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3.2 Formation durch Liturgie – ein liturgiedidaktischer Ausblick
ОглавлениеDie wichtigste liturgiedidaktische Schlussfolgerung, die wir aus dem formativen Ansatz ziehen, lässt sich im Lichte unserer Ausführungen auf den einfachen Nenner bringen: Gottesdienstfeiern übt man. Damit sind zwei Bezugspunkte im Blick, auf die sich jede liturgische Didaktik bezieht. Es ist dies einerseits die Spiritualität und andererseits die Bildung. Spiritualität im Sinne einer Übung bzw. Ein- und Ausübung des Glaubens und Bildung als Ausbildung eines Habitus kommen im Gottesdienst zusammen. Anders gesagt: Wenn man dem heiligen Spiel des Gottesdienstes eine charakterbildende Wirkung zutraut, rückt die Liturgie als Ort des Feiernlernens selbst ins Zentrum. Das wiederum lässt uns zum Schluss nach Konzepten Ausschau halten, die über eine Bildung zum Gottesdienst hin nachdenken lassen und in der katholischen und orthodoxen Tradition mit dem Begriff der Mystagogie in Verbindung gebracht werden.
Der römisch-katholische Religionspädagoge Rolf Sauer spricht in diesem Zusammenhang von der «Kunst, Gott zu feiern». Auf dem Hintergrund der konziliaren Gottesdiensttheologie und einer liturgischen Anthropologie, die er im Anschluss an Romano Guardinis Überlegungen zur Liturgiefähigkeit entfaltet, stellt Sauer den gemeinschaftlichen Vollzug des Gottesdienstes ins Zentrum.98 Aus dem Verständnis des Gottesdienstes als normativen Selbstvollzug der Kirche, in dem die Gemeinde als Subjekt und Träger des liturgischen Tuns nicht nur sich selbst, sondern Gott erfährt, leitet er die Forderung einer mystagogischen Liturgie ab. Gemeint ist damit eine Praxis, die Praktiken, die den Zugang zum Geheimnis Gottes vorbereiten, im Vollzug lehrt und üben lässt. Feier wird zur Gebetsschule.99 Sie wird zum bedeutsamsten Ort liturgischer Bildung, «der die Mitfeiernden durch den Vollzug der Liturgie liturgisch formt».100 Dies hat wiederum zur Konsequenz, dass auch der Religionsunterricht in wesentlichen Teilen zum Gottesdienst hinführen und gottesdienstfähig machen soll. Die Inhalte des Ministrantenpastorals – das Vertrautmachen mit dem Kirchenjahr, die Erschließung liturgischer Zeichen, der Aufbau der Eucharistiefeier, die Pflege des Liedgutes und die Verbundung von |36| Liturgie und Diakonie101 – werden zu elementaren Lernzielen des gesamten Katechumenats.
In eine ähnliche Richtung zielen Überlegungen des amerikanischen Theologen Gordon W. Lathrop, der am Lutherischen Theologischen Seminar in Philadelphia eine Professur für Liturgie bekleidet und in vielerlei Hinsicht als Brückenbauer zwischen den liturgischen Kulturen der Orthodoxie und des Protestantismus gelten kann.102 Sein Dreischritt einer liturgischen Theologie, Ekklesiologie und Kosmologie103 basiert auf auf einer Kernaussage aus Cyrills von Jerusalem mystagogischen Katechesen: das Heilige den Heiligen.104 Der Zugang zu den heiligen Dingen wird von Lathrop als Vollzug einer Primary Liturgical Theology begriffen, die in einer Secondary Liturgical Theology mit Bezug auf Quellen historisch und systematisch und in einer Pastoral Liturgical Theology mit Bezug auf die Gemeinde praktisch reflektiert wird.105 Stärker als Sauer sehen wir bei Lathrop das Bemühen, die Theologie an ihre Bildungsaufgabe zu erinnern und nach dem inneren Zusammenhang der ersten, zweiten und dritten Theologie zu fragen.106
Der Seitenblick auf Liturgiker der Schwesternkirchen am Ende unseres Beitrags soll noch einmal das Stichwort ins Gedächtnis rufen, von dem wir ausgegangen sind. Letztlich erkennen wir auch in der didaktischen Reflexion jene Grundfigur der Dialektik göttlichen und menschlichen Handelns wieder, die sich für ein theologisch fundiertes Nachdenken über den «Gottesdienst der Kirche» als zentral erwiesen hat. Die Bildung zum Gottesdienst klärt Voraussetzungen und macht Vorbereitungen, um die Bildung im Gottesdienst geschehen zu lassen. Was das heißt, muss sowohl im konfessionellen wie ökumenischen Rahmen neu bedacht werden.107 Dass wir immer noch reformierte, römisch-katholische und orthodoxe Theologie treiben, hat eben damit zu tun, dass wir immer noch reformiert, katholisch und orthodox Gottesdienst feiern. Also sind auch die Übergänge der symbolisch-metaphorisch-performativen Kommunikationsmodi des Gottesdienstes in die diskursiv-propositionalen Denk- und Sprachformen der Theologie |37| immer noch konfessionell geprägt. Daraus zu schließen, dass es keinen Gottesdienst der einen, heiligen und katholischen Kirche geben kann, wäre nicht nur ein fataler theologischer Fehlschluss, sondern würde auch das Fundament einer Liturgiedidaktik in Frage stellen, die nach dem Ordo der Una Sancta fragt, der in der Feier des Gottesdienstes am Werk ist – auch wenn wir diesen einen Gottesdienst nur in der Vielfalt der Formen haben.
Wenn wir also ernst nehmen, dass die Liturgik vom und im Gottesdienst der Kirche lernt und nicht nur über ihn lehrt, nehmen wir auch ernst, dass die Liturgie kein Besitz unser Konfession bzw. unserer Kirche ist. Liturgie muss uns dann aber immer auch fremd bleiben – gerade weil ihre Quelle der Gottesdienst der Kirche ist. Lathrop notiert mit einer Referenz auf die Didascalia Apostolorum diesen u. E. wichtigen Gedanken:
Liturgical formation […] will not be the creation of the ownership nor the taming of the symbols, but rather the passing on of polarity. It will involve a welcome to here that always is open to there, an invitation that does not forget the warning, a warning always paired with invitation.108
Wenn man den Gottesdienst auf einen Ausdruck religiöser Gefühle reduziert, schlägt man diese Warnung in den Wind und verpasst die Einladung. Liturgische Bildung ist darum gut beraten, dem ungezähmten Symbol in der eigenen Konfession Beachtung zu schenken. Darum gehört zu einer theologisch fundierten Liturgiedidaktik zwingend auch die Begegnung mit Liturgien von Christen, die anders feiern. Um dann hoffentlich zu erfahren: Sie feiern anders, aber sie feiern denselben Jesus Christus heute, morgen und in Ewigkeit (Hebr 13,8). |38|