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Vera Spöcker

Der Weihnachtsengel

Sie sitzt in der Kirche, vor sich den geschmückten und lichtvollen Baum. Müde ist sie zu dieser späten Stunde, doch es ist eine befriedigende Müdigkeit. Als Sigristin hatte sie die schöne Aufgabe, die Kirche weihnachtlich zu schmücken. Sie hat die Gottesdienstbesucher willkommen geheissen, und dabei die vielen brennenden Kerzen nie aus den Augen gelassen. Eine Verantwortung, die sie auch jetzt noch, nachdem sich alle anderen auf den Heimweg gemacht haben, allein in der Kirche bleiben lässt. Die letzten Kerzen verglimmen, es ist still geworden. Immer mehr nimmt die nächtliche Dunkelheit zu, die Kirche scheint langsam darin zu versinken. Sie sitzt da und lässt die Stille nach all dem Trubel auf sich wirken. Es ist eine satte Stille, die nicht einsam macht, sondern das Geschehen dieser Heiligen Nacht nachhallen lässt. Sie mag diese Stille, dieses Alleinsein. Nach der fröhlich-lebhaften Weihnachtsfeier mit ihrer Familie und dem nächtlichen Gottesdienst mit den vielen Menschen, erlebt sie nun ihre eigene, besinnliche Weihnacht. So fühlt sie sich von der Stille getragen und mit Frieden erfüllt.

In der vordersten Kirchenbank sitzend lässt sie ihren Blick wandern. Es ist eine schimmernde Dunkelheit, die sie umgibt, durchzogen vom silbernen Licht des Vollmondes. Sie sieht den Weihnachtsbaum schemenhaft vor sich, ein leises Glitzern leuchtet ab und zu noch auf. Dann bleiben ihre Augen auf einem nahen Chorstuhl ruhen, auf dessen Baldachin ein geschnitzter Engel thront. Er sitzt da, die Arme auf das dem Chorstuhl zugehörige Familienwappen gestützt und schaut ihr direkt in die Augen.

Plötzlich lauscht sie aufmerksam in die Stille. Was ist da leise, aber doch vernehmbar zu hören? «Vom Himmel hoch, da komm ich her …» Erst meint sie, sich verhört zu haben, meint, das Weihnachtslied klinge noch in ihren Ohren nach. Doch nein, als sie länger hinhört, erkennt sie, dass dieses Lied vom Chorstuhl herkommen muss.

«Bist du ein Weihnachtsengel?», fragt sie ziemlich erstaunt. «Ja, das bin ich», kommt die Antwort keck von oben herab. Sie schaut den Engel ungläubig an. «Das ganze Jahr hindurch sehe ich dich auf dem Familienwappen sitzen, doch niemand hat mir je erzählt, dass du ein Weihnachtsengel bist.»

Der Engel schaut sie weiterhin unverwandt an, blinzelt ins silberne Mondlicht und setzt nach einigem Zögern zu einer Rede an: «Wir Engel von der ersten Stunde, die wir die Geburt des Christus verkündigt haben, hatten und haben immer noch die göttliche Botschaft zu überbringen. Wir bleiben die singenden und jubilierenden Engel, solange diese Botschaft unter die Menschen gebracht werden muss. Unter diejenigen, die noch nicht davon wissen, oder zu denjenigen, die die Botschaft wieder vergessen haben. Wir bringen sie den Hoffnungslosen und Kranken, den Traurigen und Einsamen, den Herrschern dieser Welt und den Kriegsopfern, den Verbrechern und vom Wege Abgekommenen, zu allen, die ein Zeichen der Liebe und der Hoffnung brauchen. Wir lassen das Weihnachtslicht aufleuchten mitten in der Finsternis dieser Erde.»

Sie sitzt still da und lässt die Worte des Engels nachwirken. Verwundert fragt sie: «Doch sag Weihnachtsengel, weshalb sprichst du dann jetzt zu mir?»

Diese Worte in ihrem Herzen

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