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Welche Rolle spielt die Koranexegese für das Leben der Moslems in Deutschland? Und: Giebt es eine besondere Tradition der Koranexegese in Deutschland? (Also: Sind deutsche Moslems besonders liberal etc.?)

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Musliminnen und Muslime in Deutschland können gegenüber ihrer Religion vieles sein: konservativ und liberal, orthodox und reformiert, extrovertiert oder introvertiert, retrograd oder progressiv, interessiert und indifferent… Die Schablonen religionswissenschaftlicher Expertise früherer Epochen helfen hier aber nicht weiter, sondern eher die Instrumente sozial-empirischer Religionsforschung. Allerdings: Für die Musliminnen und Muslime in Deutschland spielt der verstehende Zugriff auf den Koran eine zunehmend wichtige Rolle, zumal wenn verstehendes mit erklärendem Wissen in Konkurrenz zueinander geraten. Den Koran weit gehend erklärend zu interpretieren gehört zum Mainstream islamischer Religionslehre, wie er durch die Prozesse der Migration nach Westeuropa gekommen ist. Aus diesem Blickwinkel heraus wird der Koran in jeder Hinsicht zur norma normans deduktiver Denkstrategien; Andersdenkende mit Lust am Explorativen, am Induktiven, an neuen Wegen sehen sich da schon aus prinzipiellen Vorbehalten schnell der Kritik ausgesetzt. Das Ringen um verstehendes Wissen zeichnet sich demgegenüber durch die größere Mobilität aus, muss aber, wie eingangs erwähnt, vorsichtig zwischen Beharren und Aufbruch lavieren. Der Lohn der Mühe ist die höhere Relevanz der Denkergebnisse und ihr besserer Austausch über die Grenzen hermetischer Denksysteme und kultureller Räume hinweg. Zum einen sehen sich Muslime wie Nicht-Muslime den selben drängenden Zukunftsfragen gegenüber, die nicht nach religiöser Konfession segregieren: Umweltgerechtigkeit, Wirtschaftsfragen, Fragen der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens. Mit diesen Fragen wenden sich Muslime natürlich auch an den Koran – vielleicht sogar mehr Muslime an den Koran als vergleichsweise Christen an die Bibel. Zum anderen sind heranwachsende Muslime darauf angewiesen, sich von rigiden und religiös begründeten Einschränkungen zu befreien, wie sie in den sozialen Gruppen entstehen können, denen sie angehören. Mit dem islamischen Religionsunterricht als ordentliches Fach an der öffentlichen Schule beispielsweise werden auch hermeneutische Kompetenzen eingeübt, die dabei helfen sollen, sich selbstverantwortet zur Religion des Islams positionieren zu können. Hierüber kommt es immer wieder zum Disput zwischen grundsätzlichen Strömungen islamischer Theologie und Philosophie (vertiefend Behr 2009 a und b), bei dem es aber eigentlich nur darauf ankommt, miteinander im Gespräch zu bleiben und den Streit fruchtbar zu machen. Ja, Koranexegese als gehobene Streitkultur – das wäre ein interessanter „deutscher“ Weg.

Der Koran

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