch einhalten. Dabei sind der Operateur sowie das assistierende Operationspersonal gleichermaßen für die Asepsis im sterilen Bereich verantwortlich. Können die Hygienerichtlinien nicht eingehalten werden, muss dies dem verantwortlichen Operateur mitgeteilt werden. Jede Verletzung oder Missachtung der Asepsis ist unmittelbar zu korrigieren.

Bei größeren operativen Eingriffen, die über Zahnentfernungen hinausgehen, tragen alle Mitarbeiter im Behandlungsraum anstelle der alltäglichen Berufsbekleidung separate Operationskleidung bzw. Shirt und Hose (meist Einwegkleidung), waschbare und vorn geschlossene Schuhe sowie eine Operationshaube zum vollständigen Bedecken der Haare. Die Mund-Nasen-Schutzmaske umfasst die Nase sowie Kinnpartie und sollte ausreichend befestigt und abgedichtet sein. Sie wird sowohl bei der Patientenvorbereitung als auch während des chirurgischen Eingriffs getragen. Ist die Mund-Nasen-Schutzmaske einmal durchfeuchtet, muss sie gewechselt werden.

Eine Handwaschung sollte nur beim Betreten der Arbeitsstätte, bei sichtlicher Verschmutzung der Hände, nach jedem Toilettengang und vor sowie nach dem Essen mit einer sanften Seifenlösung erfolgen (Abb. 2-1 bis 2-15). Eine Handwaschung sollte auf diese Indikationen beschränkt bleiben und nicht routinemäßig zwischen allen Behandlungen stattfinden. Zwischen den Behandlungen sollte eine Händedesinfektion bevorzugt werden.


Abb. 2-1 Zuerst werden 5 ml Handseife in die Handfläche der linken Hand gegeben.


Abb. 2-2 Danach werden die Fingerspitzen der rechten Hand während 5 Sekunden in die Handfläche der linken getaucht und daran gerieben, um die Fingernägel zu dekontaminieren.


Abb. 2-3 bis 2-7 Die Handseife soll am rechten Unterarm über 10 bis 15 Sekunden von der Hand bis zum Ellenbogen hin durch kreisende Bewegungen verteilt werden. So wird sichergestellt, dass die gesamte Hautfläche mit der Handseife benetzt wird.


Abb. 2-8 bis 2-15 Diese Schritte werden nun für die linke Hand und den linken Unterarm wiederholt. Anschließend wird die Handseife von den Händen in Richtung der Unterarme abgespült und nach Abtropfen sorgfältig in derselben Richtung mit einem Tuch trocken getupft.

Bei der Händedesinfektion unterscheidet man zwischen einer hygienischen und einer chirurgischen Händedesinfektion. Bei der hygienischen Händedesinfektion werden die getrockneten Handflächen mit einem geeigneten Desinfektionsmittel komplett benetzt und so eingerieben, dass Vorder- und Rückfläche, Nagelfalze, Daumen, Finger-Zwischenbereiche sowie Fingerkuppen mit dem Mittel in Berührung kommen (Abb. 2-16 bis 2-23). In der Regel werden dazu 3 ml Desinfektionslösung verwendet. Die hygienische Händedesinfektion findet vor und nach jedem Patientenkontakt statt. Ebenso sollte vor aseptischem Arbeiten und nach Kontakt mit infektiösem Material eine hygienische Händedesinfektion stattfinden.


Abb. 2-16 Hygienische und chirurgische Händedesinfektion beginnen mit der Benetzung der Handflächen mit einem Desinfektionsmittel.


Abb. 2-17 Der Handrücken der linken Hand einschließlich des Handgelenks ist mit der rechten Handfläche durch Vor- und Rückbewegungen einzureiben.


Abb. 2-18 Danach folgt dasselbe für die andere Hand.


Abb. 2-19 Die Handinnenflächen sollen aneinander gerieben werden, wobei die Finger ineinander übergreifen.


Abb. 2-20 und 2-21 Die Desinfektion der Fingerrücken erfolgt jeweils in der Handfläche der anderen Hand, indem diese seitlich hin und her bewegt werden.


Abb. 2-22 und 2-23 Der Daumen der linken Hand ist in der umschlossenen Handfläche der rechten Hand zu drehen und umgekehrt.

Die chirurgische Händedesinfektion sollte von allen Personen durchgeführt werden, die unmittelbar im Sterilbereich an einer Operation beteiligt sind. Im Gegensatz zur hygienischen Händedesinfektion werden zusätzlich zur Handdesinfektion auch die Unterarme und Handgelenke mit einbezogen (Abb. 2-24). Somit dauert die chirurgische Händedesinfektion deutlich länger als die hygienische, wird aber mit denselben Desinfektionsmitteln durchgeführt. Eine Waschung der Hände mit Seife ist nicht mehr Bestandteil der chirurgischen Händedesinfektion. Sollte eine Verunreinigung der Haut vorliegen, so wird empfohlen, nach dem Händewaschen eine 10-minütige Pause bis zur chirurgischen Händedesinfektion einzulegen. Es gilt besondere Aufmerksamkeit darauf zu legen, dass die Hände vor der Desinfektion ausreichend getrocknet sind und eine lückenlose Benetzung aller Hautareale und Nagelfalze unter Berücksichtigung der spezifischen Einwirkzeiten der Herstellerangaben eingehalten wird.


Abb. 2-24 Bei der chirurgischen Händedesinfektion werden zusätzlich zu den Handflächen zuvor auch die Unterarme und Handgelenke mit Desinfektionslösung benetzt.

Die sterile Schürze (über der Operationskleidung) und sterilen Handschuhe dürfen erst angezogen werden, wenn das Händedesinfektionsmittel an Händen und Unterarmen vollständig verdunstet ist2,3.

Die sterile Zone umfasst den steril abgedeckten Oberkörper des Patienten, den Instrumententisch sowie das assistierende Operationspersonal. Zu den sterilen Flächen gehören die Vorderseite der sterilen Schürzen, die Oberseiten von sterilen Tüchern sowie die sterilen Überzieher der Lampengriffe. Innerhalb des sterilen Bereichs bleiben die Hände stets oberhalb des Bauchnabels. Praxis- oder Klinikpersonal, dass nicht steril gekleidet ist, muss einen Abstand von mindestens 50 cm zum sterilen Bereich einhalten.

Instrumente

Operationsinstrumente für oralchirurgische Eingriffe lassen sich nach ihren Funktionen unterteilen. Dabei wird grob zwischen Halteinstrumenten, Fassinstrumenten, Schneideinstrumenten, Präparationsinstrumenten, Tastinstrumenten, rotierenden Instrumenten und Nahtinstrumenten (inkl. Nahtmaterialien) unterschieden. Die Instrumente können in einem Grundsieb oder Operationssieb für bestimmte operative Eingriffe (für dentoalveoläre, parodontale und apikale Chirurgie, Weichgewebschirurgie etc.) zusammengestellt werden, aber auch als einzelnes Instrument steril verpackt zur Verfügung stehen. Die individuelle Gestaltung der Operationssiebe ist hierbei dem Chirurgen selbst überlassen.

Halteinstrumente

Die Halteinstrumente sorgen während des operativen Eingriffs für eine bessere Übersicht. Für das Abhalten des angrenzenden Weichgewebes oder des Mukoperiostlappens werden stumpfe Wundhaken gegenüber scharfen Wundhaken (Ein-, Doppel- und Mehrzinker) bevorzugt, da letztere ein zusätzliches Trauma am Weichgewebe verursachen. Stumpfe Wundhaken, wie Wundhaken nach Langenbeck (Abb. 2-25), Wangenhaken nach Middeldorpf (Abb. 2-26) oder Vestibulumhaken (Abb. 2-27), dienen zum Abhalten von Wange und Lippe meist während der Schnittführung oder der Nahtlegung. Bei operativen Eingriffen am Mundboden kann zum Abhalten der Zunge zusätzlich der gefensterte Zungenspatel nach Brünings (Abb. 2-28) zum Einsatz kommen. Ist einmal der Mukoperiostlappen mobilisiert, so wird dieser auf der bukkalen Seite mit Hilfe des Wundhakens nach Langenbeck, bei unteren Weisheitszahnentfernungen auch mit dem Wundhaken nach Wilde (Abb. 2-29, Video 2-1), und lingual mit dem biegbaren Hirnspatel nach Davis (Abb. 2-30) ferngehalten. Dabei ist der Knochenkontakt mit dem Halteinstrument auf Höhe der Lappenbasis unerlässlich, da sonst bei Zug die Gefahr besteht, dass der Lappen am Schnittende einreißt.


Abb. 2-25 Wundhaken nach Langenbeck (schmal und breit).


Abb. 2-26 Wangenhaken nach Middeldorpf.


Abb. 2-27 Vestibulumhaken.


Abb. 2-28 Zungenspatel nach Brünings.


Abb. 2-29 Wundhaken nach Wilde.

Video 2-1 Einführen des Wundhakens nach Lappenmobilisation bei einer operativen Weisheitszahnentfernung Regio 38.


Abb. 2-30 Hirnspatel nach Davis.

Fassinstrumente

Zu den klassischen Fassinstrumenten gehören Pinzetten, die in unterschiedlichen Varianten zur Verfügung stehen. Die anatomische und zahnärztliche Pinzette (Abb. 2-31 und 2-32) haben ein quer geriffeltes Arbeitsende und dienen zum Fassen von Tupfern, Nadeln, Drainagen oder Tamponaden. Bei der chirurgischen Pinzette (Abb. 2-33) ist jedoch das Arbeitsende durch die ineinandergreifenden Zacken traumatisch, was ein besseres Fassen der Weichgewebe ermöglicht. Sowohl die anatomische als auch die chirurgische Pinzette existieren auch als mikrochirurgische Variante (Abb. 2-34). Weitere Fassinstrumente, wie Gefäßklemmen, zum Beispiel Moskitoklemme nach Halsted (Abb. 2-35), dienen dem Fassen von Blutgefäßen bei der Blutstillung sowie der Fixierung von Haltefäden oder Tupfern. Sie besitzen einen scherenartigen Griff mit einer Arretierung und einem geriffelten Arbeitsende, das gerade oder gebogen sein kann. Mit Hilfe der Tuchklemme nach Backhaus (Abb. 2-36, Video 2-2) können sterile Abdecktücher, aber auch der Absaugschlauch während des operativen Eingriffs fixiert werden. Ein weiteres essenzielles Fassinstrument ist der Tamponadenstopfer nach Luniatschek (Abb. 2-37, Video 2-3). Dieser hat sowohl an seinem geraden als auch an seinem gebogenen Arbeitsende eine v-/u-förmige Spitze, mit der Drainagen oder Tamponaden sicher in das Wundgebiet inseriert werden können. Des Weiteren gehören Zangen für die Zahnentfernungen (Abb. 2-38 und 2-39) zu den Fassinstrumenten.


Abb. 2-31 Anatomische Pinzette.


Abb. 2-32 Zahnärztliche Pinzette (nicht diamantiert).


Abb. 2-33 Chirurgische Pinzette.


Abb. 2-34 Mikrochirurgische Pinzetten.


Abb. 2-35 Moskitoklemme nach Halsted.


Abb. 2-36 Tuchklemme nach Backhaus.


Abb. 2-37 Tamponadenstopfer nach Luniatschek.


Abb. 2-38 Oberkieferzangen (v. l. n. r.): Frontzahnzange, Prämolarenzange, Molarenzange für den 1. Quadranten, Molarenzange für den 2. Quadranten, Weisheitszahnzange und Wurzelrestzange.

Video 2-2 Fixierung von sterilen Abdecktüchern und des Absaugschlauchs mit der Tuchklemme nach Backhaus.


Abb. 2-39 Unterkieferzangen (v. l. n. r.): Frontzahnzange, Prämolarenzange, Molarenzange, Kuhhornzange, Weisheitszahnzange und Wurzelrestzange.

Video 2-3 Einführen eines Jodoformstreifens im Sinne einer Drainage nach Weisheitszahnentfernung Regio 48.

Schneideinstrumente

Zu den Schneideinstrumenten gehören Skalpelle, die eine scharfe Durchtrennung des Weichgewebes ermöglichen. Da Skalpellklingen durch die übliche Schnittführung in der Oralchirurgie bei Knochenkontakt rasch abstumpfen, werden Einmalklingen in unterschiedlichen Formen (gebaucht und sichelförmig) mit sterilisierbarem Klingenhalter bevorzugt (Abb. 2-40). Für mikrochirurgische Eingriffe, wie zum Beispiel bei der Spaltlappenbildung, oder in der extraoralen zahnerhaltenden Chirurgie eignet sich eine schmale, auf zwei Seiten schneidende, mikrochirurgische Klinge (Abb. 2-41, Video 2-4).


Abb. 2-40 Skalpellklingenhalter mit gebauchter (Nr. 15) und sichelförmiger Klinge (Nr. 12).


Abb. 2-41 Skalpellklingenhalter mit Mikroklinge.

Des Weiteren existieren auch stumpfere Schneideinstrumente, wie das Desmotom (Abb. 2-42) oder Periotom (Abb. 2-43), womit parodontale Fasern im Bereich des bindegewebigen Attachements vor Zahnentfernungen durchtrennt werden können. Zu den Schneideinstrumenten gehören aber auch Scheren (Abb. 2-44 bis 2-46), die vielseitig eingesetzt werden können. Sie werden sowohl für Weichgewebskorrekturen als auch für Dissektionen (Lösen der einzelnen Gewebeschichten durch das Spreizen der Arbeitsenden) oder zum Abschneiden von Nahtmaterialien verwendet. Mit der Hohlmeißelzange nach Luer kann man Knochensepten entfernen oder scharfe Knochenkanten glätten (Abb. 2-47).


Abb. 2-42 Desmotome (gerade und gewinkelt).


Abb. 2-43 Periotom (mit einem geraden und gewinkelten Arbeitsende).

Video 2-4 Präparation eines palatinalen Spaltlappens.


Abb. 2-44 Schere nach Goldman-Fox (Weichgewebeschere, Präparierschere).


Abb. 2-45 Fadenschere (gewinkelt, spitz/spitz).


Abb. 2-46 Mikrochirurgische Schere.


Abb. 2-47 Hohlmeißelzange nach Luer.

Präparationsinstrumente

Raspatorien existieren in unterschiedlichen Variationen (Abb. 2-48 bis 2-54) und werden primär zum Ablösen des Mukoperiostlappens von seiner knöchernen Unterlage verwendet. Zudem eignen sie sich auch, um Weichgewebe während des Einsatzes rotierender Instrumente fernzuhalten. Ein Raspatorium, das von den Autoren favorisiert wird, ist das Raspatorium nach Glickman (Abb. 2-53, Video 2-5), welches zwei Arbeitsenden aufweist: Das dreieckige Arbeitsende eignet sich, um Interdentalpapillen zu mobilisieren, wohingegen das ovale Arbeitsende vor allem zum Ablösen des Mukoperiostlappens im Marginalbereich verwendet wird. Des Weiteren zählen auch scharfe Löffel zu den Präparationsinstrumenten (Abb. 2-55). Diese werden für die Exkochleation von Granulationsgewebe und der Exstirpation von Zystenepithel verwendet. Ferner gehören auch Hebel zu den Präparationsinstrumenten (Abb. 2-56 bis 2-60). Das hohlmeißelförmige Arbeitsende wird hierbei in den Parodontalspalt geschoben und durch kontrollierte Rotationsbewegungen in der Längsachse des Instruments (unter Abstützung am Limbus alveolaris) das Desmodont gedehnt beziehungsweise erweitert, sodass durch ein Nachfassen die Zahnwurzel disloziert werden kann.


Abb. 2-48 Raspatorium nach Williger.


Abb. 2-49 Raspatorium nach Partsch (kurz).


Abb. 2-50 Raspatorium nach Partsch (lang).


Abb. 2-51 Papillenraspatorium.


Abb. 2-52 Raspatorium nach Prichard.


Abb. 2-53 Raspatorium nach Glickman.


Abb. 2-54 Elevatorium nach Freer.

Video 2-5 Mobilisation des Mukoperiostlappens.


Abb. 2-55 Scharfe Löffel nach Lucas.


Abb. 2-56 Hebel nach Deppler (gerade).


Abb. 2-57 Hebel nach Deppler (gewinkelt).


Abb. 2-58 Hebel nach Bein (gerade).


Abb. 2-59 Wurzelheber nach Miller.


Abb. 2-60 Krallenhebel nach Barry.

Tastinstrumente

Klassische zahnärztliche Tastinstrumente, wie die Kuhhornsonde (Abb. 2-61), werden in der Oralchirurgie eingesetzt, um beispielsweise die Wirkung der Lokalanästhesie zu überprüfen. Aber auch die Parodontalsonde (Abb. 2-62) findet hier ihre Anwendung. Sie eignet sich, um Distanzen zu messen oder Fistelgänge zu sondieren. Die wichtigste Sonde ist jedoch die Knopfsonde nach Bowman (Abb. 2-63, Video 2-6), auch Silberblattsonde genannt, mit der sich Ausführungsgänge der großen Speicheldrüsen darstellen, aber auch Mund-Antrum-Verbindungen (MAV) nach Zahnentfernung im oberen Seitenzahngebiet verifizieren bzw. ausschließen lassen.


Abb. 2-61 Kuhhornsonde.


Abb. 2-62 Parodontalsonde.


Abb. 2-63 Sonde nach Bowman (=Silberblattsonde).

Video 2-6 Sondierung des knöchernen Alveolenfundus, um eine Mund-Antrum-Verbindung nach Entfernung des Zahnes 16 auszuschließen.

Rotierende Instrumente

Um Knochen abzutragen (Osteotomie) oder zu glätten (Osteoplastik), werden kugelförmige Rosenbohrer in unterschiedlichen Größen verwendet, die von einem sterilisierbaren Handstück maschinell angetrieben werden (Abb. 2-64). Dabei muss eine Überhitzung am Knochen durch Kühlung mit steriler isotoner Kochsalzlösung vermieden werden. Des Weiteren werden Lindemann-Fräsen eingesetzt, um Zähne zu dekapitieren oder deren Wurzeln zu separieren (Video 2-7).


Abb. 2-64 Handstück mit externer Kühlung (v. l. n. r.): Rosenbohrer mit absteigender Größe und Lindemann-Fräse.

Video 2-7 Osteotomie und Dekapitation während einer operativen Weisheitszahnentfernung 48.

Nahtinstrumente und Nahtmaterialien

In der Oralchirurgie werden geschlossene Nadelhalter beziehungsweise Nadelhalter mit einer Arretierung (Abb. 2-65 und 2-66) gegenüber offenen bevorzugt, da im geschlossenen Zustand die Nadel während der Nahtlegung besser fixiert werden kann. Dies sorgt gerade in einem unübersichtlichen Operationsgebiet für mehr Komfort und Sicherheit. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Größe des Nadelhalters mit der Größe der Nadel und der Dicke des Nahtmaterials korrespondieren sollte. Konkret bedeutet dies, dass mit makrochirurgischen Nadelhaltern keine 6-0-Nähte gelegt werden können und umgekehrt mit mikrochirurgischen Nadelhaltern (Abb. 2-67) keine 3-0-Nähte. Die Größe und die Form des Nadelhalters bestimmen dabei deren Handhabung: Manche werden wie eine Schere, manche wie eine Zange und andere wie ein Füllfederhalter gehalten (Abb. 2-68 bis 2-70). Während der Nahtlegung sollte die Nadel grundsätzlich nie mit dem Nadelhalter im Bereich des innen hohlen Nadelschafts (Armierungszone) gefasst werden, da dieser bei Zahn- oder Knochenkontakt abknickt und verworfen werden muss (Abb. 2-71).


Abb. 2-65 Nadelhalter nach Mayo-Hegar.


Abb. 2-66 Nadelhalter nach Mathieu.


Abb. 2-67 Mikrochirurgischer Nadelhalter.


Abb. 2-68 Der Nadelhalter wird mit Daumen und Ringfinder im Scherengriff gehalten und mit dem Zeigefinder zusätzlich stabilisiert.


Abb. 2-69 In manchen Situationen ist es jedoch komfortabler, wenn der Nadelhalter mit der Handflächentechnik gehalten wird.


Abb. 2-70 Der mikrochirurgische Nadelhalter wird wie ein Füllfederhalter gehalten, was für ein feines Handling sorgt.


Abb. 2-71 Korrekte Arretierung der chirurgischen Nadel im Nadelhalter.

Die Auswahl der auf dem Markt zur Verfügung stehenden Nahtmaterialien ist groß und gerade für Einsteiger sehr unübersichtlich. In der Oralchirurgie werden ausschließlich sogenannte atraumatische Nähte verwendet, das heißt solche ohne Nadelöhr und ohne dass der Faden noch eingefädelt werden muss, sondern direkt in der Nadel arretiert ist. Die chirurgische Nadel besteht grundsätzlich aus drei Elementen (Abb. 2-72): der Nadelspitze, dem Nadelkörper (mit Rillen), damit sich die Nadel nicht im Nadelhalter drehen kann, und dem Nadelschaft (auch Armierungszone genannt), der innen für die Befestigung des Fadens hohl ist. Die Bezeichnung einer Nadel, wie zum Beispiel DS16, setzt sich aus zwei Buchstaben und einer Zahl zusammen, die Rückschlüsse über Form, Profil, Spitze sowie Länge liefern. Der erste Buchstabe auf der Verpackung steht für die Nadelform. Die meisten chirurgischen Nadeln beschreiben hierbei den Teil einer Kreisbahn (Abb. 2-73). Die bekanntesten sind die H-Nadel (1/2-Kreis), die D-Nadel (3/8-Kreis) und die V-Nadel (1/4-Kreis), wobei die D-Nadel die geeignetste Nadelform für oralchirurgische Eingriffe ist. Mit allen anderen Nadelformen gestaltet man sich den Alltag unnötig schwer. Der zweite Buchstabe auf der Verpackung steht für das Profil des Nadelkörpers und der dritte Buchstabe, falls vorhanden, für spezielle Nadelspitzen (Abb. 2-74). Die bekanntesten Profile sind hierbei die R-Nadel (R=Rundkörpernadel) und die S-Nadel (S=schneidende Nadel), die dreieckig zugeschliffen ist. Für oralchirurgische Eingriffe sollten grundsätzlich nur S-Nadeln verwendet werden. Andere spezielle Nadelprofile sind in der Regel nicht erforderlich. Bei schneidenden Nadeln existieren zwei Varianten, die von den Herstellern auf den Verpackungen durch ein Dreieck mit der Spitze nach unten oder oben symbolisiert werden: Bei der einen befindet sich die schneidende Kante an der Außenkontur der Nadel (umgekehrt schneidend) und bei der anderen an der Innenkontur (konventionell schneidend). Für oralchirurgische Eingriffe ist die erste Variante zu bevorzugen, weil sonst die Gefahr besteht, dass der Lappen einreißt (Abb. 2-75). Zuletzt folgt auf der Verpackung noch eine Zahl. Diese beschreibt die Länge der Nadel. Mit unnötig langen Nadeln lassen sich Entlastungsschnitte nur mit Mühe nähen und mit zu kurzen Nadeln verschwindet die Nadel bukkal vollständig, bevor sie palatinal oder lingual erscheint (z. B. bei Papillen-Nähten). Daher sollte die Nadellänge für oralchirurgische Eingriffe idealerweise zwischen 16 und 19 mm betragen.


Abb. 2-72 Aufbau einer atraumatischen Nadel.


Abb. 2-73 Die wichtigsten Nadelformen1.


Abb. 2-74 Die wichtigsten Nadelprofile1.


Abb. 2-75 Konventionell und umgekehrt schneidende Nadelkörper und deren Wirkung auf das Weichgewebe.

Die Eigenschaft des chirurgischen Fadens und somit die Wahl des Nahtmaterials wird durch unterschiedliche Faktoren, wie Resorptionsverhalten (Tab. 2-1), Herkunft, Textur, Länge und Dicke, beeinflusst.

Tab. 2-1 Herkunft und Resorptionsverhalten von chirurgischen Fäden1.


Resorbierbares Nahtmaterial kommt in der Oralchirurgie nur selten zum Zug: Viel zu hoch ist die korrespondierende Plaqueakkumulation und deren Standzeit von bis zu einigen Wochen. Allerdings rechtfertigen Eingriffe, in denen mehrere Gewebeschichten adaptiert werden müssen (submuköse Nähte), oder Patienten, die sich aufgrund mangelnder Kooperation nur in Intubationsnarkose behandeln lassen (z. B. Angstpatienten, Kleinkinder oder geistig retardierte Patienten), deren Einsatz. Durch die Verwendung von resorbierbarem Nahtmaterial erübrigt sich die spätere Nahtentfernung beziehungsweise eine weitere Intubationsnarkose. In allen anderen Fällen ist jedoch nicht resorbierbares Nahtmaterial zu bevorzugen.

Des Weiteren sind chirurgische Fäden durch ihre Textur charakterisiert. Es wird hierbei zwischen monofil, pseudomonofil und multifil unterschieden. Der monofile Faden (Abb. 2-76) besteht aus einem einzigen Kunststoffstrang, welcher eine hydrophobe Oberfläche besitzt. Dies gewährleistet eine sehr gute Gleitfähigkeit durch das Gewebe von der ersten bis zur letzten Naht und führt in der Heilungsphase zu einer geringen Plaqueakkumulation. Eine Sonderform des monofilen Fadens ist der in sich gezwirnte PTFE-Faden (Polytetrafluorethylen) (Abb. 2-77). Er besticht nicht nur durch seine weiße Farbe, sondern auch durch sein weiches, gewebeschonendes und hydrophobes Material, mit dem es sich sehr angenehm nähen lässt. Allerdings kennzeichnet ihn auch ein hoher Einkaufspreis. Der multifile Faden besteht aus vielen feinen Filamenten, die geflochten oder gezwirnt sein können (Abb. 2-78). Dadurch besitzt der Faden eine eher raue Oberfläche, die beim Durchziehen zu einem zusätzlichen Trauma und postoperativ zu einer höheren Plaqueakkumulation führt. Des Weiteren saugt dieser aufgrund der hydrophilen Eigenschaft (Kapillarität) mit jeder weiteren Naht mehr Blut, Speichel und Gewebeflüssigkeit auf, was zu einer schlechteren Gleitfähigkeit führt. Dafür ist der multifile Faden einfacher zu knoten und das Fadenende wird von den Patienten aufgrund der höheren Geschmeidigkeit als weniger störend empfunden. Der pseudomonofile Faden ist ein multifiler Faden, der an der Oberfläche beschichtet beziehungsweise imprägniert wurde (Abb. 2-79). Dadurch wird dieser etwas glatter und hydrophober als der multifile Faden sein, was zu einer geringeren Plaqueakkumulation führt. Der pseudomonofile Faden stellt somit einen Kompromiss zwischen den Eigenschaften des monofilen und multifilen Fadens dar.


Abb. 2-76 Monofiler Faden.


Abb. 2-77 Gezwirnter PTFE-Faden.


Abb. 2-78 Multifiler Faden.


Abb. 2-79 Pseudomonofiler Faden.

Der Faden kann in verschiedenen Dicken bestellt werden. Das Spektrum für oralchirurgische Eingriffe bewegt sich zwischen 3-0 und 6-0 (Bezeichnung USP). Dabei gilt: Je höher die Zahl desto dünner der Faden und umgekehrt. Die Verwendung einer 6-0-Naht ist in der Oralchirurgie eher die Ausnahme. Sie erfordert ein mikrochirurgisches Instrumentarium und eine optische Vergrößerungshilfe. Grundsätzlich gilt, dass im ästhetisch sichtbaren Bereich eher dünnere Fäden und im Seitenzahnbereich eher dickere verwendet werden sollten.

Sämtliche Nahtmaterialien werden von den Herstellern steril verpackt geliefert. Dabei ist der Faden auf einer Spule aufgewickelt, die aus Pappe oder Kunststoff besteht. Gerade monofiles Nahtmaterial neigt dazu, nach Entnahme aus der Verpackung die Form der Spule beizubehalten (Abb. 2-80 und 2-81). Das Nähen wird dadurch nicht gerade erleichtert, insbesondere bei den ersten Nähten, bei denen der Faden meist noch 40 Zentimeter lang ist. In diesen Fällen empfiehlt es sich, mit sterilen Handschuhen die Nadel zwischen Daumen und Zeigefinger der einen Hand zu halten und den Faden durch Daumen und Zeigefinger der anderen Hand einmal hindurchzuziehen (Video 2-8). Durch das Strecken des Fadens verschwindet die Form der Spule fast vollständig und das Nähen wird deutlich erleichtert.


Abb. 2-80 und 2-81 Nach Entnahme des Fadens aus der Verpackung.

Video 2-8 Strecken des chirurgischen Fadens nach der Entnahme aus der Verpackung.

Literatur

1.Reichart PA et al.: Curriculum Zahnärztliche Chirurgie. Band 1. Berlin: Quintessenz, 2001.

2.Schweizerische Zahnärztegesellschaft SSO: Qualitätsleitlinien: Praxishygiene (2015). https://www.sso.ch/zahnaerzte/qualitaetsleitlinien.html (letzter Zugriff 04.06.2020).

3.World Health Organization (WHO): Surgical Handrubbing Technique, NewSurgicalA3 (2009).

Das kleine 1 x 1 der Oralchirurgie

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