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«Ursula Trachsel

Es ist ein Ros’ entsprungen

«Mir wäre lieb gewesen, wenn es gleich fertig gewesen wäre», sagtest du damals, vor etwas mehr als zwei Jahren. Du bist zu Hause die Treppe hinuntergestürzt, hast dir den Oberschenkel gebrochen, die Schulter arg verletzt, und zahlreiche blaue Flecken zeugten von deinem Unglück.

Lange bist du da gelegen, bevor ein Nachbar dich gefunden hat. «Acht Kinder habe ich geboren, aber diesen Schmerz nach dem Sturz, ich meinte, ihn nicht aushalten zu können», sagtest du.

Es ist nicht «fertig gewesen». Man hat dir ein Stück Metall anstelle des Oberschenkelknochens eingesetzt, deine Schulter bandagiert, die blauen Flecken gesalbt und dich mithilfe eines Rollators – ein Stosserli, wie du den neuen Begleiter nennst – mobili­siert.

Für dich ist schnell einmal klar geworden, dass die selbstständige Haushaltführung in deiner Wohnung im Bergdorf mit den langen Wintern nicht mehr möglich sein würde. Ein Platz im Altersheim war frei und du bist eingezogen: mit dem Stosserli, einem kleinen Koffer und schwerem Herzen. Du schliefst fortan nicht mehr im breiten Holz­bett, das du über fünfzig Jahre mit deinem Mann geteilt hattest. Du hattest keine eigene Küche mehr zum Zubereiten deiner Minestrone und Backen deiner Apfel­kuchen. Damals, vor etwas mehr als zwei Jahren, wurde deine Welt innert weniger Wochen demontiert.

Heute bist du in deiner neuen Welt angekommen. Dein Lebenswille ist nochmals er­starkt. In Demut und Dankbarkeit hast du das für dich Gute erkannt und deinen Platz im Altersheim gefunden.

Heute, mit 96 Jahren, hast du in deiner neuen Welt gelernt zu geniessen, wohl erst­mals in deinem Leben in diesem Ausmass. Du geniesst das feine Essen, immer mit Dessert, wie du zu betonen pflegst. Du geniesst es, eingecremt zu werden nach Dusche oder Bad; du würdest dich jeweils so wohl fühlen wie ein «Mämmi» – ein Säugling. Du geniesst es, nicht länger mit Haus­arbeit belastet zu sein; alle Pflegenden seien so aufmerksam und sorgfältig, betonst du immer wieder. Du machst mit bei allen Aktivitäten: du malst, du kochst, du turnst, du jasst, du singst. «Weisst du, wir krächzen mehr, als wir singen, aber es macht Freude», sagtest du mir, als wir zusammen Weihnachtslieder gesungen haben in deinem Zimmer im Altersheim.

«Es ist ein Ros’ entsprungen, aus einer Wurzel zart» – wie das Blümlein im kalten Winter bist du aufgeblüht, Anna, du starke, lebensbejahende, würdevolle, neugierige und demütige Schwiegermutter. Ich danke dir.»

Diese Worte in ihrem Herzen

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