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Einleitung Bettina Malter und Ali Hotait

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Profi-Hürdenläufer zu werden, ist der Traumberuf eines jeden Kindes1. Zumindest müsste er das sein, wenn man sich die Hindernisse anschaut, die das deutsche Bildungssystem für sie bereit hält. Sei es, die Grundschule mit guten Noten zu bestehen, um auf ein Gymnasium gehen zu können, nach der Schule einen Ausbildungsplatz zu bekommen oder überhaupt gesund das Ziel zu erreichen. Hürdenläufer taucht jedoch nicht in der Top-10-Liste der beliebtesten Ausbildungsberufe auf. Jugendliche wollen lieber Erzieher, Koch oder Mechatroniker werden. Andere träumen davon BWL, Medizin oder Germanistik zu studieren. Um das zu erreichen, müssen jedoch alle den Hürdenmarathon bewältigen. Das Problem: Wer die falschen Voraussetzungen mitbringt oder einen Fehltritt macht, muss entweder steinige Umwege hinnehmen oder wird gar disqualifiziert.

Den Hürdenmarathon, zu dem uns unser Bildungssystem zwingt, zeichnen wir in diesem Buch nach. Dabei stellen wir die verschiedensten Hindernisse dar, denn Hürde ist nicht gleich Hürde. So gibt es die, mit denen alle zu kämpfen haben, die, die sich nur für bestimmte Kinder, Jugendliche und Studierende stellen, und wiederum solche, die direkt mit der Gesellschaft zusammenhängen. Zudem zeigen wir auch institutionelle Hürden auf. In der Wissenschaftssprache nennt man dies institutionelle Diskriminierung. Diese meint Diskriminierungen, die innerhalb einer Institution wie der Schule stattfinden. Es handelt sich dabei meist um „etablierte Strukturen, eingeschliffene Gewohnheiten […] und bewehrte [Handlungsgrundsetze]“2. Darüber wird in Deutschland leider nur selten gesprochen. 3grundsetze]“

Das wollen wir ändern. Dieses Buch ist aus der Idee entstanden, eine Debatte in Deutschland über unser Bildungssystem anzustoßen. Denn alle jungen Autoren dieses Buches sind sich einig: Es muss sich etwas verändern!

Vielen ist nicht bekannt, dass es in unserer Bildungslandschaft Hürden gibt. Oft herrscht das Bild vor, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied sein könnte, allein weil die Bildung in Deutschland kostenlos ist. Dass dies leider nicht so einfach ist, werden die einzelnen Kapitel zeigen.

Dieses Buch gibt analysierende und auch persönliche Einblicke in die Bildungsläufe einer Generation. Alle Autoren sind zwischen 19 und Anfang 30 und zeigen Hürden auf, die sie selbst erlebt haben oder die sie besonders problematisch finden. So wechseln sich analysierende Kapitel mit kurzen Selbstporträts ab. Diese sollen die zentrale Frage des Buches widerspiegeln: Was macht das Bildungssystem mit den Menschen, die darin lernen?

So ist das Buch wie ein Hürdenlauf aufgebaut und daher beginnen wir mit der frühkindlichen Bildung und zeigen, welchen Problemen sich schon Kinder stellen müssen. Für viele werden bereits die Wahl des Kindergartens oder die Einschulung zum Fehlstart. Häufig spielt hier der sogenannte sozioökonomische Hintergrund eines Kindes eine große Rolle, also aus welchen sozialen und finanziellen Verhältnissen es kommt.

Im darauffolgenden Abschnitt geht es vor allem um die Selektion nach der Grundschule und was dies für Jungen und Mädchen bedeutet. Seit der PISA-Studie ist klar, dass der Bildungserfolg eines Kindes maßgeblich von der Bildung der Eltern abhängt. Die Lauf bahnen sind vorgezeichnet und es ist schwer aus diesen auszubrechen, wie wir zeigen werden. Das Dramatische hierbei ist, dass diese Ungerechtigkeit bekannt ist und dennoch stark an der Dreigliedrigkeit, also an der Trennung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium festgehalten wird. Wir sollen aus der Vergangenheit lernen, um die Zukunft besser zu gestalten, wird schon im Geschichtsunterricht gelehrt. Für das Bildungssystem gilt dies aber offenbar nicht. Denn hier klammert sich die Politik und die Gesellschaft an die veralteten Strukturen, die ihren Ursprung im Kaiserreich haben. Entscheidend für die Organisation der Schule war das Jahr 1787. In dem Jahr wurde das sogenannte Oberschulkollegium gegründet, durch das die Schulen in Preußen zum ersten Mal zentral verwaltet wurden.4 Der erste Leiter dieser Behörde beschrieb in einem Plan seine Vorstellung, wie das preußische Schulwesen organisiert werden sollte. Für ihn war klar, „daß der Bauer anders als der künftige […] Bürger, und dieser wiederum anders als der künftige Gelehrte […] unterrichtet werden muß. Folglich ergeben sich drei Abteilungen aller Schulen des Staates; nämlich: 1) Bauer- 2) Bürger- und 3) Gelehrte Schulen.“ 5

Dieses Denken versteckt sich auch in der heutigen Dreigliedrigkeit unseres Schulsystems und erschwert dadurch den Bildungsaufstieg eines Kindes ungemein. Inzwischen hat sich diese Dreigliedrigkeit ausgeweitet. So gibt es beispielsweise noch Förderschulen und Gesamtschulen, weswegen wir im Buch immer von einer Mehrgliedrigkeit sprechen werden.

Der Aufstieg durch Bildung wird dann im folgenden Abschnitt thematisiert, in dem sich die Jugendlichen schon mitten im Hürdenmarathon befinden. Welche Pläne haben Jugendliche nach der Schule? Welche Hürden gibt es, eine gute Ausbildung zu finden? Und wie funktioniert es eigentlich, ohne Abitur zu studieren? Für dieses Buch haben wir Interviews mit Schülern geführt, die kurz vor ihrem Schulabschluss stehen und die wir nach ihren Zukunftsvisionen und Plänen gefragt haben. Durch diese Studie wird deutlich, wie stark die Schüler selbst die für sie vorgezeichneten Laufbahnen verinnerlicht haben und ihnen oft andere Optionen gar nicht bekannt sind.

Um die Hürdenelite, also um Probleme wehrend und nach dem Studium, geht es im darauffolgenden Abschnitt. Hier werden weitere Hürden, wie der Übergang vom Bachelor zum Master oder die Möglichkeit als Fachhochschulabsolvent zu promovieren, beleuchtet. Ein besonderes Augenmerk wird auf das Thema Depression gelegt, da in den vergangenen Jahren verstärkt auch Studierende betroffen sind.

Die nächste Abschnittsüberschrift Staffellauf statt Hürdenlauf spiegelt die Vision wider, die wir für das Bildungssystem haben. Es soll also ein Lauf sein, in dem Jugendliche keine Hürden überwinden, sondern gemeinsam mit Eltern, Lehrern und anderen Begleitern ihren Weg gestalten. Visionen finden sich immer in den einzelnen Kapiteln wieder, wobei es auch Kapitel gibt, die hauptsächlich Vorschläge diskutieren.

Abschließend werden die derzeitigen Debatten um Bildung ausführlich analysiert und es wird dargelegt, welchen Herausforderungen man sich stellen muss, wenn man solch eine Debatte gestalten will.

Dieses Buch soll darauf hinweisen, wie problematisch unser derzeitiges Bildungssystem ist und dass es keiner kleinen Reförmchen bedarf, sondern einer grundlegenden Veränderung – einer Revolution. Wir sind eine Gesellschaft, die sich als Wissensgesellschaft definiert. Bildung hat also einen hohen Stellenwert und ermöglicht darüber hinaus den sozialen Aufstieg. Um so entscheidender ist es, dass jetzt endlich entsprechende Schritte folgen, die Hürden abzuschaffen.

Wir hoffen, Sie hierdurch anzuregen, das derzeitige System zu überdenken, in Frage zu stellen und darüber zu diskutieren.


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