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Externe Einflussfaktoren
ОглавлениеDer konkrete Verlauf des Konkurrenzgeschehens wird von verschiedensten externen Faktoren beeinflusst. Es ist, wie wenn Spieler eines Monopoly-Spiels ständig von aussen gestört würden, indem plötzlich neue Regeln eingeführt, manchen Spielern zusätzliche Ressourcen gegeben, anderen Ressourcen entzogen, Pausen erzwungen würden usw. Externe Einflussfaktoren können sehr verschiedene Gestalt annehmen – wir nennen hier nur fünf der wichtigsten Formen.
Der erste zu nennende Einflussfaktor ist das Regime religiös-säkularer Konkurrenz (wir sprechen im Folgenden abgekürzt auch vom Konkurrenzregime). Dieses legt sowohl über die gesetzlichen Wege als auch über die in der Gesellschaft geltenden Normen fest, ob und inwieweit es zu einer intra-religiösen oder religiös-säkularen Konkurrenz kommen kann und nach welchen Regeln solche Konkurrenzen abzulaufen haben. Das Regime religiös-säkularer Konkurrenz kann sowohl das Angebot als auch die Nachfrage regulieren. Beispiele für Regulierung des Angebots sind etwa die Behinderung religiöser Anbieter in der DDR oder die öffentlich-rechtliche Anerkennung mancher religiöser Gemeinschaften in der Schweiz. Beispiele für die Regulierung der Nachfrage sind Normen, die eine religiöse Praxis sozial erwarten (wie dies z. B. für manche französischen Dörfer noch in den 1950er Jahren galt) oder gesetzliche Normen, die eine kirchliche Heirat vorschreiben. Das Regime religiös-säkularer Konkurrenz ist also gewissermassen die für eine bestimmte Zeit in einer Gesellschaft geltende Summe der «Spielregeln». Eine für unsere Theorie wichtige Einsicht ist dabei, dass solche Spielregeln nie unangefochten sind. Sie beruhen auf Machtverteilungen, Grössenverhältnissen von Gruppen usw., sie werden ständig neu ausgehandelt. In manchen Situationen kann es dann zu «Wechseln des Konkurrenzregimes» kommen, d. h., die Veränderungen der Spielregeln sind so gross, dass ein qualitativ neues Spiel entsteht (siehe unten). |41|
In Einklang mit neueren ökonomischen und historischen Theorien legt unsere Theorie einen besonders starken Akzent auf Innovationen.104 Zunächst kann man hier an wissenschaftliche/technische Innovationen denken. Diese verändern durch neue Kontroll- und Verstehensmöglichkeiten die Ressourcen und Opportunitäten der verschiedenen Konkurrenten.105 Die Evolutionstheorie von Charles Darwin etwa veränderte das gesamte religiös-säkulare Konkurrenzfeld, da sie zum ersten Mal eine Möglichkeit eröffnete, die Entstehung des Menschen rein säkular zu erklären.106 Die Ergebnisse der historisch-kritischen Bibelwissenschaften, angestossen etwa von Julius Wellhausen zum Alten Testament oder David Friedrich Strauss zur Gestalt Jesu, haben die religiös-säkulare Konkurrenzlage innerhalb des Protestantismus und langfristig in den westlichen Gesellschaften insgesamt tiefgreifend verändert.107 Während die genannten wissenschaftlichen Innovationen religiöses Wissen direkt betreffen, wirken viele wissenschaftliche Innovationen indirekt, indem sie in zunächst kaum merklicher Weise das Bewusstsein der Menschen modifizieren. Sie beeinflussen, um mit Peter Berger zu sprechen, die allgemeine «Plausibilitätsstruktur» der Menschen.108
Neben wissenschaftlich-technischen sind drittens soziale Innovationen äusserst wichtig. Die Idee der universellen Menschenrechte etwa, die sich (nach wichtigen Entwicklungsstationen im Naturrecht der Aufklärung und der amerikanischen und französischen Revolutionen) ab 1948 durchsetzte, zeigt die Möglichkeit der Begründung des Wertes des Menschen unabhängig von Gott.109 Der Wohlfahrtsstaat, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfunden und ab den 1950er Jahren in vielen westlichen Ländern extrem ausgebaut wurde, führte zu einem vorher nie gekannten Mass an individueller Sicherheit – eine Sicherheit, die von religiösen Gemeinschaften und Ideologien unabhängig war.110 Die Erfindung der modernen Professionen im 19. Jahrhundert – die die Zünfte ablösten – führte zum Siegeszug des wissenschaftlich legitimierten Expertentums. Die damit neu entstehenden Berufe, insbesondere der Journalisten, Ärzte, Sozialarbeiter und Psychotherapeuten, wurden zu zentralen Konkurrenten der religiösen Führungskräfte, der Kleriker, die sich als umfassende Experten verstanden und sich ihre |42| rseits von Trägern eines schon im Ancien Régime gegebenen Amtes zu Mitgliedern einer Profession verwandeln mussten.111
Eine vierte Form von externen Einflussfaktoren besteht in Grossereignissen. Beispiele sind Seuchen, Kriege, Hungersnöte, meteorologische Ausnahmezustände, Völkerwanderungen u. ä. So ist die massive Welle der Islamophobie in der westlichen Welt nach 2001 aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem grossen Teil auf die Attentate vom 11. September und ihre Folgen zurückzuführen. Ohne diese Attentate wäre die Diskussion um den Islam und die Haltungen gegenüber Angehörigen des Islams vermutlich anders verlaufen.112
Als fünfter und letzter Einflussfaktor sind soziodemografische Veränderungen zu nennen. Veränderungen von Geburtenraten, Verschiebungen in den Zahlen von mono- oder interkonfessionellen Ehen, Männer- oder Frauenüberhänge in Gesellschaften können wichtige Einflüsse auf die religiös-säkulare Konkurrenz aufweisen. So können sich z. B. Mehrheitsverhältnisse zwischen konkurrierenden Parteien aufgrund unterschiedlicher Fertilität innerhalb weniger Generationen umkehren. Auch Veränderungen von Bildungs- und Berufsstatus sowie Einkommensverteilungen sind hier zu nennen.